MdM Salzburg: This World Is White No Longer

April 23, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Eine Schau gegen Rassismus und Xenophobie

Angelika Wienerroither: Utopia (Why can’t we all just get along?) (Detail), 2021. Courtesy of the artist, © Angelika Wienerroither

„Diese Welt ist nicht mehr weiß und wird es nie mehr sein“, stellte der USamerikanische Schriftsteller James Baldwin 1953 in seinem Essay „Stranger in the Village“ fest. Baldwins prophetischer Satz steht für eine entschiedene Kritik am weißen westlichen Denken und zugleich für einen Aufruf zu einem universellen Humanismus. In seinem Essay reflektiert er seine Erfahrung als schwarzer New Yorker, der Anfang der 1950erJahre in einem Schweizer Dorf

zu Besuch ist. Die ausschließlich weißen Bewohnerinnen und Bewohner begegnen dem Schriftsteller nicht mit einer feindseligen, aber doch grundsätzlich abweisenden Haltung. Sein Aussehen, seine Sprache erscheinen ihnen fremd. Von diesem spezifischen einfachen Blick unterscheidet Baldwin jene Erfahrung, in der es nicht mehr eine für sich stehende weiße oder schwarze Sichtweise der Welt gibt, sondern eine Geschichte unterschiedlicher Perspektiven, die durch das Drama von Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus und durch das fortwährende Ringen mit diesen Herausforderungen eng, tiefgehend und komplex miteinander verbunden sind.

Die Ausstellung „This World Is White No Longer. Ansichten einer dezentrierten Welt“, ab 24. April im Museum der Moderne Salzburg, sieht in Baldwins Kernaussage, dass der machtpolitisch dominante weiße Blick seine Gültigkeit verloren hat, eine wesentliche Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus, Xenophobie und Exklusion. Die Ausstellung vertritt eine Haltung, in der es nicht um eine reine Darstellung von Kritik geht, sondern darum, die „weiße Brille“ abzunehmen. Sie untersucht das Potenzial des Perspektivenwechsels als eine Methode zur Dezentrierung des eigenen Blicks auf die Welt. Die Kritik an rassistischen Denk-und Verhaltensmustern ist dabei ebenso wichtig wie die Wahrnehmung und Reflexion unterschiedlicher Sichtweisen und der Wechsel zwischen verschiedenen Identitätskonstruktionen und Lebenswirklichkeiten.

Ein Referenzwerk der Ausstellung ist die aus der Sammlung Generali Foundation stammende MultimediaInstallation „Black Box / White Box“ der Künstlerin und Philosophin Adrian Piper. Piper bietet in dieser 1992 entstandenen Arbeit zwei Sichtweisen auf die Misshandlung des schwarzen USBürgers Rodney King durch die örtliche Polizei und die darauffolgende Unterstützung der Täter durch den damaligen Präsidenten George Bush senior: eine schwarze und eine weiße Sichtweise.

Samuel Fosso: Self-Portrait (Angela Davis), 2008. Courtesy the artist und JM Patras, Paris © Samuel Fosso und JM Patras, Paris. Bild: Samuel Fosso

Samuel Fosso: Emperor of Africa, 2013. Courtesy the artist und JM Patras, Paris © Samuel Fosso und JM Patras, Paris. Bild: Samuel Fosso

Samuel Fosso: Black Pope, 2018. Courtesy the artist und JM Patras, Paris © Samuel Fosso und JM Patras, Paris. Bild: Samuel Fosso

Die Installation erlaubt es in zwei unterschiedliche Perspektiven einzutauchen und vom jeweils eigenen Standpunkt aus einen Blickwechsel vorzunehmen. In einem solchen Prozess der Dezentrierung des Denkens wird Diskriminierung mit einem Mal spürbar. Während Betroffene darin eine Bestätigung ihrer Situation finden, lernen die anderen, was es bedeutet Rassismus zuerfahren. Pipers Arbeit ist ein Schlüsselwerk der jüngeren Kunstgeschichte. Wie kaum eine andere Arbeit schließt sie die Problematik von Rassismus und Xenophobie mit dem Erkenntnispotenzial eines empathischen Perspektivenwechsels kurz.

Die Ausstellung präsentiert ausgehend von zentralen Werken der Sammlung Generali Foundation eine Auswahl signifikanter Positionen von Künstlerinnen und Künstlern, die sich auf jeweils spezifische Weise mit der Dezentrierung und Dekolonisierung des Denkens und der Bewegung zwischen unterschiedlichen Identitäten und Lebenswirklichkeiten befassen. Diese Instrumente einer multiperspektivischen Globalität bilden wichtige Elemente der Infragestellung von Rassismus, Xenophobie und sozialer und kultureller Exklusion.

Mit Werken von Karo Akpokiere, Lothar Baumgarten, Danica Dakić, Forensic Architecture, Samuel Fosso, Charlotte HaslundChristensen, Alfredo Jaar, Voluspa Jarpa, Belinda KazeemKamiński, Adrian Piper, Lisl Ponger und Kara Walker.

Kara Walker: Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski (Videostill), 2009. Courtesy Sprüth Magers und Sikkema Jenkins & Co © K. Walker. Bild: K. Walker

Danica Dakić: El Dorado. Gießbergstraße, 2006–07. Farbdiapositiv, Leuchtkasten. Courtesy of the artist © Danica Dakić / Bildrecht, Wien 2021. Bild: Danica Dakić

Lothar Baumgarten, Unsettled Objects (Detail), 1968–69. © Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am MdM Salzburg / Bildrecht, Wien 2021. Bild: Dario Punales

Forensic Architecture: Border Violence Across the Evros/Meriç River: Six Investigations (Videostill), 2019–21: „Ein Zeuge beschreibt die Gewalt, die er während eines Push-Backs durch Grenzschutzbeamte erlitten hat“. Courtesy of the artists © Forensic Architecture. Bild: Forensic Architecture

Dazu präsentiert die Klasse für Fotografie und Neue Medien der Universität Mozarteum Arbeiten, die aus einer intensiven Beschäftigung mit verschiedenen Ausprägungen von Rassismus entstanden sind. Mit einer Vielfalt an Zugängen reflektieren die Studierenden alltäglichen und strukturellen Rassismus, hinterfragen Identitätszuschreibungen und untersuchen Möglichkeiten von Machtkritik und Selbstermächtigung. Sie stellen Verbindungen zu anderen Diskriminierungsformen her und thematisieren die Mechanismen sozialer Medien ebenso wie neokolonialistische Praktiken des Tourismus.

Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage nach der eigenen Position innerhalb von Kulturen und Ökonomien in Österreich und das damit einhergehende Verhältnis zu Rassismus. Die Ausstellung versteht sich als Verhandlungsraum. Sie verändert sich während der Laufzeit und macht damit einen Diskussionsprozess sichtbar, der unbeantworteten Fragen, fragmentarischen Überlegungen und Richtungswechseln gleichermaßen Raum gibt wie vollendeten Werken.

Werke unter anderem von Pia Geisreiter, Hannah Imhoff, Charlotte Pann, Sabine Reisenbüchler, EvaMaria Schitter, Sculpting Feminism Reading Group, Angelika Wienerroither und Alba Malika Belhadj Merzoug.

www.museumdermoderne.at

23. 4. 2021

Die 2020-Online-Edition von „this human world“- International Human Rights Film Festival

November 30, 2020 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Queen’s Gambit-Doku, Phil Collins & Sundance-Sieger

Sunless Shadow. © this human world

#Corona-bedingt findet die 13. Ausgabe von „this human world“- International Human Rights Film Festival ab Donnerstag, 3. Dezember, online statt. Bis 13. Dezember wird ein Großteil des ursprünglich fixierten Programmes anstatt in vier Wiener Kinos und diversen Side Locations über den Festivalhub auf www.thishumanworld.com ins Wohnzimmer gestreamt werden können.

Vier bis fünf der 50 ausgewählten Filme werden täglich ab 18 Uhr und für 48 Stunden als Video on Demand abrufbar sein. Und auch in Zeiten der physischen Distanz wird das Publikum nach dem Abspann nicht alleine gelassen: zumindest virtuell werden Q&A’s, Director Statements und Live-Diskussionen angeboten, um trotzdem ein Ort für Austausch, Engagement und solidarische Vernetzung zu sein. Schwerpunkte der Online-Festival-Edition sind „The Queens‘s Gambit“, unter dem Titel „female* working realitis“ weibliche Arbeitsrealitäten, ein ungeschönter Einblick in die US-Gefängnisindustrie und eine iranische Jugendstrafanstalt als sicherer Ort für junge Mädchen in „Sunless Shadows“, Pressefreiheit und die Suche nach neuen Formen von Intimität.

„be_longing“ folgt Kindern und jungen Erwachsenen auf ihrem Weg durch eine brüchige Welt und „habitat“ beleuchtet die globale Schieflage rund um die Grundlagen von Lebensräumen. Auch in diesem besonderen Jahr werden in fünf Kategorien Preise an herausragende Filme und außerordentliche Beiträge für die Stärkung von Menschenrechten vergeben – die Preisverleihung findet am 13. Dezember ebenfalls online statt.

Die Programmhighlights:

„Glory To The Queen“ liefert Schachgenie Beth Harmon aus dem derzeitigen Serien‐Liebling „The Queen’s Gambit“ sozusagen in real und hoch vier: die beiden Filmemacherinnen Tatia Skhirtladze und Anna Khazaradze bringen nach 20 Jahren vier legendäre georgische Schachspielerinnen wieder zusammen, die damals zu weiblichen Ikonen der Sowjetzeit wurden und Schachspiel‐Wettbewerbe revolutionierten – eine Kampfansage, nicht nur am Schachbrett, sondern vor allem für die Frauenemanzipation.

In der Reihe „collective actionist“ ist unter anderem „Bring Down The Walls“ von Phil Collins zu sehen, der einen kritischen, ungeschönten Blick auf die amerikanische Gefängnisindustrie und ihre mittlerweile mehr als zwei Millionen Insassen wirft. „A New Beginning“ von Ala’A Mohsen porträtiert berührend und respektvoll den alleinerziehenden Vater Rabeaa und seinen vierjährigen Sohn Kais, die nach ihrer Flucht aus Syrien auf der Suche nach einem neuen Zuhause in Norwegen angekommen sind.

Gemeinsam mit dem International Press Instititute wird der Film „We Hold The Line“ von Marc Wiese präsentiert, der die Journalistin Maria Ressa im Kampf für Pressefreiheit und Gerechtigkeit und gegen das korrupte und gewalttätige System des philippinischen Präsidenten Duterte begleitet. Was passiert, wenn man aus einem ländlichen, von landwirtschaftlicher Arbeit geprägtem Umfeld in eine Millionenstadt zwangsübersiedelt  wird, legt der Langzeitdokumentarfilm „A New Era“ von Boris Svartzman eindrucksvoll dar, der in der vom neuen Festivalpartner Klima‐ und Energiefonds präsentierten Reihe „habitat“zu sehen sein wird.

In „No Gold For Kalsaka“ von Michael K. Zongo wird eindringlich verdeutlicht, welche Schäden der Bergbau für die vor Ort lebenden Menschen anrichtet und wie schnell die versprochene goldene Zukunft ihr wahrhaft hässliches Gesicht zeigt. Übrig bleibt kein Reichtum, sondern ein verseuchtes Land und weniger Lebensgrundlage als zuvor, doch eine ausgebeutete Gemeinschaft in Burkina Faso nimmt den Kampf für Gerechtigkeit auf.

In My Blood It Runs. © this human world

Sommerkrieg. © this human world

No Gold For Kalsaka. © this human world

Glory To The Queen. © this human world

Die völlig unterschiedlichen Lebensrealitäten von Kindern auf verschiedenen Kontinenten beleuchten zwei herausragende Dokumentarfilme: Moritz Schulz begleitet in „Sommerkrieg“ die 12-jährigen Kinder Jasmin und Jastrib ins Azovez-Ferienlager, ein paramilitärisches Ausbildungscamp, geführt vom rechtsextremen Bataillon Asow, das die Kinder mit unfassbarem Drill, Manipulation und Kadavergehorsam zu ukrainischen Patrioten erziehen soll. Das große Ziel: lernen, wie man eine Kalaschnikow bedient. Die Kinder müssen trotz anfänglicher Begeisterung feststellen: wer nicht gehorcht, wird bestraft. Am Ende dieses erschütternden Dokumentarfilms stehen verängstigte, desillusionierte junge Menschen, denen die einfachen Freuden eines unbeschwerten Sommers verwehrt bleiben.

Eine dem völlig entgegengesetzte Familienkonstellation hingegen kann bei „In My Blood It Runs“ von Maya Newell beobachtet werden: der aufgeweckte 10-jährige Dujuan wächst im australischen Alice Springs bei seiner liebevollen Familie auf, spricht drei Sprachen, weiß alles über die traditionelle Medizin und Geschichte seiner Vorfahren und kämpft gleichzeitig mit dem staatlichen Schulsystem, in welchem nur die geschichtliche Perspektive der weißen Bevölkerung vermittelt wird, aber sein anderer, vermeintlich von der Norm abweichender Zugang zur Welt keine Wertigkeit erfährt. Ein kraftvoll-poetisches und essentielles Portrait über die australische Jugend mit indigenen Wurzeln.

„Sunless Shadows“ von Mehrdad Oskouei nimmt einen mit in eine iranische Jugendstrafanstalt für Mädchen. Allesamt befanden sie sich in ausweglosen Situationen inmitten ihrer Familien – Situationen, die mit einem Mord am Vater, Ehemann oder einem anderen männlichen Familienmitglied endeten. Teilweise sind auch die Mütter der Mädchen inhaftiert, in einem anderen Gefängnis sitzen sie im Todestrakt – durch die Kamera erhalten sie die Möglichkeit, sich gegenseitig Nachrichten zukommen zu lassen. Oft sind die Mädchen sprachlos, denn obwohl es so viel zu sagen gäbe, überwiegt die von Geburt an antrainierte Scham. Doch langsam öffnen sie sich, beginnen, zu erzählen, denn das Gefängnis mit seiner geschlossenen und rein weiblichen Umgebung ist auch ein sicherer Zufluchtsort vor einer aggressiven und von Männern dominierten Gesellschaft.

The Earth Is Blue As An Orange. © this human world

Die Eröffnung:

Findet am 3. Dezember um 20 Uhr online mit der Österreich-Premiere von „The Earth Is Blue As An Orange“ samt virtueller Begrüßung durch die Festivalleitung Michael Schmied und Lisa Heuschober statt, im Anschluss an den Film gibt es noch ein Q&A mit der Regisseurin. Die ukrainische Filmemacherin Iryna Tsilyk hat für den Sundance‐Gewinner ein Jahr lang eine Familie begleitet, die inmitten der surrealen Umgebung der Kriegszone Donbass lebt.

Zwischen patrouillierenden Soldaten, explodierenden Granaten und Schüssen. In diesem Wahnsinn einen normalen Alltag zu finden, wenn gleichzeitig der Krieg tobt, das versuchen Hanna und ihre vier Kinder. Um gemeinsam der Gegenwart zu entfliehen, aber auch, um sie verstehen zu können, beginnen sie einen Film zu drehen- bauen das Wohnzimmer zum Studio um und diskutieren die zudrehenden Szenen am Küchentisch. In all der Hoffnungslosigkeit, der diese Familie ausgesetzt ist, wird das Filmemachen zum einzigen Halt. „The Earth Is Blue As An Orange“ ist eine gefühlvolle und genau Momentaufnahme rund um den berührenden Versuch, sich in einem der gefährlichsten Gebiete der Ukraine ein bisschen Glück zu bewahren und an Träumen festzuhalten.

Einzelticket: 3.90 €, Festivalpass – gültig für alle Filme: 25 €.

www.thishumanworld.com

  1. 11. 2020

Filmfestival der Menschenrechte: this human world

November 30, 2015 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Fünf Tipps aus dem umfangreichen Programm

How To Cross from Jiliz to Jiliz Bild: © Sona & Marina Kocharyan

How To Cross from Jiliz to Jiliz
Bild: © Sona & Marina Kocharyanrogramm

Von 3. bis 11. Dezember findet in Wien wieder das Internationale Filmfestival der Menschenrechte „this human world“ statt. Es präsentiert an neun Festivaltagen und in fünf Spielstätten ein Kino, das nahe an der gesellschaftlichen Wirklichkeit ist, aktuelle Konflikte verhandelt, politisch und sozial Stellung bezieht. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern einfühlsam, aufrüttelnd und bisweilen auch humorvoll.
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Gezeigt werden mehr als 70 Spiel- und Dokumentarfilme, dazu gibt es Publikumsdiskussionen, Konzerte und eine Nightline. „this human world“ öffnet mit Filmen von Südeuropa – bestürzend etwa die Doku „River Memories“ über Italiens größtes Elendsviertel bei Turin – bis Skandinavien den Blick für die Armut vor der eigenen Haustüre, auf ein Europa, in dem Menschen durch Arbeitslosigkeit, Wohnungskrise oder bankrotte Sozialsysteme zunehmend verarmen. Mit Projekten wie „Those Who Feel the Fire Burning“ werden die Umstände erklärt, die Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen, Schattenökonomien und Grenzpolitiken, die lebensgefährlichen Wege der Fliehenden und ihr beschwerliches Fußfassen in der Fremde, die sich allzu oft als neue Heimat verweigert. Es gibt Kino aus Lateinamerika, Georgien und Armenien, und wie schon im Vorjahr den Off-Porno-Programmschwerpunkt „Every Time We Fuck We Win 2!“
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Die Programmtipps:

4. Dezember, Top Kino: How To Cross from Jiliz to Jiliz (Armenien, 2014); es gibt ein Dorf, das heißt Jiliz. Durch Jiliz fließt ein Bach, aber dieser Bach ist nicht nur ein Bach, er ist auch die Grenze zwischen Armenien und Georgien. Die kleine Lousine und ihr Bruder leben an einem Ufer, ihre Großeltern am anderen. Um zu ihnen zu gelangen, müssen sie mehr als 100 Kilometer zum nächsten Grenzübergang fahren und dann auf der anderen Seite wieder zurück. Der Bub hat seine Großeltern noch nie gesehen. Auch Lousine kennt sie kaum. Deshalb beschließt das Mädchen, sich auf den Weg zu machen. Ein Film von Sona und Marine Kocharyan über die Absurdität von Grenzen und darüber, welche Auswirkungen diese auf das Leben von Menschen haben können. Trailer: www.youtube.com/watch?v=XYFJFPheyEA

7. Dezember, Top Kino: Hope (Frankreich, 2014); der Weg vom Golf von Guinea durch die Sahara bis zum Tor Europas an der marokkanischen Küste ist weit und gefährlich. Als die junge Nigerianerin Hope nachts in der Wüste zurückgelassen werden soll, hilft ihr Léonard aus Kamerun. In einer Welt, in der brutale Willkür und der tägliche Kampf ums Überleben herrschen, entwickelt sich aus der Zwangsgemeinschaft der beiden eine fragile Liebesbeziehung, die dem feindseligen und erbarmungslosen Leben auf der Flucht entgegenhält. Das Spielfilmdebüt des Dokumentarfilmregisseurs Boris Lojkine bietet ein beeindruckend realitätsnahes Bild einzelner menschlicher Schicksale an den Grenzen der „Festung Europa“. Lojkine lernte sowohl Haupt- als auch Nebendarsteller von „Hope“ auf deren eigener Flucht kennen. Im Anschluss an die Vorstellung gibt es ein Gespräch mit Autor Emmanuel Mbolela über dessen Buch „Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil“. Trailer: www.youtube.com/watch?v=Fycw0Q0ahlo

7. Dezember, Top Kino: Tell Spring Not To Come This Year (Großbritannien/Afghanistan, 2015); der Alltag der neu formierten Einheit der Afghanischen Armee (ANA) ist gefährlich, hart und beschwerlich. Die Soldaten sind schlecht ausgerüstet, kassieren unregelmäßig Sold und sind desillusioniert. Der Dokumentarfilm „Tell Spring Not To Come This Year“ von Saeed Taji Farouky und Michael McEvoy folgt den afghanischen Soldaten abseits und während ihrer Einsätze. Er zeigt sie auf dem Schlachtfeld und in ihrer Unterkunft. Kommentare aus dem Off konterkarieren das Gesehene und geben Aufschluss über persönliche Motive, Hoffnungen und Ängste der Männer. Dem Film gelingt es, einen schonungslosen Blick auf den Krieg aus der Perspektive von Afghanen zu werfen und die Wirren des bewaffneten Konflikts zu illustrieren. Trailer: vimeo.com/115809611

8. Dezember, Top Kino: In the Sands of Babylon / That Remal Babyl  (Irak, 2013); 1991: Das Ende des Zweiten Golfkrieges. Ibrahim, ein irakischer Soldat, ist nach dem Rückzug der irakischen Armee aus Kuwait zur Flucht gezwungen. Auf dem Weg in die Heimat gerät er in die Hände der Soldaten Saddam Husseins. Des Verrats bezichtigt, wird er inhaftiert. Trotz seiner Unschuld beginnt für ihn wie auch für seine Mithäftlinge ein Gefängnisalltag, der von Folter geprägt ist. 2013: Auf der Suche nach Antworten spricht Regisseur Mohamed  Al-Daradji mit Überlebenden des nahezu vergessenen Aufstandes gegen das Baath-Regime. Durch die Verbindung von nachinszenierten Spielfilmsequenzen und Interviews gelingt es ihm, im Nachfolgewerk seines Films „Son of Babylon“, der 2010 bei „this human world“ gezeigt wurde, ein eindrückliches Bild von den Folter- und Repressionsmethoden, mit denen gegen Regimegegner im Irak in den 1990ern vorgegangen wurde, zu zeichnen. Trailer: www.youtube.com/watch?v=Tn6gkX0kJ8s

10. Dezember, Schikaneder: Das andere bessere Leben / Drugi Bolji Zivot (Österreich, 2015) von Saša Barbul und Philomena Grassl porträtiert den täglichen Überlebenskampf einer serbischen Roma-Familie. Die Protagonisten erzählen von ihrem Alltag, der korrupten Minderheitenpolitik und dem geplatzten Traum vom Asyl in Deutschland. Idylle und Elend, Stolz und Apathie liegen nah beieinander. Die scheinbare Zeitlosigkeit des Ortes wird durch das bedrohliche Szenario der Vertreibung und Entwurzelung durchbrochen.

www.thishumanworld.com

Wien, 30. 11. 2015

World Press Photo 13

September 2, 2013 in Ausstellung

VON RUDOLF MOTTINGER

Ab 6. September im Westlicht

Bild: Paul Hansen

Bild: Paul Hansen

Es ist ein Bild, das man nicht mehr vergisst! So urteilte die Jury über das aktuelle World Press Photo des Jahres: Es zeigt eine Gruppe von Männern zwischen Wut und Trauer, die auf ihren Händen die in Tücher gewickelten Leichen zweier Kinder tragen. Der schwedische Fotograf Paul Hansen hat diese Szene am 20. November 2012 in Gaza Stadt aufgenommen.  Die Männer mit den toten Kindern sind zu einer Begräbniszeremonie in die Moschee unterwegs, dahinter, auf einer Bahre, wird der Leichnam des Vaters getragen, der so wie seine Söhne starb, als bei einem israelischen Raketenangriff das Haus der Familie zerstört wurde.

Seit 1955 lädt der Vorstand der World Press Photo Foundation, einer unabhängigen Plattform des Fotojournalismus mit Sitz in Amsterdam, zur Teilnahme am World Press Photo-Wettbewerb ein. Eine jährlich wechselnde, aus 19 Mitgliedern bestehende internationale Jury beurteilt die Einsendungen von FotografInnen, Agenturen, Zeitungen und Magazinen aus aller Welt. Die ausgezeichneten Einzelaufnahmen und Fotoserien lassen das vergangene Jahr als Ikonen der Zeitgeschichte Revue passieren und zeigen auf eindringliche Weise Ereignisse aus den Bereichen Politik, Kultur, Sport und Natur. So erzählt auch die beeindruckende Fotoserie des Dänen Jan Grarup – Gewinner in der Kategorie Sport Feature Fotoserien – ein Stück Weltgeschehen des Jahres 2012. Sie wirft einen ungewöhnlichen Blick auf das Leben im seit Jahrzehnten vom blutigen Bürgerkrieg gebeutelten Somalia. Grarup zeigt die Spielerinnen der somalischen Frauenbasketball-Nationalmannschaft in Mogadischu. Obwohl die von der UNO unterstütze somalische Regierung die Kontrolle über die Stadt wieder erlangt hat, sind immer noch der Al-Qaida nahestehende militante Gruppen in Mogadischu aktiv. Laut den Gesetzen der Scharia ist Frauen Sport verboten. Als Strafe drohen etwa das Abschneiden der rechten Hand oder des linken Fußes. Doch trotz dieser Gefahren, trotz Morddrohungen und Repressionen spielen die Frauen weiter. Jan Grarup wird am 6. September, 19 Uhr, im Fotomuseum WestLicht in einem Vortrag von seiner Arbeit berichten.

Für dieses Jahr haben 5.666 FotografInnen aus 124 Ländern 103.481 Bilder eingesandt. Die Jury vergab Preise in neun Themenkategorien an 54 Positionen aus 33 Ländern: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, China, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Iran, Italien, Jordanien, Kanada, Malaysia, Mexiko, Niederlande, Palästina, Peru, Polen, Portugal, Russland, Serbien, Südafrika, Spanien, Schweden, Schweiz, Tschechien, Türkei, USA und Vietnam. Nach den Richtlinien von World Press Photo müssen die Fotos des Jahres von „großer fotojournalistischer Bedeutung“ sein und sich durch „außerordentliche Qualität der visuellen Perzeption und Kreativität“ auszeichnen. Wesentliche Kriterien sind demnach neben dem Nachrichtenwert eines Bildes die spezifische Wahrnehmung und Herangehensweise der FotografInnen. Jährlich sehen mehr als drei Millionen Menschen in 45 Ländern die World Press Photo-Wanderausstellung. 2012 hatte sie bei WestLicht über 22.000 BesucherInnen. Heuer findet die Ausstellung hier bereits zum zwölften Mal statt.

Das Jahrbuch mit allen preisgekrönten Arbeiten ist nicht nur Ausstellungskatalog, sondern auch ein eigenständiges, spannendes Zeitdokument.

DAS BUCH ZUR AUSSTELLUNG
WORLD PRESS PHOTO 13
Till Schaap Edition, 160 Seiten, deutsch, 22,8 x 29,4 cm, broschiert. Bestellungen unter bookshop@westlicht.com

www.worldpressphoto.org

www.westlicht.com

Wien, 2. 9. 2013