Im März kommen Stars von
Diego Agulló bis Lise Lendais
Von 8. bis 22. März findet wieder imagetanz 2013, das Festival für Choreografie, Performance und Kosmisches, statt.Seit mehr als 20 Jahren interessiert man sich dort für den Moment, in dem Choreografie und Gesellschaft aufeinanderkrachen. Und das mit höchster Risikobereitschaft. Alljährlich dient dabei ein Motto als lockere Klammer. Heuer ist das Thema Science Fiction, im Sinne von Galaktischem, Universellem, Sphärischem. Auf materielle Ebene meint das den nackten Körper, auf einer immateriellen hingegen den Geist. Mind & Spirit. In der Hoffnung, irdischen Problemen auf den Leib zu rücken.
Das Programm:
Freitag, 8. und Samstag, 9. März, 20 Uhr | brut im Künstlerhaus
Diego Agulló & Dmitry Paranyushkin (Berlin): The Humping Pact. Vienna Mission: Performance • Erstaufführung
„Auch Gebäude brauchen Liebe.”: Diego Agullós & Dmitry Paranyushkins Humping Pact, in Deutsch etwa gleichbedeutend mit „Bumsabkommen“, ist ein Pakt zwischen Sex und Architektur. In körperintensiven
Interventionen begatten, bespringen und besteigen die beiden Performer öffentliche
Gebäude. Durch diese Hump-ins des ausgewählten Objekts lernen sie die zumeist alten
Gemäuer kennen und lieben. Eine intime, persönliche Beziehung zu den
architektonischen Stätten entsteht, die den menschlichen Körper, seine Sehnsucht nach
Eroberung, Verbreitung und Stimulation zelebriert. The Humping Pact ist eine
ästhetische Meditation über die Natur der Dissemination, Illusionen von Größe und das
menschliche Verlangen, an Sinnloses zu glauben und Unmögliches zu erdenken.
Nachdem sich Diego Agulló & Dmitry Paranyushkin unter anderem bereits am
Justizpalast in Brüssel, an einem vormaligen sowjetischen Militärstützpunkt in Lettland
und einer stillgelegten Kohlengrube liebevoll vergangen haben, werden bei ihrer Vienna Mission Orte wie das Schloss Schönbrunn oder das brut selbst zu Objekten der Begierde Am 8. März beweisen die beiden Künstler, dass sie nicht nur gerne mit Gebäuden auf Tuchfühlung gehen, sondern auch für Plattenteller etwas übrig haben. Als DJ Blue
Cosmic Hand und DJ Yellow Galactic Star laden sie im Anschluss an Spirit von Florentina
Holzinger & Vincent Riebeek in die brut-Bar im Künstlerhaus zur Eröffnungsparty von imagetanz.
Freitag, 8. und Samstag, 9. März, im Anschluss an The Humping Pact | brut im Künstlerhaus
Florentina Holzinger & Vincent Riebeek (Wien/Amsterdam): Spirit/Tanz • Österreichische Erstaufführung
Nach ihrem Hit Kein Applaus für Scheiße bei imagetanz 2012 und ihrer
atemberaubenden Überraschungseinlage in der Silvesternacht bringen die beiden
inzwischen international erfolgreichen Performer Florentina Holzinger und Vincent
Riebeek in Spirit eine Ode an Glaube und Spiritualität auf die Bühne. Spirit ist ein starker
Likör und eine radikale Theatererfahrung über das spirituelle Leben. Das verführerische
Duo Holzinger & Riebeek begibt sich auf eine Entdeckungsreise durch östliche
Philosophie, Popkultur, Tarot, Psychomagie und Cirque du Soleil. Es will leidenschaftlich
einander, dem Publikum und seiner Performance glauben. Mit größter Überzeugung
erschafft es ein Spektakel, das schonungslose Einblicke in nie gesehene Sphären gibt
und dabei immer wieder mit der Spannung zwischen Scheu und Neugier konfrontiert.
Montag, 11. und Dienstag, 12. März, 20 Uhr | brut im Künstlerhaus
Agnieszka Dmochowska & Mariana Tengner Barros (Wien/Lissabon): Star Diaries
Tanz • in englischer Sprache • Erstaufführung
Ein Geisterschiff voller Geiseln driftet auf einer Zeitschleife durch den dunklen Kosmos.
Unter den Entführten befinden sich Persönlichkeiten von Weltrang: Galileo lauscht an-
dächtig Steven Spielberg, Marlene Dietrich fachsimpelt mit dem Science-Fiction-Autor
Philip K. Dick und der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman trifft auf ein
Zwitterwesen aus Sokrates und Plato. Alle Geiseln amüsieren sich prächtig und
entzünden sich immer wieder in hitzigen Diskussionen und absurden Gedanken-
experimenten über die großen Ideen der Menschheit. Ab und zu verschwindet der eine
oder andere im Dunkel des Kosmos, um dann im ungünstigsten Moment wieder aufzupoppen. Für das Projekt Star Diaries recherchierten die polnische KünstlerinAgnieszka Dmochowska und die portugiesische Performerin und Choreografin MarianaTengner Barros intensiv am European Space Policy Institute in Wien.
Montag, 11. und Dienstag, 12. März, im Anschluss an Star Diaries | brut im Konzerthaus
Gérald Kurdian (Paris): 1999. Konzertperformance • in englischer Sprache • Österr. Erstaufführung
48 Episodenschnipsel aus der britischen TV-Serie Mondbasis Alpha 1 (Space: 1999) aus
den 1970er-Jahren sind Anlass für die Ein-Mann-Schau des französischen Performers,
Songwriters und Radiokünstlers Gérald Kurdian. Zwischen Bruchstücken aus Tango-
und Mambotänzen, Liebeschansons und selbstgeschriebenen Liedern erzählt Kurdian
die Handlung eines noch zu realisierenden Science-Fiction-Films und übernimmt dabei
ausnahmslos alle Rollen und Figuren selbst. Es treten die Akteure der Musikindustrie
auf: Kurdian vollzieht den fliegenden Wechsel vom Performer zum Composer, vom
Graphic Designer zum Video-Clip-Director und Artistic Manager. Er bewegt sich
souverän in einem Setting aus technischen Apparaten, Musikinstrumenten und
Diavortrag-Equipment. Mit seinen Lo-Fi-Arrangements und minimalistischen Aktionen
besingt der musikalische Bastler Kurdian den Charme des Unfertigen als die wahre
Utopie.
Donnerstag, 14. und Freitag, 15. März, 20 Uhr | brut im Künstlerhaus
Simon Mayer (Wien/Brüssel): Monkeymind. Konzertperformance • Erstaufführung
Monkeymind ist ein buddhistischer Begriff und bezeichnet einen unbeständigen,
launischen, fantasievollen und kreativen Geist. In seiner Konzertperformance schlüpft
Simon Mayer, seines Zeichens ehemaliges Mitglied des Balletts der Wiener Staatsoper,
performender Bauernbursche und künstlerischer Leiter des Kunstfestivals Spiel am
Biobauernhof Schlossergütl in Oberösterreich, in die Rolle des Monkeymind. Der
wunderliche Exzentriker kämpft verzweifelt darum, verstanden zu werden. Auf
komische und berührende Weise versucht er etwas sehr Wichtiges zu erzählen und der
Essenz der Dinge auf den Grund zu gehen.
Donnerstag, 14. März, im Anschluss an Monkeymind | brut im Konzerthaus
Margrét Sara Gudjónsdóttir (Reykjavik): Variations on Closer. Tanz • Österreichische Erstaufführung
Variations on Closer bringt einen beunruhigenden Suspense-Moment auf die Bühne, der
von einem para-noiden Soundtrack des Musikers und Produzenten Peter Rehberg
begleitet wird. Die drei Performerinnen Laura Siegmund, Johanna Chemnitz und Angela
Schubot – zuletzt mit dem Stück What they are instead of bei imagetanz 2011 auf der
brut-Bühne zu sehen – bewegen sich zu Soundspuren und Fetzen unheimlicher
Partymusik. Ihre mal ekstatischen, mal minimalistischen Einlagen schaffen in
Kombination mit Musik eine intensive, geheimnisvoll-mystische Atmosphäre.
Samstag, 16. März, 21 Uhr | brut im Künstlerhaus
The Irrepressibles (London): Album Release: NUDE. Konzert •
Nachdem ihnen bereits das Bluebird-Festival 2012 mit der Ankündigung „Mit Sicherheit
eine der innovativsten Bands der aktuellen Musikszene“ Rosen streute, darf nun das
brut das Art-Pop-Orchester aus London im März bei sich begrüßen. Präsentiert wird das
zweite Album NUDE: eine Kombination aus elektronischen Klängen, klassischen
Instrumenten und der menschlichen Stimme als unmittelbarem Weg in das
Unbewusste. Jamie McDermott – Sänger und Visual Artist – verknüpft dabei
extravagante Choreografie, Lichtinstallation und hochemotionale Texte, um das
Publikum auf eine Reise durch das Selbst und die Zeit zu nehmen. Inspiriert von
Musikern wie Chris Isaak, Neil Young und Röyksopp und oft verglichen mit Größen wie
David Bowie oder Antony and the Johnsons performen „Die Unbezähmbaren“ eine hingebungsvolle und rebellische Show. Gerade live „erblüht die gesamte Schaffenskraft des Kollektivs, die sich aus barock anmutenden Melodien, theatralischer Inszenierung und punktgenauer Choreografie zusammensetzt“ (laut.de).
Montag, 18. und Dienstag, 19. März, 20 Uhr | brut im Konzerthaus
Sööt/Zeyringer (Wien/Tallinn): Never Name the Shelf. Performance • in englischer Sprache •
In Never Name the Shelf untersuchen Tiina Sööt und Dorothea Zeyringer die Idee von
Arbeit, die nicht dem Verlangen nach einem konkreten Resultat nachgibt. Höchst
konzentriert verfolgen die beiden den Arbeitsprozess des Möbelaufbauens und
verschieben dabei den Fokus vom eigentlichen Ziel dieses Vorgangs, dem fertigen
Objekt, hin zu den Bewegungsabläufen des Zusammensetzens. Jeder Handgriff wird in
sprachliche Instruktionen übersetzt und macht die Nähe zwischen Arbeit und ArbeiterIn
deutlich spürbar. Ein choreografierter Arbeitsablauf, der das Verhältnis von Produktion
und Produkt revidiert.
Montag, 18. und Dienstag, 19. März, im Anschluss an Never Name the Shelf | brut im Konzerthaus
Deborah Hazler (Wien): Anthropology of Man. Tanz • in englischer Sprache • Erstaufführung
In Anthropology of Man versetzt sich Deborah Hazler in das Leben fiktionaler Männer
und simuliert sie authentisch. Durch die Einfühlung in maskuline Körperlichkeiten und
Emotionen nähert sie sich der Frage, ab welchem Punkt Mann eigentlich als solcher
erkannt wird. Unter anderem mutiert sie dabei zu Männertypen wie dem nerdigen
Hipster, der leidenschaftlich dem literarisch-alternativen Lebensstil der Beat-Poeten
frönt. Oder zum 17-jährigen Richard Rogers, der sich mit der Absicht, Mädchen zu
beeindrucken, einem intensiven Muskelaufbauprogramm unterzieht und als Blogger
sein Leben dokumentiert. Bereits 2010 hat Deborah Hazler im Solo Deborah Does Male am eigenen Körper
verschiedene Ideale und Zustände von Männlichkeit ausprobiert. Körperbetont
präsentierte sie sich auch zusammen mit Nanina Kotlowski und Kerstin Olivia
Schellander bei imagetanz 2011 in der Arbeit offnature, die mit Ironie und Übertreibung
dem voyeuristischen Blick auf den weiblichen Körper einen Dämpfer verpasst hat.
Montag, 18. und Dienstag, 19. März, im Anschluss an Anthropology of Man | brut im Konzerthaus
Radek Hewelt (Wien): Substitute show. Performance • in englischer und polnischer Sprache • Erstaufführung
In Substitute show begibt sich der polnische Performer Radek Hewelt auf eine kleine
Zeitreise in die persönliche Vergangenheit und landet im kommunistischen Polen. Die
politische und ökonomische Krise hat das Land fest im Griff, doch der innige Wunsch
des jungen Mannes, eine Punkband zu gründen, ist stärker. Einziges Problem dabei: Eine
elektrische Gitarre ist weder greifbar noch erschwinglich. Not macht erfinderisch, und
so wird der Tennisschläger kurzerhand zum Instrument umfunktioniert, dem sich
magische Sounds entlocken lassen. 30 Jahre später in erneut krisengebeutelten Zeiten
erinnert sich Radek Hewelt solch fast vergessener Skills – dieses Mal nicht um eine
Gitarre zu basteln, sondern um eine Performance zu kreieren. Do it yourself heißt das
Credo und etwas aus dem Nichts zu erschaffen das Ziel.
Donnerstag, 21. und Freitag, 22. März, 20 Uhr | brut im Künstlerhaus
Lise Lendais (Wien): TALIN, MARY KATE & ME. Performance • in englischer Sprache • Erstaufführung
TALIN, MARY KATE & ME ist ein Theaterprojekt zwischen Fiktion und Dokumentation, bei
dem drei Künstlerinnen aus Istanbul, London und Wien auf der brut-Bühne
zusammentreffen. Mit ihren Babys sitzen sie in einer surreal-poetischen Landschaft aus
Gras und Moos und tun das, was sie tagein, tagaus tun: Sie versorgen ihre Kinder. Und
gleichzeitig tun sie etwas ganz anderes: Ihre tägliche Routine wird zu einem Experiment
im Theaterraum, zu einem Spiel mit ihren Rollen als Mütter und Künstlerinnen. Die
französische Künstlerin und Bühnenbildnerin Lise Lendais, spätestens seit ihrer
Zusammenarbeit mit Anne Juren in der Wiener Performanceszene bekannt, tauschte
sich für das Projekt mit den Künstlerinnen Talin und Mary Kate über die Distanz hinweg
über ihre täglichen Routinen als Mütter und ihre Bedürfnisse als Individuen aus und
dokumentierte diese im Internet.
www.brut-wien.at
Von Michaela Mottinger
Wien, 24. 2. 2013