Kunstforum: Death and the Maiden. Ukrainische Kunst

November 9, 2022 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER-MEHMOOD

Von der Verwundbarkeit des Körpers und der Seele

Lucy Ivanova: Warm Optics, 2022. © Courtesy the artist

Das Kunstforum Wien hat Lizaveta German und Maria Lanko, die Kuratorinnen des diesjährigen ukrainischen Beitrags auf der Biennale di Venezia, eingeladen für die Herbstausstellung 2022 im tresor eine Präsentation mit ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern zu kuratieren.

Die Ausstellung soll Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Gesellschaft in Europa reflektieren. Lizaveta German und Maria Lanko sind ein Kuratorinnenteam, das 2018 gemeinsam mit dem

Schweizer Filmemacher Marc Wilkins die Ausstellungsplattform und Galerie The Naked Room in Kyiv gegründet hat. The Naked Room gilt als eine der interessantesten Adressen für die lebendige, junge ukrainische Kunstszene. Viele der Kunstschaffenden, die hier vertreten sind, waren für den anerkannten Pinchuk Art Prize nominiert oder wurden mit diesem ausgezeichnet.

Die Schau behandelt das Thema des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nicht auf direkte Weise, sondern macht scharfsinnige Beobachtungen, legt Erfahrungen und Gefühle offen, die durch die neue Lebensrealität hervorgerufen werden. Ebenso werden aus dem Krieg resultierende Konsequenzen für die ukrainische und die europäische Gesellschaft im weitesten Sinne diskutiert. Die Geschichte, die die Ausstellung erzählt, befasst sich mit einer neuen Sensibilität gegenüber immer gültigen Themen wie Gedächtnis, Trauma, Verwundbarkeit des Körpers und die Nähe von Leben und Tod.

Zu sehen bis 15. 1. 2023

www.kunstforumwien.at           In Kooperation mit www.imaginehumanrights.com

Unterstützt durch den Ukrainian Emergency Art Fund (UEAF) im Rahmen des Programms „Cultural Emergency Response“ des Prince Claus Fund For Culture and Development: ueaf.moca.org.ua

9. 11. 2022

Elena Subach: From the series Grandmothers On the Edge of Heaven, 2018-19. © Courtesy the artist and The Naked Room gallery

Zhanna Kadyrova: Palianytsia, 2022. Fundraising project for Emergency in Ukraine. Castello 2145, Riva San Biasio, 30122 Venice. Bild: © Natalka Diachenko

Elena Subach: From the series Grandmothers On the Edge of Heaven, 2018-19. © Courtesy the artist and The Naked Room gallery

 

Wien Modern / sirene Operntheater: Kabbala

November 1, 2022 in Klassik

VON MICHAELA MOTTINGER-MEHMOOD

Per mystischer Musik durch das Universum

Kabbala. Bild: © sirene Operntheater

Mit einem Wort? Überwältigend! Das sirene Operntheater zeigt im Rahmen von Wien Modern und in Kooperation mit dem Planetarium Wien „Kabbala. Und nun war es in der Mitte der Nacht“, ein Oratorium in hebräischer Sprache von René Clemencic nach Texten der prophetischen Kabbala. „Zeigen“ ist für diese konzertante Aufführung die korrekte Benennung, ist doch der Schauwert ebenso groß wie das Klangerlebnis. Die Künstlerin Kristine Tornquist

von sirene sowie der Illustrator und Designer Germano Milite haben in Zusammenarbeit mit Astronominnen und Astronomen für den Sternenprojektor des Planetariums einen Film geschaffen, der parallel zur Musik in den Weltraum entführt. Zu sehen sind fantastische Bilder. Mit beinah Lichtgeschwindigkeit fliegt das Publikum von planetarischen Nebeln zu fernen Galaxien, Sterne rasen auf einen zu, dass einem schwindelt, und spätestens wenn man den Riesenstern Beteigeuze passiert, weiß man, dass man hier per mystischer Musik durchs Universum unterwegs ist. Das Ganze ist derart atemberaubend, dass es tatsächlich kaum zu beschreiben ist.

Clemencic hat seine Kabbala 1992 für das legendäre zweite Mittelfest in Cividale del Friuli komponiert. Das Oratorium zählte damals zu den herausragenden Aufführungen. „Kabbala“ ist für fünf Gesangssolisten – zwei Countertenöre, zwei Tenöre, einen Bassbariton ‐ und sechs Instrumentalisten ‐ Zink oder Trompete, zwei Schlagzeuger und drei Posaunen vorgesehen. Und wie stets in seinen Kompositionen geht es Clemencic in erster Linie um Klang‐Symbolik, wobei er Klänge und Klangkomplexe als akustische Zeichen und Chiffren für innere Erlebnisse und Erfahrungen einsetzt.

Unter der Leitung von François‐Pierre Descamps sind die Countertenöre Nicholas Spanos und Bernhard Landauer, die Tenöre Gernot Heinrich und Richard Klein sowie Bassbariton Colin Mason zu hören, zu den Solisten die InstrumentalistInnen Gerald Grün, Trompete, Werner Hackl, Peter Kautzky und Christian Troyer, Posaunen, sowie Robin Prischink und Adina Radu, Schlagwerk – grandiose Künstler und eine Künstlerin, wie sie besser nicht zu wünschen wären.

François‐Pierre Descamps und Ensemble. Bild: © Armin Bardel

Mitten im Universum, umtost von Sternen. Bild: © Armin Bardel

Der Urknall über den ProtagonistInnen. Bild: © Armin Bardel

Musikalischer Flug durch planetarische Nebel. Bild: © A. Bardel

Jüdische Mystik, die Zahlensymbolik der Kabbala, eine ungewöhnliche Besetzung: sirene macht sich hier an ein Werk, das wahre Lichtfunken sprüht, wenn die Männerstimmen unter der Himmelskuppel zum martialischen, zum archaischen Gesang anheben, die Posaunen in den tiefen Lagen wirkungsvoll mit Tenor und Countertenören kontrastieren, die beiden Schlagwerke donnern – wobei es den Akteuren gleichzeitig gelingt, auch eine meditative Stimmung zu erzeugen. Die Zuschauerinnen und Zuschauern haben sich zu diesem Zeitpunkt längst in den Sesseln des Planetariums zurückgelehnt, um das Spektakel über ihren Köpfen zu genießen.

So enigmatisch die Musik, so unergründlich das Weltall. Und man selbst auf der Reise vom Urknall zum kosmischen Netz, vorbei am Orion und den Plejaden, dabei beim einander umschlingenden Tanz zweier kollidierender Galaxien, mitten hinein in den Katzenpfotennebel. Den gibt es wirklich. Im Sternbild Skorpion. Schließlich die Sonne, die Erde. Zimzum, das Eigenexil Gottes, Die 22 heiligen Buchstaben, Welt der Prüfung / Welt der Unreinheit, Krieg der Söhne des Lichtes gegen die Söhne der Finsternis am Ende der Zeiten, so lauten Überschriften zu den vorgetragenen Texten, endlich die Rückkehr ins himmlische Jerusalem.

Yehalecha adonaj elohenu kol maaßecha. va-chaßidecha zadikim oße rezoncha ve-amcha bet ißrael kulam berina jodu vivarchu vischabchu. vifaaru et schem kevodecha. ki lecha tov lehodot leschimcha naim lesamer. U-meolam ve-ad olam ata el: baruch ata adonaj melech mehulal batischbachot. Baruch ata, adonaj, elohenumelech ha-olam, ha-gefen ve-al peri ha gefen. Gesegnet bist Du, Allmächtiger, unser Gott, König der Welt.

Bild: © Armin Bardel

Bild: © Germano Milite

Immer wieder formen sich aus Ringen Unendlichzeichen: . Bekannt gemacht wird man auch mit den Säulen der Schöpfung, jener interstellaren Masse im Adlernebel, einem Ort der Sternenentstehung in der Weite eines vermeintlichen Nichts. Auch die Kabbalisten beginnen ihren Schöpfungsmythos in der Spannung zwischen Nichts und Alles. Die Basis der kabbalistischen Lehre ist die Suche des Menschen nach der Erfahrung einer unmittelbaren Beziehung zu Gott. Sie führt über das rationale Verstehen hinaus, dringt in tiefreichende Dimensionen der Tora jenseits ihrer wörtlichen Botschaft vor. Ziffern/Sefirot und die 22 hebräischen Buchstaben enthüllen dabei die Geheimnisse der himmlischen Sphären.

„Das hebräische Wort Kabbala bedeutet in der Übersetzung ,Überlieferung‘. Sie ist das Fundament der jüdischen Mystik. Und doch geht sie über alles spezifisch Jüdische hinaus und spricht vom Menschen und seinem Weg durch die Welten. Behandelt werden sein Ausgesetztsein, seine Gottesferne und die Entfernung vom eigenen Selbst. Die Kabbala spricht von den Bedingungen seiner Entwicklung und von seiner Selbstverwirklichung. Diese jüdische Weisheit formuliert alles, was uns zutiefst betrifft“, so René Clemencic in einer Schrift zu seinem Werk.

So findet sich in dieser Aufführung ein komplexer Kosmos zusammen. Makro- und Mikro-, Mystik, Mensch und das Universum. Wir sind der Stoff, aus dem die Sterne sind. „Kabbala“ vom sirene Operntheater ist eine Herausforderung, eine Überforderung aller Sinne. Außergewöhnlich, eindrucksvoll, ein mit Sicherheit unvergessliches Erlebnis!

Weitere Vorstellungen: 04., 08., 11., 13., 17., 19. November, 12., 14. Jänner 2023.

Trailer: www.youtube.com/watch?v=wzmRACe7Awk          www.sirene.at/aktuell/2022-kabbala          www.vhs.at/de/e/planetarium          www.wienmodern.at

TIPP: SCIENCE – Jeweils um 19 Uhr vor den Vorstellungen halten WissenschaftlerInnen Vorträge zu Astronomie, Astrophysik und dem Schöpfungsmythos in der Kabbala (im Ticket inbegriffen). Die Themen reichen von Urknall und Glaube über Zimzum, der Selbstkontrakion Gottes, bis zur dunklen Seite des Universums.

Bild: © Armin Bardel

TIPP: MAKROKOSMOS

Von 22. bis 27. November zeigt sirene Operntheater ebenfalls im Rahmen von Wien Modern im Jugendstiltheater Wien „Makrokosmos I-IV“, vier Zyklen nach dem Zodiak von George Crumb, einem der meistgespielten zeitgenössischen amerikanischen Komponisten. „Makrokosmos I-IV“ ist hochkomplex, anspielungsreich und zyklisch aufgebaut, eine kosmische Choreographie im „Celestial ballroom“. Alle vier Teile beziehen sich auf den Zodiak, jenen 30 Grad breiten Streifen entlang der Ekliptik, in dem die 12 Monatszeichen stehen. Das sirene Operntheater stellt Crumbs subtiler und bildreicher Musik mit PRINZpod, Wendelin Pressl, Peter Koger, Barbis Ruder und Burkert/Tornquist fünf künstlerische Positionen zur Seite. www.sirene.at/aktuell/2022-makrokosmos

  1. 11. 2022

Waschsalon: Schöner Wohnen im Roten Wien

September 6, 2022 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER-MEHMOOD

„Der Fußboden soll der Stolz jeder Hausfrau sein“

Interieur in einem Wohnhausbau der Gemeinde Wien, 1928, koloriert. © WStLA/Foto Gerlach

Ab 8. September zeigt der Waschsalon Karl-Marx-Hof die Ausstellung „Schöner Wohnen im Roten Wien“, dies zum Jubiläum „100 Jahre Wohnbauprogramm“. Einen Wiener Gemeindebau der Ersten Republik erkennt man auf den ersten Blick. Die Fassaden mit ihren Sprossenfenstern, Balkonen, Loggien und Erkern prägen das Stadtbild bis heute. Doch wie wohnen die ersten Arbeiterfamilien in diesen neuen, „gesunden Volkswohnungen“? Der Waschsalon geht auf

Wohnungsinspektion, und interessiert sich für die Grundrisse der Wohnungen, die Aufteilung der Zimmer und deren Einrichtung, wirft einen Blick in den Kochtopf und achtet auf die Einhaltung der „Hausordnung für die Wohnhausbauten der Gemeinde Wien“: „Parkett und harte Brettelböden dürfen nur mit Wachs eingelassen werden“ und auch das Wäschewaschen ist – mit Ausnahme kleiner Wäschestücke wie Taschentücher oder Strümpfe – nicht gestattet. „Durch Waschen in der Wohnung kann die Wohnung leicht feucht werden“, warnt Stadtphysikus Dr. Viktor Gegenbauer 1929. Am Gang fällt der Blick auf die versperrbaren Nischen, in denen Gasmesser und Stromzähler untergebracht sind. Die Wohnungstüren sind genormt, mit zweimaligem Ölfarben- und einmaligem Emaillackanstrich versehen und haben in der Regel Messingbeschläge, eine Drehglocke, ein „Guckerl“ und einen Briefeinwurf.

Um 1900 lebt die Mehrheit der Wiener Bevölkerung noch auf Zimmer und Küche. Berüchtigt sind die „Gangküchenwohnungen“ ohne fließend Wasser und ohne Elektrizität. „In diesem meist nur 1.10 Meter breiten Gang münden überdies die Aborte, welche für je zwei Parteien gemeinsam sind und der Wasserspülung entbehren. Diese Abortgruppen sind den Küchen- und Kabinettfenstern häufig vorgelagert, ein ebenso widerlicher Anblick als gesundheitsschädlicher Zustand“, schreibt die Gemeinde Wien 1927 rückblickend.

In diesen Kleinstwohnungen leben in der Regel sechs und mehr Bewohner, in über einem Viertel der Haushalte auch Untermieter und sogenannte Bettgeher. Nachdem die Sozialdemokratische Arbeiterpartei bei den Gemeinderatswahlen vom 4. Mai 1919 die absolute Mehrheit erreicht, beginnt sie ihr Reformwerk – unter den schwierigsten Bedingungen, wie die Arbeiter-Zeitung kurz nach den Wahlen bestätigt: „Die christlichsoziale Hinterlassenschaft ist entsetzlich: die Kassen der Gemeinde sind leer.“ Zur Finanzierung ihrer ambitionierten Wohnbaupläne führt Finanzstadtrat Hugo Breitner 1922 eine Mietzinsabgabe ein, die 1923 in eine zweckgebundene Wohnbausteuer umgewandelt wird.

1922 wird ein transparentes „Punktsystem“ eingeführt, das die Wohnungswerber in Dringlichkeitsstufen einteilt. 1923 beschließt der Gemeinderat ein erstes Wohnbauprogramm, 1927 folgt ein zweites. „Bis zum Jahre 1932 wird die Gemeinde rund 65.000 neue Wohnungen besitzen“, kündigt der zuständige Stadtrat Anton Weber 1928 an. Am Ende der Ersten Republik wohnt jeder zehnte Wiener, jede zehnte Wienerin in einer Gemeindebauwohnung.

© Wohnservice Wien | Stefan Zamisch

Mutter mit Tochter vor dem Lavoir, 1932. © ÖNB/Zvacek

Wannenbad, Wehlistraße, 1928. © WStLA/Foto Gerlach

Erziehung zum richtigen Wohnen in Zimmer-Küche-Kabinett

Wer das Glück hat, eine der begehrten Wohnungen in einem Neubau der Gemeinde Wien zu ergattern, wird rundum umsorgt, aber auch belehrt und ermahnt. Unzählige Publikationen widmen sich der „Erziehung zum Wohnen“, auch in einschlägigen Blättern der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei finden sich regelmäßig Reportagen und Fotostorys. Stadtrat Julius Tandler formuliert 1927 den Anspruch der Sozialdemokratie: „Die Menschen, die in unseren neuen Häusern wohnen, sind neue Menschen, leben und atmen nicht nur in neuen Räumen, sondern fühlen und denken auch anders.“ Um Nachsicht wirbt hingegen Otto Bauer 1928: „Die Menschen, die in diese Wohnungen hineinkommen, erfahren erst, was Wohnen ist. Sie haben zum erstenmal [sic] nicht bloß eine Schlafstelle, sondern eine Wohnung.“

Zwar tragen die Wohnungen das Label „Gemeinde-Wien-Typus“ und weisen ähnliche Grundrisse auf, fest steht aber: Die Gemeindebauwohnung gibt es nicht. Alle Wohnungen verfügen über Aborte mit Wasserspülung, in den Küchen sind Gasherde und Wasserausläufe montiert, in alle Räume ist elektrischer Strom eingeleitet. Bäder innerhalb der Wohnungen, Aufzüge und Zentralheizung bleiben hingegen ein Wunschgedanke.  Im Wesentlichen werden in den ersten Jahren zunächst zwei Wohnungstypen errichtet. Drei Viertel der Wohnungen „hat bei wenigstens 38 Quadratmeter nutzbarer Bodenfläche einen kleinen Vorraum, Abort, Wohnküche und ein Zimmer“. Der größere Wohnungstyp hat 48 Quadratmeter Bodenfläche und „außer dem Zimmer noch eine Schlafkammer“, heißt es in „Wohnungspolitik der Gemeinde Wien“ 1929.

Im Rahmen des Internationalen Städtebaukongresses, der 1926 in Wien stattfindet, hagelt es jedoch unerwartete Kritik an den neuen Wohnbauten. „Die in Wien ausgeführten Wohnungsgrößen wurden von Besuchern aus den reicheren, westlichen Staaten häufig als auffallend klein empfunden“, gesteht der damalige Sekretär des Deutschösterreichischen Städtebundes, Karl Honay. Die Stadt nimmt sich die Kritik zu Herzen und plant ab 1927 auch größere Wohneinheiten. Die Wohnungen verfügen nun über 40 bis 57 Quadratmeter Wohnfläche, die Lebensbereiche „Wohnen“ und „Kochen“ werden zunehmend getrennt – aus der früheren „Wohnküche“ wird nun die „Kochküche“.

Während in den Wohnküchen der frühen Bauten der Herd die primäre Wärmequelle darstellt, wird im separaten Wohnzimmer nun mit Verbrennungsöfen geheizt. „Das Zerkleinern von Holz und Kohle in den Wohnungen ist strengstens untersagt und darf nur im Keller oder im Hofe geschehen“, heißt es 1929 in der Hausordnung. „Zu jeder Wohnung gehört ein Klopfbalkon, der vom Vorzimmer aus direkt zugänglich ist“, informiert die Arbeiter-Zeitung über die neuen Bauten. Laut Hausordnung dürfen Kleider jedoch nur zwischen 7 und 10 Uhr vormittags ausgeklopft werden, das Teppichklopfen ist nur im Hof gestattet.

Wohnkultur fürs Poletariat

Schulzahnklinik im Heinehof, 1926. © WStLA/Foto Gerlach

Mit den größer dimensionierten Grundrissen hält auch das bürgerliche Wohnzimmer Einzug in die Arbeiterwohnung. Dessen Einrichtung beschäftigt nicht nur die Architektinnen und Architekten der Zeit. „Viele Möbel der Proletarier entsprechen durchaus dem kleinbürgerlichen Ideal der Vortäuschung höfischen Glanzes: große Doppelbetten mit Muschelaufsatz, unpraktische Gegenstände“, beklagt der Nationalökonom Otto Neurath. Und das Architekten-Duo Franz Schuster und Franz Schacherl

fordert: „Die proletarische Wohnung wird eine eigene Form bekommen, einen eigenen Stil und eine eigene Kultur. Die Kultur der Sachlichkeit, der Reinlichkeit und der Klarheit.“ Wobei sich viele Arbeiterfamilien „den Luxus der Einfachheit“ gar nicht leisten können und, wie die Journalistin Marianne Pollak 1930 schreibt, deshalb „auf die Dutzendware, das Serienstück, die Zimmergarnitur“ angewiesen sind.

Die 1922 vom Verband für Siedlungs- und Kleingartenwesen gegründete „Warentreuhand“ hat die Aufgabe, „jedem, der Hausrat, Möbel, Heiz- und Beleuchtungskörper kaufen will, mit Rat an die Hand zu gehen“. Wohnungseinrichtungen produziert auch die „Wiener Hausratgesellschaft“. Diese „kommunale Möbelaktion“ soll „Klein- und Typenmöbel“ für Gemeindewohnungen entwickeln. 1930 eröffnet eine erste Dauerausstellung im Karl-Marx-Hof, die Beratungsstelle für Inneneinrichtung und Wohnungshygiene, kurz „Best“. Die Auswahl der dort ausgestellten Möbelstücke sowie der „vollständig eingerichteten Musterwohnung“ erfolgt durch eine eigene Prüfungskommission, die sich aus Architekten, aber auch VertreterInnen der Mieter- und Hausfrauen­organisationen zusammensetzt. „Alles, was dort gezeigt oder empfohlen wird, soll praktisch, echt, schön und billig sein“, schreibt der Publizist Max Ermers 1930 in Der Tag.

„Die Frau von heut“

„Die Befreiung der Frau ist nur dann möglich, wenn die häusliche Arbeit auf ein Mindestmaß eingeschränkt wird“, fordert die Arbeiter-Zeitung 1924. In den frühen-1920er Jahren wird die Diskussion um die Zentralisierung und Rationalisierung der Haushaltsarbeit international geführt – von New York über Frankfurt und Berlin bis nach Wien. „Zur Entlastung der Hausfrauen“ fordert Otto Bauer bereits 1919 „Zentralküchen, Zentralwaschküchen, Zentralheizanlagen, Spielräume und Lernzimmer für die Kinder“ sowie die Bestellung der „zur Führung dieser gemeinsamen Einrichtungen erforderlichen Köchinnen, Wäscherinnen, Kinderpflegerinnen usw.“ Soweit kommt es im Roten Wien nicht. Tatsächlich geben viele Frauen ihre Berufstätigkeit auf, sobald die Jungfamilie in eine der neuen Wohnungen zieht. Aufgrund der günstigen Mieten wird ihr Zuverdienst nicht mehr benötigt. Die „neue Frau“ ist nun Hüterin der Familie und Organisatorin der Wohnung. „Der Fußboden soll der Stolz jeder Hausfrau sein“, bekräftigt der Magistrat 1928.

Zu sehen bis 17. Dezember.

Führungen durch den Karl-Marx-Hof

Jeden Sonntag führt das Waschsalon-Team durch den Karl-Marx-Hof. Alle Führungen finden bis auf Weiteres nur im Freien statt, die Dauerausstellung zur Geschichte des Roten Wien und die Sonderausstellung können im Anschluss daran individuell besichtigt werden. Treffpunkt: 13 Uhr vor dem Bahnhof Heiligenstadt, Endstelle U4, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Eintritt und Führung: 10 Euro pro Person.

www.dasrotewien-waschsalon.at

6. 9. 2022

Afrika Tage Wien 2022

Juli 18, 2022 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Musik, exotisches Essen und ein friedvolles Miteinander

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Nach CoV19-bedingter Zwangspause finden 2022 endlich wieder die Afrika Tage Wien statt, das große Festival auf der Donauinsel – von 22. Juli bis 8. August. Das Line-up ist wie gewohnt vom Feinsten. Mit dabei: Damian „Jr Gong“ Marley, der jüngste Sohn der Reggae-Legende Bob Marley, hat in den letzten Jahren die Bühnen der Welt zum Beben gebracht. Er hat sich seinen Platz in der Musikgeschichte gesichert, als er als erster Reggae-Künstler überhaupt

einen Grammy außerhalb der Reggae-Kategorie gewann und für die Titelsingle seines Albums „Welcome To Jamrock“ aus dem Jahr 2005 den Preis für die „Beste Urban/Alternative Performance“ mit nach Hause nahm. Dieses gefeierte Solo-Album, mit dem ihm der Durchbruch gelang, wurde ebenfalls in der Kategorie „Bester Reggae“ ausgezeichnet, ebenso wie sein 2017 erschienenes Studioalbum „Stony Hill“. www.youtube.com/watch?v=9PKXmsowicc

Hip-Hop-Legende Nas nennt sie „erstaunlich“ und „eine unglaubliche Künstlerin“. Die Sunday Times lobte sie und sagte, ihr Debütalbum sei „so gut wie The Miseducation of Lauryn Hill“. Jetzt kommt die preisgekrönte nigerianische Singer-Songwriterin Nneka nach Wien. Ihre politisch aufgeladenen Texte machten sie schnell zu einer der stärksten Stimmen Afrikas. Nnekas Texte befassen sich mit einer Vielzahl sozialer Themen, darunter Mutterliebe, Liebe zum göttlichen Schöpfer, weltlicher „Herzschmerz“ und das Streben nach Gerechtigkeit. www.youtube.com/watch?v=BroepG64Yw4

Nach der zweijährigen Pause ist Alborosie, der jamaikanischste aller Sizilianer, 2022 zurück auf den europäischen Bühnen, um sein neues Album „For the Culture“ (VP Records – Juni 2021) zu performen. Es wurde in den dunkelsten Monaten der COV19-Pandemie geschrieben und produziert und gibt vielen Gedanken und Emotionen Ausdruck, die während dieser Zeit auf der ganzen Welt zu spüren waren. Doch die Musik beschwört ein subtiles, aber starkes Gefühl der Hoffnung für die Zukunft und für die Kultur herauf. Alborosie ist momentan einer der gefragtesten Namen auf Planet Reggae. Sein echter Name ist Alberto D’Ascola. Dieser Sizilianer mit den riesigen Dreadlocks, der seit 15 Jahren auf Jamaika lebt, ist mehr als nur ein Sänger. Er ist auch Arrangeur, Produzent und Experte für die jamaikanische Kultur. www.youtube.com/watch?v=MYp_gJQwRx8

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Mit noch viel mehr internationalen Musikern und Musikerinnen auf der Hauptbühne, afrikanischem Flair, Musik, Tanz und einem bunten Basar wird auf den Afrika Tagen Wien ausgelassen gefeiert. Etwa auf dem Kairo-Platz mit Live-Musik-Acts und Blick auf die Donau, im Schatten, abseits des Festivaltrubels. Hier lässt es sich an einem Sommernachmittag gemütlich chillen. Auf der kleinen Bühne treten Musiker, Tänzer und Trommler auf. Im Sahara-Zelt kann man die afrikanische Lebensfreude bei chilligen Rhythmen sowie Live-Trommelklängen und spontanen Tanzeinlagen genießen. So lässt es sich bis spät in die Nacht aushalten. Bis zu 1.000 Besucher können hier auch bei Regen feiern.

18 Tage lang kann an unzähligen Ständen wunderschönes, traditionelles Kunsthandwerk gekauft werden. Das Angebot reicht von Produkten, die direkt in Afrika gefertigt werden bis zu Produkten, die durch Qualität und Fertigung den Gedanken der Nachhaltigkeit und des fairen Handels unterstützen. Angeboten wird eine bunte Palette an Kunst- und Gebrauchshandwerk: Textilien, Musikinstrumente, CDs, Kleinmöbel, Kosmetik und Friseurhandwerk, bunte Stoffe, farbenfrohe Masken, glitzernder Schmuck. Der Basar übt einen ganz eigenen Reiz aus, verführt zum stundenlangen Stöbern, Ausprobieren und Anprobieren.

Musik, Gerüche und Farbenpracht verbinden die Menschen, das kulinarische Angebot der Gastrostände ist exotisch und entführt den Genießer, die Genießerin direkt in den Süden. So vielfältig wie der Kontinent, so vielfältig ist auch die afrikanische Küche. Couscous und Kochbanane haben längst Europa erobert, doch wer hat schon mal Akara, Suya, Dundun, Bissap, Imboga, Lengalenga oder Igishue probiert? Auf dem afrikanischen Basar gibt es viele Köstlichkeiten zu entdecken, dazu afrikanische Weine und afrikanische Tee- und Kaffee-Spezialitäten. Und wer selbst einmal die afrikanische Küche ausprobieren möchte, findet auf dem Basar alles, was er dazu braucht: Wie die traditionelle Tajine, den handgefertigten Tonkochtopf, der schonendes Dämpfen im eigenen Saft ermöglicht, dazu vielfältige Gewürze und Kräuter. Im Tee-Zelt bei frischem Minztee, leckerem Honiggebäck und Süßspeisen, dazu orientalische Klänge und eine Wasserpfeife, fühlt man sich wie in Ägypten.

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Afrika Tage Wien. Bild: © Christina Karagiannis

Zum Mitmachen laden unter anderem ein: Bauchtanz-Show / Bellydance-Show / Ägyptisches Tanzprogramm / Live-Musik-Acts / Trommelsessions / Hula Hoop Dance / Afrikanischer Tanz / World Fusion Dance Show / Riesenseifenblasen / Musik aus Marokko / Brasilianische Trommler. Für die Kids gibt es wieder ein kreatives Kinderprogramm mit Bastelworkshops, dem afrikanischen Geschichtenerzähler Patrick Addai, Tanz-Workshop / Mini-Disko / Trommelsession / Kinderschminken / Kamel- & Ponnyreiten.

An den Charity-Mondays (25. 7., 1. 8. und 8. 8.) ist der Eintritt frei, doch bittet der Veranstalter um Spenden direkt an die Hilfsorganisationen, die ihre Infostände auf dem Gelände haben. Im Jahr 2019 konnten unter dem Motto AUSTRIA for AFRICA 20.000 € als Sach- und Barspenden an die Hilfsorganisationen, die bei den Afrika Tagen Wien vertreten sind, überreicht werden. So helfen die Besucherinnen und Besucher dabei, dass viele Organisationen in Afrika und in Wien sinnvolle Arbeit leisten.

Für das Jahr 2022 haben die Afrika Tage Wien auf vielfachen Wunsch die Öffnungszeiten und Preise angepasst und familienfreundlich gestaltet. Montags und dienstags ist der Eintritt frei. Am Mittwoch kann man für 10 € ganztags das Festival besuchen, auch bei Zutritt nach 17:00 Uhr! Familien (zwei Erwachsene plus Kinder) zahlen mittwochs auch nur 10 € für die Familienkarte. Von Donnerstag bis Sonntag gilt weiterhin, wer bereits vor 17 Uhr auf das Gelände kommt bezahlt 10 € und kann das Festival und alle Abendkonzerte genießen. Bei einem Eintritt ab 17 Uhr gelten gestaffelte Eintrittspreise, je nach Konzertprogramm. Die jeweiligen Preise können der Seite Tickets entnommen werden.

Termin: 22. Juli. bis 8. August 2022, Donauinsel – zwischen Floridsdorfer und Brigittenauer Brücke
Neue Öffnungszeiten:

Sonntag Dienstag 11 bis 24 Uhr

Mittwoch Samstag 14 bis 24 Uhr

Neue Preise:

Mo und Di: Eintritt frei

Mi 14 bis 24 Uhr: 10 ; auch für Familien (zwei Erwachsene plus Kinder)

Do bis So bis 17: 10 ; ab 17 ist der Eintrittspreis konzertabhängig.

wien.afrika-tage.de

18. 7. 2022

Harry Potter: Die Ausstellung kommt nach Wien

Juli 2, 2022 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Kartenvorverkauf für die Europa-Premiere demnächst

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © ALLEGRIA / Matthias Buchegger

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © Stephanie Ramones, Contigo Photography

Das interaktive Erlebnis „Harry Potter: Die Ausstellung“ wird im Herbst 2022 seine Europapremiere in Wien haben. Nach der Weltpremiere im Februar 2022 in Philadelphia wird in Wien ein weiterer Standort seine Pforten eröffnen. Ab sofort kann man sich unter www.HarryPotter-Ausstellung.at registrieren, um den Kartenvorverkauf nicht zu verpassen. Nach der Weltpremiere in Philadelphia, Pennsylvania, USA, wird die umfangreichste Ausstellungstour, die über die Wizarding World je gezeigt wurde, bald weltweit auf Tournee gehen.

In Lateinamerika, Asien, dem Nahen Osten, Afrika und Europa. Das Premierendatum für Wien wird in den kommenden Wochen folgen. Die Ausstellung, die einen Blick hinter die Kulissen wirft, nutzt die neuesten Innovationen im Bereich des immersiven Designs und der Technologie. Sie würdigt die Filme und Geschichten von „Harry Potter“, „Phantastische Tierwesen“ und der erweiterten Wizarding World, einschließlich des Theaterstücks „Harry Potter und das verwunschene Kind“, durch liebevoll gestaltete Umgebungen, berühmte Szenen, Schauplätze, Charaktere und Tierwesen.

Die Besucherinnen und Besucher können authentische Requisiten und Originalkostüme aus den Filmen aus nächster Nähe betrachten und haben die Möglichkeit, sich in den beeindruckenden und magischen Umgebungen und Installationen selbst in Szene zu setzen, wie es noch nie zuvor in einer Ausstellungstour zu sehen war. „Harry Potter: Die Ausstellung“ ist ein Erlebnis, das neue und eingefleischte Fans begeistern wird.

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia.. Bild: © Imagine Exhibition, Inc.

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © Imagine Exhibition, Inc.

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © ALLEGRIA / Matthias Buchegger

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © ALLEGRIA / Matthias Buchegger

Über die Wizarding World

Seit Harry Potter erstmals durch die magische Wand auf das Gleis 9 ¾ stieß, haben seine unglaublichen Abenteuer einen einzigartigen und bleibenden Eindruck in der Unterhaltungswelt hinterlassen. In acht Harry-Potter-Blockbustern, basierend auf den originalen Geschichten von J.K. Rowling, wurden die magischen Geschichten zum Leben erweckt, heute gilt die Wizarding World als eine der beliebtesten Marken der Welt. Dieses riesige, ineinandergreifende Universum umfasst auch drei epische Filme aus der Reihe „Phantastische Tierwesen“, das mehrfach ausgezeichnete Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“, sowie Video- und Handyspiele, Live-Entertainment in vier Themenparks und Ausstellungen.

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © Imagine Exhibition, Inc.

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © Imagine Exhibition, Inc.

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © ALLEGRIA / Matthias Buchegger

Ausstellungsbesuch der Weltpremiere in Philadelphia. Bild: © Stephanie Ramones, Contigo Photography

Die stetig wachsende Produktpalette der Warner Bros. eigenen Wizarding World Touren und Läden umfasst auch den Flagship Store Harry Potter New York, die Warner Bros. Studio Tour in London – The Making of Harry Potter, sowie die Warner Bros. Studio Tour in Tokyo und die zahlreichen Gleis 9 ¾-Läden. Die Wizarding World wird ständig weiterentwickelt, um Harry-Potter-Fans neue Möglichkeiten zu bieten, sich mit ihr zu beschäftigen. Sie lädt die weltweite Fangemeinde und all die kommenden Generationen ein, die Magie selbst zu erforschen und zu entdecken. Die Schau wurde erdacht von Warner Bros. Themed Entertainment, in Partnerschaft mit Imagine Exhibitions und EMC Presents, präsentiert vom lokalen Veranstalter Show Factory.

www.HarryPotter-Ausstellung.at

2. 7. 2022