mumok digital: Onlineführung „Misfitting Together“

Januar 28, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Serielles von Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art

Andy Warhol: Orange Car Crash,1963. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Sammlung Ludwig, Aachen seit 1978. © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, New York/Licensed by Bildrecht, Wien 2020

Von Andy Warhol stammt das Zitat „The idea of waiting for something makes it more exciting.“ Damit das Warten auf die Wiedereröffnung der Museen nicht zu aufregend wird, will das mumok dem Publikum nun digitale Einblicke in die aktuellen Ausstellungen ermöglichen. Am 29. Jänner, 18 Uhr, beispielsweise führt Patrick Puls via Zoom und kostenlos durch die Ausstellung „Misfitting Together. Serielle Formationen der Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art“. Puls bespricht dabei unter anderem Werke von Andy Warhol, Charlotte Posenenske, Sol LeWitt und Hanne Darboven.

„I was reflecting that most people thought the Factory was a place where everybody had the same attitudes about everything; the truth was, we were all odds-and-ends misfits, somehow misfitting together.” Diese titelgebenden Worte von Andy Warhol bilden den Ausgangspunkt für die Misfitting-Schau des als Trilogie konzipierten Warhol-Schwerpunktes im mumok. Die beiden anderen Teile – „Andy Warhol Exhibits. A glittering alternative“ und „Defrosting The Icebox. Die verborgenen Sammlungen der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museum Wien und des Weltmuseum Wien zu Gast im mumok“- sind ebenfalls bereits zu sehen.

Claes Oldenburg: Geometric Mouse-Scale C,1971. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben 1976. © Claes Oldenburg

Larry Poons: Nixe’s Mate, 1961. Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1996. Bild: mumok – Museum moderner Kunst Stifung Ludwig Wien. © Bildrecht, Wien 2020

Andy Warhol stellte zuletzt 1981 – also noch zu Lebzeiten – im mumok aus. Knapp 40 Jahre später scheint es mehr als überfällig, sein Schaffen in einem umfassenderen kunsthistorischen Kontext zu präsentieren. Die Sammlungspräsentation mit dem Titel „Misfitting Together. Serielle Formationen der Pop Art, Minimal Art und ConceptualArt“ stellt sich daher ab 1. Juli der Aufgabe, Warhol nicht nur im Rahmen der Pop Art zu verorten, sondern ein differenzierteres Bild der Zeit zu zeichnen, indem Arbeiten der Minimal und Conceptual Art – allesamt Sammlungsschwerpunkte von Peter und Irene Ludwig – hinzugezogen werden. Ziel ist es, zu zeigen, wie sehr diese Bewegungen einander beeinflusst haben und wie ungern sich diese Strömungen in kunsthistorische Schubladen zwängen lassen. Warhols Werk wird so in seinem zeitgeschichtlichen Kontext erfahrbar.

Bezugnehmend auf Mel Bochners Artikel „The Serial Attitude“, der 1967 in Artforum erschien, setzt sich die Ausstellung mit der seriellen Ordnung als Bindeglied der drei Kunstströmungen Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art auseinander. Wie Bochner damals bereits konstatierte, handelt es sich bei der seriellen Ordnung um eine Methode und keinen Stil. Serialität soll nicht als formalisierte Spielerei, sondern als künstlerische Strategie verstanden werden, der klar definierte Prozesse zugrunde liegen, die häufig aus dem Umfeld der Mathematik und der Sprache stammen. Dies soll auch die Werkauswahl innerhalb der Schau „Misfitting Together“ verdeutlichen: So werden neben Arbeiten bekannter US-amerikanischer Positionen Werke von Vertreterinnen und Vertretern der mittel-und osteuropäischen Szene gezeigt.

Andy Warhol: Flowers,1970. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1980. © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, New York/Licensed by Bildrecht, Wien 2020

Roy Lichtenstein: Modular Painting with Four Panels #2,1969. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1981. © Estate of Roy Lichtentstein/Bildrecht, Wien 2020

Dass der Begriff der Serie in Warhols Werk eine zentrale Rolle spielt, ist kein Geheimnis. Im Rahmen der Ausstellung soll dieser Begriff im prozessualen Sinne verstanden werden – und damit eben nicht als stumpfe Wiederholung des immer gleichen Sujets, sondern im Sinne einer Faszination für die Vielfalt und Differenz innerhalb einer Serie. Statt eines endgültigen Ergebnisses stand der sich stetig verändernde Prozess im Mittelpunkt von Warhols Serienbegriff. Ein ähnliches Verfahren lässt sich bei Zeitgenossen wie Hanne Darboven, On Kawara oder Charlotte Posenenske beobachten. Eine aktuelle Ergänzung bietet die Arbeit „Firearms“ der erst kürzlich verstorbenen Künstlerin Lutz Bacher, die 2019 durch einen Ankauf der Österreichischen Ludwig-Stiftung Teil der mumok-Sammlung wurde. In ihrem seriellen Werk zeichnet Bacher das Porträt der Waffe als Ware des internationalen Handels sowie als historisches, heiß begehrtes Sammlerobjekt.

Das „Mouse Museum“ und der „Ray Gun Wing“ von Claes Oldenburg zählen zu den Hauptwerken der Pop Art und stellen als begehbare Installationen Museen im Miniaturformat dar. Gezeigt werden außerdem Arbeiten von Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Daniel Spoerri, Dóra Maurer, Friederike Pezold, Larry Poons und Robert Indiana … mehr: www.mottingers-meinung.at/?p=40694

Kostenlose Anmeldung: www.mumok.at/de/events/fokus-auf-misfitting-together-2           www.mumok.at

28. 1. 2021

Hugo Canoilas. On the extremes of good and evil

Oktober 31, 2020 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

mumok: Eine malerische Biosphäre für Mensch und Tier

Performance auf derBodenmalerei: Elise Lammer and Julie Monot, with Hugo Canoilas: Becoming Dog, 2020. Bild: Klaus Pichler. © Hugo Canoilas, Julie Monotand Elise Lamme

Ab 6. November zeigt das mumok die Schau „Hugo Canoilas. On the extremes of good and evil“. Der Kapsch Contemporary Art Preisträger 2020 versetzt dazu den Ausstellungsraum in eine betretbare Bühne der Malerei: Über die gesamte Bodenfläche zieht sich auf textilem Grund ein malerisches Szenario ineinander verfließender Formen mit inselartigen Zentren. Das Blau des Grundes und die darauf gesetzten tentakulären Farbwesen aus Wolle und Glas erinnern an eine belebte maritime Landschaft von unabwägbarer Tiefe.

In Zeiten der #Corona-Krise, die das physical distancing zum neuen Überlebensprinzip erhoben hat, sieht man sich in eine unentrinnbare malerische Biosphäre einbezogen, in der Verführerisches und Bedrohliches, Organisches und Technoides zugleich aufscheinen. Eine Bühne der Kunst- und Selbsterfahrung bietet diese Bodenmalerei nicht nur für die Betrachter, sie ist auch der Auftrittsort für die von Elise Lammer und Julie Monot auf Einladung des Künstlers entwickelte Performance „Becoming Dog“, in der als Hunde verkleidete Akteure auftreten, um das hierarchische Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu hinterfragen und neue Potenziale der Empathie zu erkunden. Menschliches und Tierisches erscheint hier wie in einer Travestie ineinander geblendet, um vorgebliche Gewissheiten über Identität und Einzigartigkeit zur Diskussion zu stellen.

Making of: Hugo Canoilas. On the extremes of good and evil. Kapsch Cont. Art Prize 2020. © mumok, Bild: Klaus Pichler

Making of: Hugo Canoilas. On the extremes of good and evil. Kapsch Cont. Art Prize 2020. © mumok, Bild: Klaus Pichler

Making of: Hugo Canoilas. On the extremes of good and evil. Kapsch Cont. Art Prize 2020. © mumok, Bild: Klaus Pichler

Making of: Hugo Canoilas. On the extremes of good and evil. Kapsch Cont. Art Prize 2020. © mumok, Bild: Klaus Pichler

Hugo Canoilas nutzt die Tradition und Geschichte der Malerei und Objektkunst, um sie in Verbindung mit installativen und performativen Strategien neu zu bestimmen und zu erweitern. Er nimmt dabei auf aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen sowie die damit verknüpften philosophischen und kunsttheoretischen Diskurse Bezug. Die Ausgangslage bilden miteinander verzahnte Themen wie die Klimakatastrophe, die Umweltzerstörung, die Migration und die sich vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich, deren Virulenz durch #Corona eine Art pandemischen Katalysator erhält. Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungen und ihren Folgen findet der Künstler vor allem in jenen posthumanistischen Denkströmungen, die ein anthropozentrisch-hierarchisch erstarrtes Weltbild infrage stellen und einen einfühlsamen Umgang des Menschen mit der Natur und seiner kreatürlichen Umwelt einfordern.

Der Blick von oben auf die Malerei darunter weckt Erinnerungen an digitale Landschaftsszenarien, die wie aus der Perspektive einer Drohne aufgenommen sind. Der hier offerierte Perspektivenwechsel kann auch metaphorisch als Abweichung und Distanznahme zu eingeübten Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen im Gesellschaftlichen begriffen werden, um anders und womöglich auch näher an die Dinge heranzukommen

www.mumok.at

31. 10. 2020

mumok: Andy Warhol Exhibits a glittering alternative

September 18, 2020 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Zwei Ausstellungen über die Pop-Art-Ikone

Andy Warhol: Self-Portrait, 1958. Licenced by Bildrecht Wien, 2020

Ab 25. September verschreibt sich das mumok mit zwei Ausstellungen dem Phänomen Andy Warhol. Statt der Präsentation altbekannter Klassiker blickt das mumok mit kaum gezeigten Arbeiten hinter die Fassade der weltberühmten Pop-Art-Ikone und entdeckt Warhols Fähigkeit als bahnbrechender Ausstellungskurator und Installationskünstler neu.

Mit den Ausstellungen „Andy Warhol Exhibits a glittering alternative“ und einer Hommage an Warhols wegweisendes Projekt „Raid The Icebox 1 with Andy Warhol“ gibt das mumok erstmals einen exemplarischen Überblick über die Ausstellungspraxis des Universalkünstlers, ohne dabei dessen Früh- und Spätwerk außer Acht zu lassen. Dieser Querschnitt eröffnet neue Perspektiven auf die vielfältigen,von Warhol eingesetzten Medien und zeigt, dass seine Präsentationsmodi als wesentliche Bestandteile seines Werkes zu verstehen sind.

Die Ausstellung wird demonstrieren, wie Warhol bereits in den 1950er-Jahren mit künstlerischen Strategien auf dem zweidimensionalen Blatt experimentiert und diese in den folgenden drei Jahrzehnten im dreidimensionalen Raum perfektioniert.

So präsentiert sich das Ausstellungsformat in Warhols Oeuvre weniger als finales „Werk“ denn als künstlerisches Medium. Während der traditionelle Werkbegriff einer statischen Auffassung des autonomen Kunstobjekts im Raum entspricht, nähern sich Warhols Einzelausstellungen immer mehr einer raumspezifischen Installation. Die Ausstellung fungiert als temporär isoliertes Modul, das je nach Kontext variiert und den Betrachter als interpretierende Instanz miteinbezieht.Es stellt sich daher nicht die Frage, ob Warhol als Illustrator, Maler, Bildhauer, Filmemacher, Installationskünstler oder Konzeptkünstler auftritt. Entscheidender ist die wechselseitige Beziehung zwischen Produktion und Präsentation.

Warhol geht über das einzelne Bild hinaus – er relativiert es – beschränkt sich nicht auf das Machen und Zeigen, sondern zielt auf eine allumfassende Präsentation ab, die sich von der raumspezifischen Hängung in Serien über den Ausstellungskatalog – der gleichsam selbst zum Werk wird – bis hin zur Eröffnungszeremonie erstreckt. Anstatt daher einen einzelnen Aspekt seines Werkes herauszuarbeiten – wie dies in derVergangenheit nur allzu häufig der Fall war – setzt sich die Ausstellung zum Ziel, mit mehr als 200 Exponaten Warhols modularen und installativen Arbeitsprozess in den Mittelpunkt zu rücken.

Andy Warhol, Michelle Loud: Mick Jagger, ca.1978,1986. © The Andy Warhol Museum, Pittsburgh; © Founding Collection, Contribution The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.1998.1.2680/Licensed by Bildrecht Wien, 2020

Andy Warhol: Blow Job, 1964. 41 minutes at 16 frames per second. © 2019 The Andy Warhol Museum, Pittsburgh, PA, a museum of Carnegie Institute. All rights reserved. Film still courtesy The Andy Warhol Museum

Andy Warhol: Mario Banana #1, 1964. © 2019 The Andy Warhol Museum, Pittsburgh, PA, a museum of Carnegie Institute. All rights reserved. Film still courtesy The Andy Warhol Museum

Andy Warhol, Michelle Loud: Unidentified Female, ca.1982,1986 (Detail) © The Andy Warhol Museum, Pittsburgh; Founding Collection, Contribution The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.1998.1.2687/Licensed by Bildrecht Wien, 2020

Dass Warhol bereits zu Lebzeiten die Präsentation seines Frühwerks – also jener Werke, die vor 1962 entstanden sind – untersagte und deren Wahrnehmung in bewusster Manier steuerte, ist nur Wenigen bekannt. Beginnend mit der „Campbell’s Soup Can“-Schau in der Ferus Gallery 1962 konzentrierten sich die Folgeausstellungen der frühen 1960er-Jahre auf die Präsentation einzelner serieller Themen: „Campbell’s Soup Cans“, „Brillo Boxes“, „Flowers“, „Disasters“ und „Celebrity Portraits“. Andy Warhol kreierte ein für die Öffentlichkeit bestimmtes Image, das bis zum heutigenTag erfolgreich seine Rezeption prägt. Ein Image, das dringend einer kritischen, zeitgenössischen Perspektive bedarf.

„Andy Warhol Exhibits“ wirft einen Blick hinter das erwähnte öffentliche Image des Künstlers und rückt stattdessen bisher kaum beleuchtete Aspekte von Warhols Universum in den Fokus. So werden zwei Seiten seiner „Doppelpersona“– zum einen eine vielzitierte inszenierte, zum anderen eine von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene, versteckte Persönlichkeit – auf zwei Ebenen des mumok einander gegenübergestellt. Die Eingangsebene beschäftigt sich mit Warhols kuratorischen Intentionen und vorherrschenden Motiven/Abstraktionen der 1950er-Jahre.

Andy Warhol: Cow Wallpaper [Pink on Yellow],1966, Reprint1994.© The Andy Warhol Museum, Pittsburgh IA1994.7/Licensed by Bildrecht Wien, 2020

Andy Warhol: In the Bottom of My Garden, ca. 1956 Künstlerbuch. 2013 Udo und Anette Brandhorst Stiftung. Foto: Haydar Koyupinar Courtesy Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Museum Brandhorst München © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./Licensed by Bildrecht, Wien, 2020

Andy Warhol: Police Car, 1983. © The Andy Warhol Museum, Pittsburgh; Founding Collection, Contribution The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc., Bildrecht Wien1998.1.285/Licensed by Bildrecht Wien, 2020

Andy Warhol: Fish, 1983. © The Andy Warhol Museum, Pittsburgh; Founding Collection, Contribution The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.1998.1.280/Licensed by Bildrecht Wien, 2020

Gezeigt werden „Blotted Line“-Drucke und Zeichnungen, die den männlichen Körper, Drag sowie homoerotische Symbole und Gesten thematisieren – ein Themenkomplex, der den Künstler bis an sein Lebensende beschäftigen sollte. Die Spannweite reicht von Werken aus Warhols erster Ausstellung „Fifteen Drawings Based on the Writings of Truman Capote“ aus dem Jahr 1952 über bisher noch nie gezeigte marmorierte Papierskulpturen von 1954 bis hin zu kaum gezeigten Drag-Zeichnungen und Buchprojekten wie „In the Bottom of My Garden“ aus dem Jahr 1958.

Die ausgewählten Arbeiten verdeutlichen Warhols frühe Beschäftigung mit ikonografisch klar definierten Serien – insbesondere sein Interesse an Varianten der Geschlechterperformance – sowie die Entwicklung einer spezifischen Motivsprache, die in unterschiedlichsten Kontexten immer wieder aufs Neue erscheint. So lässt sich Andy Warhols Frühwerk nicht mehr als rein „kommerziell“abstempeln. Die zweite Ebene stellt Warhols Ausstellungsmodi der 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre mit Schwerpunkt auf die Präsentation einzelner Werkserien in den Mittelpunkt. Thematisiert wird die enge Verwobenheit von Werk und Präsentationsmodus.

Defrosting The Icebox

Die Ausstellung „Raid The Icebox 1 with Andy Warhol“ stellt eines der frühesten Beispiele für eine von einem Künstler kuratierte Sammlungsausstellung dar. Warhol arbeitete dafür mit den Beständen des Museum of Art der Rhode Island School of Design und konzipierte eine Wanderausstellung, die am 29. Oktober 1969 am Institute for the Arts an der Rice University in Houston eröffnete, am 17. Jänner 1970 am Isaac Delgado Museum in New Orleans ihre Fortsetzung fand und schließlich am 23. April 1970 wieder an ihrem Ursprungsort,im Museum of Art der Rhode Island School of Design in Providence ankam.

Die von Warhol kuratierte Ausstellung zeigte keine eigenen Werke des Künstlers, entwickelte aber wegweisende Präsentationsstrategien, die mit traditionellen Museumsstandards brachen: Anstatt die bildenden Künste zu priorisieren, stellte Warhol die angewandten Künste aus. Anstatt ein Klassifizierungssystem nach Chronologie, Medium oder Stil anzuwenden, präsentierte er die Objekte in ahistorischer und unhierarchischer Form. Das Depot wurde zur Ausstellung, fast schonVergessenes rückte in den Mittelpunkt. Warhols kuratorischen Prinzipien folgend, nimmt das mumok diese Ausstellung zum Anlass, um jene ungewöhnlichen Präsentationsstrategien an eine so bedeutende historische Sammlung wie jener des Kunsthistorischen Museums Wien anzuwenden.

Installation view of Raid the Icebox in NOMA’s Great Hall, 1969-1970, Image courtesy of the New Orleans Museum of Art. Photography by Stuart Lynn

Raid the Icebox 1 with Andy Warhol, April 23 –June 30, 1970, Museum of Art, RodeIsland School of Design, Providence, RI

Raid the Icebox 1 with Andy Warhol, April 23 –June 30, 1970, Museum of Art, RodeIsland School of Design, Providence, RI

Ein Ausstellungsformat, das nicht nur an vergangene Sammlungspräsentationen des mumok anschließt (zum Beispiel „Oh… Jakob Lena Knebl und die mumok Sammlung“, 2017, oder „Always, Always, Others“,2016), sondern ebenso einen Kerngedanken des Sammlerpaars Ludwig aufgreift, das, anstatt Werke statisch zu präsentieren, den ständigen Wechsel der Sammlungsbestände bevorzugte und somit einen eindeutigen Bruch mit der Tradition vollzog.

Ganz nach Warhols Motto „den Kühlschrank plündern“ werden die Exponate aus den Depots der Antikensammlung und des Weltmuseum Wien eine gesamte Ebene des mumok einnehmen. In Anlehnung an Warhols untypische Werkliste – er stellte unter anderem zwei Vasen, sieben Decken, neun Körbe, zehnHutboxen, elf Schüsseln, zwölf Skulpturen, zwölf Tapeten, 17 Stühle, 57 Regenschirme und 194 Paar Schuhe aus – liegt der Fokus auf ausgewählten Werken der Sammlung des Weltmuseums – Warhol war ein fanatischer „American Folk Art“-Sammler – sowie auf griechischen und römischen Skulpturenfragmenten der Antikensammlung.

www.mumok.at

18. 9. 2020

Das mumok öffnet am 17. Juni mit Strobl, Kiesler und Co.

Juni 5, 2020 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Neue Pop-Art-Schau „Misfitting Together“ ab 1. Juli

Andy Warhol: Orange Car Crash,1963. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Sammlung Ludwig, Aachen seit 1978. © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, New York/Licensed by Bildrecht, Wien 2020

Das mumok öffnet am 17 Juni und ist dann jeweils von Mittwoch bis Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr zu besuchen. Die Laufzeiten der Ausstellungen „Gelebt“ von Ingeborg Strobl (mehr: www.mottingers-meinung.at/?p=38696) und „Steve Reinke. Butter“, die nur wenige Tage vor der Museumsschließung eröffnet wurden, werden bis in den Herbst/Winter hinein verlängert. Ebenso verlängert werden „Im Raum die Zeit lesen. Moderne im mumok 1910 bis 1955“ (mehr: www.mottingers-meinung.at/?p=36056) und die Schau „Friedrich Kiesler. Endless House“.

Die für 30. April geplante Eröffnung der Ausstellungstrilogie zu Andy Warhol hat das mumok auf Ende September verschoben und entkoppelt. Ein Projekt aus der Warhol-Trias, die Ausstellung „Misfitting Together. Serielle Formationen der Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art“ mit zentralen Werken aus der hauseigenen Sammlung wie dem „Mouse Museum“ und dem „Ray Gun Wing“ von Claes Oldenburg, sowie mit Arbeiten von Lutz Bacher, Hanne Darboven, Robert Indiana, Jasper Johns und Roy Lichtenstein wird ab 1. Juli zu sehen sein.

Otto Mueller: Mädchen im Wald, 1920. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben 1963. © mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien

Friedrich Kiesler: Modell des Endless House, 1950. Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2017. Bild: mumok © Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien

Ingeborg Strobl: Pig, 1996. Cover einer Publikation anlässlich der Ausstellung Moving In, Randolph Street Gallery, Chicago/Illinois, USA, 1996. © 1996 Ingeborg Strobl / Bildrecht Wien 2019. Bild: © mumok

Misfitting Together. Serielle Formationen der Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art

„I was reflecting that most people thought the Factory was a place where everybody had the same attitudes about everything; the truth was, we were all odds-and-ends misfits, somehow misfitting together.” Diese titelgebenden Worte von Andy Warhol bilden den Ausgangspunkt für die erste Ausstellung des als Trilogie konzipierten Warhol-Schwerpunktes im mumok. Die beiden anderen Teile – „Andy Warhol Exhibits. A glittering alternative“ und „Defrosting The Icebox. Die verborgenen Sammlungen der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museum Wien und des Weltmuseum Wien zu Gast im mumok“- eröffnen am 25. September.

Andy Warholstellte zuletzt 1981 – also noch zu Lebzeiten – im mumok aus. Knapp 40 Jahre später scheint es mehr als überfällig, sein Schaffen in einem umfassenderen kunsthistorischen Kontext zu präsentieren. Die Sammlungspräsentation mit dem Titel „Misfitting Together. Serielle Formationen der Pop Art, Minimal Art und ConceptualArt“ stellt sich daher ab 1. Juli der Aufgabe, Warhol nicht nur im Rahmen der Pop Art zu verorten, sondern ein differenzierteres Bild der Zeit zu zeichnen, indem Arbeiten der Minimal und Conceptual Art – allesamt Sammlungsschwerpunkte von Peter und Irene Ludwig – hinzugezogen werden. Ziel ist es, zu zeigen, wie sehr diese Bewegungen einander beeinflusst haben und wie ungern sich diese Strömungen in kunsthistorische Schubladen zwängen lassen. Warhols Werk wird so in seinem zeitgeschichtlichen Kontext erfahrbar.

Bezugnehmend auf Mel Bochners Artikel „The Serial Attitude“, der 1967 in Artforum erschien, setzt sich die Ausstellung mit der seriellen Ordnung als Bindeglied der drei Kunstströmungen Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art auseinander. Wie Bochner damals bereits konstatierte, handelt es sich bei der seriellen Ordnung um eine Methode und keinen Stil. Serialität soll nicht als formalisierte Spielerei, sondern als künstlerische Strategie verstanden werden, der klar definierte Prozesse zugrunde liegen, die häufig aus dem Umfeld der Mathematik und der Sprache stammen. Dies soll auch die Werkauswahl innerhalb der Schau „Misfitting Together“ verdeutlichen: So werden neben Arbeiten bekannter US-amerikanischer Positionen Werke von Vertreterinnen und Vertretern der mittel-und osteuropäischen Szene gezeigt.

Claes Oldenburg: Geometric Mouse-Scale C,1971. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben 1976. © Claes Oldenburg

Larry Poons: Nixe’s Mate, 1961. Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1996. Bild: mumok – Museum moderner Kunst Stifung Ludwig Wien. © Bildrecht, Wien 2020

Andy Warhol: Flowers,1970. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1980. © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, New York/Licensed by Bildrecht, Wien 2020

Roy Lichtenstein: Modular Painting with Four Panels #2,1969. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1981. © Estate of Roy Lichtentstein/Bildrecht, Wien 2020

Dass der Begriff der Serie in Warhols Werk eine zentrale Rolle spielt, ist kein Geheimnis. Im Rahmen der Ausstellung soll dieser Begriff im prozessualen Sinne verstanden werden – und damit eben nicht als stumpfe Wiederholung des immer gleichen Sujets, sondern im Sinne einer Faszination für die Vielfalt und Differenz innerhalb einer Serie. Statt eines endgültigen Ergebnisses stand der sich stetig verändernde Prozess im Mittelpunkt von Warhols Serienbegriff. Ein ähnliches Verfahren lässt sich bei Zeitgenossen wie Hanne Darboven, On Kawara oder Charlotte Posenenske beobachten. Eine aktuelle Ergänzung bietet die Arbeit „Firearms“ der erst kürzlich verstorbenen Künstlerin Lutz Bacher, die 2019 durch einen Ankauf der Österreichischen Ludwig-Stiftung Teil der mumok-Sammlung wurde. In ihrem seriellen Werk zeichnet Bacher das Porträt der Waffe als Ware des internationalen Handels sowie als historisches, heiß begehrtes Sammlerobjekt.

Das „Mouse Museum“ und der „Ray Gun Wing“ von Claes Oldenburg zählen zu den Hauptwerken der Pop Art und stellen als begehbare Installationen Museen im Miniaturformat dar. Gezeigt werden außerdem Arbeiten von Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Daniel Spoerri, Dóra Maurer, Friederike Pezold, Larry Poons und Robert Indiana. Ein ähnliches Interesse an der Schnittstelle zwischen Werk und Ausstellung wird sich in den zwei anderen Warhol-Ausstellungen zeigen, die im Herbst eröffnen und sich weiteren Facetten des Phänomens Andy Warhol widmen werden: Warhol als Ausstellungskünstler, Installationskünstler und Kurator.

www.mumok.at

LESETIPP: Madame Nielsen: Das Monster. Die Passionsgeschichte eines Performance-Messias zwischen Andy-Warhol-Werken und der New Yorker Wooster Group, Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=39215

5. 6. 2020

mumok: Gelebt – Ingeborg Strobl

März 9, 2020 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Der Clash von Natur und Kultur

Ingeborg Strobl: Keramikobjekte, 1973 –1974 (Detail). mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, Schenkung Ingeborg Strobl, 2017. © Bildrecht Wien 2019. Bild: © mumok

Unter der Hülle seiner Zivilisiertheit ist der Mensch immer noch ein Tier. Diese Einsicht hat Ingeborg Strobl nie verlassen. In ihren Collagen, Fotografien, Grafiken, ihrer Kunst am Bau umkreiste die steirische Künstlerin das Verhältnis zwischen der Natur einerseits und dem Menschen und seinen Dingen andererseits, diesen „Clash der Kulturen“, wie sie einmal sagte. In ihren Arbeiten nehmen Natur- und Tiermotive als Spiegelbilder des Gesellschaftlichen eine zentrale Rolle ein.

Auch zeigt sich in ihrem Werk eine Vorliebe für das Randständige, Verborgene, das allzu leicht Übersehene oder Verdrängte sowie eine damit verknüpfte Abneigung gegen Produktions- und Konsumwahn, ihre Beachtung und Wertschätzung des Peripheren und Flüchtigen spiegelt sich ebenso wider. Strobl hat dem mumok ihr Archiv mit zahlreichen Werken und Drucksorten als Schenkung überlassen. Diese Archivalien bilden den Kern der Ausstellung „Gelebt – Ingeborg Strobl“, die ab 6. März zu sehen ist, eine Retrospektive, die noch gemeinsam mit der Künstlerin – vor deren Tod im April 2017 – konzipiert wurde und einen repräsentativen Einblick in ihr umfangreiches Werk gibt.

Am Beginn ihres Oeuvres stehen Buntstiftzeichnungen und darauf basierende Keramiken mit zahlreichen Tiermotiven. Die fragmenthafte und geometrisierende Darstellung des Organischen verweist dabei auf den verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Reglementierung gesellschaftlicher Freiräume. Damit lieferte Strobl einen eigenständigen kritischen Beitrag zur Technologie- und Fortschrittsgläubigkeit der 1970er-Jahre, und schuf die Grundlage für die in ihrem weiteren Werk immer wieder auftauchenden Bildpoesien, die für ihre Malereien mit collagierten Bild- und Texteinschüben kennzeichnend sind. Diese sind zum Teil wie tagebuchartige „Notizen“ entstanden und angelegt. Persönliches und Privates verbindet sich darin mit Zeitgeschichtlichem.

Ingeborg Strobl: Pig, 1996. Cover einer Publikation anlässlich der Ausstellung Moving In, Randolph Street Gallery, Chicago/Illinois, USA, 1996. © 1996 Ingeborg Strobl / Bildrecht Wien 2019. Bild: © mumok

Ingeborg Strobl: ungewöhnliches Geschöpf ohne Aggressionstrieb, 2000. Zeitschriftenausschnitt. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, Schenkung Ingeborg Strobl, 2017. © Bildrecht Wien 2020. Bild: mumok

Ingeborg Strobl: Eat / Horse, 1996. Coverrückseite einer Publikation anlässlich der Ausstellung Moving In, Randolph Street Gallery, Chicago/Illinois, USA, 1996. Bild: Alfred Damm. © 1996 Ingeborg Strobl / Bildrecht Wien 2019. Bild: © mumok

Auf ihren Reisen in die Länder des ehemaligen Ostblocks, Asiens und Afrikas hat Strobl ihren Blick auf die Natur mit einer Fokussierung auf soziokulturelle und gesellschaftspolitische Übergangsszenarien verknüpft. Sie hat insbesondere solche Orte aufgesucht, an denen der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen hat. Wenn sich in ihren Fotos und Videos beispielsweise die überwuchernde Natur Zivilisatorisches zurückholt und es zerstört, so bilden sich gerade darin auch geschichtliche Turbulenzen wie etwa der rasante gesellschaftliche Wandel im postkommunistischen Europa ab. Ihre immer wieder sichtbar werdende Hinwendung an Verfall, Tod und Vergänglichkeit – etwa in zahlreichen Friedhofsfotos – ist, fernab jeder Weltflucht, als feinsinnige Auseinandersetzung mit den Lebenden sowie als Interesse am Gegenwärtigen und Kommenden zu werten.

Ingeborg Strobl: Friedhof Warschau, 2013. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, Schenkung Ingeborg Strobl, 2017. © Bildrecht Wien 2020. Bild: Ingeborg Strobl

Auch in der Produktion und Vermittlung ihrer filmischen Arbeiten umgeht die Künstlerin die Konventionen des Aufwendigen und Exklusiven. Die meisten ihrer Videos sind auf YouTube unter dem Nutzernamen Inga Troger, einem Pseudonym, das die indische Version ihres Vornamens mit dem Mädchennamen ihrer Mutter verknüpft – für jedermann zugänglich. All dies fügt sich zu einem Puzzle, in dem das mit subtiler Poesie und kritischem Esprit erfasste Flüchtige, Fragile und scheinbar Beiläufige als das eigentlich Konstante und Prägnante in ihrem Werk sichtbar wird.

www.mumok.at

4. 3. 2020