Stadtsaal – Georg Ringsgwandl: Wuide unterwegs
Januar 12, 2019 in Bühne
VON MICHAELA MOTTINGER
Der Iggy Pop des bayrischen Kabaretts

Bild: Ralf-Standtke Helmbrechts
Zum 70. Geburtstag hat Georg Ringsgwandl seinen Fans ein neues, erst gestern erschienenes Album geschenkt, „Andacht & Radau“, begleitet von einer „Wuide unterwegs“ betitelten Tournee, die dieser Tage im Wiener Stadtsaal Station macht. „Das ganze Programm“, sagt er eingangs, „ist ein Liebeslied an die schönen, selbstständigen, emanzipieren Frauen.“ Und schon beginnen die Lobpreisungen der „Birgit von da Soafa“, der Bäckereifachverkäuferin „beim Bäcker Meier“ und der „Schokoladenfee“.
Die alten Granaten lässt er jetzt erst richtig krachen, und mit Stammgitarrist Daniel Stelter, Bassist Mario Schönhofer und Schlagzeuger Mario Garruccio ist alles drin, von Stubenmusik über Countryklänge, Blues, Funk, Rock’n’Roll sowieso, bis zum Schmalzhadern. Ringsgwandl wechselt von der Zither zur E-Gitarre und zurück, erstere hat er, sagt er, von einer Tante geerbt, die Lieder von der Großmutter und einem von Holzstämmen erschlagenen Knecht. Und deshalb eine Familienaufstellung bei seinem Therapeuten/Fliesenleger machen lassen, was der ebenfalls anwesenden Topfpflanze gar nicht gut bekommen ist.
Ja, der Ton-Dichter ist auch in concert ein Um-die-Kurve-Denker, und wer glaubt, es bleibt bei der philosophischen Innenschau und hinterfotzigen Nachbarschaftsgeschichten, wird spätestens dann eines besseren belehrt, wenn sich der Sänger für seine belegte Stimme entschuldigt. Er habe sich noch daheim an einem holländischen Keim erkältet, und es sei ihm sehr unangenehm nun einen „fremden Virus“ ausgerechnet im EU-Nettozahlerland Österreich einzuschleppen.
„Politik ist Recht und Ordnung, aber nie Gerechtigkeit“ singt er sein „Wos is mit de Leit los?“, ein Text bei dem’s einem schon anders wird, und „Dahoam is ned dahoam“ und „Reiß die Hüttn weg“. Da ist der – Eigendefinition des Abends unter Herzeigen seines One-Pack-Bauchs – „Iggy Pop“ des bayrischen Kabaretts, im ersten Teil im hellgrauen Anzug „absurd exquisit gekleidet“, schon auf Urban Streetwear umgestiegen, musikalisch von seriös auf, na, nicht mehr so schrill, aber immer noch schräg, und stellt unter Beweis, dass er nach wie vor große Geste wie kleinen Luftsprung beherrscht. Einmalig wie immer der Tanzstil, gechillt die Ansagen.
Zwei gänzlich neue Lieder gibt’s im aktuellen Programm: „Tage“ und „Das digitale Proletariat“, ersteres ein Aufruf zu mehr Gelassenheit mit zunehmendem Alter, zweiteres ein bissiger Beitrag über den Irrsinn der Generation Smartphone: „Du hast einen Abschluss, du bist ein schlaues Tier, trotzdem hast du nicht kapiert, dein Handy spielt mit dir.“ Und apropos, Tier: „Mein Hund wird falsch ernährt“ steht natürlich auch auf der Setliste. So wie die Anti-Ambros-Skihymne „I wui net Skifahrn, aber i muaß“.

Bild: Rowitha Pross

Bild: Blankomusik
„Wuide unterwegs“ ist also mehr Radau als Andacht, ein Hochamt für aufgekratzte Geister im Ringsgwandl‘schen Irrenhaus, von dem aus er den Wahnsinn, der sich leichtsinnig Leben nennt, mit höchster Präzision beschreibt. Die Musik geht ins Ohr, die Lyrics ins Hirn, und bei einem gelernten Kardiologen natürlich auch ins Herz, und bei allen dreien nicht wieder raus. Ringsgwandl erzählt von Sehnsüchtlern und Zivilisationsverweigerern, von Unangepassten und Fassadeneinreißern, vom Recht auf Nicht-Mäßigung und Keineswegs-Selbstbeschränkung.
Fürs Stadtsaal-Publikum hat Ringsgwandl zum Schluss noch einen Rat in dieser zunehmend blöder werdenden Welt, der an Größe beinah an die Grillparzer’sche Österreichrede heranreicht. Wenn einem jemand komisch kommt, singt er, „dann sag am besten gar nix, schau einfach durch die Wand, hör zu, was so erzählt wird und denk dir, allerhand.“ Zugabe, Knicks und Aus.
- 1. 2019