Günther Lainer: Lebensweisheiten, die keiner braucht
April 5, 2022 in Buch
VON MICHAELA MOTTINGER
Von Gott, der Welt zu Gscheidwaschln und Owoschfetzn
„Machen Sie bei Günther Lainer kein Binge-Reading!“, legt dessen Freund Norbert Peter (er darf sich Freund nennen, „denn ich habe schon von seinem Teller gegessen und das dürfen nur die Allerwenigsten“) der geneigten Leserschaft ans Herz. Und recht hat er. Freilich ist es verlockend, die mal in oberösterreichischer Mundart, mal in Linzer Hochdeutsch, verfassten Aphorismen samt und sonders zu verschlingen. Es wär’ um sie nur so schade, als ob sich ein Erdäpfelschädel ein Haubenmenü reinzöge.
Besser ist es, trotz Lainers Warnung „wer soi denn / den schaß lesn?“, sich jede Zeile genussvoll auf der Zunge zergehen zu lassen, und dass hier so viele anzügliche Bezüge zum Essen hergestellt werden, ist ausnahmslos die Schuld des Autors, der höchstselbst mit seines Leibes Fülle Spott treibt: „Stell deine Körperwaage in die Ecke und lass sie dort, bis sie sich entschuldigt hat“. Was ihn dazu bringt, mit den obligaten Danksagungen neben Frau, Kindern, FreundInnen und Verlegerin, auch seinen Schreibtischsessel zu bedenken: „Er hat mich ausgehalten und dadurch ebenfalls sehr unterstützt.“
Wer Günther Lainer aus TV-Formaten oder von der Bühne kennt, weiß, es ist leicht, dem Lainer auf den Leim zu gehen. Sein – na, sagen wir – spezieller Humor schwankt zwischen perfide und morbide, zwischen sehr g’scheit oder g’scheit bled, zwischen Selbstironie und Selbstzynismus, letzterer auch als spitze Zunge/Feder gegen andere im Einsatz („Zynismus ist eine besondere Form der Liebe.“) – und oft braucht’s eine Schrecksekunde, bis der Scherz einen funktionstüchtigen Nucleus accumbens gefunden hat.
Zitieren möchte man ohne Ende. Auf „es wäre so schön / dich zu küssen / deinen mund / ganz sanft / zu berühren / es wäre so schön / deine lippen / mit feinem balsam / zu umranden / dein mund / auf meinem mund / doch es scheitert / an einer kleinen / fieberblase“ reimt Günther Lainer „gestan / hot ma a mau dazöht / dass er sei frau / valossn wird / hob i eam gsogt / daunn nimm’s i / des hot’n / richtig gwuamt / oba / es hot gwiakt / sie san / wieda zaumm“.
Lainers Lebensweisheiten treiben einige Baudelaire’isch böse Blüten. Sie reichen von Gott und der Welt zu Gscheidwaschln und Owoschfetzn, mit einem Wort von der Wiege bis zur Bahre, von der menschlichen Existenz zu – mit einem Wort – Essen. Persönliches Lieblingspoem ist: „heit moch i / sömmiknedl mit schwammalsoß / do wird si / mei tochta gfrein / sie is nämlich wegetarierin / und hot mi / heit voamittog augruafn / und hot great / wei’s / auf da matheschularbeit / an fünfa hot / daunn hob i gsogt / mocht jo nix / heit gibt’s / sömmiknedl mit schwammalsoß / daunn hots / a bissal glocht / oba a nu / a bissl great“.

Bild: © Volker Weihbold
Gefolgt von den Lieblingsweisheiten: „Ein Hendl ist viel aufwändiger zu essen als ein Cordon bleu“ sowie „Vertraue keinem Menschen, der dir einreden will, dass Cordon bleu ohne Zahnstocher leicht zu panieren sind!“ Für alle Familienväter, die sich mit mehr oder minder großen Krisen herumplagen – an schenan familiensonntag: „mei frau / is augfressn / wei i ned / spaziern geh wü / mei bua is augfressen / wei sei maunnschoft / valoan hod / mei dirndl / is augfressn / wei’s moagn ned / in d’schui geh wü / und i / bin augfressn / wei olle / augfressn san.“ Kaufen Sie sich dieses Buch, bevor der Lainer Günther wirkli denkt, dass es neamd braucht. Es kostet netta 22 Euro. Oder wie der Autor sagt: „Ich bin alt und brauche das Geld!“
Über den Autor: Günther Lainer wurde am 1. Mai 1969 geboren. Der gelernte Tischler und Pastoralassistent aus Linz ist als Gast der ORF-Show „Was gibt es Neues?“ und der Puls 4-Show „Bist du deppert!“ bekannt. Dabei steht er seit 1993 als Kleinkünstler und Schauspieler auf der Bühne. Er hat als Literat der Gruppe „Anonyme Freunde“ begonnen, ist danach als Comedy-Jongleur Gausl und CliniClown aufgetreten, und blickt heute auf mehrere Literatur- und Kabarettpreise, publizierte Bücher, TV- und Kinoauftritte und 16 Kabarettprogramme zurück. Zuletzt sorgte er als „Graf Paris“ in Michael Niavaranis „Romeo & Julia – Ohne Tod kein Happy End“ im Globe Wien für Lacher. In seinem Buch „Lebensweisheiten, die keiner braucht“, am 1. April 2022 bei Schultz & Schirm erschienen, versammelt er alte und neue Lieblingstexte aus seinem abwechslungsreichen Leben: Mundartgedichte, Gebete und Gedanken.
Schultz & Schirm Bühnenverlag, Günther Lainer: „Lebensweisheiten, die keiner braucht“, Mundartgedichte und Gedanken, 184 Seiten.
www.schultzundschirm.com www.guentherlainer.at
- 4. 2022