Schallaburg: Sehnsucht Ferne – Aufbruch in neue Welten
März 22, 2021 in Ausstellung
VON MICHAELA MOTTINGER
Auf k.u.k. Nordpolexpedition im Escape Room

Sehnsucht Ferne – Aufbruch in neue Welten. Bild: © Klaus Pichler
Bis heute faszinieren die großen Abenteuer von Entdeckerinnen und Entdecker. Seit dem Wochenende lädt die Schallaburg mit „Sehnsucht Ferne –Aufbruch in neue Welten“ ein, ihren Spuren zu folgen. Wer waren die Menschen hinter den Geschichten und Legenden? Was wurde entdeckt und was hieß das für die Entdeckten? Der britische Seefahrer und Entdecker James Cook, der deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt oder
die österreichische Weltreisende Ida Pfeiffer – sie alle träumten von der Entdeckung neuer Welten. Sie teilten die Sehnsucht nach dem Unbekannten, dem Unerforschten und dem Neuen. Doch ihre Motive waren gänzlich unterschiedlich. Was trieb sie an? War es die Sehnsucht nach Abenteuer und Ruhm, die Gier nach Gold? Welche Ängste bewegten sie und was schürte ihre Euphorie? Welchen Herausforderungen mussten sie sich stellen? Was erwartete sie in exotischen Gefilden und was bedeutete das für die Einheimischen?
Erstmals ist ein „Escape Room“ Teil einer Schallaburg-Ausstellung: Eine spannende Expedition ins ewige Eis auf den Spuren der „österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition“ mit dem berühmten Schiff „Admiral Tegetthoff“. 1872 brach die Mannschaft auf, um eine befahrbare Nordostpassage durch die Eismeere zu finden. Diese Mission schlug fehl – und trotzdem wurde die Expedition zum riesigen Erfolg. Knapp 150 Jahre später kann sie in einem Escape-Room nachempfunden werden. Über fünf Räume sind Abenteuer zu erleben und hautnah zu spüren was es heißt, dem Erfolgsdruck und Entbehrungen einer legendären Expeditionsreise ausgesetzt zu sein.
Marcel Chahrour, aus dem inhaltlichen Team:„Selten war die Sehnsucht nach der Ferne so groß wie in diesen Tagen. Es ist eine spannende Reise für das gesamte Ausstellungsteam und insbesondere Roman Dachsberger und mich in den letzten Monaten Elemente dieser Sehnsucht aufzudecken. Seit es Menschen gibt, treibt die „Sehnsucht Ferne“ viele dazu, sich auf den Weg zu machen. Reisende, Entdecker, Abenteurerinnen und Abenteurer werden als Helden gefeiert, ihre Taten bewundert. Die großen Reisen der Geschichte haben ein reiches Erbe hinterlassen, nicht zuletzt in den Museen der „Alten Welt“. Europas Sehnsucht nach der Ferne brachte aber nicht nur Gutes. Aus dem Willen, sich die Welt zu eigen zu machen, erwuchs der Kolonialismus, und mit ihm gingen Unterdrückung, Widerstand und Krieg Hand in Hand. All das ist für uns Thema –und wir wollen auch hinschauen, wie es mit der Sehnsucht weitergeht.“

Afrikanischer Kopfschmuck aus dem Togo, 1914, Sammlung Codelli, Slovene Ethnographic Museum, © Slovene Ethnographic Museum, Bild: © Jure Rus, SEM

Tafelaufsatz in Schiffchenform aus einer fürstlichen Wunderkammer, 17. Jahrhundert, Sammlung Schloss Ambras, Innsbruck. © KHM-Museumsverband

Astronomisches Messgerät, 1761, Sammlung Esterhazy, Eisenstadt. © Esterhazy Privatstiftung

Hondius-Globus aus Antwerpen 1601, Sammlung Woldan. © Österreichische Akademie der Wissenschaften
Schwerpunkte der Schau
Forschen, plündern, sammeln, kaufen, erleben, erfahren, dokumentieren, bewahren, entdecken, erobern. Reiseutensilien von Reiseschriftstellerin Alexandra David Neel, die vermutlich als erste Europäerin die verbotene Stadt Lhasa in Tibet betritt, bis zu Objekten aus dem Nachlass von Kronprinz Rudolf. Einer Tsunami-Karte von Ferdinand Hochstetter bis hin zu Kuriositäten wie einem Eingeweidewurm des österreichischen Naturforschers Johann Natterer, welchen er auf hoher See zu Forschungszwecken selbst ausspie, bis hin zu einer Reisetoilette von Louis Esterhazy. Eine Weltreisende. Ida Pfeiffer (1797–1858) eine reisende Ausnahmeerscheinung – eine Frau, die auf ihren Reisen Gegenden erkundete und sich in Gebiete wagte, die bis dahin selbst die tapfersten Männer gemieden hatten! Im Zuge ihrer zweiten Weltreise, erkundete Ida Pfeiffer Indonesien, wo sie auf die sogenannten „Kannibalen“ traf. Sie publizierte ihre Erlebnisse in Berichten und hatte im Reisen ihren Lebenssinn gefunden.
Der Traum von der Reise. In den 1770er Jahren unternimmt der Brite James Cook seine großen Reisen nach Ozeanien, Neuseeland und in die Südsee, um die letzten großen weißen Flecken auf den Landkarten zu füllen. Wie viele Aufbrecher wird er zum gefeierten Helden. Als es auf einer seiner Reisen gelingt, das letzte große Problem der Navigation zu lösen, steht auch der letzte Winkel der Welt den Schiffen Europas offen. Die Reise der Novara. Im 19. Jahrhundert macht sich Europa die Welt untertan: politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich. 1857 stattet das Kaisertum Österreich seine eigene offizielle Weltreise aus. Die Marine rüstet ein Kriegsschiff, die Akademie der Wissenschaften entsendet ihre Wissenschaftler, die Wirtschaft formuliert ihre Interessen. In knapp drei Jahren umrundet die „Novara“ die Welt.
Weltkarten und Globen veranschaulichen ausdrucksvoll, wie sich das Bild von unserer Welt durch Reisen verändert – Vorstellungen werden oftmals auf das Bild von der Welt projiziert. Auch Österreich unternahm schüchterne Versuche einer Kolonialpolitik im indischen Ozean. Lange besteht zwischen den Berichten der Seefahrer und dem Realen ein großes Spannungsfeld: Von dem erfundenen Reisebericht von Caspar Plautz aus Seitenstetten, den Riesen von Patagonien bis hin zum geheimnisvollen „Südkontinent“ – aus „Nova Hollandia“ wurde letztendlich dann Australien. Eine fiktive Welt wie das Schlaraffenland findet sogar Einzug in einen Atlas.
Gier, Gewalt und Schamlosigkeit. Gold gegen Viren. Die Ferne wurde nach Europa gebracht – und die Sehnsucht nach der Welt hat ungeahnte Folgen. In der Ferne entdecken Eroberer, Abenteurer und Militärs ungeahnte Schätze. Der Gier Europas nach Gold und Silber fallen ganze Kulturen zum Opfer. Gleichzeitig nehmen Kunst und Wissenschaft in Europa einen unvergleichlichen Aufschwung. Die Ferne begeistert Europa von Anfang an. Eine kurze Geschichte einer komplizierten Begegnung. Die verschiedenen Perspektiven werden mittels Videoprojektion der Schweizer Künstlerin Susanne Hofer veranschaulicht, wie etwa die Eroberung des Reichs der Azteken durch Hernán Cortés.

Ausstellungsansicht. Bild: © Klaus Pichler

Ausstellungsansicht. Bild: © Klaus Pichler

Escape Room, Aufbruch zum Nordpol. Bild: © Klaus Pichler

Escape Room, Aufbruch zum Nordpol. Bild: © Klaus Pichler
Wie sammelt man die Ferne? Wer reist, nimmt nicht nur Eindrücke mit. Die Museen Europas sind voll mit Gegenständen aus aller Welt. Das betrifft nicht nur die großen Museen. Selbst in kleinen Regionalmuseen findet man Gegenstände aus entlegensten afrikanischen Gegenden. Warum sammeln wir? Und sollen wir das überhaupt noch tun? Auf Schloss Ambras bei Innsbruck sammelte der Tiroler Landesfürst Ferdinand II. Kostbarkeiten und Kuriositäten: goldene Gefäße und Kelche, exotische Gegenstände, Spiele, Korallen und Gemälde. Er begründete damit das erste zugängliche Museum der Welt. Andere Fürsten tun es dem Erzherzog gleich und richten auch „Wunderkammern“ ein. Der Aufstieg der Habsburger im 16. Jahrhundert ist eng mit dem Import von Silber und in geringerem Maße Gold aus der neuen Welt verbunden –nicht alles Gold dieser Zeit ist „Kolonialgold“ – Gold und vor allem Silber kommen in großer Menge über den Ozean.
Gegenstände veranschaulichen einen Exkurs des Sammelns im musealen Kontext: Objekte von James Cook bis zu einem slowenischen Missionar, welcher Metallgegenstände aus Afrika sammelte. Von der österreichischen Ethnologin Etta Becker-Donner, die in ihren Feldforschungen Völkerkunde dem Volk nahebrachte bis zur Peruanerin Laida Mori, im Mittelpunkt ihrer Forschung die indigene Bevölkerung. Von der österreichischen Ethnologin Eugenie Goldstern, die als Volkskundlerin an Alltagsgegenständen forschte, welche zu Spielzeugumfunktioniert wurden, bis zum Weltreisenden Heinrich Clam-Martinic, der auf einer Weltreise mit Franz Ferdinand unterwegs war.
Auch das akustische Erbe einer Sehnsucht nach der Ferne lässt sich entdecken. Im Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften lagert der Klang der Welt: Stimmen, Lieder, Geräusche; es ist das älteste Tonarchiv der Welt. Viele Aufnahmen entstanden unter heute fragwürdigen Bedingungen – eine neue Perspektive auf die Sammelleidenschaft Europas.
Selbstbild versus Fremdbild Sind die „anderen“ primitiv und Europa modern? Amulette und magische Gegenstände aus Europa und Afrika zeigen die großen Ähnlichkeiten im Volksglauben – das eine wird jedoch als primitiv gesehen, das andere als traditionell. Masken – für die Ursprungsgesellschaften Gebrauchs- und Kultgegenstände, für Europa oftmals teure und gesuchte Kunstgegenstände. Mit „Sehnsucht Ferne – Aufbruch in neue Welten“ lädt die Schallaburg ein, den Spuren früher Weltreisender zu folgen. Man begleitet bekannte wie unbekannte Reisende von den Vorbereitungen für die Fahrt ins Ungewisse bis zu ihrer Rückkehr nach Europa. Viele Abenteuer von gestern öffnen neue Perspektiven auf die Welt von heute.
22. 3. 2021