Theater in der Josefstadt: Die Stadt der Blinden

September 18, 2021 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Die Pandemie als Metapher für Entmenschlichung

Bei Soldaten in Schutzanzügen: Sandra Cervik, Ulrich Reinthaller, Roman Schmelzer, Martina Ebm, Alexandra Krismer, Marlene Hauser und Raphael von Bargen. Bild: © Moritz Schell

Die Ampel steht auf Rot. Nein, nicht die Bundesländerwarnung für Salzburg, sondern jene auf der Bühne der Josefstadt, und dennoch hat das Lichtsignal beide Male mit Pandemie zu tun. Autor Thomas Jonigk hat des Literaturnobelpreisträgers José Saramago „Die Stadt der Blinden“ für die Josefstadt adaptiert, ein Auftragswerk des Hauses, da Regisseurin Stephanie Mohr ein Stück zur Situation wollte – und entstanden ist so eine

ergreifende und fesselnde, auf die drastische Wirkmacht von Saramagos Metapher für Entmenschlichung konzentrierte Uraufführung. Von einer „Blindheit des Herzens“ spricht der portugiesische Romancier mehrmals, einer mysteriösen Epidemie, die gefährlich ansteckend ist, und wie er es vorgibt, zeigt Mohr eine Gesellschaft in der Menschenrecht, Menschenwürde, Mit-/Menschlichkeit verloren gehen, das Tasten der ihrer Sehkraft beraubten Figuren ist eines nach Orientierung und Ordnung, doch endet’s für sie in Chaos und Gewaltherrschaft. Das ist so gegenwartsbezogen und überstilisiert dystopisch zugleich, dass einem mitunter der Atem stockt.

Mohrs Inszenierung hat diese brüchige Sprödheit, statt Blackouts gibt es „Blendouts“, die ihren Arbeiten oft zu eigen ist. Sie hinterfragt das Augenscheinliche wie die Motivationen des Saramago’schen Personals und zeigt, dies des Schriftstellers universelles Thema, ein milchigweißes, ununterscheidbares Gut und Böse, von beinah jeder Figur auch die Kehrseite der Medaille.

„Die Stadt der Blinden“ ist ein Ensemblestück, das die Namenlosen in ihrer Anonymität belässt, sodass Mehrfachbesetzungen de facto keine Rolle spielen. Jonigk hat für die zehn Darstellerinnen und Darsteller auch chorische Szenen entworfen. Gleich dem der griechischen Tragödie sind sie Berichterstatter, prophetische Beobachter, dann wieder einzelne Involvierte, die ihr Schicksal schildern, während sie es durchleben.

Ungewohnt mag das sein für die Josefstadt, das hier zugunsten einer starken Symbolik auf ausgefeilte Charakterstudien verzichtet wurde, die Protagonistinnen und Protagonisten nehmen stattdessen eine parabelhafte Platzhalterrolle für jede und jeden im Publikum ein. Wobei Jonigk wie Mohr auf erkennbare Sympathien oder Antipathien verzichten, niemals moralisieren, werten, richten, sondern es den Betrachtenden überlassen, sich eine Meinung zu den handelnden Personen zu bilden.

Im Setting von Miriam Busch, das mit sparsamen Mitteln größten Effekt erzielt, die flugs zu wechselnden, zeitgemäßen Kostüme von Nini von Selzam, ist Roman Schmelzer der erste Blinde, der – dies gilt es zu erwähnen – wie alle anderen die schauspielerische Schwerstarbeit, Blindheit zu mimen, mit Bravour meistert. Und während „Patient Null“ noch damit ringt, sich blindlings vom Augenarzt, Ulrich Reinthaller als ebendieser, etwas verschreiben zu lassen, und honi soit, wer da an die Impfdebatte denkt, sind auch schon der Mediziner, Martina Ebm als Frau des ersten Blinden und mit Raphael von Bargen jener sinistre Mann infiziert, der dem Patienten Hilfe anbot, nur um dessen Auto zu stehlen.

Alexander Absenger und Roman Schmelzer. Bild: © Moritz Schell

Sandra Cervik und Julian Valerio Rehrl. Bild: © Moritz Schell

Die Mafia: Von Bargen, Absenger und Rehrl. Bild: © Moritz Schell

Einzig die Frau des Augenarztes, Sandra Cervik, bleibt von der Blindheit verschont, bei Saramago ist die personelle Erzählperspektive bevorzugt die ihre, die alleinig Sehende, die einsame Seherin des Kommenden. Sie beschließt ihren Mann verbotenerweise ins Internierungslager zu begleiten, und schon werden die Verseuchten von Soldaten in Schutzanzügen zwecks Quarantäne zusammengetrieben und in eine frühere Irrenanstalt – ein weißer, von oben herabschwebender Koben – gepfercht.

Auftritt, während für Marlene Hauser, Alexandra Krismer, Alexander Absenger, Peter Scholz der Überlebenskampf ums tägliche Brot beginnt, Julian Valerio Rehrl als Slim-fit-Politiker mit zurückgegeltem Haar, der mit kieksender Stimme und Messias-Gesten von jener Verantwortung pflichtbewusster Bürgerinnen und Bürger, die ihnen der Staat nicht mehr abnehmen wolle, salbadert, vom „Akt der Solidarität gegenüber dem Rest der nationalen Gemeinschaft“, während sich er samt dieser augenscheinlich entsolidarisiert.

Es sind Textzeilen wie diese, auch aus diversen Lautsprechern verlautbarte, die Regierung hätte alles unter Kontrolle, es gebe regelmäßige Meetings mit Fachleuten, weswegen man „zwei Mal in sechs Tagen die Strategie ändert“, kommentiert Scholz staubtrocken, die im Saal zu unterdrückt zynischem Gelächter führen. „Im Reich der Blinden ist der Einäugige König“, raunt der Sitznachbar. Und einem selbst fällt im Zusammenhang mit Politik ein hoffnungsvoller Bibelvers ein: Wenn ein Blinder den anderen führt, fallen beide in die Grube ..

Jonigk hat mit Verve Saramagos Vorliebe für schwarzen Humor und skurril-gaunerische „Schlauberger“ ins Tagesaktuelle befördert, Mohr dazu obwohl abstrakte, dennoch beklemmende Bilder erdacht. Auf Befehlstreue gedrillte Soldaten, die den ersten „Blindgänger“ erschießen, weil der sich auf ihr Terrain verirrt hatte. Opfer, die in verblendetem Zweckoptimismus am Glauben an den „Weitblick“ der Obrigkeit festhalten. Cervik, die um Zusammenhalt bemüht, nicht nur wie alle den Modergeruch wahrnimmt, sondern auch die Leichenberge sieht.

Polonaise des Grauens: Sandra Cervik, Ulrich Reinthaller, Martina Ebm und Julian Valerio Rehrl. Bild: © Moritz Schell

Im schmutzig-weißen Quarantäne-Koben: Sandra Cervik und Marlene Hauser. Bild: © Moritz Schell

Kampf ums tägliche Brot: Krismer, Hauser, von Bargen, Schmelzer, Ebm, Reinthaller und Cervik. Bild: © Moritz Schell

Roman Schmelzer, Ulrich Reinthaller, Marlene Hauser, Sandra Cervik und Martina Ebm. Bild: © Moritz Schell

Zum schmalen Grat des Vorwärtstaumelns kommt der Grad der Verwahrlosung, Unrat und Dreck als lehmige Substanz auf Körpern und Gesichtern, eine von den Capos unter den Insassen gegründete Essensmafia zwingt die Frauen, sich für die Verteilung der Lebensmittel zu prostituieren. In einer Kakophonie der weiblichen Stimmen wird der Missbrauch ausdrucksstark vorgetragen, es genügen die verständlichen Wortfetzen, um sich das Schreckliche vorzustellen.

Die Schweigsame Frau der Krismer stirbt an der Massenvergewaltigung, die Frau des Augenarztes ersticht einen der Täter, sie wird zur rasenden Rächerin, wie die Medea, als die Cervik ebenfalls zu erleben ist (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=47538). Alldieweil und mitten im Inferno versucht von Bargens Figur, sich Hausers Frau mit dunkler Brille sexuell aufzudrängen … Die Hölle, das sind die anderen, um Sartre zu bemühen.

Aus dem eindrücklichen Spiel des Ensembles, das etwa 30 Rollen meistert, darunter großartig komisch Rehrl und von Bargen als Apokalyptiker und Verschwörungstheoretiker, schälen sich kürzeste Szenen heraus, die haften bleiben. Scholz als Der Alte, der eine zarte Beziehung zu Hausers Frau mit dunkler Brille entspinnt. Cervik mit von Bargen als Schriftsteller und Saramagos Alter Ego, die über die mit dem Augenlicht schwindende Empathie philosophieren. Von Bargen, der auf der Bühne Sarangi und Posaune spielt. Die Sehende Frau, die zum Schutz der Blinden diese zu einer Polonaise des Grauens arrangiert. Krismer als vom Wahnwitz umzingelte Nachbarin, die sich aufs Fangen und Roh-Verspeisen von Kaninchen/oder sind die Fellbündel Katzen spezialisiert.

„Die Stadt der Blinden“ an der Josefstadt entwirft das Panorama einer Krise, freilich mit den Mitteln der Kunst extremer und exaltierter als die Realität seit eineinhalb Jahren, und doch als Warnung, wohin es führen kann, wenn Wegsehen, Nicht-sehen-Wollen um sich greift und Populismus die Politik ersetzt. Saramagos niedergeschriebenes Gleichnis auf eine Gedankenseuche, für die Bühne übersetzt von Thomas Jonigk und auf diese gebracht von Stephanie Mohr, ist zu lesen als gesellschaftspolitischer Weckruf, sich wieder als Solidargemeinschaft zu erkennen. Dass Cervik schreit: „Gott hat es nicht verdient zu sehen!“, ist das eine, das andere die fortdauernde Niedertracht allüberall.

Trailer: www.youtube.com/watch?v=zMn7W3dDLMY           www.josefstadt.org

BUCHTIPP: Da sich im Programmheft zu „Die Stadt der Blinden“ ein Auszug aus dem „Wuhan Diary“ sowie ein Interview mit Autorin Fang Fang finden, hier die Leseempfehlung / Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=41195. Hoffmann und Campe, Fang Fang: „Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt“, Sachbuch, 352 Seiten. Übersetzt aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann.

17. 9. 2021

Theater in der Josefstadt: Radetzkymarsch

Mai 17, 2019 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Die papierene Welt wird in der Luft zerrissen

Freunde im Feld: Florian Teichtmeister als Carl Joseph von Trotta und Alexander Absenger als Rittmeister Tattenbach. Bild: Moritz Schell

Dass man am Dramatisierungsversuch des Joseph-Roth-Romans „Radetzkymarsch“ nur in mal mehr, mal weniger Schönheit scheitern kann, haben schon andere bewiesen. Nun darf sich auch Regisseur Elmar Goerden in diese Riege durchaus illustrer Namen reihen, sein Zugriff auf den Stoff vom Theater in der Josefstadt stolz Uraufführung genannt und gestern ebendort über die Bühne gegangen, seine Inszenierung ein knapp zweistündiges Experiment.

Das lediglich an der Oberfläche des monumentalen Wunderwerks kratzt, aber nie wirklich unter die Haut geht. Was der Aufführung fehlt, ist diese gewisse Tanz-auf-dem-Vulkan-Atmosphäre, mittels der sich Untergang der Habsburger Monarchie und Niedergang der Trotta-Dynastie mischen, wenig weist hier auf den Seelenzwiespalt von dekadenter Lebensführung, Standesdünkel und devoter Pflichterfüllung hin, die der besseren k.u.k.-Gesellschaft schließlich zum Schicksal wurde. Nichts verweist ins Heute, da ein neuer Nationalismus die Länder Europas wie dereinst im Vielvölkerstaat gerade wieder auseinandertreibt.

Goerdens Arbeit ist, wiewohl Carl Joseph von Trotta dem Trunke ja nicht abgeneigt ist, allzu nüchtern. Florian Teichtmeister, den Hausherr Herbert Föttinger bei der Premierenfeier Richtung Burgtheater verabschiedete, zeigt ihn nicht als sensiblen, weichen Charakter, sondern von Beginn weg resignativ, müde, ohne Hoffnung auf ein – in jeder Bedeutung des Wortes – Fortkommen.

Peter Scholz, hier als Kapturak, mit Florian Teichtmeister und Alexander Absenger. Bild: Moritz Schell

Joseph Lorenz als Bezirkshauptmann Franz von Trotta und Florian Teichtmeister. Bild: Moritz Schell

Das mag daran liegen, dass ihm eine schwarzgewandete Parze gleich zu Anfang sein Ende vorhersagt, den tödlichen Treffer beim Wagnis, für seine Kameraden Wasser aus einem Brunnen zu schöpfen. Der Gedanke tut sich auf, ob das Ganze so etwas wie Carl Josephs Albtraum ist, dem er erstaunt zusieht, während ihn die Geister seiner Vergangenheit heimsuchen. Andrea Jonasson gibt die hier androgyn schillernde Figur des Grafen Chojnicki als eine Art mephistophelischen Conférencier, ein Chacun à son Goût umlächelt ihre Lippen, doch wie das Gros der Darsteller wechselt sie zwischen Erzählstimme und ihrer Rolle, beides in ausschließlich Originaltext.

Und in einem Tempo, das so rasch von der Totalen ins tiefste Innere der Figuren zoomt und wieder zurückschnellt, dass einem schwindlig werden könnte. Das ist einer der gelungenen Einfälle Goerdens, wenn auch nicht nagelneu, um die Diskrepanz zwischen Gedachtem und Gesagten zu verdeutlichen. So kommt‘s beispielsweise in einer Abschiedsszene zwischen Bezirkshauptmann und Leutnant Trotta aus dem Off: „Obwohl er sagen wollte: Ich liebe dich, mein Sohn!, sagte er lediglich: Halt dich gut.“

Andrea Jonasson als Graf Chojnicki. Bild: Moritz Schell

In diversen Rollen: Pauline Knof, Alexander Absenger, Alexandra Krismer, Michael König und Oliver Rosskopf. Bild: Moritz Schell

Diesen Franz von Trotta stattet Joseph Lorenz als erstem Leidenden am Mythos des Helden von Solferino mit steifer Oberlippe aus, seine Kaisertreue ist das verkrustete Korsett, das ihm die Atemluft aus dem Körper presst, und Lorenz, ein Meister in der Gestaltung des Altösterreichischen, gelingt es, diese Haltung zu wahren, obwohl er in der schnellen Szenenabfolge de facto nicht viel zum Spielen kommt. Mit Jonasson, Teichtmeister und Lorenz hat es sich auch schon mit der Ausführung nur einer Figur, andere stemmen bis zu fünf Rollen.

Michael König etwa alle Alten, vom verwichenen Stammvater Trotta, der sich per Blick durch seinen Gemälderahmen bemerkbar macht, bis zum sterbenden Diener Jacques, der ihm allerdings zur Nachthemd-Karikatur gerät. Gelungen dafür, apropos: Nachthemd, sein Sekundenauftritt als Kaiser Franz Joseph, den der König nicht als senilen Herrscher zeigt, sondern als einen, der in diskreter Audienz mit Trotta-Lorenz die Angelegenheiten für Trotta-Teichtmeister regelt. Nicht viel mehr als vorbeihuschen auch Pauline Knof als die Geliebten Katharina Slama und Eva Demant, mit beide Mal letalem Ausgang.

Und Alexandra Krismer, die Carl Josephs Nummer drei, Valerie von Taußig, wenigstens etwas groteske Exaltiertheit anzuhaften vermag. Mit Alexander Absenger und Oliver Rosskopf ist sie auch auf diverse Offiziere abonniert, wobei das Trio das militärische Personal in unterschiedlichen Schattierungen von schrill anlegt. Peter Scholz ist erst der jüdische Regimentsarzt Doktor Max Demant, dann Kasinobetreiber Kapturak, bleibt aber in Goerdens Versuchsanordnung in beiden Rollen blass.

Zum papierenen Gesamteindruck passt das Setting von Silvia Merlo und Ulf Stengl, ein mit dem empfindlichen Material ausgekleidetes Gerüst, Stelen einer steril-weißen Welt, die mit Ausbruch des Krieges vom Ensemble in der Luft zerrissen wird. Als wär’s das Synonym einer strahlenden Fassade, die längst am seidenen Faden hing. Immerhin: Ein stimmiges Schlussbild für einen Abend, der den Weitblick in den Abgrund zwar verweigert, aber vom Publikum mit freundlichem Applaus bedankt wurde.

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  1. 5. 2019

Theater in der Josefstadt: Der einsame Weg

November 16, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Klipp-Klapp-Tragödie mit drehbaren Türen

Ein Kommen und Gehen auf schmalem Gang: Therese Lohner, Marcus Bluhm, Alexander Absenger, Alma Hasun und Bernhard Schir. Bild: Astrid Knie

Vier hohe Türen, dahinter Fensterfronten, davor wie dazwischen ein enger Gang, den entlang die Darsteller im Wortsinn im Kreis gehen. Weil sich die Szenerie nach jeder Szene verschiebt. Was immer neue Perspektiven freigibt, immer neu gespiegelte Bilder einer in ihren selbstauferlegten Zwängen gefangenen Gesellschaft. Dieser Totentanz der drehbaren Türen ist die alles bestimmende Grundkonzeption von Mateja Koležniks Schnitzler-Interpretation am Theater in der Josefstadt:

„Der einsame Weg“. Von Anfang an ist klar, dass dieser hier auf kühl distanzierte Art abgeschritten werden wird. Keine Spur mehr von Schnitzlers Sehnsüchtlern, die durch dessen geschliffene Dialoge ihre psychischen Defekte schimmern lassen, das melancholische „Egoistenstück“ zum 90-minütigen Trauermarsch gekürzt. Dass Koležnik dem seelischen Stillstand ihrer Protagonisten die Bewegung der Bühne entgegensetzt, ist als Idee reizvoll, realiter mit der Zeit aber so spannend, wie die Beobachtung des Huhns auf dem Möbiusband.

Nun ist es nicht so, dass Koležnik für ihre radikalen Zugriffe nicht bekannt wäre. Auch weiß man, dass diese in der Regel in einer extremen Raumsituation stattfinden. Die slowenische Regisseurin räumt ihren Schauspielern so wenig Spielplatz wie möglich ein, ihr Kunstkniff, der dazu führt, dass die Figuren aufeinanderprallen müssen. Das hat im Vorjahr bei Ibsens „Wildente“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=24871) im steilen Stiegenhaus ganz wunderbar funktioniert. Nun setzen die Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt und Kathrin Kemp erneut auf die bewährte taubengraublaue Optik, und aus der gleichen Farbpalette stammen auch die Kostüme von Alan Hranitelj – an denen sich unter anderem nicht erschließt, warum Felix‘ (Zwangs?-)Jacke hinten zu schließen ist -, man hat das alles also so oder so ähnlich bereits gesehen.

Maria Köstlinger und Ulrich Reinthaller. Bild: Astrid Knie

Bernhard Schir und Alma Hasun. Bild: Astrid Knie

Nur geht die angestrengt strenge Versuchsanordnung des Leading Teams diesmal nicht auf. Wenig bis gar nichts erfährt man über den fehlenden inneren Frieden der Figuren, von deren Selbstverliebt- und Verrücktheiten, über vergebene Lebenschancen und vergebliche Hoffnungen, Schuld und versuchte Sühne, und dass hier das Sterben als Thema über den Dingen schwebt, darf man sich bestenfalls dazu denken. Koležnik bedient sich einer Künstlichkeit, die einen nur schwer ins Stück lässt. Wo kompakt auch komplex bedeuten hätte können, wo etwa ein Belauschen und Belauern hinter den – so sie schon vorhanden sind – Türen möglich gewesen wäre, gibt sich Koležnik als Erfinderin der Klipp-Klapp-Tragödie. Die Verwendung von Mikroports und die gelegentlich knisternden Soundeffekte von Nikolaj Efendi sorgen für zusätzliche Verfälschung, Stimmen kommen aus dem Off oder als beiläufiges Beiseitereden zu bereits abwesenden Bühnenpartnern.

Diese Spielart kommt den Josefstädtern nicht zupass. Sie gestalten die Schnitzler’schen Charaktere seltsam blutleer, sind, statt diese aus Gründen der Konvention unterdrückend, einfach nur emotionslos, spröde, wo die Sprache schneidend, tief- und hintergründig sein sollte. Koležniks mangelnde Differenzierung ihrer Wachs-Figuren hinterlässt am Ende den Eindruck, diese würden ineinander verlaufen. Nicht nur was die Farbauswahl betrifft, verläuft der Abend ergo eintönig. Marcus Bluhm ist ein erstarrter Wegrat, Ulrich Reinthaller kämpft sich als Fichtner durch dessen mangelnde Sympathiewerte, Bernhard Schir nimmt man den todkranken Sala schlicht nicht ab, Peter Scholz als Doktor Reumann und Alexander Absenger als Felix finden genaugenommen gar nicht erst statt. Egal, was diese Einsamen auf ihrem Weg zittern, zögern, zagen und zetern, es hinterlässt einen ungerührt.

Alexander Absenger, Bernhard Schir, Maria Köstlinger und Ulrich Reinthaller. Bild: Astrid Knie

Am Schlimmsten treffen die Striche die Frauenfiguren: Therese Lohner als schnell hinscheidende Gabriele, Alma Hasun als Johanna und Maria Köstlinger als Irene Herms – sie alle bleiben blass. Hasun, die die ganze Aufführung über mit rätselhaften Tür auf-Tür zu-Ritualen beschäftigt ist, beschließt schließlich als Wasserleiche mit einem anklagenden, in dieser Inszenierung unverständlich pathetischen Über-die-Schulter-Blick ins Publikum das gar nicht tolle Treiben.

Dieser „Einsame Weg“ ist nicht das Beste, das man von Mateja Koležnik bisher sehen durfte, dennoch gab es freundlichen Premierenapplaus. Man wird einander bald wieder begegnen, im Sommer in Salzburg bei Gorkis „Sommergäste“ und mutmaßlich kommende Saison am Burgtheater.

Video: www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=Dtmxz3Mtreo

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  1. 11. 2018

Theater in der Josefstadt: Die Reise der Verlorenen

September 7, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Ein lautstarker Kommentar zur Anti-Flüchtlingspolemik

Ein Mammutprojekt mit 32 Schauspielern und 20 Statisten. Bild: Sepp Gallauer

„Und Sie, begnadet mit später Geburt, denken vielleicht gerade: Wer weiß, wie ich gehandelt hätte? Aber ich verrate Ihnen was: Falls Sie wirklich nicht wissen, wie Sie gehandelt hätten, dann wissen Sie es schon. Dann hätten Sie gehandelt wie ich.“ Otto Schiendick, Schiffssteward und Schikanierer, NSDAP-Ortsgruppenleiter an Bord und Nazi-Spion, dem Raphael von Bargen Gestalt verleiht, sagt diese Sätze gleich zu Beginn der Uraufführung. Die das Theater in der Josefstadt als Saisoneröffnungspremiere mit Kurssetzung auf Herz und Hirn des Publikums angesetzt hat, damit es niemals so weit kommen möge.

„Die Reise der Verlorenen“ erzählt eine wahre Geschichte. Am 13. Mai 1939 läuft der HAPAG-Luxusliner MS St. Louis in Hamburg Richtung Havanna aus. An Bord 937 jüdische Flüchtende aus Nazi-Deutschland. Doch Kuba, wo Präsident Laredo Brú einen Wahl- und einen Machtkampf gegen den General und späteren Diktator Fulgencio Batista zu bestreiten hat, verweigert den Unglücklichen die Einreise. Alle Interventionen jüdischer Hilfsorganisationen, vor allem aus den USA, wo Roosevelt ebenfalls kein Interesse hat, die Passagiere an Land zu lassen, scheitern. Und so muss die St. Louis die Rückfahrt nach Europa antreten.

In Tagebüchern, Telefonmitschnitten, Gesprächsprotokollen sind die Geschehnisse dieser Zeit festgehalten; Gordon Thomas und Max Morgan-Witts haben daraus das 1975 erschienene und ein Jahr später mit Oskar Werner, Maria Schell und Max von Sydow verfilmte Buch „Voyage of the Damned“ gemacht. Auf dieses nun bezieht sich Bestsellerautor Daniel Kehlmann bei seiner Bühnenadaption. Ein starkes Stück Dokumentartheater ist Kehlmann da gelungen, dramaturgisch dicht und spannend bis zum Schluss – obwohl das Ende bekannt ist.

Schiendick schikaniert die Passagiere: Raphael von Bargen mit Roman Schmelzer, Sandra Cervik und Ulrich Reinthaller. Bild: Sepp Gallauer

Verzweifelte wollen sich ins Meer stürzen: Maria Köstlinger mit Ulrich Reinthaller und Herbert Föttinger. Bild: Sepp Gallauer

Die Josefstadt bietet auf, was sie hat: 32 Schauspieler und 20 Statisten, von Regisseur Janusz Kica als immer wieder neue tableaux vivants arrangiert, führen die Bühne an ihr Fassungsvermögen. Kica versteht es, mit sparsam eingesetzten inszenatorischen Mitteln größte Effekte zu erzielen. Im rostigen Maschinenraum von Walter Vogelweider – dieser auch schon im Einsatz im ersten Teil der Josefstädter Dilogie, Peter Turrinis „Fremdenzimmer“ – lässt er die Schicksale aus Kehlmanns Kurzepisoden sich überschneiden.

Einzelne Protagonisten stellen sich an der Rampe vor: das mondäne Arztehepaar Fritz und Babette Spanier, Ulrich Reinthaller und Sandra Cervik, der Hebräischlehrer Aaron Pozner, Roman Schmelzer, der schon einmal im KZ war und in Auschwitz ermordet werden wird, das Ehepaar Loewe, Maria Köstlinger und Marcus Bluhm, von denen er einen Selbstmordversuch unternehmen wird, um in ein Krankenhaus auf Kuba gebracht zu werden, Otto Bergmann und seine zänkische Tante Charlotte, Matthias Franz Stein und Therese Lohner … Im Hafen wiederum wartet Max Aber, Peter Scholz, verzweifelt darauf, dass ihm endlich seine beiden kleinen Töchter ausgehändigt werden.

Herbert Föttinger spielt Kapitän Gustav Schröder, der zwischen der Pflicht seines Amtes, dem Mitgefühl mit seinen Schutzbefohlenen und der Abscheu gegenüber dem NS-Regime schwankt. Kehlmann bemüht ein paar Kunstgriffe. Er lässt die Darsteller aus ihren Rollen treten und die Situation kommentieren, lässt sie ihr späteres Los vorwegnehmen, sie durch Beiseitesprechen die Komplizenschaft mit dem Publikum suchen, lässt sie sich rechtfertigen für die Widersprüche in ihren Berichten und sie immer wieder betonen, dass auch von den haarsträubendsten Unglaublichkeiten keine erfunden ist. Und er gibt seiner Interpretation der absurden Verhandlungen viel Raum. Die kubanischen Politiker – Michael Dangl als Präsident Brú, Wojo van Brouwer als korrupter Minister für Einwanderung und Martin Zauner als rechtschaffener Außenminister – wollen „ihr Gesicht wahren“, vor allem aber ein Kreuz an der richtigen Stelle des Stimmzettels.

Die Mächtigen Kubas sind in der Flüchtlingsfrage uneins: Wojo van Brouwer, Peter Scholz, Martin Zauner, Ljubiša Lupo Grujčić und Michael Dangl. Bild: Sepp Gallauer

Die Vereinigten Staaten erwarten von anderen Staaten eine Brüderlichkeit, der sie sich selbst verweigern. „Wir haben mehr Flüchtlinge aufgenommen als die USA“, bekräftigt Brú sein Nein, würden die nicht einmal 1000 Neuankömmlinge Kuba doch „an den Bettelstab“ bringen. Auch andere Aussprüche dieser Tage klingen seltsam bekannt. Den Juden ginge es in Deutschland gut, nur fürs Ausland markierten sie die Armen – dort wiederum fühlt man zwar „zutiefst mit dem Leiden der Flüchtlinge“, allerdings ohne auch nur einen Finger für sie krumm zu machen.

Nicht nur durch derlei sprachliche Parallelen ist „Die Reise der Verlorenen“ ein lautstarker Kommentar zur aktuellen Anti-Flüchtlingspolemik. Kehlmanns Spiel um den Menschen als Spielball der Mächtigen überzeugt auch diesbezüglich voll und ganz. In buchstäblich letzter Minute erklären sich Belgien, die Niederlande, Großbritannien und Frankreich bereit, die St. Louis-Passagiere aufzunehmen. Noch einmal schildern sie: die Zustände in den „Quarantänelagern“, ihre spätere Internierung als „feindliche Ausländer“, ihren Abtransport in eine neue Ungewissheit, oft genug in den Tod. Ihre Sicherheit ist nur auf Zeit, darauf folgt ein Schlussbild in orangen Rettungswesten. Mit „Die Reise der Verdammten“ legen Kehlmann und Kica nicht nur einen höchst gelungenen, sondern auch einen politisch höchst wichtigen Theaterabend vor.

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  1. 9. 2018

Theater in der Josefstadt: In der Löwengrube

März 16, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

An der Stammeszugehörigkeit wächst die Schauspielerei

Muss die Bretter, die ihm die Welt bedeuten, nun putzen: Florian Teichtmeister als Arthur Kirsch und Alexander Absenger als Strassky. Bild: Moritz Schell

Es beginnt mit Shakespeares Shylock und Buhrufen und Pfiffen aus dem „Publikum“. Aufruhr im Zuschauerraum. Der angeheuerte Politpöbel kommt freilich vom Band, und obwohl man weiß, dass das schon dazugehört zur Theateraufführung, ist es unangenehm. So unangenehm, diese braune Bagage im Nacken, dass man aufspringen, ja, und was dagegen sagen möchte … Am Theater in der Josefstadt hatte anlässlich dessen 70. Geburtstags Felix Mitterers „In der Löwengrube“ Premiere, hatte Erstaufführung am Haus, womit das Stück dank Direktor Herbert Föttinger seiner ursprünglichen Bestimmung nun endlich zugeführt ist.

Denn der von Otto Schenk in den 1990er-Jahren initiierte, dann aber für die Bühne nicht umgesetzte Schreibauftrag an den nunmehrigen Jubilar ist eine Josefstädter Geschichte. Eine true story sozusagen. Mitterers Tragifarce erzählt vom Wiener jüdischen Schauspieler Leo Reuss, der sich im Dritten Reich als schauspielerisches Naturtalent aus den heimischen Bergen ausgab, um zu einem Engagement zu kommen. Im Sommer 1936 sprach der zünftige Bauer Kaspar Brandhofer bei Max Reinhardt in Salzburg vor. Der, enthusiasmiert ob des ungeschliffenen Diamants, vermittelte seine Entdeckung nach Wien.

Es folgte ein Engagement an der Josefstadt unter Direktor Ernst Lothar und Schnitzlers „Fräulein Else“ in der Regie von Hans Thimig. Goebbels in seinem Kampf gegen „Kulturbolschewismus und jüdische Dekadenz“ war ganz im Glück – frische deutsche Höhenluft umwehte eine miefig-österreichische Bühne. Doch Schnitzler-Sohn Heinrich – oder der Akteur selbst, da gehen die Quellen nicht konform – ließ den Schwindel auffliegen: Brandhofer war in Wirklichkeit Leo Reuss. Er emigrierte 1937 nach Amerika, wo er in Hollywood wegen seines deutschsprachigen Akzents ausgerechnet in Nazi-Rollen besetzt wurde. Für ihre Inszenierung nun hat Regisseurin Stephanie Mohr ein feines Ensemble um sich versammelt, das einmal mehr sein ganzes Können ausspielt. Allen voran Florian Teichtmeister, der in der „Doppelrolle“ des jüdischen Schauspielers Arthur Kirsch und seiner Verkleidung als Tiroler Naturbursch Benedikt Höllrigl brilliert.

Mohr stellt ein Panoptikum seltsamer Gestalten auf die von Miriam Busch bis auf ein paar Stühle leergelassene Bühne. Mitläufer und Opportunisten, Antisemiten aus Leidenschaft und über diesen Ungeist Verzweifelte, Aufbegehrer und Durchlavierer, solche mit Rückgrat und Wirbellose. Das Theater, es ist stets ein Abbild der Gesellschaft, in guten wie in bösen Zeiten. Schauspieler tragen plötzlich Uniform, und wenn Peter Scholz als Direktor Meisel sagt: „Was ist Theater anderes als Weltanschauung?“, dann ist das kein Missverständnis, oder besser gesagt: nur seinerseits, denn die kulturpolitischen Soldaten sind längst in Stellung gegangen. Mohrs gewitzte Inszenierung entwickelt an diesen Stellen eine Ausdrücklichkeit, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Der Meisel also muss Arthur Kirsch nach dem „Kaufmann von Venedig“ entlassen, er war dem Mob zu wenig „jiddelnd“, wenn man schon einmal „typgerecht“ besetzt. André Pohl wird als Kollege Polacek einspringen und eine Persiflage dessen hinlegen, was man sonst zum Glück nur noch von einschlägigen Filmaufnahmen kennt, aber wenig später wird der Höllrigl am Bühnentürl stehen und als Wilhelm Tell das Theater gleichsam neu erfinden. Teichtmeister gestaltet das erst extrem zurückgenommen, sozusagen sprachlos gegen die Schreihälse, ein feiner Mensch, den eine grobe Zeit überrollt. “Ich liebe diese Bretter, warum soll ich sie nicht zum Abschied putzen?“, sagt er leise, als er den Bühnenboden schrubben muss.

Der Tiroler Naturbursch Benedikt Höllrigl mischt das Theaterensemble auf: André Pohl, Florian Teichtmeister, Tobias Reinthaller und Peter Scholz. Bild: Moritz Schell

Die Diva denkt zuerst an die Karriere: Florian Teichtmeister, Pauline Knof als Kirsch-Ehefrau Helene Schwaiger und Alexander Absenger. Bild: Moritz Schell

Dann aber trumpft er auf. Aus Resignation und Angst entsteht Zorn – und eine Idee. Er wird die Unterweisung übertreffen und den Nazis ein Paradebeispiel ihrer eigenen Engstirnigkeit vorführen. Teichtmeister ist herrlich als „Reschpektsperson“, als Bauernphilosoph und Politpolterer für die Führergläubigen, die er mit seinem Fanatismus für den Faschismus in Furcht und Schrecken versetzt. Als blondes Anderl-Hofer-Lookalike, als einwandfreier Ötztaler gestaltet er schon das Vorsprechen als Kabinettstückl. Der beinharte Blut-und-Boden-Hund mit dem angeborenen „Rasseninstinkt“ gibt der Mörderbrut ihr eigenes Geistesgift zum Schlucken. Umso berührender dann, wenn Teichtmeister in sehr subtilen Szenen das echte „Ich“, den Kirsch aus dem Höllrigl hervorbrechen lässt, und wie er als solcher mit kleinen Gesten Verachtung darstellt.

Ihm gelingt eine wunderbar präzise Darstellung dieses Doppelcharakters: das Schaf im Wolfspelz. Teichtmeister spielt Kirschs Anstrengung diesen Höllrigl den ganzen Tag durchzuhalten, und er spielt dessen Seelenleere angesichts des Triumphs seines Tiroler Golems. Etwa, wenn er nicht nur Wahrheiten über die anderen austeilt, sondern auch solche über sich selbst einstecken muss. Denn mit der richtigen „Stammeszugeörigkeit“ wächst, scheint’s, die Schauspielkunst.

Famos ist auch Scholz als Direktor Meisel, dem Theater als Diktatur keine Fortune bringt. Er ist ein Überlebens-Künstler zum Gotterbarmen, ein zappeliger Um-sein-Leben-Reder, ein Feigling auch, aber das mit einer Vehemenz, dass man ihm seine Ergebenheit, mit der er das System letztlich nur düpiert, ohnedies nicht glauben mag. Er durchschaut bald, was Sache ist. So wie der Bühnenmeister Eder, den Alexander Strobele als raubeinigen Wiener Hackler mit dem Herzen am linken Fleck anlegt. „Je klana da Künstler, umso greßa da Nazi“, hat ihn das Leben gelehrt, also ist auf seine Diskretion Verlass. Doch das Chaoskarussel dreht sich immer schneller und die Wadlbeißereien unter den hehren Mimen werden aggressiver. Die „Herrenmenschen“ mit den original-arischen Namen Strassky, Polacek und Jakschitz, gespielt von Alexander Absenger als seine Abgötter fürchtender „Bösewicht“, Pohl als letztlich übel zugerichteter Intrigant und Tobias Reinthaller als jugendlichem Liebhaber von Alma Hasuns Olga, verlieren zunehmend die Nerven. Pauline Knof gibt die Kirsch-Ehefrau Helene Schwaiger als eine, die alles für die Karriere opfert. Egal welches Regime, Hauptsache: im Rampenlicht. Dabei mangelt es ihrer Diva durchaus nicht an Selbsterkenntnis.

Claudius von Stolzmann hat als Goebbels einen kurzen, aber prägnanten Auftritt. Er zeigt keine – wie oft zu sehen – Karikatur des Reichsministers, sondern gestaltet einen Machtmenschen und verhinderten Theaterautor, der Höllrigl sogar zwei seiner Stücke aufzwingt. Von Stolzmann hat sich die Rolle einverleibt und entwickelt von der Stimme bis zur Gestik eine glänzende Studie des Dritten-Reichs-Architekten. Am Ende hat das Schelmenstück für Kirsch zwar kein Happy End, aber mutmaßlich eines in der Schweiz. Das Publikum hingegen wird mit dieser Produktion voll und ganz beglückt. Regisseurin Mohr findet für ihre Arbeit die Mitte zwischen Sarkasmus, Spannung und Sentiment, ihre Schauspieler treffen den von ihr vorgegebenen Ton zwischen komödiantischem Auftrumpfen und sensibler Nachdenklichkeit perfekt.

Video: www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=j873Eo_rGRs

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  1. 3. 2018