Der Medicus: Der Film zum Bestseller
Dezember 23, 2013 in Film
VON SONJA CHRISTINE VOCKE
Lieben und Leiden in Leinwandgröße
Wer das Buch von Noah Gordon gelesen hat, hat sich sicher lange Zeit gefragt, ob diese Geschichte nicht Stoff für einen guten Film bieten würde. Endlich ist es soweit. Der deutsche Regisseur Philipp Stölzl („Nordwand“, „Goethe“) hat sich dieses Weltbestsellers angenommen, für den bereits seit Erscheinen zahlreiche Drehbücher existieren. In seiner Heimat, den USA, fehlte es Noah Gordon an der Anerkennung, die er aus Europa für dieses Buch bekam, so hielt sich Hollywood bei der Verfilmung zurück. Woran erinnern sich die Menschen, die das Buch gelesen haben? Können Sie die Geschichte bis ins kleinste Detail wiedergeben? Oder sind es nicht eher die Emotionen, die Eindrücke einer so fernen Vergangenheit in zwei so unterschiedlichen Welten? Das hat sich Philipp Stölzl zu nutze gemacht. Der Film ist eine Verdichtung der Ereignisse, die im Buch geschildert werden, sonst hätte man ein Epos, das auf 900 Seiten erzählt wird, kaum verfilmen können.
England zu Beginn des 11. Jahrhunderts. Robert Cole, kurz Rob, ein kleiner Junge schuftet in einem Kohlebergwerk für einen halben Laib Brot als Lohn, den er mit seinen zwei Geschwistern und seiner Mutter teilt. In der Nacht wird Robs Mutter von Bauchschmerzen geplagt. Als Rob seine Muter berührt bleibt für einen Wimpernschlag die Zeit stehen. Zu jung noch, versteht der Junge nicht was in diesem Moment geschieht, aber er wird noch einige dieser Momente erleben. Rob holt den Bader (dargestellt vom schwedischen Schauspieler Stellan Skarsgard), aber auch dieser kann der Mutter auch nicht mehr helfen, sie stirbt. Das Schicksal trennt die Geschwister und Rob schleicht sich heimlich in des Baders Pferdewagen. Von nun an reisen die beiden gemeinsam und „heilen“ Zahnschmerzen, ausgerenkte Schultern, sowie die gerochenen Nasen von betrunkenen Wirtshaus Rüpeln. Als Rob dem Bader hilft einem Patienten einen schmerzenden Zahn zu ziehen, ist er wieder da, der Moment in dem für Rob die Zeit zum Stillstand kommt und nun weiß er was das bedeutet: Er hat die Gabe, den nahenden Tod zu spüren. Tatsächlich stirbt der Zahnpatient in der Nacht … Die beiden ziehen immer weiter durch England, von Ort zu Ort und immer mehr beginnt sich Rob dafür zu interessieren, wie der Mensch im inneren aussehen mag. Warum manche Krankheiten nicht heilbar sind. Tote aufzuschneiden ist jedoch gegen das Gesetz und die Kirche so warnt ihn der Bader, dessen Augenlicht immer schwächer wird. Fast erblindet erfährt Rob, dass die jüdischen Ärzte in London dies heilen könnten. Er bringt den Bader hin und hört von den jüdischen Ärzten, dass im fernen Isfahan ein Mann lebt der die Heilkunst lehrt, sein Name ist Ibn Sina (Ben Kingsley). Getrieben von der Neugier und dem Wunsch die Kunst des Heilens zu lernen reist er nach Isfahan. Die Reise ist lang und schwierig. Mit einer Händlerkarawane zieht Rob, der sich fortan als Jude Jesse ausgibt, da Christen keinen Zugang zur Stadt Isfahan hätten durch die Wüste. Er verliebt sich in die mitreisende Rebekka, deren Ziel ebenfalls die Stadt in der Wüste ist. Ein aufkommender Sandsturm trennt die Reisegefährten und Rob schafft es mit letzter Kraft nach Isfahan. In den folgenden Jahren lernt er alles was Ibn Sina ihm und seinen Kommilitonen beibringen kann. Eine Pestepidemie stellt das Können und Wissen aller auf die Probe. Rebekka, die unter den Patienten ist, überlebt. In den Wirren der seldschukischen Übernahme Isfahans flüchtet Rob mit Rebekka, Ibn Sina bleibt … Was soll nun werden, nachdem Isfahan gestürmt und geplündert, Ibn Sina tot, hinter ihnen liegt: „Be a great physician.“
Es ist ein mittelalterliches Epos, in dem nichts ausgelassen wird, Liebe, Schlachten, Intrigen und Freundschaft. Die drei großen Weltreligionen stehen sich gegenüber, was den Film sehr aktuell macht. Wie können, diese drei Glaubensrichtungen nebeneinander existieren, in Frieden und sich vielleicht gegenseitig befruchten. Sowohl vom Christentum, vom Judentum als auch vom, zum Zeitpunkt der Erzählung noch sehr jungen muslimischen Glauben werden die besten als auch dunkelsten Seiten präsentiert. Es ist auch eine Kritik zu spüren, dass der Glaube die Wissenschaft hindert und damit Menschenleben opfert. Es ist aber auch eine Geschichte voller Hoffnung. Der junge Waisenknabe, der keine Mittel aber einen starken Willen hat, schafft es, sich seinen Traum zu erfüllen. Wer an sich glaubt, schafft alles. Eine besondere Figur ist Schah Ala ad-Daula, dargestellt vom charismatischen Olivier Martinez. Nicht wirklich böse und auch nicht nur gut. Er gibt dem von Liebeskummer geplagten Rob einen Einblick in seine Seele und wird so zum Sympatieträger plötzlich fühlt man sich ihm nahe. Wie schon andere Regisseure vor ihm („Der Name der Rose“, „Die Päpstin“, „Das Geisterhaus“ oder „Das Parfum“), bedient sich Philipp Stölzl einem sicheren Rezept bei dieser Literaturverfilmung, er setzt auf hochkarätige Schauspieler, sowie außerordentliche junge Talente. Damit kann sich diese deutsche Produktion lückenlos in die erfolgreiche Reihe literarischer Verfilmungen einordnen, die zu sehen sehr lohnend sind. Wo nicht das Buch „typischerweise“ besser als der Film ist, sondern wo sich Buch und Film in harmonischer Weise ergänzen.
Filmstart ist der 25. Dezember 2013.
Besetzungsliste:
Tom Payne – Rob Cole
Sir Ben Kingsley – Ibn Sina (Avicenna)
Stellan Skarsgard – Bader
Olivier Martinez – Schah Ala ad-Daula
Emma Rigby – Rebecca
Elyas M’Barek – Karim
Fahri Ogün Yardim – Davout Houssein
Makram Khoury – Imam
http://movies.uip.de/medicus/at/index.htm
Wien, 23. 12. 2013