Michael Mittermeier: Lucky Punch – Die Todes-Wuchtl schlägt zurück

März 16, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Siri vs Alexa, das ist Brutalität

Bild: © Olaf Heine / mediaPool

Michael Mittermeier auf der Bühne, das ist immer ein bissl wie z’Haus kommen. Das empfinden nicht nur seine Fans so, sondern augenscheinlich auch er. Weil er sich auf die total verlassen kann, nicht nur als Drein- und Z’ruckreder, sondern sogar, wenn sie ihm die chinesischen Schriftzeichen an der Wand vom neuen Programm erklären. Die er aus dem Internet und natürlich nicht überprüft hat. „Lucky Punch“ heißt sein jüngster Streich, für den er in Wien nun einmal vier Sparringsrunden absolviert hat (Termine wieder ab 17. Oktober in Wien, Salzburg, Linz und Graz), und die in Sinologie begabte junge Frau im Publikum sagt, passt, die Lettern bedeuten „glücklicher Schlag“. Na also!

Für sein Try out im Museumsquartier hat sich der King of Stand-up-Comedy des Themas augmented reality, erweiterte Realität, angenommen. Und damit meint er nicht nur die Cybersache, in der U-Bahn aus dem Fenster und damit gleichsam in den Waggon hinein zu schauen. Nein, dem Mittermeier geht es um jede Art von Intelligenz, und sei’s künstliche, wenn er Siri und Alexa in einem leeren Raum aufeinanderprallen lässt. Das ist Brutalität. Und sein Glück.

Weil beide nix von Spaß verstehen, wird er seinen Job noch lange haben. Der Hero der Headbanger ist allerdings in die Jahre gekommen. Er trägt jetzt Smoking überm T-Shirt. Und Geschichten über seine Tochter beginnen nicht mehr mit dem Laterndlumzug, sondern enden mit „Haha, sehr lustig Papa!“ Samt dazugehörigem Peinlichkeitsschnauben für den elterlichen „Humoraussätzigen“. Mittermeier mischt wie stets das Private mit dem Beruflichen mit dem Politischen. Seine Intimbehaarung wächst sich zum running gag diverser Programme aus – aber Donald Trump ist neu. Die orangefarbene Seite der Macht. Eine Verbeugung vor dem besseren Komiker.

Und apropos, (Ohn-)Macht: Natürlich geht’s um Scherze zur Regierungsbildung hüben und drüben, die AfD aus österreichischer Sicht als Linksruck betrachtet und den hiesigen Boykanzler. Dem Brüssel lieber eine Kommunioskerze über-, als die Hand reichen möchte. Der Heilige Geist kommt auch ausreichend vor. Die bayerischen Kabarettisten, man weiß es von Ottfried Fischer und Sigi Zimmerschied, haben’s ja mit dem brachial-barocken Katholizismus.

So schwadroniert sich Mittermeier von Fake News zu Alternativen Fakten. Und während er eine Lanze für Mehl (zwinkerzwinker!) bricht, sagt er es selber: Is der schecht, Oida, den lass‘ i drin“. Etliche dem Untertitel geschuldete Todes-Wuchtln schiebt der begnadet gewitzte Spaßmacher. Auch den, dass er sehr wohl den Unterschied zur -Buchtl kennt. Mit Powidl, what the fuck das sein mag. So kommt er einmal mehr auf seine Lieblingskategorie Film zu sprechen. Chuck Norris gegen Bruce Lee. Ein Kabinettstück dieser Kampf, nachgestellt aus „Die Todeskralle schlägt zurück“. Oder „Batman v Superman“. All das aber mit einer ganz klaren Präferenz für einen Superhelden: Wuchtl-Man.

www.mittermeier.de

Tickets: agentur.hoanzl.at/veranstaltungen/michael-mittermeier/michael-mittermeier/

  1. 3. 2018

Schuberttheater: Punch and Judy in Afghanistan

November 27, 2014 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Neville Tranter und sein Stuffed Puppet Theatre in Wien

Punch & Judy in Afghanistan  Bild: © Stuffed Puppet Theatre

Punch & Judy in Afghanistan
Bild: © Stuffed Puppet Theatre

Der international gefeierte Meister des Klappmaulpuppenspiels Neville Tranter ist zu Gast im Schuberttheater und zeigt seine Produktion „Punch and Judy in Afghanistan“. Zwei Westeuropäer reisen durch Afghanistan. Als aber während einer Sightseeing-Tour das Kamel mit Emil auf dem Rücken in Richtung Tora Bora durchbrennt, bleibt Brian nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach seinem Freund zu machen. Dabei begegnet er Mister Punch und seiner Frau Judy. Doch wo ist Emil – und was ist mit ihm passiert? Die Antworten auf seine Fragen lassen kein Happy End erwarten. Denn der Humor ist so schwarz, manche wortgespielten Andeutungen so brutal, dass selbst dem Protagonisten Brian, gespielt von Tranter selbst, in der Anfangsszene übel wird. Sicher ist: Tranter schafft es, sein Publikum gleichzeitig zum Lachen und Nachdenken zu bringen. Vom coolen BBC-Reporter über den schlitzohrigen Kameltreiber, vom geschäftstüchtigen Leichensack-Anpreiser bis hin zu Baby Bin Laden – wenn Tranter seine Puppen zum Leben erweckt, vergisst wohl jeder, dass sie nur durch eine Hand bewegt werden und er ganz unverhohlen daneben die Texte spricht.Der zitternde französische Soldat Jean-Michel versprüht seine Ängste genauso realistisch wie später die Bin Ladens ihre doppeldeutigen Einladungen, zum Mahl zu bleiben – oder war es doch als Mahl? Böse, hinterfotzig und exakt seziert Neville Tranter Charaktere und Situationen.

http://schuberttheater.at

Wien, 27. 11. 2014

Neue Oper Wien: Punch and Judy

Mai 23, 2014 in Klassik

VON MICHAELA MOTTINGER

Morden ist ein Mordsspaß

Richard Rittelmann als Punch, vorne rechts: Till von Orlowsky als Choregos und Ensemble (v.l.n.r.: Lorin Wey, Manuela Leonhartsberger und Johannes Schwendinger) Bild: © Armin Bardel

Richard Rittelmann als Punch, vorne rechts: Till von Orlowsky als Choregos und Ensemble (v.l.n.r.: Lorin Wey, Manuela Leonhartsberger und Johannes Schwendinger)
Bild: © Armin Bardel

Man hat nicht einmal noch richtig Platz genommen, da sind die ersten beiden Morde schon passiert: Punch wiegt sein Baby, wirft es mit kurzem Lustschrei ins Feuer und sticht danach die darob entsetzte Gattin Judy ab. Die Alte musste eh schon weg, er hat nämlich ein Auge auf … aber dazu später. Eigentlich müßte nun  infernalische Musik einsetzen. Aus dem Orchestergraben jedoch ertönt nur eine Trillerpfeife und ein trockenes Trommelstaccato. Das Grausige kippt ins Lächerliche. Und Choregos, der Zeremonienmeister aus der Hölle, umrundet mit seiner Bal­let­teu­senmuse den Zuschauerraum. Hier gibt es kein Entrinnen – uahahaha (an dieser Stelle stelle man sich diabolisches Gelächter vor).

Die Neue Oper Wien zeigt in den Räumlichkeiten der Kammeroper Sir Harrison Birtwistles und Stephen Pruslins (Libretto) „Punch and Judy“. Das ist eine Gaudi. Eine, die so groß ist, dass es 1968 bei der Uraufführung noch ziemliche Kontroversen über all die vorkommende Gewalt gab. Tatsächlich sind „Punch and Judy“ das britische Kasperltheater, Grand Guignol sagen die Franzosen dazu, oder anders: Punch ist die rabiate englische Variante des Pulcinella aus der Commedia dell’arte. Die Insulaner haben’s eben gern skurriler, makaberer, weniger tragi-, mehr komischer. Zum 80. Geburtstag des großen Komponisten macht ihm Intendant Walter Kobéra nun also mit dem amadeus ensemble-wien dieses Geschenk, seine Erstlingsoper aufzuführen; Regie: Leonard Prinsloo, Bühne und Kostüme: Monika Biegler; und es ist einfach großartig. In einem gruseligen Abwasserkanal (?) bewegen sich die in Fetzen gekleideten Fratzen. Wer tot ist, wird zum Tier – vom Hasen bis zum (no na) Krokodil. Es geht nämlich noch ziemlich zu: Doctor und Lawyer werden mit Injektionsnadel und Schreibfeder gemeuchelt, selbst den Henker (siehe Bild) bringt Punch dazu, sich statt seiner zu erhängen. Er kennt sich doch mit der Schlinge nicht aus, der Schlingel … Ein großes, weißes P hat dieser Punch auf seinem Shirt stehen. Prisoner (Gefangener) seiner eigenen Bosheit. Lichteffekte (Norbert Chmel) und Videos (Bernd Preiml) machen das Grauen noch (unbe)greifbarer. Die Satire springt und sticht und schneidet.

Pruslin hat den traditionellen Puppentheaterstoff kaleidoskopartig aufgebrochenen. Birtwistle dazu drastisch holzschnittige Musik komponiert. Die Partitur nimmt unverhohlen Anleihen bei Webern und Stravinsky, vom Choral bis zum großen Opernduett, von barocken Tanzmetren bis zum operettenhaften Couplets. Dazwischen brechen abrupt, aberwitzig schnell die Tempi. Die Sänger/Schauspieler (denn hier wird auch diesbezüglich einiges abverlangt und mit Bravour gemeistert) sind auf der Höhe. Allen voran: Till von Orlowsky, der als tiefer Bariton Choregos über ein kraftvolles Volumen in sozusagen Höhen und Tiefen verfügt, dass es eine Freude ist. Richard Rittelmann ist ein Punch, der ihm in nichts nachsteht – und außerdem bei allen „Turnübungen“ nie außer Atem gerät. Schön schräg treffen ihre Töne Mezzo Manuela Leonhartsberger als Judy, Lawyer Lorin Wey und Johannes Schwendinger als Doctor. Tänzerin Evamaria Mayer ist eine Augenweide – für Domina-Colombina-Fans. Und dann sie: Jennifer Yoon als Pretty Polly. In sie hat sich Punch verguckt. Die will er haben. Wie eine steife, blonde Puppe bewegt sich Yoon über die Bühne, ihr hoher Sopran markiert die schrille Zicke, in deren Netz sich Punch fangen wird. Eine tadellose Vorstellung.

Auch, wenn man in Wien weiß, dass den Wurschtl kana derschlagen  beziehungsweise erhängen kann, auch wenn Choregos in einem Epilog an den Komödiencharakter des Abends erinnert, geht man doch mit dem befriedigenden Wissen nach Hause: Die Hexe hat Punch verdient! Viele verdiente Bravos für die Mitwirkenden! Eine Empfehlung für alle, die Mörderstimmen bei einem Mordsspaß erleben wollen, ohne gleich einen Mordsschrecken zu kriegen.

www.neueoperwien.at

23. 5. 2014