aktionstheater ensemble streamt: Salz Burg

März 23, 2021 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Die Hungerkünstler des gespielten Worts

Strenge Lehrmeisterin in Sachen Spielbetrieb, Selbstaufgabe und Scheißdrauf: Grande Dame Vera Borek mit Videogestalter Felix Dietlinger (u.). Bild: © aktionstheater ensemble

Das aktionstheater ensemble zeigt als letzte Produktion der vierten Staffel seiner digitalen Aufführungsreihe „Streamen gegen die Einsamkeit“ die noch bis Sonntag zu sehende Performance „Salz Burg“ aus dem Jahr 2012 – und es hat was von der Faszination des Grausens wie zeitgemäß dieser mit den Erfahrungen des Ensembles komplettierte Text von Wolfgang Mörth gerade wieder ist. Das aktionstheater ensemble veranstaltet mit allem Pipapo eine Sponsorenparty, alles ist „vorbereitet aufs allerbest‘ für Geldgeber und andere Gäst´“.

Freilich, bei dem Titel muss der Hofmannsthal herhalten. Zu Jedermanns Freude wickeln sich zwei Pole-Tänzerinnen akrobatisch um die Stangen, vier Minuten pure Körperkunst zum pulsierenden Technobeat von Erdem Tunakan, der einen Pulsinger & Tunakan-Hälfte. Zur ziemlich „experimentellen“ Live-Kameraführung gibt es drei Vidiwalls – Alexander Moissi und sein „Tod“ Werner Krauß auf dem Domplatz, „Die Götter müssen verrückt sein“, „The Sound of Music“ und weiß der Kuckuck aus welchem Film der chinesische Kader ist.

Von Martin Gruber aufs Korn genommen wird jedenfalls der Kniefall der Hochkultur vor den Finanzstarken. Tobias – Voigt!, æ-Aficionados wissen’s, die Darsteller kreieren im Spiel eine fiktive Figur ihrer selbst – buhlt als Armer Nachbar um die Gunst der „Bewilligungsbefugten“, Sponsoren, Subventionsgebern, Kulturpolitiker: „Nur diesen Beutel teil‘ mit mir …“ Der Akteur mit der schwächelnden Blase und den kraftstrotzenden Grundsätzen, der eingangs, weil auf eine freie Toilette wartend, klorollenlange Assoziationsketten über begrenzte Kapazitäten und Ressourcen-Verteilung abwickelte, weiß um das große Theater mit den per Eigendefinition „Gönnern“.

„Bewilligungsdarsteller mit fixer Gage“, schimpft er sie. Und man selbst? „ …das Biafra, die Sahelzone, das Somalia der Bühnenkunst, Hungerkünstler des gespielten Worts, die Ausgezehrten des Spielbetriebs …“ Vom Speichel des Publikums müsse man sich ernähren, sagt Tobias, und nicht einmal das ist anno 2020/2021 via Stream mehr möglich. „Salz Burg“ ist als heute betrachtete Inszenierung ein Entwicklungsschritt auf dem Weg, den die schnelle Eingreiftruppe zur theatralen Aufarbeitung aktueller Themen 2008 einschlug, weg von den Klassikern, hin zur poetischen, in doppeltem Sinne „Verdichtung“ der gesellschaftspolitischen Realität.

Martina Ambach lamentiert. Bild: © aktionstheater ensemble

Vera Borek deklamiert. Bild: © aktionstheater ensemble

Susanne Brandt kalmiert. Bild: © aktionstheater ensemble

Was Martin Gruber und Martin Ojster hier ansprechen, und schön ist’s zu sehen, wie etwa Michaela Bilgeri und Susanne Brandt bereits an ihren Manierismen feilen, wird in den kommenden Projekten noch präziser werden: Vom Demokratie-Ennui bis zum egozentrierten Weltbild Europas, vom Couchkomfort zum Faschismus, von der Selbst-Infantilisierung über Interesselosigkeit zu einer Konsumsucht, die sich wie ein Krebs ausbreitet – ein collagenähnliches Panorama des Österreichischen, bei dem das Ensemble aufs Anarchischste den Aufstand probt, doch die Barrikaden des Kulturestablishments nicht ohne Selbst/Ironie stürmt.

2012 war das aufg’legt. Die Salzburger Festspiele hatten eben erst den zum Eröffnungsredner bestimmten Jean Ziegler wieder ausgeladen, „diesen Fremdkörper im Festspielorganismus“, sagt Bilgeri, „800 Millionen hungernde Menschen scheißen drauf“, sagt Brandt, „unterm Schirm der Kunst nichts spüren und nichts riechen“, das sei das Ersatzerlebnis, die Ersatzbefriedigung! Wie stets ist Martin Gruber der Moral von der Geschicht‘ elegant ausgewichen, persönliche Befindlich- und Wehleidigkeit hat hingegen hinreichend Platz.

Susanne hat sich für die Rolle der Sandy in „Grease“ beworben, für Musical ist ja Geld da und außerdem „bin ich innen nicht so, wie ich außen ausschau‘, ich fühl‘ mich wie ein Modeltyp“. Fabelhaft verzweifelt und urkomisch ist die Brandt, während sie sich durch ein Best-of-Webber singt. Michaela würde als Stellenangebot auch Blow Jobs annehmen. Martina (Ambach), eben noch Backstage-Anekdoten runterleiernd, eine im Bühnenpelz schwitzende Sängerin, ein Sponsor, der inszenatorische Oberhand will, „weil er’s schließlich zahlt hat“, bricht bei ihrer Selbst/Aufgabe in Tränen aus – so böse sind alle zu den Festspielen, dabei „is des quasi mei Ursprung.“

Michaela Bilgeri. Bild: © aktionstheater ensemble

Tobias Voigt. Bild: © aktionstheater ensemble

Susanne Brandt. Bild: © aktionstheater ensemble

Alle an der Pole Dance Stange. Bild: © aktionstheater ensemble

Derart wird schwadroniert und lamentiert, alles immer haarscharf pathetisch, und mittendrin erstaunt, erschreckt, „im falschen Film“ grad recht – Vera Borek, die Grande Dame des Wiener Volkstheaters, die – „Aufpassen, Kinder!“ – den Nachwuchs bei der Pole Dance Stange hält, in Tonfall und Geste eine gestrenge Ballettmeisterin, Ihre Deutungshoheit, die Bedeutungsschweres zu künden hat, „ …über wie viele Schatten ich schon gesprungen bin …“, „ihr fragt euch, wie bewahre ich bei all dem meine Würde, und ich sage euch, scheißt’s auf die Würde“.

Borek taumelt zum Mikrophon, „mit der richtigen Technik spielen wir die neueste Gesetzesnovelle zur Künstlersozialversicherung als wäre sie von Elfriede Jelinek“, ja, das war auch 2012, um Michaela Bilgeri aus „Wie geht es weiter“ zu zitieren, „ein Riesenthema bei uns“, die Borek will die im Trüben fischenden Kritiker mit postdramatischen Eindrücken beeindrucken, bevor sie sich neben ihren cognacfarbenen Lederfauteuil setzt. Martina hilft, Michaela lacht. Heimlich.

„Planlose Aktivitäten, sprühend vor Energie, aber alles in allem rätselhaft“, rekapituliert Tobias als wäre er einer der erwähnten Kritiker. Damit das klar ist, ES GEHT UMS GELD! Susannes irrer Smalltalk, Schmollmund-Schlampe Michaela, Martina mit ihrem urwüchsigen Charme, wer würde da gern spenden? Viel fehlt nicht, dass ihm das ergänzende Samen- wie Geifer von den Lippen tropft, toxische Männlichkeit heißt sich das. Der nächste Mythopoet, Videomacher Felix Dietlinger, redet von Rebranding, man müsse Content und Hype zugleich zu sein.

„Wie bewahre ich bei all dem meine Würde …?: Vera Borek. Bild: © aktionstheater ensemble

Was Wunder, dass die Berühmtheit in der Runde, die Borek, die ohnedies den Großteil des Abends neben der Espressomaschine verbracht hat, nun als güldene Kaffeekapsel epiphaniert. Vera Borek als fleischgewordene Werbefläche, das ist Product-Placement auf höchster künstlerischer Ebene, das ist Theater-Placement mit subtilem Produktzusammenhang. Noch ästhetischer, authentischer, aussagekräftiger geht nicht.

Und mit ihrer unverwechselbaren, vom Schneidenden ins Somnambule wechselnden Stimme schließt die Borek: „Da draußen gibt es irgendwo die Freiheit der Kunst … glaube ich … dann lass‘ mich sanft hinübergehen, vielleicht geh‘ ich in Freuden ein …“ Und aus dem Hofer-Sackerl schneit’s Federn. Wer wohl gerupft worden ist?

aktionstheater.at           Trailer: vimeo.com/42688565

23. 3. 2021

Love Machine

Januar 29, 2019 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Womanizer mit Waschbärbauch

Georgy Hillmaier wird vom ambitionslosen Musiker zum erfolgreichen Callboy: Thomas Stipsits. Bild: © Allegro Film/Philipp Brozsek

„Sensibel, bissi Macho, lustig, aber ned bled“, solcherart charakterisiert Georgy Hillmaier das mängelfrei funktionierende Mannsbild, hat er doch selber mit dieser Grundausstattung den größten Erfolg. Wobei, apropos Grundausstattung, die wahrscheinlich längste Praline der Welt hat mit seinem guten Gedeihen im sogenannten ältesten Gewerbe schon auch etwas zu tun: Georgy Hillmaier bietet nämlich seit einiger Zeit als Callboy seine Liebesdienste an.

„Love Machine“ heißt folgerichtig die freche Filmkomödie von Andreas Schmied, die am Freitag in den Kinos anläuft, und in der Schauspieler und Kabarettist Thomas Stipsits den Georgy spielt. Der, ambitionsloses Mitglied einer Zwei-Mann-Combo für Geburtstage und andere Feiern, wird zunächst einmal vom Leben aus der Kurve getragen. Sein Musikerkollege stirbt mitten in einem Auftritt den plötzlichen Herztod, und weil Schulden da sind, verliert Georgy mit einem Schlag nicht nur den Job, sondern auch Auto und Wohnung. Eine Idee für eine neue Einnahmequelle muss also her, und eine solche hat Georgy mit dem Geistesblitz, er könnte doch professioneller Frauenverwöhner werden. Schwester Gitti unterstützt die Absicht nach anfänglicher Skepsis, kommt Georgy bei den Damen doch bestens an. Bald brummt das Geschäft – bis sich die Love Machine ernsthaft verliebt. Ein eher unpraktischer Gemütszustand in diesem Berufsfeld …

Noch sind Georgy und Gitti auf der Suche nach einer Geschäftsidee: Thomas Stipsits und Julia Edtmeier. Bild: © Allegro Film/Philipp Brozsek

Fahrlehrerin Jadwiga wird Georgys große Liebe: Claudia Kottal und Thomas Stipsits. Bild: © Allegro Film/Felipe Kolm

Leicht hätte ein Stoff wie dieser zur Sexklamotte, zum Klamaukfilm werden können, doch Regisseur Schmied und sein Hauptdarsteller meistern bravourös die Gratwanderung zwischen gefühlvoll, kess und komisch. Für diesen Mix ist Thomas Stipsits eine Idealbesetzung. Mit Charme und Schmäh und dem ihm eigenen verschmitzten Lächeln gibt er den Womanizer mit dem wehmütigen Blick und dem Waschbärbauch. Wobei vor allem zweiterer Georgy auf die Kundinnen supersympathisch wirken lässt, sind etliche der einsamen Herzen doch in der Altersgruppe Fiftysomething, und sich der Attraktivität ihrer äußeren Erscheinung alles andere als sicher.

Gleich der erste Job scheint diesbezüglich in Peinlichkeit zu versinken, doch Georgy rettet die Situation mit dem Vorschlag, fürs Erste einmal miteinander zu reden. Klar, dass es zu mehr kommt, Stipsits lässt sich in seiner Rolle auf eine Reihe intimer Szenen ein, die kaum eine Spielart von Sex auslassen, und immer ist das Gezeigte stilvoll. Auch, wenn Oralverkehr mit Barbara Schöneberger natürlich zum Lachen ist. Der deutsche TV-Star ist nur eine der kongenialen Darstellerinnen rund um Stipsits‘ Georgy. Auch Lilian Klebow, Adele Neuhauser oder Julia Jelinek gehören zu dessen Klientel.

Mit seiner Ehefrau Katharina Straßer hat Stipsits außerdem eine köstliche Szene. Ihre Figur will Georgys Können geburtsanregend einsetzen – die Straßer dabei tatsächlich hochschwanger mit Töchterchen Lieselotte. Die grandiose Julia Edtmeier, bekannt als Teil der künstlerischen Leitung im Bronski & Grünberg (www.mottingers-meinung.at/?p=27524), ist als Georgys Schwester Gitti zu sehen, erst Waxingspezialistin im Beautysalon der Ulrike Beimpold, bis sie hauptberuflich zur – was Arbeitsaufträge betrifft unbarmherzigen und Leistung einfordernden – Zuhälterin wird.

Georgy wird optisch optimiert: Claudia Schwarz, Thomas Stipsits, Julia Edtmeier, Agnes Hausmann und Philipp Doboczky. Bild: © Allegro Film/Philipp Brozsek

Durch das Ableben seines Bandleaders lernt Georgy dessen Schwester, die Fahrlehrerin Jadwiga, kennen – und ist vom ersten Augenblick an für sie entflammt. Claudia Kottal gestaltet diese seltsam verkorkste junge Frau ganz fabelhaft, zwischen einer Schroffheit und einer Verletzlichkeit, deren Ursache sich erst später herausstellen wird. Georgy jedenfalls muss sich nun entscheiden, ob er weiter Callboy sein oder seine Liebesangelegenheit vorantreiben will.

Glaubt er. Denn einer, von dem jede Frau genau das bekommt, was sie im Moment höchsten Glücks braucht, hat natürlich auch der ausgerechnet in Sexfragen komplizierten Jadwiga etwas zu bieten … „Love Machine“ ist Kinovergnügen pur, mit einem hinreißenden Cast an großartigen Schauspielerinnen und einem Thomas Stipsits, der sich kein Blatt vor den … nimmt. Anschauen!

Thomas Stipsits im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=31440

lovemachine.derfilm.at

  1. 1. 2019

Love Machine: Thomas Stipsits im Gespräch

Januar 21, 2019 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Der Schreck der Frauen vor dem Sixpack

Thomas Stipsits: Von der Zwei-Mann-Combo ins Callboy-Business. Georgy Hillmaier stellt sich und seinen Körper der Damenwelt entgeltlich zur Verfügung. Bild: © Allegro Film/Felipe Kolm

Kein Job, keine Wohnung und nur noch 8% Handyakku? Kein Problem für Thomas Stipsits, der im Film „Love Machine“ den arbeitslosen Musiker Georgy Hillmaier spielt. Am Tiefpunkt von dessen Leben eröffnet sich für Georgy nämlich eine unerwartete Karrierechance. Als Callboy bringt er künftig zahlenden Kundinnen viel Freude – und das nicht in erster Linie wegen seines Luxuskörpers. Dass er sich schließlich allerdings verliebt, macht das Ganze nicht unkomplizierter …

Am 1. Februar startet die freche Komödie von Regisseur Andreas Schmied in den Kinos. Mit dabei: Claudia Kottal, Julia Edtmeier, Ulrike Beimpold, Barbara Schöneberger, Lilian Klebow, Adele Neuhauser, Julia Jelinek und Katharina Straßer. Thomas Stipsits im Gespräch:

MM: „Love Machine“ Georgy Hillmaier verfügt über eine sagenhafte Grundausstattung, ich habe überlegt, wie wir ein seriöses Gespräch führen wollen, ohne die wahrscheinlich längste Praline der Welt zu erwähnen, aber …

Thomas Stipsits: Ja, darauf kommen die Leute immer wieder zurück. Fragen Sie einfach, wie es Sie überkommt.

MM: Gut also, was hat Sie daran angesprochen, in diese Filmkomödie einzusteigen?

Stipsits: Ich fand zum einen die Idee lustig, zum anderen hat mir gefallen, dass Andreas Schmied diesen Film inszenieren würde, weil ich ihn als Regisseur sehr schätze und mit ihm sehr gut kann. Ich habe bei ihm noch nie vor der Kamera gearbeitet, aber wir haben schon gemeinsam geschrieben und ich sollte schon mit einer kleinen Rolle bei „Die Werkstürmer“ dabei sein. Aber dann hat mir Wolfgang Murnberger eine Hauptrolle in „Steirerblut“ angeboten, und Andreas hat gesagt: Mach das! Was „Love Machine“ betrifft, hatten wir sofort den Konsens, dass dieses interessante Thema keine Sexklamotte, kein Slapstick oder Klamauk werden darf. Die Gefahr ist bei so etwas sehr hoch, deshalb gab es im Vorfeld auch viele Gespräche und Proben, damit die Szenen wirklich Intelligenz und Sinnlichkeit besitzen.

MM: Georgy ist der Womanizer mit dem wehmütigen Blick. Ein ungefährlicher Durchschnittsmann, der zum Superliebhaber wird. Ist das eine Figurencharakterisierung, die Ihnen entgegenkommt?

Stipsits: Natürlich liegen mir solche Figuren, weil ich abseits der Bühne eher kein offensiver Mensch bin. Ich bin ein großer Diplomat, gehe Streitereien lieber aus dem Weg, und ich glaube, dass mir Georgy darin nicht unähnlich ist. Ich habe mir vor Beginn der Dreharbeiten „Willkommen Mr. Chance“ mit Peter Sellers angeschaut, darin spielt er einen Gärtner, der eine gewisse Bauernschläue besitzt und unter einer Käseglocke durchs Leben wandelt, ohne dass ihm etwas passiert. Georgy Hillmaier ist ein ähnlicher Typ. Er macht sich wenig Gedanken, er hat keinen Plan fürs Leben, alles passiert ihm. Letztlich auch diese Callboy-Sache.

MM: Mit der Georgy gerade reüssiert, weil er kein Chippendale ist.

Stipsits: Genau. Ich denke, dass sich Frauen mehr schrecken, wenn einer mit Sixpack bei der Tür reinkommt. Trotzdem war es mir wichtig, als er die erste Kundin trifft, dass es beiden ein bissl peinlich ist. Er schlägt ihr vor, nur zu reden, und das meint er auch ernst. Er ist ein Seelenstreichler, und er bewertet nichts großartig, Frauen können ihren seelischen Müll bei ihm abladen, und er wird das nicht aburteilen.

MM: Als Mitglied dieser Gruppe, haben mich diese ganzen Fiftysomething-Frauen sehr berührt. Es ist tatsächlich nicht leicht, in diesem Alter noch einen g’scheiten Mann zu finden.

Stipsits: Das ist schön, wenn Sie so etwas sagen. Zwischen Georgy und seinen Kundinnen geht es nämlich schon um eine gewisse Art von Zuneigung, und auch wenn sie erkauft wird, will Georgy den Frauen nicht dieses Gefühl geben. Er schätzt seine Kundinnen wert, und er wächst an den Begegnungen selber menschlich, er ist anfangs viel oberflächlicher, bevor er sich auf diese „Heldenreise“ begibt. Ulrike Beimpold, die im Film auch mitspielt, hat gesagt, dass Georgy über den Sex zur Liebe findet.

MM: Sind Rollen wie Georgy Hillmaier solche, die Sie suchen? Mit Ihrem Gschau könnten Sie doch gut einmal einen Verbrecher spielen.

Stipsits: Das wäre sicher reizbar, einmal einen unsympathischen Charakter zu spielen. Es wird mir nachgesagt, dass mich nicht alle, aber manche, sehr sympathisch finden. Auf der Bühne, im Film. Und dafür kann ich halt nichts, das ist mir irgendwie angeboren.

Mit Barbara Schöneberger. Bild: © Allegro Film/Felipe Kolm

Mit Katharina Straßer. Bild: © Allegro Film/Felipe Kolm

MM: Sie waren in „Love Machine“ fast der einzige Mann am Set. Wie war’s mit so vielen Frauen?

Stipsits: Grundsätzlich einmal: schön. Gerade im Film gibt es viele Frauen, die hinter der Kamera arbeiten. Ich möchte mich jetzt wirklich nicht blöd einschleimen, aber Frauen am Set bringen eine gewisse Ruhe rein. Sie sind nicht so schnell aggressiv, sie sind Teamplayer, nicht auf dem Egotrip. Sie haben das große Ganze im Auge, sie schauen, dass sich jeder wohlfühlt, und versuchen, das Team in Harmonie zusammenzuhalten. Natürlich kommen in Gesprächen unter Frauen Themen auf, wo ich denke, das ist nicht meins, aber da muss ich ja nicht mitreden.

MM: Im Film gibt es themenbezogen viele intime Szenen, sei’s allein, sei’s zu zweit. Sie geben in diesen sehr viel von sich her. Wie schwierig ist das?

Stipsits: Das werde ich auch im privaten Bereich oft gefragt, und ich kann nur sagen, da haben sich die Proben, die Andreas Schmied angeregt hat, wieder einmal bezahlt gemacht, um die erste Scheu voreinander zu nehmen. Viele der Darstellerinnen kannte ich schon privat, Adele Neuhauser, Julia Jelinek, Claudia Kottal, aber herauszufinden, wie sich eine Sexszene anfühlt, das ist noch einmal etwas anderes. Andreas sagte uns: Macht, wie ihr euch wohlfühlt, ich bestehe auf nichts, es muss nur als Ganzes richtig rüberkommen. Eine Sexszene vor der Kamera, mit Leidenschaft auf Knopfdruck, hat nichts Prickelndes, und bei „Love Machine“ gab es keinen Moment, in dem jemand sagte, er fühlt sich jetzt ungut. Ich bin ja oft nackt im Film, aber ich hatte nie ein Schamgefühl, weil ich in diesem Team sicher aufgehoben war.

MM: Und konkret? Wie ist es mit Barbara Schöneberger im Schoß?

Stipsits: Sehr lustig. Sie ist wirklich grandios, ich kannte sie nicht, aber sie ist genau so, wie ich es mir gedacht habe, jemand, der gute Laune am Set verbreitet, und das ist auch immer wieder schön, dass diese ganz Großen total nett sind. Sie hatte einen eigenen Maskenbildner mit, der auch unfassbar witzig war, der auch sofort unseren Schmäh mitgemacht hat. Wir haben viel gelacht. Barbara musste Oralverkehr-Geräusche machen, und fragt den Tonmann, ob das Okay war, und er sagt im Vorbeigehen so nebenbei: Das Lutschen war gut. Das führt natürlich schon zu Heiterkeit.

MM: Sie haben mit Katharina Straßer eine Geburtsszene. Sind da private Erfahrungen eingeflossen?

Stipsits: Bei uns war’s viel konzentrierter und viel ruhiger. (Er lacht.) Aber natürlich ist es so, wenn man den fertigen Film sieht, und man weiß, da war die Tochter im Bauch von der Kathi …

MM: Der Schwangerschaftsbauch ist echt?

Stipsits: Jaja, Andreas wollte unbedingt, dass Kathi mitspielt, dann kam dieses Ereignis dazu, und so hat er für sie extra diese Szene geschrieben. Wir haben die zwei Wochen vor dem eigentlichen Drehstart aufgenommen, damit es sich mit dem Mutterschutz ausgeht.

MM: Da wir beim Thema sind: Sie sind seit September zum zweiten Mal Vater, nach Emil eine Lieselotte. Wieviel Humor braucht man als Eltern?

Stipsits: Viel. Sie ist sehr brav, das muss man sagen. Emil kostet uns schon Nerven. Lieselotte findet meine – Kathi nennt das – „Show“ noch lustig, der Emil nicht mehr so, der ist schon ein anspruchsvolles Publikum, da muss man das Programm sehr oft wechseln, damit man den bei Laune hält. Wenn’s ihm fad ist, steht er mittendrin auf und geht und ich bleib über mit meiner Performance. Das ist die ärgste Art zu sagen: Das gefällt mir überhaupt nicht. Aber Kathi und ich sagen im Spaß immer: Aber man kriegt ja so viel zurück.

Mit Julia Jelinek und Adele Neuhauser. Bild: © Allegro Film/Philipp Brozsek

Die große Liebe: Claudia Kottal als Fahrlehrerin Jadwiga. Bild: © Allegro Film/Felipe Kolm

MM: Sie haben Ihre Karriere als Kabarettist begonnen. Wieso der Schritt zum Schauspieler?

Stipsits: Das war immer ein geheimer Wunsch.

MM: Und woher das Talent?

Stipsits: Das ist eine gute Frage. Vielleicht, weil wir eine lustige Familie sind, mein Vater, meine Mutter und mein Bruder. Natürlich habe ich mich am Anfang gefragt: Kann ich das wirklich oder unterliege ich meiner eigenen Selbstüberschätzung? Ich bin sozialisiert worden mit dem österreichischen Kabarettfilm, „Indien“, „Hinterholz 8“, „Muttertag“, und damals dachte ich schon, das wär’s, einmal in einem Film mitzuspielen. Ich hatte das große Glück, auf Kolleginnen und Kollegen zu treffen, erfahrene Leute, die mir Tipps mitgegeben haben. Marion Mitterhammer, mit der ich „Wie man leben soll“ gemacht habe, war zum Beispiel so eine.

MM: Aber als größtenteils Solokünstler, wie einfach sind Sie in Film- oder Fernsehprojekten zu führen? Ich habe oftmals den Eindruck, Sätze, die Sie da sprechen, sind original von Ihnen.

Stipsits: Das stimmt, weil ich bis jetzt immer mit Leuten arbeiten konnte, wo das absolut erwünscht war. Am Anfang habe ich gefragt, ob ich etwas so oder so sagen darf, das mache ich jetzt nicht mehr. Ich sag’s einfach, ich mache mir die Sätze mundgerecht. Es gibt eben Dialoge, bei denen man sich denkt: So redet niemand. Da ist es schon mein Bestreben, etwas zu finden, das zwar dasselbe heißt, aber anders formuliert ist.

MM: Sie haben für Ihre Kabarettprogramme Figuren kreiert, die mittlerweile legendär geworden sind. Man denke nur an Unteroffizier Steinschleifer. Wie erschaffen Sie die?

Stipsits: Im konkreten Fall stammt die Idee von meinem Papa, weil der so jemanden in seiner Ausbildung hatte. Ein sehr netter Kerl, der aufgrund seines S-Fehlers immer ausgelacht wurde. Ansonsten bin ich jemand der Leute beobachtet, in der Straßenbahn oder wo immer ich bin. Das Kabarett lebt ja von der Beobachtung, weniger von der Übertreibung. Oder ich treffe jemanden, von dem ich mir denke, der könnte was für die Bühne sein.

MM: Wie in Ihrem Buch „Das Glück hat einen Vogel“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=26349), Kurzgeschichten nach Vornamen von A bis Z, drunter auch diverse Familienmitglieder. Mögen die das?

Stipsits: Teilweise. (Er lacht.) Sie sehen das alle mit einem Augenzwinkern. Bei der Familie sitzt man halt an der Quelle, und es ist immer leichter über Dinge zu schreiben oder zu reden, von denen man Ahnung hat, als man saugt sich irgendetwas aus den Fingern. Die Geschichten im Buch sind teils wahr, teils Fiktion, aber keine ist quasi ganz erfunden.

MM: Nun hätten Sie mit Lieselotte ein neues L.

Stipsits: Ja, ich mache aber lieber ein neues Buch. Einen Stinatz-Krimi mit einer Art Columbo-Kommissar.

MM: Apropos, Stinatz: Sie touren derzeit mit den „Stinatzer Delikatessen“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=28317), die zwei Drittel Best-of, ein Drittel neu sind. Wann kommt ganz neu?

Stipsits: Die „Delikatessen“ waren als Übergangsprogramm gedacht. Jetzt ist aber die Nachfrage so groß, was mich sehr freut, dass sie sicher noch bis 2020 laufen werden. Ich habe zwar schon Ideen fürs neue Programm, aber ich mache mir da keinen Stress. Ich habe neue Nummern, von denen ich weiß, sie funktionieren, und dabei belasse ich es einmal. Das gilt auch fürs Auftreten mit Manuel Rubey. Wir haben Ende des Jahres 2018 mit „Gott & Söhne“ aufgehört, und die Pause, die wir jetzt einlegen ist rein künstlerischer Natur. Privat verstehen wir uns bestens, aber um uns künstlerisch nicht zu wiederholen, macht jetzt jeder einmal sein Ding, und danach treffen wir uns wieder mit neu gefülltem Rucksack. Heißt: Stipsits & Rubey wird auf alle Fälle weitergehen.

MM: Sie arbeiten auch an einem Griechenland-Projekt, Ihr Lieblingsland.

Stipsits: Ein Kinofilm, eine Aussteigerkomödie mit bewusst starken Alexis-Sorbas-Motiven, die ich gemeinsam mit Harald Sicheritz und Georg Weissgram geschrieben habe, und in der wir der Frage nachgehen, warum es gerade über Griechenland diese „Irgendwann bleib‘ i dann dort“-Gedanken gibt. Ein Teil ist schon finanziert, auf einen „Topf“ warten wir noch. Wenn alles klappt, werden wir im Mai, Juni drehen. Mit Kathi. Das wird dann Family-Urlaub und Dreh in einem.

MM: Um nun noch einmal auf die Einstiegsfrage nach der Grundausstattung zurückzukommen …

Stipsits: Dazu muss ich schweigen!

Die Filmkritik: www.mottingers-meinung.at/?p=31598

lovemachine.derfilm.at          www.stipsits.com

21. 1. 2019

Orpheum Wien – Thomas Stipsits: Stinatzer Delikatessen. Quasi ein Best Of

Februar 14, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Und immer noch kein Freibad

Bild: pertramer.at

Es gibt also immer noch kein Freibad in Stinatz, auf diesen Umstand zwingt es den dortigen Tourismusbeauftragten bei seinem Premierenauftritt im Orpheum Wien hinzuweisen. Man weiß schließlich Freunde und Gönner anwesend, und vielleicht ja … Geber? Ach ja, der Mann heißt Thomas Stipsits und ist hauptberuflich Kabarettist und Schauspieler, in erster Linie aber auch ein seiner Marktgemeinde Verbundener.

Als solcher hat er nun eine südburgenländische Perlenreihe geknüpft. „Stinatzer Delikatessen – Quasi ein Best Of“ heißt sie, und präsentiert sozusagen Pikantes aus bisherigen Programmen, gewürzt mit Ausblicken auf das kommende neue. Über einheimische Eigenheiten erzählt der Stipsits ja besonders gern, und auch diesmal malt er wieder ein lebhaftes Bild vom Leben zwischen Thujen, Jägerzaun und Waschbetonplatten. Man erfährt, wie Online-Banking bei der Stinatzer Raika funktioniert, Wissenwertes über den Kampf der Showgiganten ORF vs katholische Kirche, und viel übers kroatische Erbe.

An den schönsten Stellen packt Stipsits über die eigene Familie aus, Papa, Oma und die im Publikum sitzende Gattin, die ihm beim Schlussapplaus ganz schön Kontra gibt. Hier wird sich nicht geschont, hier wird Spaß gemacht, dass es eine Freude ist. Doch die Zeichen der Zeit sind auch an ihm nicht ohne Weiteres vorübergegangen, und so flicht Stipsits ein paar aktuell ernst gemeinte Einsprengsel in seinen launigen Text. Über Flüchtlingssketche bei Faschingssitzungen, die Kurz-Führung der Balkanroute und die Retro-Regierung insgesamt. Freilich darf auch der allseits bekannte Jörg-Haider-Herzensfreund nicht fehlen.

Stipsits turnt durch Dialekte, er sprintet durch Sprachfehler und Verständigungsprobleme. Ein gutes Dutzend seiner Figuren hat er diesmal mit dabei, und so gibt es ein Wiedersehen/Wiederhören mit Unteroffizier Steinschleifer und dem Ex-Lehrer, weil Krautkenner Feichtinger Joe, mit Tiroler Schützen und griechischen Wirten. Als besonderes Schmankerl serviert Stipsits einen nagelneuen steirischen Sirtaki. Dies in atemberaubenden Tempo. Und ohne sich, wie eigentlich angekündigt, zu verhaspeln.

Überhaupt greift Stipsits wieder gern und viel zur Gitarre, bringt ein Achtzigerjahre-Medley von „Flinserl im Ohr“/„Felicita“ – bis „Rauchverbot“/“In The Army Now“, singt für seinen Sohn Kinderlieder à la Grönemeyer oder Rolling Stones, und – dies schon die Zugabe – intoniert Nachweihnachtliches im Stil von Wanda oder Bilderbuch. Stipsits zeigt sich einmal mehr als Entertainer, der im Wortsinn alle Stückln spielt. In diesem Sinne: Selten so gelacht.

www.stipsits.com

  1. 2. 2018

Thomas Stipsits: Das Glück hat einen Vogel

September 28, 2017 in Buch

VON MICHAELA MOTTINGER

26 Geschichten von der Gunst des Schicksals

„Ungefähr zur selben Zeit …“ So beginnt jede der Kurzgeschichten, die Thomas Stipsits für sein erstes Buch „Das Glück hat einen Vogel“ aufgeschrieben hat. Der Kabarettist und Schauspieler wagt sich als Autor auf neues Terrain, sagt er, doch ist es kein ihm völlig unbekanntes. Denn ein Geschichtenerzähler, das ist Stipsits auch in seinen Bühnenprogrammen; die Figuren seiner im Großen und Ganzen Mittelstandsstorys kennt er also gut – er spielt sie ja auch. Und so kommen einem die Charaktere im Buch durchaus vertraut vor. Es sind Stipsits Humor und sein großes Herz, der aus ihnen und mittels derer er über sie spricht, die die Verwandtschaft herstellen.

Die Geschichten handeln vom Glück. Nicht von dem, das der Wiener „a Masn“ nennt, sondern vom Glücksgefühl, vom Glücklichsein und – ganz wichtig – vom Schokoglück. Stipsits schreibt über die Gunst des Schicksals. Sie widerfährt 26 Menschen, von A wie Andreas bis Z wie Zita, die beiden gleichsam eine Klammer fürs Buch. Der Augustin-Verkäufer und die Upper-Class-Tussi waren in der gleichen Schulklasse.

Nun ist er völlig abgesandelt und sie reich verheiratet. „Das Schicksal schlug aus wie ein panisches Pferd. Die große Sehnsucht nach einem guten Leben, Reichtum und endlosem Vergnügen gepaart mit Phlegma hatte in Andreas Lebensgeschichte tiefe Wunden hinterlassen“, schreibt Stipsits. Der im Übrigen alle seine Figuren liebt. Er wünscht ihnen nur das beste, was anderes würde er mutmaßlich gar nicht aushalten, und so gibt es für Zita Läuterung im noblen Dirndlladen und für Andreas ein Happy End. Sipsits erfindet für seine Geschöpfe vielfältige, ideenreiche Settings, manche der Momentaufnahmen sind flott und fröhlich, manche melancholisch, manche lassen sich Zeit, bis sie ihr Geheimnis preisgeben, die eine oder andere verweigert sich dem ganz, Stipsits Sprache dabei stets präzise und prägnant in der Beschreibung.

Bild: pixabay.com

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Wer den Autor vom Kabarett kennt, wird einige seiner Lieblingsthemen und -dinge wiederfinden. Thujen kommen natürlich vor, Karpathos kommt vor, Stinatz ist selbstverständlich ein Schauplatz, wo im Wirtshaus die „Färbel“-Abende stattfinden, und der Wirt bei diesem Kartenspiel während des angeblichen Vortrags kroatischer Volkslieder betrügt: „Es versteht sich von selbst, dass er keine kroatischen Weisen sang, sondern eher Chansons mit dem Inhalt: ,Der hat a Herz-As, der hat a Pik-Sieben …‘ Für diese Leistungen verrechnete er seinen Stinatzer Kartenkomplizen stolze 25 Prozent der Einnahmen.“ Es gibt wie in „Triest“ einige jener Sätze, denen es keine Beachtung zu schenken gilt: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Wir haben damals nichts gehabt. Wenn du nicht aufisst, scheint morgen nicht die Sonne … Und eine Hommage an die Mistkübler der MA48, diese „Helden der Kehrrichterei“, die dank ihres Koloniatruppen-Matras „ignorieren, ignorieren, ignorieren“ hysterisch hupende Autofahrer – na, eben – ignorieren können.

Alle seine Geschichten seien im Kern wirklich wahr, ob selbst erlebt oder erzählt bekommen, so Stipsits. Und so kann man bei ihm nachlesen, wie man unliebsame Einladungen möglichst elegant ausschlägt, wie ein Durchschnittstyp sich ein Megaweib sichert, auch wenn die keines ist, was es bedeutet, wenn man im Haus gegenüber drei Mal den selben Mord mitansehen muss, und wie man sich verhalten sollte, wenn die Seitensprung-Konkurrenz kein anderer als ER ist.

Bild: pixabay.com

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Stipsits kramt anstandslos auch im Privaten. Christian verfährt sich auf dem Weg zum Nova-Rock-Soundcheck und begegnet einer jungen, geheimnisvollen Frau. Emil hat noch eine Besprechung mit dem Big Boss, bevor er seinen neuen Job antritt; seine neuen „Bediensteten“ werden eine derzeit noch schreiende blonde Frau und ein nervös auf und ab tigernder Mann sein. Katharina kämpft mit einer Diät und ihrem Schokoaufstrichgusto, während sie die „Ich schau, ob ich zugenommen habe“-Hose im Schrank beäugt. Eine solche hat man selber auch. Sie hängt neben dem „Jö, ich habe abgenommen“-Rock, dieser ein Fake, weil mit Gummizugbund … Unter M ist Stipsits nicht Manuel, sondern Michael eingefallen, ein Kabarettkollege, der nach einem Auftritt in der ausverkauften Stadthalle die lieblos angerichtete Wurstplatte im Backstage-Bereich bejammert, diese ein bekanntes Kleinkünstlertrauma, bevor er im Pub seines Vertrauens eine hochnäsige Burgschauspielerin zur Schnecke macht. Nia würde man drauf kommen, wer da gemeint ist. Hansi Hinterseer erscheint als er selbst, und ist so herzlich wie in echt.

Zu guter Letzt erst das I, das Ich. Dazu nicht Alexander von Biczos „Vogerl“-Zitat, sondern die Nöstlinger: „Glück ist was für Augenblicke“. So kann man bei dieser Lektüre von Geschichte zu Geschichte, von Augenblick zu Augenblick glücklich sein. Thomas Stipsits hat ein Buch geschrieben, das einem im vor der Tür stehenden Herbst die Seele wärmen wird.

Über den Autor:
Thomas Stipsits, 1983 in Leoben geboren, schrieb bereits in der Schule Lieder und kleine Sketche. 2000 erhielt er den Kärntner Kleinkunstpreis. 2004, gemeinsam mit Klaus Eckel, Pepi Hopf und Martin Kosch den Österreichischen Kabarettförderpreis. Sein Programm „Griechenland“ feierte Anfang 2006 Premiere, aktuell tritt er zusammen mit Manuel Rubey und seinem Bruder Christian mit dem Programm „Gott & Söhne“ auf. Er ist in zahlreichen Fernsehproduktionen („Braunschlag“, „Tatort“, „Vorstadtweiber“) und Kinofilmen (aktuell: „Baumschlager“, Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=26085) zu sehen und tritt regelmäßig in „Was gibt es Neues?“ auf. Zusammen mit seiner Frau Katharina Straßer gestaltete er im ORF die Comedy-Serie „Gemischtes Doppel“. Die beiden haben einen gemeinsamen Sohn, Emil. Als Musiker tritt er mit Ulli Bäer und Willi Gansterer mit der Danzer-Hommage „Von Danzer bis Stinatz“ auf.

Ueberreuter Sachbuch, Thomas Stipsits: „Das Glück hat einen Vogel“, Kurzgeschichten, 160 Seiten.

www.ueberreuter-sachbuch.at

www.stipsits.com

  1. 9. 2017