Das MAK zeigt „Raimund Abraham. Angles and Angels“
Juni 11, 2020 in Ausstellung
VON MICHAELA MOTTINGER
Zeichnungen, Modelle und Prototypen ab 16. Juni

Raimund Abraham: Universal House, 1967. Print, koloriert. Privatsammlung. Bild: © MAK/Georg Mayer
Die ursprünglich ab Ende März geplante und aufgrund der #Corona-Krise verschobene MAK-Ausstellung „Raimund Abraham. Angles and Angels“ wird nun von 16. Juni bis 18. Oktober gezeigt. Die Ausstellung ist ab 16. Juni, 18 Uhr zugänglich. Das MAK widmet dem österreichisch-amerikanischen Architekten, der sein Œuvre in enger Verbindung zu Kunst, Philosophie, Literatur und Film entwickelte, diese Personale.
Ausgehend von der Zeichnung als Denkmodell für sein visionäres Werk werden etwa 50 Skizzen, Collagen, Modelle und Entwürfe zu realisierten und unrealisierten Projekten sowie Prototypen von Möbeln gezeigt, die das Spannungsfeld zwischen individuellen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen seiner Zeit ausloten.
Raimund Abraham verstand sich vielmehr als Theoretiker denn als bauender Architekt. Im Manifest „Eyes Digging“ aus dem Jahr 2001 werden sein forschender Zugang zu Architektur und die Bedeutung visionärer Schriftsteller, Philosophen, Dichter, Theoretiker und Komponisten wie Stéphane Mallarmé, James Joyce, Ludwig Wittgenstein und Arnold Schönberg für seine experimentelle architektonische Praxis deutlich. In seine elementaren, reduzierten Entwürfe ließ er archetypische und neo-futuristische Grundformen einfließen.
1967/68 bespielten Raimund Abraham, Hans Hollein und Walter Pichler zu dritt die Ausstellung „Architectural Fantasies: Drawings from the Collection“ im MoMA –The Museum of Modern Art in New York, wo Abraham Arbeiten zu den Themen, Utopie, Stadt und Environment zeigte. In den frühen 1960er-Jahren interessierte sich Abraham auch für die Ursprünge der Baukultur und publizierte in „Elementare Architektur“ zum landwirtschaftlichen Bauen im Alpenraum. Er untersuchte die Grundsätze der Architektur und wollte zu einer elementaren Grammatik des Bauens finden.

Raimund Abraham: Megabridge, 1964. Collage. Privatsammlung. Bild: © MAK/Georg Mayer

Raimund Abraham: ohne Titel, 1960er Jahre. Collage. Privatsammlung. Bild: © MAK/Georg Mayer

Raimund Abraham: Kugel-Projekt für das MAK-Terrassenplateau im Garten, 1991. Bild: © MAK/Georg Mayer

Raimund Abraham: Nine Projects for Venice. City of Twofold Vision, 1980. Privatsammlung. Bild: © MAK/Georg Mayer
Abrahams umfangreiches zeichnerisches Werk steht im Mittelpunkt der Ausstellung. Anfang der 1960er-Jahre entstanden Skizzen und Collagen für visionäre Räume, Gebäude und utopische Stadtmodelle, was mit zahlreichen Beispielen thematisiert wird. Die kolorierte Collage „Ohne Titel“ suggeriert beispielsweise mit geometrischen Formen aus Erde, Wasser und Luft eine Landschaft der Zukunft. „Megabridge“, „Continuous Building Project“, „Universal House“ und „Moon Crater City“ stehen exemplarisch für Abrahams Studien zu „linearen Städten“. Sie beschreiben architektonische Environments, die sich auf die klassizistische Revolutionsarchitektur und Manifestationen der 1960er -Jahre beziehen – wie die Erschließung des Weltraums und modulare Entwürfe der britischen Architekturgruppe Archigram. Diese Ideen entwickelte Abraham 1991 im nicht realisierten Kugel-Projekt für das MAK-Terrassenplateau im Museumsgarten weiter.
Raimund Abraham war national und international mit Künstlern, Architekten und Filmschaffenden vernetzt und unter anderem mit Hermann Nitsch, Dieter Roth, Peter Kubelka, Walter Pichler, Hans Hollein, Vito Acconci, Peter Eisenman und Lebbeus Woods oder dem Filmregisseur Jonas Mekas verbunden. Mekas widmete Abraham mit „Scenes from the Life of Raimund Abraham“ 2013 eine sechsstündige Hommage, die als Teil des Rahmenprogramms zur Ausstellung im MAK-Vortragssaal gezeigt wird.

Raimund Abraham: Wohn- und Geschäftshaus Friedrichstraße, Berlin, 1987. Bild: © Wolfgang Woessner/MAK
Exemplarisch für Abrahams Spiel mit Geometrie, Arithmetik und Proportion steht das unrealisierte Projekt „House for Euklid“ aus dem Jahr 1983. Architektur wird hier als Bewegung und Mechanismus aufgefasst, um dem kinetischen Raum sowie den Möglichkeiten der Unendlichkeit eine Form zu geben. Die politische Symbolkraft von Architektur verdeutlichte er in der Skizze Kirche an der Berliner Mauer. Der nicht realisierte Beitrag kann als Symbol für die gesellschaftliche Einheit in Deutschland und in Europa gelesen werden.
Raimund Abrahams Hauptwerk, der spektakuläre Neubau des Austrian Cultural Forum in New York im Jahr 2002, zählt zu den bedeutendsten Beiträgen zeitgenössischer Architektur in Manhattan. MAK-Generaldirektor Christoph Thun-Hohenstein begleitete als damaliger Direktor des Austrian Cultural Forum,
das 1942 als Institution des Widerstands während des national- sozialistischen Regimes gegründet worden war, die Fertigstellung und Eröffnung des neuen Gebäudes und war für die inhaltliche Bespielung des Hauses bis 2007 verantwortlich. Abraham, der das Hochhaus pointiert als „Guillotine“ bezeichnete, brach die monotone Höhenentwicklung des 84 Meter hohen und 7,5 Meter schmalen Gebäudes mit versetzten Fassadenelementen und einem surrealen Spiel der Oberflächen aus Glas, Aluminium und Zink.
Als eines seiner Spätwerke plante Raimund Abraham das posthum fertiggestellte „Haus für Musiker“ im Rahmen des Projekts Museumsinsel Hombroich auf dem Gelände einer ehemaligen NATO-Raketenstation in Neuss in Deutschland. „Das Bauwerk ist kein Gebäude, sondern eine Stadt für vier Bewohner. Die Grundidee für das Bauwerk wird bestimmt durch ein gleichseitiges Dreieck. Dreieck und Kreis bilden den Mittelpunkt. Wenn Architektur sich der Skulptur nähert, ist das Kunst“ – so Abraham über einen seiner letzten Entwürfe.
11. 6. 2020