Schauspielhaus Graz: Iwan Wyrypajews „Betrunkene“

Mai 11, 2016 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Tiefere Welterkenntnis dank Wodka

Evamaria Salcher, Clemens Maria Riegler und Silvana Veit. Bild: © Lupi Spuma / Schauspielhaus Graz

Evamaria Salcher, Clemens Maria Riegler und Silvana Veit. Bild: © Lupi Spuma / Schauspielhaus Graz

Silvana Veit und Clemens Maria Riegler Bild: © Lupi Spuma / Schauspielhaus Graz

Silvana Veit und Clemens Maria Riegler Bild: © Lupi Spuma / Schauspielhaus Graz

Am 13. Mai hat am Schauspielhaus Graz Iwan Wyrypajews „Betrunkene“ als österreichische Erstaufführung Premiere, übersetzt aus dem Russischen von Stefan Schmidtke. Es inszeniert Bernadette Sonnenbichler, es spielen Fredrik Jan Hofmann, Florian Köhler, Clemens Maria Riegler, Evamaria Salcher, Tamara Semzov, Werner Strenger und Silvana Veit. Sie verkörpern vierzehn Gestalten, die durch die Nacht torkeln.

 

Eben „Betrunkene“, die je nach Anlass den König Alkohol zum Feiern, Trauern, Vergessen oder Gedenken gebraucht haben. In verschiedenen Situationen treffen sie aufeinander, und es treffen auch jene aufeinander, die sich nüchtern nicht begegnet wären, sich nichts zu sagen gehabt hätten, oder die sich unter normalen Umständen nichts gesagt hätten. Das Publikum begegnet Ehepaaren und Junggesellen, einer Prostituierten, dem Direktor eines Filmfestivals, Bankern, Managern, Gutverdienenden – es sind nicht die Verlierer der Gesellschaft, die hier schwanken, sondern vor allem die Gewinner, die Bestimmer, die Entscheider, die Stützen der Gesellschaft. Bei allen hat der Alkohol vorübergehend die Kontrolle übernommen,  lockert die Zungen, löst Geständnisse aus, macht den Weg frei zu umfassender Ehrlichkeit. Und zeigt den schutzlosen, liebesbedürftigen, verletzlichen Menschen in seiner ganzen tragikomischen Lächerlichkeit.

Dass das Stück aus der Feder eines Russen stammt, verwundert nicht, sagt man diesem Volk doch eine besonders große Begabung zu alkoholbasierter tieferer Erkenntnis nach. Dass es mehr ist als eine heitere Posse, versteht sich von selbst: Schon im alten Griechenland war Dionysos, der Gott des Rausches, verantwortlich für die Entstehung dessen, was man bis heute Theater nennt und das wie manches religiöse Ritual die Grenze zur Transzendenz zu überschreiten versucht.

Und so macht der Rausch die Grenze zwischen dem Selbst und dem Anderen durchlässig und vereint die unterschiedlichen Gestalten der Nacht in einer Feier der Liebe und der Erkenntnis des Göttlichen innerhalb und außerhalb ihrer selbst. So, dass am Ende der Spielzeit, die mit „Merlin“ und der Zerstörung einer alten Ordnung und dem gescheiterten Versuch einer neuen Gesellschaft begann, die Utopie einer Welt steht, in der alle – und sei es nur eine berauschte Nacht lang – Brüder und Schwestern und von Gott geliebte Kreaturen sind. Na dann, na sdarowje!

Iwan Wyrypajew. Bild: Lupovsko

Iwan Wyrypajew. Bild: Lupovsko

Über den Autor: 

Iwan Alexandrowitsch Wyrypajew wurde 1974 in Irkutsk geboren, einem der politischen und wirtschaftlichen Zentren Sibiriens südlich des Baikalsees. Er ist einer der wichtigsten russischen Dramatiker seiner Generation und arbeitet als Schauspieler, Regisseur, Autor und Drehbuchschreiber. Seit 2001 lebt er in Moskau. Seine Stücke sind im deutschsprachigen Theaterraum seit 2003 zu sehen, in Wien zuletzt am Schauspielhaus, bei den Wiener Festwochen und im Theater Nestroyhof Hamakom.

Iwan Wyrypajew im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=2016

www.schauspielhaus-graz.com

Wien, 11. 5. 2016

Hundsturm: Der Weg zum Glück

April 7, 2014 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Das Theater Melone zu Gast in Wien

Bild: Theater Melone

Bild: Theater Melone

Am 8., 10.  und  11. April ist am Hundsturm die österreichische Erstaufführung von Ingrid Lausunds „Der Weg zum Glück“ zu sehen, ein Gastspiel des Theaters Melone aus Innsbruck. Regie bei dem Monologstück führte Bernadette Sonnenbichler, es spielt Florian Hackspiel.

Inhalt: Zwei Beine mit einem Mann drauf laufen verwirrt und doch verheißungsvoll durch einen Abend, der den Weg zum Glück verspricht. Dieser Mann möchte uns etwas erzählen, etwas wirklich Wichtiges, etwas wirklich Fantastisches, etwas, das endlich Sinn macht. Verfolgt von Schattenfratzen, manischen Happy Birthday Gesängen und ständig gehetzt und getrieben auf  der Suche nach sich selbst, entfliehen seine Beine stets seinem eigenen Körper. Ankommen wird er nie, stolpern wird er ständig. Panik, Irrwege, Witz und Wahnsinn machen sich in ihm breit und dennoch – läuft’s doch ganz gut!

Florian Hackspiel spielt mit vollem Körpereinsatz, er läuft und stolpert, schreit und singt im Höllentempo. Er geht in die Vollen: Rasant, komisch, clownesk – und spielt doch mit souveräner Leichtigkeit  den irrlichternd Suchenden. An diesem Neurosenkasperl hätte Freud seine Freud‘ gehabt.

www.theatermelone.at

www.hundsturm.org

Trailer: www.youtube.com/watch?v=8MbptuCSSoc

Wien, 7. 4. 2014