MAK: Zeichensprache
Februar 3, 2021 in Ausstellung
VON MICHAELA MOTTINGER
Ein Bett, ein Brett und eine Autobahn

Leonor Antunes: I stand like a mirror before you, 2015. discrepancies with F.K., 2016. Courtesy of the artist and kurimanzutto, Mexico City. Bild: © MAK/Georg Mayer
Ab 9. Februar untersucht im MAK die Ausstellung „Zeichensprache. Antunes | Bayrle | Brătescu | Castoro | Pichler“ die vielfältigen Mittel der Sprache aus der Perspektive der bildenden Kunst. In der Literatur, insbesondere in der Lyrik, wird Sprache in eine poetische oder musikalische Ordnung gesetzt. Das Alphabet gilt als universelles Zeichensystem für alle Sprachen und in der Entwicklung der Schrift spiegeln sich Etappen, Revolutionen und Brüche einer Gesellschaft wider.
Schriftzeichen stehen für Identitäten, gleichzeitig zielen digitale Technologien auf eine universelle Bildsprache ab. 17 Zeichnungen, Skulpturen und Installationen der international bekannten Künstlerinnen und Künstler Leonor Antunes, Thomas Bayrle, Geta Brătescu, Rosemarie Castoro und Walter Pichler öffnen in der MAK-Schau durch ihre individuelle Zeichen-/Sprache immer wieder neue Handlungs-/spiel-/räume.
Die portugiesische Künstlerin Leonor Antunes zeichnet in ihren skulpturalen Arbeiten und Installationen Erzählungen des 20. Jahrhunderts zu Kunst, Architektur und Design nach. Sie beleuchtet Fragen angewandter Kunst und handwerklicher Produktion, traditionelle Techniken und die Sprache von natürlichen
Materialien wie Holz, Textilien, Leder oder Metall. Im MAK verweist ihre zweiteilige Installation aus den Arbeiten „I stand like a mirror before you“, 2015, und „discrepancies with F.K.“, 2016, auf ein Schaufenster nach einer Gestaltung von Friedrich Kiesler für das Kaufhaus Saks Fifth Avenue in New York aus dem Jahr 1930 (mehr: www.mottingers-meinung.at/?p=20657). Antunes interpretiert das Schaufenster als experimentellen Raum. Im imaginären Rhythmus von handwerklichen Materialien, Texturen und Formen entwickelte sie ein Modell.
Geta Brătescu, die mit Ion Grigorescu und Ana Lupaș zu den bedeutendsten Protagonistinnen der rumänischen Avantgarde zählt, ist mit der Installation „Didona“ aus dem Jahr 2000 zu sehen. Die Arbeit kann als prozesshafte taktile Zeichnung gelesen werden. Brătescu verwob hier Fragmente und Materialien aus anderen Werken. Schwarzer Filz verweist auf die Arbeit „NO to Violence“ von 1974. Spiegelartige Objekte aus Holz, Aluminium und Samt fungieren als symbolische Tools in einem feministisch konnotierten Ritual, sie werden auch im Film „The Studio“ von 1978 zur Schau gestellt, einer von Grigorescu gefilmten Aktion. Ihr Atelier machte Brătescu zur Bühne temporärer Installationen. Parallel zu ihrem Kunstschaffen war sie als Illustratorin und Grafikdesignerin für die Kulturzeitschrift „Secolul 20“ tätig.

Porträt Geta Brătescu in ihrem Atelier. Bild: © Ştefan Sava

Geta Brătescu: Didona, 2000. Bild: © MAK/Aslan Kudrnofsky

Thomas Bayrle: Objekt Singer, 1999. Bild: © Aslan Kudrnofsky/MAK

Porträt Thomas Bayrle, MAK-Schausammlung Gegenwartskunst. Bild: © MAK/Mona Heiß
Der deutsche Zeichner, Grafiker, Maler und Bildhauer Thomas Bayrle untersucht Mechanismen der Sprache, des Bildes, des Alltagsobjekts, und lässt Ornamente der Masse entstehen. In der Schau ist er mit der Skulptur „Objekt Singer“, entstanden 1999, vertreten. Die Arbeit, bestehend aus Pappkarton und einem integrierten Display aus Holz, zeichnet ein Geflecht aus Autobahnen nach, das als Synonym für politische Macht zu lesen ist. Bayrle denkt den Knoten als Autobahn. Die Autobahn, die sich durch Städte, Landschaften und Kontinente schneidet, ist das – fragwürdige – Symbol der modernen Zivilgesellschaft, des Fortschritts, der Wirtschaft, der Ideologie, der Nation – ein weltweites Aushängeschild der Politik in Demokratie und Diktatur, wie ehemals Deutschland und Österreich im Nationalsozialismus, als die Autobahn zum Projekt erklärt wurde.
Eine umfassende Serie des österreichischen Künstlers Walter Pichler, die er in einem Zeitraum von 40 Jahren entwickelte, greift das Thema Bett als skulpturale Form auf. Das immanente Spannungsverhältnis von Skulptur, Körper und Architektur prägte sein Œuvre. Das Bett steht in der Ausstellung beispielhaft für Pichlers Skulpturensprache, die als Bild oder Zeichen beginnt. Ausgangspunkt der Skulptur ist die Zeichnung, die –für sich eigenständig – ein narratives Netzwerk umspannt. Beispielsweise liest sich ein Modell aus der Serie „Bett“ von 2000 als Interpretation des Memento mori. Eine liegende Figur wird im architektonischen Prinzip aufgelöst, der Körper besteht aus kantig geschnittenen Glasflächen.

Rosemarie Castoro: Land of Lads, 1975. Bild: © MAK/Georg Mayer. Österr. Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft. The Estate of Rosemarie Castoro / Galerie Thaddaeus Ropac
Die New Yorker Künstlerin Rosemarie Castoro entwickelte ihre eigene künstlerische Sprache zwischen Minimal Art und Konzeptkunst. Castoro fand Inspiration im modernenTanz und arbeitete mit Yvonne Rainer. Sie bewegte sich im Kreis von Carl Andre, mit dem sie auch verheiratet war, Lawrence Weiner, Sol LeWitt, Richard Long und Agnes Martin. Castoro verknüpfte Malerei, Performance, Bühnenbild, Skulptur und bezeichnete sich selbst als „paintersculptor“. Im MAK ist sie mit der Installation „Land of Lads“ aus dem Jahr 1975 vertreten, die aus einer Vielzahl skulpturaler Elemente besteht. Das „Land der Jungen“ – als Pendant zum Weiblichen – steht auf
durchlässigem Boden. Einzelne Leitern biegen und strecken sich wie eine Reihe junger Pflanzen oder Bäume. Die Künstlerin spielt sich und ihre Generation frei von patriarchalen Mustern und schafft ein Monument fluider Gender-Formen.
Die in „Zeichensprache“ gezeigten Werke, die von der Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft angekauft und dem MAK als Dauerleihgaben überlassen wurden, bereichern und erweitern die seit 1986 aufgebaute MAK-Sammlung Gegenwartskunst, die einen Schwerpunkt auf internationale zeitgenössische Positionen unter besonderer Berücksichtigung bedeutender österreichischer Künstlerinnen und Künstler legt.
3. 2. 2021