Martin Wuttke spielt am Wiener Volkstheater

November 3, 2021 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Wird Teil von Jonathan Meeses L.O.L.I.T.A.-Inszenierung

KAMPF-L.O.L.I.T.A. von Jonathan Meese: Jonathan Meese und Lilith Stangenberg Bild: © Photography JanBauer.net / Courtesy JonathanMeese.com

Am 4. November feiert Jonathan Meeses „KAMPF-L.O.L.I.T.A. (EVOLUTION IST CHEF) oder L.O.L.I.T.A. D.Z.I.O. (ZARDOZ FLIEGT WIEDER!)“ Premiere im Volkstheater.

Das Volkstheater konnte Martin Wuttke für die Inszenierung gewinnen, der zunächst die Rolle von Bernhard Schütz übernehmen wird. Wuttke wird vorerst in der Premiere, sowie bei der Vorstellung am 2. Dezember zu sehen sein. Neben den Volkstheater-

Ensemblemitgliedern Anke Zillich und Uwe Schmieder sind als Gäste Lilith Stangenberg und Maximilian Brauer mit Jonathan Meese auf der Bühne zu sehen. Bernhard Schütz, der ebenfalls in der Original-Besetzung zu sehen war und oft mit dem Maler zusammenarbeitet, wird bei späteren Vorstellungen ebenfalls wieder auf der Bühne stehen. Die Performance hatte im Februar 2020 im Theater Dortmund Premiere und wurde für das Wiener Volkstheater von Jonathan Meese und dem Team erneuert – jede Abend ist neu, jede Vorstellung eine Uraufführung.

www.volkstheater.at

3. 11. 2021

Jessica Bab Bonde und Peter Bergting: Bald sind wir wieder zu Hause

Januar 19, 2021 in Buch

VON MICHAELA MOTTINGER

Shoah-Überlebende: Als Kinder im Konzentrationslager

Tobias Rawet, Livia Fränkel, Selma Bengtsson, Susanna Christensen, Emerich Roth und Elisabeth Masur haben als Kinder den Terror des Dritten Reichs knapp überlebt. Vor allem der 1924 in der Tschechoslowakei geborene Roth, Autor, Dozent, Sozialarbeiter und in Auschwitz-Birkenau Dr. Mengele mit Mühe entkommen, vom Olof-Palme- über den Raoul-Wallenberg- bis zum Nelson-Mandela-Preis vielfach ausgezeichnet, ist als Zeitzeuge ein nimmermüder Berichterstatter über die Gräueltaten der Nationalsozialisten.

„Ich glaube, dass das Wissen über den Holocaust uns etwas über die Zukunft lehren kann“, ist sein Credo. „Eine Generation ohne historische Bildung ist schutzlos, wenn es darum geht zu verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt.“ Diese Worte haben Jessica Bab Bonde und Peter Bergting bei ihrer Graphic Novel „Bald sind wir wieder zu Hause“ beherzigt, in der sie das Schicksal dieser sechs erzählen, die als Kinder in Konzentrationslager gesperrt wurden. Buchenwald, Theresienstadt, Ravensbrück …

Susanne aus dem ungarischen Makó kam über Zwischenstationen in Strasshof und Bruck an der Leitha nach Bergen-Belsen. Entrechtet, von ihren Familien getrennt und ihrer Menschenwürde beraubt, erfuhren die Protagonistinnen und Protagonisten des Bonde-Bergting-Buchs die Angst und Verfolgung im Ghetto, quälenden Hunger, Deportation und schließlich die Entmenschlichung durch den industriellen Massenmord.

Sie mussten mitansehen, wie Eltern und Geschwister verhungerten oder an den Selektionsrampen „auf die andere Seite“ gejagt wurden. Die eine führte ins Elend der Arbeits-, die andere in die Vernichtungslager. Ins Gas. In Gesprächen gaben sie Autorin und Zeichner ihre Erlebnisse weiter. Es ist diese subjektive Perspektive, die das Ganze so besonders macht: das Millionenverbrechen, das sich in abstrakten Horrorzahlen aufzulösen droht, wird durch die einzelne, den einzelnen geschildert.

Der aus Łódź stammende Tobias Rawet engagiert sich, seit er 1992 hörte, wie der französische Geschichtsrevisionist Robert Faurisson den Holocaust leugnete. Susanna Christensen, weil sie das Gefühl hat, dass der Hass auf Juden dieser Tage heftiger wird. „Sie hat“, schreibt Bonde, „keine Angst mehr um ihrer selbst willen, hofft aber, dass ihre Nachkommen nie etwas von dem erleben werden, was ihr widerfahren ist.“ „Bald sind wir wieder zu Hause“ sieht die Verbrechen der Shoah mit Kinderaugen.

© Bonde, Bergting. © Cross Cult Verlag / Reprodukt

© Bonde, Bergting. © Cross Cult Verlag / Reprodukt

Viele Worte braucht es dafür nicht. Der Ton der Graphic Novel ist nüchtern, die Illustrationen von Peter Bergting sind düster, sie transportieren die bedrückende Stimmung zwischen den Viehwaggons und den Baracken. Die Farben sind schlammig, schmutzig, Grau-braun, Rot wird verwendet, um Blut oder Feuer darzustellen. Bergtings visuelle Aufarbeitung ist schlicht, aber explizit. Vor einer Rückkehr des Antisemitismus warnt auch Jessica Bab Bonde in ihrem Vorwort und wirft die Frage auf, ob ähnliche Verbrechen heute noch geschehen könnten.

Schließlich fanden die Novemberpogrome und ihre furchtbaren Folgen vor aller Augen statt: „Nur wenige lehnten sich auf, sprachen darüber, was sie seltsam oder falsch fanden … Die meisten kümmerten sich nicht darum, zu viele fühlten nicht mit denen, die so erniedrigt wurden. Zu viele schauten weg und waren beruhigt, solange ihnen und ihren Familien nichts passierte …“ Am Ende des Buches finden sich eine geschichtliche Zeitleiste sowie ein Glossar, in dem Begriffe wie „Todesmärsche“, „Davidstern“ oder „Weiße Busse“ erklärt werden.

„Bald sind wir wieder zu Hause“, diese erschütternde Sammlung von Erinnerungen und unbedingt lesens- wie sehenswerte Geschichtslektion, sollte zur Pflichtlektüre werden. Gerade jetzt, da sich rechtsradikale, rassistische Vorfälle von Tatsachenverdrehern und Verschwörungstheoretikern weltweit wieder häufen. Ein beeindruckendes Plädoyer gegen das Vergessen und für ein Niemals wieder!

© Bonde, Bergting. © Cross Cult Verlag / Reprodukt

© Bonde, Bergting. © Cross Cult Verlag / Reprodukt

Über die Autorin: Jessica Bab Bonde, geboren 1974, ist eine schwedische Autorin und Verlagsagentin. Im August 2019 gründete Bonde zusammen mit David Lagercrantz die neue Agentur „Brave New World“.  Im Jahr davor veröffentlichte sie zusammen mit Illustrator Peter Bergting die Graphic Novel „Bald sind wir wieder zu Hause“ über den Holocaust. Das Buch basiert auf Interviews mit den KZ-Überlebenden Tobias Rawet, Livia Fränkel, Selma Bengtsson, Susanna Christensen, Emerich Roth und Elisabeth Masur. Es wurde für den August-Preis in der Kinder- und Jugendkategorie nominiert.

Über den Zeichner: Peter Bergting, der Spross einer Künstlerfamilie, arbeitet seit 17 Jahren als professioneller Maler und Illustrator. Seine Arbeiten – vor allem Kinderbuch- und Rollenspielillustrationen – erschienen in weit mehr als 500 Publikationen. Er wurde 1970 in jener kleinen schwedischen Stadt geboren, die durch den Film „Fucking Åmål“ einige Berühmtheit erlangt hat. Derzeit lebt er mit Frau und Tochter in der Nähe von Stockholm.

Cross Cult Verlag, Jessica Bab Bonde (Text), Peter Bergting (Zeichnungen): „Bald sind wir wieder zu Hause“, Graphic Novel, 104 Seiten. Übersetzt aus dem Schwedischen von Monja Reichert.

www.cross-cult.de           www.bergting.com

  1. 1. 2021

Kammerspiele: Vincent Bueno im Gespräch

August 31, 2016 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Er spielt in „Monsieur Claude und seine Töchter“

Monsieur Claude und seine Schwiegersöhne: Siegfried Walther mit Vindent Bueno, Peter Marton, Martin Niedermair und Ljubiša Lupo Grujčić. Bild: Jan Frankl

Monsieur Claude und seine Schwiegersöhne: Siegfried Walther mit Vincent Bueno, Peter Marton, Martin Niedermair und Ljubiša Lupo Grujčić. Bild: Jan Frankl

Der französische Kinoerfolg des Jahres 2014, „Monsieur Claude und seine Töchter“, kommt nun auf die Bühne. An den Kammerspielen wird die Komödie von Philippe de Chauveron und Guy Laurent in einer Inszenierung von Folke Braband am 8. September uraufgeführt. Madame und Monsieur Verneuil, dargestellt von Susa Meyer und Siegfried Walther, wären ein zufriedenes Ehepaar, hätten ihre vier bildhübschen Töchter nicht eine Affinität zu Männern aus anderen Kulturkreisen.

Eine jüdische, eine muslimische und eine Hochzeit mit einem Asiaten mussten sie schon über sich ergehen lassen, da verkündet endlich die jüngste Tochter, einen französischen Katholiken heiraten zu wollen. An dem passt alles – bis auf die Hautfarbe. Musicaldarsteller Vincent Bueno übernimmt als chinesischer Schwiegersohn Chao Ling seine erste Sprechtheaterrolle. Ein Gespräch über Alltagsrassismus, das Gefühl Heimat, das neue Album „Wieder Leben“ und wie ein „Musicalfuzzi“ an den Kammerspielen nun für Rambazamba sorgt:

MM: Das ist Ihre erste Rolle am Sprechtheater, wie geht’s?

Vincent Bueno: Ja, und ich fühle mich extrem geehrt, dass ich mitmachen darf. Ich habe viel Musicalerfahrung, aber eine reine Schauspielrolle habe ich seit meiner Studienzeit nicht mehr gespielt, damals beim Armen Theater Wien, weil Erhard Pauer mein Abschlusslehrer am Konservatorium war. Die Proben an den Kammerspielen sind nun eine tolle Erfahrung mit tollen Kollegen.

MM: Wie sind Sie in die Produktion gekommen? Gab’s ein Casting?

Bueno: Nein und das ist das Coole daran: Die Josefstadt hat mich angefragt! Und natürlich war ich interessiert. Ich habe dann bei Herrn Direktor Föttinger vorgesprochen, einen Text aus „A Chorus Line“, und das war eine ziemlich arge Challenge, weil er aufs erste Kennenlernen doch sehr … wie soll ich das jetzt sagen? … respekteinflößend ist. Er hat zu mir gesagt: Du bist zu brav, ich will deine derbe Seite sehen, ja, und das versuche ich jetzt. Außerdem lerne ich gerade, meine Körpersprache zurückzunehmen.

MM: Funktioniert eine Theaterfamilie anders als eine Musicalfamilie?

Bueno: Gute Frage. Ich will jetzt nichts falsches sagen. Eine Musicalfamilie ist lebendiger, aufgeweckter, Sprechtheaterschauspieler sind nachdenklicher, in sich gekehrter. Vielleicht haben sie sich ja deswegen einen Musicalfuzzi geholt, damit er für ein bisschen Rambazamba sorgt. (Er lacht.) Nein, im Ernst, ich fühle mich so wohl, man wächst hier so zusammen. Man ist beim Sprechtheater angewiesener aufeinander, weil ein Satz in den anderen greift. Da kann keiner einen Egotrip veranstalten. Da wir nicht tanzen, nicht singen, ist sprechen, miteinander sprechen das Essenzielle.

MM: Sie spielen den chinesisch-stämmigen Schwiegersohn Chao Ling. Wie ist der?

Bueno: Eigentlich nicht so weit weg von meiner Person. Was uns unterscheidet ist, dass er Banker ist und ich ein Künstler, aber wir haben beide diese Sunshine-Art. Er ist im Gegensatz zu mir so strukturiert, er ist ein Checker, ich nicht. Ich bin sehr bescheiden, er kann seine Meinung rauslassen, das ist für mich grad noch ein bisschen schwer, aber wir sind auf einem guten Weg miteinander.

MM: Bescheidenheit ist nicht die beste Eigenschaft im Showbusiness.

Bueno: Das glaube ich auch. Aber das ist das Asiatisch-Höfliche an mir, das ich nun beim Spielen vollkommen ausschalten muss. Eine Challenge!

MM: Ist das Asiatisch-Höfliche nicht ein Stereotyp?

Bueno: Glaube ich nicht, die meisten Asiaten sind von Natur aus höflich. Es gibt einen Unterschied zwischen Höflichkeit und Aufrichtigkeit, und Asiaten haben diese Mischung, mit der viele Europäer nicht wirklich umgehen können. Die glauben, das Ja-Sagen und Verbeugen und Alles-Gut-Sagen ist ein Fake, aber es ist eine Sache des Respekts im gegenseitigen Umgang miteinander, die es im europäischen Raum so nicht gibt.

MM: Es ist eine Komödie, aber auch ein Stück über Alltagsrassismus in unserer Gesellschaft. Haben Sie den auch schon erfahren?

Bueno: Nicht nur erfahren. Ich spüre, auch wenn ich nicht direkt auf mein asiatisches Aussehen angesprochen werde, Blicke auf mir, da denke ich mir Wow! Leute schauen einen gerade in der jetzigen Zeit wieder schief an, wenn sie zu erkennen glauben, dass man ein „Ausländer“ ist. Das ist teilweise blanker Hass. Ab dem Zeitpunkt aber, wo ich Wienerisch spreche, denn ich bin ja hier geboren, ist es für sie okay. Nach dem Motto: Ah, der kann sich anpassen. Es ist grotesk, aber es ist so.

MM: Sind die Asiaten nicht die guten, fleißigen „Ausländer“, die freundlichen Exoten?

Bueno: Und die Afrikaner und die Araber die bösen, arbeitsscheuen, meinen Sie? Ja, das stimmt schon, wir kriegen’s nicht so ab. Das ist jetzt auch sehr Thema bei den Proben mit Peter Marton und Ljubiša Lupo Grujčić, meinen Mitschwiegersöhnen, mit denen ich mich privat super verstehe. Wir versuchen die Vorurteile noch mehr zu unterstreichen, noch etwas Sahne draufzugeben, damit’s einerseits komisch ist, andererseits aber auch verstanden werden kann, dass es so nicht weitergeht im menschlichen Zusammenleben. Denn die Schwiegersöhne haben ihre Scharmützel miteinander, die auf ihrer unterschiedlichen Herkunft basieren. Wir wollen alle dem Monsieur Claude gefallen, doch der wünscht sich nur einen urfranzösischen Bräutigam für zumindest eine seiner Töchter.

Der Singer/Songwriter stellt demnächst auch live sein neues Album "Wieder Leben" vor. Bild: Vincent Bueno

Der Singer/Songwriter stellt demnächst auch live sein neues Album „Wieder Leben“ vor. Bild: Vincent Bueno

MM: Sie haben auf den Philippinen wie hier eine große Fanbase. Fühlen Sie sich zweigeteilt oder nehmen Sie best of both worlds?

Bueno: Ich habe eine Zeitlang auf den Philippinen gelebt, weil ich mich dort im Showbusiness etablieren wollte, und das Komische ist, ich habe festgestellt, dass ich mich in Österreich am Heimischsten fühle, aber in keinem der beiden Länder zuhause. Das heißt, ich gehöre nach Österreich, bin hier geboren, aufgewachsen, in die Schule gegangen, die österreichische Kultur ist meine Kultur, und trotzdem werde ich als fremd gesehen. Auf den Philippinen wussten die Leute, der ist nicht von hier, der hat keine Ahnung von unserer Kultur, deswegen können wir den auch nicht vermarkten.

MM: Das heißt, auf den Philippinen sind Sie Österreicher?

Bueno: Ja, man nannte mich The Austrian Idol, nach der Show „American Idol“, weil ich damals gerade im ORF „Musical – Die Show“ gewonnen hatte … (er schmunzelt).

MM: Was uns zur Musik bringt. Sie haben ein neues Album aufgenommen: „Wieder Leben“. Erzählen Sie etwas zu dessen Entstehungsgeschichte?

010063_db7035c8492c457a8ebb20c825b5d6e8Bueno: Es ist erstmals ein deutschsprachiges Album, was nicht alle in meiner Community mögen, aber meinen amerikanischen Stil habe ich beibehalten. „Wieder Leben“ hat damit zu tun, dass ich in den vergangenen Jahren vieles erlebt habe, wovon ich dachte, ich muss darüber schreiben. Es gab viele Momente in meinem Leben, die mir die Energie nahmen, nach denen ich erst wieder Kraft tanken musste, und beim Schreiben des Albums dachte ich, ich will „Wieder Leben“. Ich war eine Zeitlang offline, jetzt war’s soweit online zu gehen. Ich bin wieder da!

MM: Was Sie ansprechen hat mit Ihrer Familie zu tun. Ihre Tochter ist vergangenes Jahr kurz nach ihrer Geburt gestorben. Das ist so traurig, dass es eigentlich unmöglich ist, etwas dazu zu sagen. Aber wenn man das weiß, hört man’s aus dem einen oder anderen Song raus.

Bueno: Wenn es einen berührt, dann freut mich das. Meine Frau Charity stand beim Schreiben dieser Songs sehr hinter mir, sie hat mich mit meiner Musik immer unterstützt. Sie ist die beste Frau der Welt, und auch wenn das jetzt kitschig klingt, sie ist eine, wie man sie nicht alle Tage sieht. In der Zeit, in der das mit unserer Tochter passiert ist, haben wir sehr zueinander gehalten. Man kann an so einem Schicksalsschlag als Paar zerbrechen, oder daran wachsen. Wir, denke ich, sind gewachsen. Wir wissen, dass unsere Kleine jetzt woanders ist, das hilft uns.

MM: Man hört Soul und R&B. Wer sind Ihre musikalischen Vorbilder?

Bueno: Michael Jackson, Justin Timberlake, James Brown … Alle Performer, die sich gut bewegen und eine gute Stimme haben. Diese Sorte Allroundperformer vermisse ich hier in Österreich, was vielleicht heißt, dass Österreich mit so einem Total-Package nicht umgehen kann – und dann noch dazu mit einem „ausländisch“ ausschauenden Österreicher. Deswegen will ich meinen Stil gar nicht wirklich ändern; mein Album ist vom Gefühl her ziemlich „schwarz“.

MM: Sie unterrichten auch? Wen?

Bueno: Ich arbeite gerne mit Leuten, die schon wissen, dass sie singen können. Ich will niemandem Singen beibringen, sondern an einem Stil, an einer Ausdrucksweise feilen. Das macht mir Spaß. Also, wer das möchte, kann sich über meine Webseite gern bewerben.

MM: Pläne?

Bueno: Musik machen. Ich bin Musiker. Am 11. September spiele ich übrigens mit meiner Band im 25hours-Hotel. Das erste Mal live „Wieder Leben“.

www.vincent-bueno.com

www.josefstadt.org

Wien, 31. 8. 2016

Theater Phönix: Er ist wieder da

November 23, 2015 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Harald Gebhartl holt Adolf Hitler wieder nach Linz

Markus Hamele, Simon Jaritz, David Fuchs, Felix Rank und Emese Fáy Bild: © Christian Herzenberge

Markus Hamele, Simon Jaritz, David Fuchs, Felix Rank und Emese Fáy
Bild: © Christian Herzenberger

In den heimischen Kinos ist Burgschauspieler Oliver Masucci zurzeit als untoter „Führer“ zu sehen www.constantinfilm.at/kino/er-ist-wieder-da.html, ab 26. November heißt es auch am Linzer Theater Phönix „Er ist wieder da“. Linz übernimmt die österreichische Bühnen-Erstaufführung nach dem gleichnamigen Debütroman von Timur Vermes. Dieser ist ein literarisches Kabinettstück erster Güte, das seit seinem Erscheinen die Bestsellerlisten stürmt. Phönix-Chef Harald Gebhartl hat die Fassung geschrieben und führt Regie.

Gezeigt wird der unaufhaltsame „Aufstieg des vermeintlichen Comedians Adolf Hitler“: Sommer 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva. Aber unter Tausenden von Ausländern. Eine gefühlte Ewigkeit nach seinem vermeintlichen Ende strandet er in der Gegenwart und startet gegen jegliche Wahrscheinlichkeit eine neue Karriere – im Fernsehen. Dieser Hitler ist keine Witzfigur und gerade deshalb erschreckend real. Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zynisch, hemmungslos erfolgsgeil und auch trotz Jahrzehnten der Demokratie vollkommen chancenlos gegenüber dem Demagogen und der Sucht nach Quoten, Klicks und „Gefällt mir“-Buttons. Eine Persiflage? Eine Satire? Polit-Comedy? Oder plant Hitler seine Rückkehr an die Macht? Ist er wieder da?

In Gebhartls Inszenierung führt der Siegeszug natürlich nach Linz, in die „fünfte Führerstadt“. Hier entschloss sich Hitler den „Anschluss“ vollständig zu vollziehen, er übernahm sogar die „Patenschaft“ für die Stadt. Hitler, der in Linz die Schule besucht hatte, beabsichtigte, dort einmal seinen Ruhestand zu verbringen. Es folgten Ausbaupläne von Albert Speer und der „Sonderauftrag Linz“, heißt: die Sammlung geraubter Kunstwerke an diesem einen Ort. Gebhartls Dramatisierung hat Timur Vermes offenbar so gefallen, dass der Theatermacher „schon nach zwei Stunden“ eine retourgemailtes Ja bekam, nachdem er dem Autor seine Idee vorgestellt hatte. „Phönix-Dramaturgin Sigrid Blauensteiner und ich sind überzeugt, dass es ein starker Theater-Stoff ist und auch sehr aktuell, was Medien und deren Oberflächlichkeit betrifft. ‚Er ist wieder da‘ ist auch eine Medien-Satire“, sagt Gebhartl im Gespräch mit den Oberösterreichischen Nachrichten.

Es spielen Simon Jaritz (Hitler), das Phönix-Ensemble David Fuchs, Felix Rank, Rebecca Döltl und Markus Hamele und als Gäste Sina Heiss, Sabrina Rupp und Emese Fáy.

www.theater-phoenix.at

Wien, 23. 11. 2015

Hubsi Kramar gibt aufs Neue den Hitler

August 26, 2014 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Winnie & Adi – Wir sind wieder da

Bild: Bernhard Mrak

Bild: Bernhard Mrak

„Was der eine zu lang ist, ist der andere zu schlank“, feixt der Sitznachbar. Als Versuch, aus der Beklemmung dieses Abends auszubrechen. Denn was Hubsi Kramar und C. C. Weinberger im TAG von sich geben, ist ungeheuerlich. Unerhört, leider nicht ungehört. Adolf Hitler und Winston Churchill. Der 1931 in New York geborene, nun in Wien lebende NBC-Journalist und Autor Ludwig Peter Ochs arbeitete viele Jahre daran, Originalzitate, Originaldokumente der beiden Kontrahenten zusammenzutragen. Aus dieser Textcollage entstand in Kramars Regie ein Theater der Wirklichkeit. Das heißt: Eigentlich sind es zwei Parallelmonologe, die von zwei Schreibtischen beziehungsweise zwei Fauteuils auf die Zuschauer niederhageln. Ochs ging es wohl darum, das Trennende im Ähnlichen zu finden. Und umgekehrt. Jedenfalls ist der Schlagabtausch Braunau vs Rule, Britannia! so, dass nicht den Bühnengegnern, sondern dem Publikum die Schädeldecke wegfliegt.

Da stehen sie, die beiden. Der eine, der Prügel an Eliteschulen bezog, der andere, den der Vater züchtigte. Beide an der Front im Ersten Weltkrieg, kriegsbegeistert. Beide, der Demokrat und der spätere Diktatur, von der Krankheit Großmannssucht befallen. Da redet der Asket gegen den Genussmenschen an, der Kleinbürger gegen den Aristokraten, der rassistische Revolutionär gegen einen imperialen Machtpolitiker. Der eine, 1953 für seine politischen und historischen Werke mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, gegen den Kunstmaler, der im TAG  seine Lyrik vorträgt.

Ihr habt‘s um uns verdient, Daß wir Euch dort bestatten, Wo deutsche Eichen Euer Grab beschatten. Sie, das Symbol für Freiheit, Kraft und Leben Sein als der schönste Schmuck Um Euer Grab gegeben. Im deutschen Wald, wo wohnt der deutsche Geist, Dem stillen Hain, in dem ihr friedlich ruht, Ihn werden Tausende in tausend Jahren ehren, Gehen wir hinein in tiefe Waldesgründ‘, Komm[n] wir dahin, wo Eure Gräber sind, Dann hemmen wir den Schritt, Denn Ihr sprecht zu uns allen, So lebt Ihr ewig fort, wenn längst der Leib verfallen.

Dichtete Hilter. Churchill sagte weniger pathetisch: „Krieg ist ein Spiel, das man mit einem Lächeln spielt.“ Und während der eine Heldentatenbriefe nach München schickte, gab der andere bei seiner Frau Darling Clementine Proviantbestellungen auf. Hochprozentiges und eine Wildpastete. Ständig wird man zwischen Lachen und Fassungslosigkeit hin- und hergeworfen. Eine Reihe weiter vorne flüstert eine Frau: „Was soll da lustig sein?“ Die sarkastische Selbstentlarvung, Ochs zerstört die Fassaden nicht mit der Abrissbirne, sondern mit dem gebotenen Zynismus. Wenn etwa Hitler bereits Pläne für seine Pension in Linz macht. Gemütlich mit Fräulein Braun und einem Hund natürlich. Und gleichzeitig damit hadert, dass er vergessen werden wird, weil alle seinem politischen Nachfolger nachlaufen … Wenn Churchill wie ein Rumpelstilzchen seine Schadenfreude über die Stalingrad-Niederlage tanzt …

Hubsi Kramar ist als Adi in Sprache und Gestik perfekt; er hat’s ja lang genug geübt. Er legt seine Figur zwischen dämonischer Demagoge und Wanderprediger an. C. C. Weinberger gibt mit dicker Zigarre und in die Taschenuhrenkette eingehakten Daumen den pseudophilosophischen Denker. Lässig bemerkt er zu einer Rede des „Führers“: „Darauf antworte ich nicht. Denn ich spreche nicht mit Hitler.“ Da ist es schon 1940 und beide sind überzeugt, von der Macht des Schicksals beauftragt zu sein, Geschichte zu machen. „Großartig“ eine Rede Hitlers, in der er ankündigt, siegreiche Tee trinkende Briten würden dem Rest der Welt den Kaffeegenuss verbieten. Er persönlich möge ja gar keinen, aberrr das teutsche Volk habe ein Anrrrecht … Hat der sich jemals selbst zugehört? Warum haben die, die zuhörten oder zuhören mussten, den mit Pomp und Trara getarnten Irrsinn nicht erkannt?

Es endet mit dem Schuss am 30. April 1945. Und Riesenapplaus. Der vor allem der Leistung des anwesenden Ludwig Peter Ochs gilt, der zwei bemerkenswerte Geschichtsstunden bühnenfertig machte. Man verneigt sich vor diesem – ja, fast muss man es sagen – Lebenswerk.

www.winnieundadi.at

Wien, 26. 8. 2014