Karikaturmuseum Krems: Donald Made In Austria!

Juli 10, 2022 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Die Disney-Welt von Charakterdesigner Florian Satzinger

Florian Satzinger: Donald Duck Parody, August 2017. © Florian Satzinger

Am 16. Juli eröffnet das Karikaturmuseum Krems die Ausstellung „Donald Made In Austria!“ über die Arbeiten Florian Satzingers. Als Character-Designer und Concept-Artist entwickelt Satzinger neue und überarbeitet bestehende Trickfilmfiguren für Kino und Fernsehen. So hat er etwa die berühmte Ente Donald Duck mit den Stilmitteln der Karikatur für das digitale

Zeitalter gerüstet und neu interpretiert. Mit seinem Designstil gab er Micky Maus, Bugs Bunny sowie Sylvester neue Charakterzüge. Ebenso designte er Aussehen und Charakter des quakenden Leinwandstars John Starduck. Entscheidend für ein gelungenes Design ist, dass der Charakter in seiner fantastischen Form glaubwürdig und nachvollziehbar bleibt. Dafür entwirft Satzinger sogenannte Baupläne für Figuren, um sie auf wenige Grundformen herunterzubrechen und eine Vielzahl von Posen und Gesichtsausdrücken auszuarbeiten.

Der gebürtige Grazer arbeitete bereits für eine Reihe von Filmstudios und Medienhäusern wie Warner Bros. und Disney. Die Schau des Karikaturmuseum Krems gibt einen umfassenden Einblick in die Arbeitsweise des international renommierten Künstlers. Von der Erstskizze bis zur kolorierten Figur beleuchtet sie außerdem die fantastische Welt des Character-Designs.

Florian Satzinger: Silly, Februar 2021. © Florian Satzinger

Florian Satzinger: Zeichenprozess von „Boat Hat“, 2021. © Florian Satzinger

Florian Satzinger: Mesolithic Mouse, März 2021. © Florian Satzinger

„Donald Made In Austria!“ zeigt die bekannten Donald Duck-Anfertigungen, den dunkelgefiederten Alvertos Duck und weitere Artverwandte, die etwa an Komiker John Cleese und Künstler Maurizio Cattelan erinnern. Altmeisterlich wirken die Werke aus „Duckland“. Im zotteligen Fell präsentiert sich Satzingers designte Micky Maus. Begleitet wird die Schau von einem Exkurs der Diversitätsexpertin Maryam Laura Moazedi über aktuelle Fragestellungen zur Vermeidung von Stereotypen im Character-Design. Nach Krems wird die Schau weltweit an weiteren Ausstellungsorten gezeigt.

Zu sehen bis 19. Februar 2023.

Meet & Greet mit Livezeichnen. © Florian Satzinger

Meet & Greet mit Livezeichnen. © Florian Satzinger

Meet & Greet mit Livezeichnen

Am Eröffnungstag 16. Juli haben Besucherinnen und Besucher von 14 bis 16 Uhr die Möglichkeit, Florian Satzinger persönlich kennenzulernen. Dabei gewährt der Künstler einen Blick auf seine Arbeitsweise, wenn er live und direkt in der neuen Ausstellung zeichnet. Kostenlos mit gültigem Eintrittsticket.

Workshop im August – Kunst trifft … PENG: I can draw birds

Cartoonist Günter Mayer alias PENG. Bild: © Johann Wimmer (Detail)

Jede und jeder kann zeichnen! Das beweist Illustrator und Cartoonist Günter Mayer alias PENG in diesem Workshop für Erwachsene. Anknüpfend an die Ausstellung „Donald Made In Austria!“ lautet das Motto für PENG am 13. August: „I can draw birds“. Der Künstler macht beim Workshop mit Techniken vertraut, wie man Vögel, anderes Federvieh und Fantasiewesen einfach aufs Papier bringen können.

Günter Mayer wurde in Wels geboren und lebt heute in Pennewang. Er durfte die „Erste Österreichische Zeichenhauptschule“ gründen. In seiner Schule hat der Künstler vieles probiert, neue Methoden erfunden und alte hinterfragt. Der unter dem Pseudonym PENG arbeitende Illustrator leitet neben seinen Engagements als Cartoonist  seit dem Jahr 2000 das Medien Kultur Haus Wels und verfasst seit 2015 Bestseller.

Termin: 13. August, 17 bis 20 Uhr. Treffpunkt: Karikaturmuseum Krems. Kosten: 10 € pro Person inkl. Führung. Anmeldung erforderlich via lets-meet.org/reg/fc552d096687e195b8. Last-Minute-Tickets an der Museumskassa erhältlich, sofern verfügbar.

www.karikaturmuseum.at

10. 7. 2022

Karikaturmuseum Krems: 100 Jahre Paul Flora. Von bitterbös bis augenzwinkernd

Februar 19, 2022 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Poetisch-ironische Erzählungen vom „Rabenvater“

Ein beliebtes Motiv, die schwarzen Vögel: Paul Flora, Das Gespräch der Raben, 2009 © Galerie Seywald, Nachlassvertretung für Paul Flora

Anlässlich des 100. Geburtstags von Paul Flora widmen das Karikaturmuseum Krems und die Paul Flora Nachlassvertretung dem Zeichner, Karikaturisten und Illustrator ab 20. Februar eine umfassende Retrospektive. Mit Tusche und Feder erschuf Paul Flora in seinen Zeichnungen ein eigenes Universum, bevölkert von Geistern und Harlekins, Poeten und Sphinxen, Geheimagenten, Marionetten, verwurzelten Tirolern und venezianischen Pestdoktoren. Der gebürtige Südtiroler konstruierte

wundersame Landschaften mit eigenwilligen Architekturen, Kugeln, Penthäusern, Lokomotiven und Fluggeräten. Floras Zeichnungen sind Erzählungen voller Poesie und Ironie, wobei Vergangenheit und Gegenwart in ein spezifisches Verhältnis zueinander treten. Immer wieder brachte er die Lagunenstadt Venedig aufs Papier. Bekannt sind auch seine Raben-Darstellungen. Am Papier versinnbildlichen die Vögel mit ihren spitzen Schnäbeln menschliches Verhalten. Ein Rundgang durch die Ausstellung führt von Schülerzeichnungen und satirischen Geschichten aus den frühen Schaffensjahren bis zu seinen bekannten und beliebten Motiven. Eine Auswahl von gesellschaftspolitischen Zeichnungen für DIE ZEIT und Fotos seiner „Karikaturen-Verbrennungen“ loten die besondere Beziehung von Flora zur Karikatur aus. Erich Kästner sah in Flora einen „Bilderschriftsteller“. Zweifelsohne zählt Paul Flora zu den herausragenden Zeichnerinnen und Zeichnern des 20. Jahrhunderts.

Schon in jungen Jahren war die zeichnerische Begabung von Paul Flora sichtbar. Als 13Jähriger brachte er das täglich in der Mittelschule, heute: Akademisches Gymnasium Innsbruck, Beobachtete auf Papier. Zeichnerisch schilderte er den Schulalltag mit maßregelndem Direktor, dem leidenschaftlich Klavier spielenden Gesangslehrer und dem wütend auf den Tisch schlagenden Deutschprofessor. Kontrastreich zu seinen Schülerzeichnungen wirkt die ebenso im Alter von 13 Jahren angefertigte düstere Darstellung des Andreas Hofer. Auf ockerfarbenem Hintergrund thematisiert Flora mit kräftigem, schwarzem Strich die Hinrichtung des Tiroler Freiheitskämpfers. Einzig das Haar und die vom toten Körper herabtaumelnden Schuhe sind markant in Rot gesetzt.

Paul Flora, Der Galgen (verso: Andreas Hofer), um 1935 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg

Paul Flora, Foto: Othmar Kopp © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg

Paul Flora, Der Stab wird gebrochen, 1938 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg

Als 15Jähriger sah der Tiroler erstmals Zeichnungen des Malers Alfred Kubin. Für eine gewisse Zeit beschäftigte sich Flora intensiv mit Kubin, um schließlich zu sich selbst zu finden. Ihr Hang zum Skurrilen, Literarischen und Grafischen einte die Männer. Die später entstandene Künstlerfreundschaft sollte bis zu Kubins Tod 1959 bestehen. Intellektuelle Reflexion, technische Meisterschaft und die Vorliebe für das originelle, etwas abseitige Sujet zeichnen Floras Gesamtwerk aus. Skurrile Menschendarstellungen und detaillierte Architekturen bis hin zu riesigen Kugeln durchziehen seine Arbeiten. Ein Dinosaurier mit erschreckend menschlichen Zügen vor Gebirgskulisse und ein alpiner Skipionier deuten auf die Tiroler Wurzeln hin. Populär sind Floras Raben mit ihren spitzen Schnäbeln. Er zeichnete sie oft und in unverwechselbarer Manier. Den Impuls, die Vögel abzubilden, gab ein ausgestopfter Rabe, den der Künstler geschenkt bekam und der fortan auf seinem Schreibtisch stand.

Auf ähnlich großes Interesse stießen die VenedigMotive. Anstatt die Lagunenstadt als Sehnsuchtsort zu zeigen, hüllt der Künstler sie in einen düsteren Schleier. Allgemein sind Floras Werke von einem melancholischen Grundtenor durchzogen. Begriffe wie Verzweiflung und Traurigkeit würden die subtile Stimmung seiner gezeichneten Züge allerdings fälschlicherweise vereinfachen. Schon im nächsten Moment lugen die Gespenster der Nacht um die Ecke. Es sind Vampire, Wiedergänger und Marionetten, die von ihren Fesseln befreit heraneilen, um nächtlichen Karneval zu feiern. Denn auch der feine Humor hat in Floras Werken seinen Platz. Zeitlebens stand er „augenzwinkernd und ein wenig amüsiert außerhalb“, beschrieb etwa Marion Gräfin Dönhoff den Künstler.

Paul Flora, Das Gespräch des Raben mit dem Hahn II, 1987 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich

Paul Flora, Venezianische Maskerade II, 2000 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich

Paul Flora, Die vom Nasenclub, 2002 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich

Paul Flora, Mord, 1965 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg & Diogenes Verlag AG, Zürich

1957 gewann Marion Gräfin Dönhoff, Chefredakteurin und Mitherausgeberin der ZEIT, Paul Flora als Karikaturisten für das Hamburger Blatt. Innerhalb von 14 Jahren gestaltete Flora mehr als 3.000 eigenständige Blätter für die deutsche Wochenzeitung. Etliche von ihnen übernahmen internationale Blätter wie The Times oder The Observer. Inspiration für seine Inhalte erhielt Flora bei der Morgenlektüre von Zeitungen. So thematisierte er in einer Karikatur von 1964 die XI. Olympischen Winterspiele in Innsbruck. Zu seinen politischen Lieblingszielen zählten Josef Strauß, Gamat Abdel Nasser, Ludwig Erhard und Charles de Gaulle.

Flora selbst verstand sich als Zeichner, nicht als Karikaturist. Um diese eigene Wahrnehmung breitenwirksam zu stärken, soll Flora bei einer spektakulären Aktion 1980 sogar die Verbrennung seiner Karikaturen inszeniert haben. Es ist ungeklärt, ob sich in der Kiste politische Karikaturen befanden. Tatsache ist, dass man heute lediglich den Aufbewahrungsort von 800 der ursprünglich 3.000 Karikaturen kennt. Paul Flora war eine außergewöhnliche Persönlichkeit von großer Popularität. Er war ein Querdenker und ein Unbequemer, der Stellung bezog, mitredete und mitgestaltete. Er verstarb in der Nacht auf den 15. Mai 2009.

Die Retrospektive ist bis 29. Jänner 2023 zu sehen.

www.karikaturmuseum.at

19. 2. 2022

Karikaturmuseum Krems: Christine Nöstlinger und ihre Buchstabenfabrik

November 11, 2021 in Ausstellung, Buch

VON MICHAELA MOTTINGER

Die feuerrote Friederike und ihre Nachfolgerinnen

Christine Nöstlinger: Die feuerrote Friederike, 1970. © Christine Nöstlingers Buchstabenfabrik GmbH

Lange bevor sich der Begriff des Mobbings etabliert hatte, behandelte Christine Nöstlinger die Themen Ausgrenzung und Gewalt mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl in ihrem KinderbuchKlassiker „Die feuerrote Friederike“. In ihrem Erstlingswerk, das 2020 seinen 50. Geburtstag feierte, wehrt sich das Mädchen mit den feuerroten Haaren und Sommersprossen auf den Wangen mit Zauberkräften gegen die Demütigungen ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen.

Auf Anhieb ein großer Erfolg und 1972 mit dem FriedrichBödeckerPreis ausgezeichnet, läutete die österreichische Autorin mit ihrer „Feuerroten Friederike“ eine neue Bewegung innerhalb Österreichs Kinder und Jugendliteratur ein. Bis heute ist das Buch ein Bestseller mit immer noch aktueller Thematik. In der Ausstellung „Christine Nöstlinger und ihre Buchstabenfabrik“ präsentiert das Karikaturmuseum Krems ab 14. November die originalen und teils unveröffentlichten BuchIllustrationen aus dem

Urmanuskript, die zu Beginn von Christine Nöstlinger selbst gezeichnet wurden. Das Debüt als Ausgangspunkt nehmend, sind weitere Zeichnungen der Töchter Christiana Nöstlinger und Barbara Waldschütz zu sehen. Eine aktuelle Friederike zeigen die Arbeiten von Stefanie Reich. 2015 wurde die Leipzigerin mit den Illustrationen für eine Neuausgabe von Nöstlingers Buch beauftragt.

Eigens für die Ausstellung haben sich Martina Peters, Stephanie Wunderlich und Nina Pagalies im Rahmen ihres Stipendienaufenthalts in Krems mit Nöstlingers  Oeuvre künstlerisch auseinandergesetzt. Die ausgestellten Originale von Michael Roher, dem ersten Preisträger des ChristineNöstlingerPreis, und von Sophie Schmid, Illustratorin von Nöstlingers posthum erschienenen „Der Überzählige“, ergänzen die Schau. Verschiedene künstlerische Positionen geben einen facettenreichen Einblick in das Schaffen und Fortwirken der Schriftstellerin und Zeichnerin Christine Nöstlinger.

Die Töchter

1959 bringt Christine Nöstlinger Tochter Barbara und 1961 Tochter Christiana auf die Welt. Mit 13 Jahren bebildert Christiana Nöstlinger als Autodidaktin erstmals ein Buch ihrer Mutter, „Achtung! Vranek sieht ganz harmlos aus“, erschienen 1974. „Ich war 13 Jahre alt und noch in der Schule. Die Idee war, ein Buch für Kinder mit Kinderzeichnungen zu illustrieren, obwohl ich mit 13 kein richtiges Kind mehr war. Aber ich habe als Kind immer schon gern gezeichnet, und meiner Mutter gefielen die Zeichnungen offensichtlich. Sie hat mich dazu ermutigt und auch die Idee gehabt mit den Kinderzeichnungen.“ Die Zusammenarbeit zwischen Mutter und Tochter reichte von Erzählungen bis zu Romanen, so „Liebe Susi, lieber Paul!“, „Susis geheimes Tagebuch“, „Liebe Oma, Deine Susi“, „Willi und die Angst“ und die 16bändige „Mini“Serie. Heute ist Christiana Nöstlinger als Psychologin und Expertin für Gesundheitsförderung tätig und arbeitet am Institut für Tropenmedizin in Antwerpen, Belgien.

Tochter Barbara Waldschütz hatte 1990 ihr Debüt als Illustratorin. „Meine Mutter hat eine ganze Geschichte gereimt, ‚Klicketick‘. Sie hat mir den Text gegeben und gesagt, dass ich damit machen soll, was ich will. Sie war damals schon sehr bekannt und hätte sich auch einen berühmten Illustrator wünschen können. Sie fand aber, es sei eine Verschwendung meines Talentes, dass ich immer nur für mich zeichne.“ Für ihre KinderbuchIllustrationen, darunter Bücher wie „Vom weißen Elefanten und den roten Luftballons“, „Madisou“, „PuddingPauli“ und „Ned dasi ned gean do warat“, wurde ihr die BIPPlakette und mehrmals der Illustrationspreis der Stadt Wien verliehen. Illustrieren wurde aber nie zum Hauptberuf destudierten Mediengestalterin und Kommunikationsdesignerin. „Ich bin mir nicht sicher, ob man dann noch jedes Buchprojekt wie ein Kunstwerk gestalten kann. Man kann dann nicht mehr so viel Zeit mit Nachdenken und Ausprobieren verbringen und wahrscheinlich macht es dann weniger Spaß. Das fände ich schade.“

Christine Nöstlinger: Die feuerrote Friederike, 1970. © Christine Nöstlingers Buchstabenfabrik GmbH

Christiana Nöstlinger: Mini ist verliebt, 1999. © Christine Nöstlingers Buchstabenfabrik GmbH

Barbara Waldschütz: Vom weißen Elefanten und den roten Luftballons, 1995. © Christine Nöstlingers Buchstabenfabrik GmbH

Aktuelle Begegnungen

Bereits vor Jahrzehnten publiziert, zeugen die behandelten Thematiken in Nöstlingers Büchern noch heute von Aktualität. Sei es die Andersartigkeit in „Die feuerrote Friederike“ beziehungsweise in „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“, die Problematik von Einsamkeit in „Das Austauschkind“, die Identitätssuche in „Gretchen Sackmeier“ oder die pubertäre Sinnkrise, etwa in „Ilse Janda, 14“. Im Karikaturmuseum Krems tritt das Geschriebene von Christine Nöstlinger in den Zeichnungen von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern in einen spannenden Dialog. So werden unter anderem neue Arbeiten von Martina Peters, Stephanie Wunderlich und Stefanie Reich präsentiert.

Aus Martina Peters‘ Beschäftigung mit Themen zur sexuellen Orientierung und Formen von Identitäten entstand ihr Interesse, Illustrationen im Mangastil zu Nöstlingers Buch „Bonsai“ anzufertigen. „Es ist eine Geschichte über einen Teenager, der herauszufinden versucht, welche Sexualität er eigentlich hat und zu welchem Geschlecht er sich dazugehörig fühlt. Die Erzählung ist eine spannende Reise zu der Frage, ob wir Abgrenzungen brauchen und ob nicht jeder so sein kann, wie er will, ohne von außen bewertet zu werden.“ Bebilderte Peters zu Beginn ihrer Auseinandersetzung jene Szenen, die ihr visuell am stärksten im Gedächtnis blieben, zeugen die später entstandenen Zeichnungen ihrer „Bonsai“Serie von größerer Freiheit gegenüber dem Gelesen.

Stephanie Wunderlich zeigt digital montierte Scherenschnitte: Ich habe den Gedichtband ‚Mein Gegenteil‘ von Christine Nöstlinger ausgewählt, da mir der feinsinnige Humor und die Absurdität der einzelnen Gedichte gefällt. Viele der lyrischen Texte handeln von Figuren, die renitent, aufmüpfig und gegen den Strich gebürstet sind. Beispielweise verweigern der Schutzengel und das Gespenst den Dienst in ihrer vorgegebenen Rolle. Der Sohn bringt mit seiner Sprache die Eltern zur Weißglut und setzt erst recht noch eine Provokation drauf. Auch negative Empfindungen und Zustände wie Traurigkeit, Einsamkeit, Hunger und Zweifel haben ihren Platz wie in ‚Berechtigte Forderung‘ und ‚Mein Gegenteil‘. Die Texte sind sehr realistisch und nah am Leben. Für damalige und auch heutige Verhältnisse eine ungewohnte, erfrischende Ansprache für Kinderohren.

Für ihre Diplomarbeit illustrierte Stefanie Reich 2012 „Der schwarze Mann“ von Christine Nöstlinger neu. „Als ich wenig später für eine Neuausgabe der ‚Feuerroten Friederike‘ angefragt wurde, hat mich das sehr gefreut. Von Friederike hatte ich meine ganz eigene Vorstellung und so habe ich sie entsprechend in meinem Stil interpretiert.“ Besonders eine Stelle blieb Reich in Erinnerung, nämlich „als Friederike aus dem roten Buch vorliest: ‚Es gibt ein Land, dort sind alle Menschen glücklich. Auch alle Kinder. Niemand wird dort ausgelacht. Alle helfen einander.‘ Obwohl zu einer anderen Zeit gedacht, passen die Zeilen sehr gut für die Gegenwart.“

Stefanie Reich: Die feuerrote Friederike, 2012. © Privat

Stephanie Wunderlich: Sprachproblem, 2021. © Privat

Martina Peters‘ Manga-Zeichnungen: Bonsai, 2021. © Privat

Über die Autorin: Christine Nöstlinger wurde am 13. Oktober 1936 in Wien geboren und lebte hier als freie Schriftstellerin. Ihre zahlreichen Kinder und Jugendbücher wurden weltweit publiziert und in mehr als50 Sprachen übersetzt. Nöstlingers schriftstellerische Tätigkeit begann 1968 mit der „Feuerrote Friederike“, die sie als Geschichte zu ihren Illustrationen schrieb. Mehr als 150 Bücher, unzählige Beiträge für Fernsehen und Radio – etwa der berühmte „Dschi-Dsche-i Wischer Dschunior“ – sowie Kolumnen für diverse Zeitungen folgten. Angelehnt an die Vielzahl ihrer Publikationen bezeichnete sich Nöstlinger selbst oft als „Buchstabenfabrik“.

Nöstlingers Werk wurde mehrfach verfilmt und international prämiert. Sie war die erste Trägerin des Astrid-Lindgren-Preises (2003) und erhielt den Andersen Award sowie unter anderem den Ehrenpreis CORINE für ihr Lebenswerk (2011), das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (2011), den Bruno-Kreisky-Preis für ihr publizistisches Gesamtwerk (2012), Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen den Lebenswerk-Preis (2016).

Noch bis kurz vor ihrem Tod arbeitete die Autorin an Gedichten im Wiener Dialekt, die sich unter anderem mit dem Alter und dem Tod beschäftigen. Christine Nöstlinger starb am 28. Juni 2018 im Alter von 81 Jahren. Der Gedichtband „Ned das I ned gean do warat“ erschien, illustriert von Tochter Barbara Waldschütz, im April 2019 im Residenzverlag. Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=32865

www.karikaturmuseum.at           www.christine-noestlinger.at

11. 11. 2021

Karikaturmuseum Krems: „Volltreffer“ aus der Sammlung Grill und ein Exkurs zu Gerhard Haderer

März 2, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Zwei neue Ausstellungen zu den Großmeistern der Satire

Gerhard Haderer: Wohnlandschaft mit Pferdekopfpolster, 1984. © Gerhard-Haderer/ Landessammlungen NÖ

Seit mehr als 40 Jahren sind Humor und Komische Kunst nach Art von Meisi und Helmut Grill die treibende Kraft für ihre Sammlung satirischer Kunstwerke. „Erstmals in Österreich gibt das Karikaturmuseum Krems Einblicke in die Sammlung Grill. Die Ausstellung spürt mit knapp 200 Arbeiten von 42 Künstlerinnen und Künstlern der Sammelleidenschaft von satirischer Kunst nach“, so Gottfried Gusenbauer, künstlerischer Direktor Karikaturmuseum Krems.

Die Ausstellung „Volltreffer! Satirische Meisterwerke der Sammlung Grill“ beleuchtet ab 6. März einerseits das Münchner Umfeld und Vertreterinnen

wie Vertreter der Komischen Kunst, die dem Sammlerehepaar nahestehen.Unverkennbar im Zeichenstrich sind Paul Floras getuschte tragikomische Traumwelten. Mit frechem Augenzwinkern zitiert Rudi Hurzlmeier in seinen Arbeiten Generationen von Meistern. Die eigens für Meisi und Helmut Grill angefertigten Werke zeugen von Loriots häufigen Besuchen bei den beiden. Die Vielfalt der satirischen Kunst verdeutlichen in der Ausstellung andererseits internationale Positionen.

Saul Steinbergs teils nur mit einem Strich und scharfsinnigem Humor gemachten Arbeiten zeugen von dessen technischer Virtuosität. Mit Tomi Ungerers Bild eines Manns, der sich in ein riesiges Schneckenhaus zurückzieht, blickt man auf die Anfänge der Sammelleidenschaft von Meisi und Helmut Grill zurück. Aus dem Gruselkabinett Freud’scher Tiefenpsychologie vermögen Roland Topors gezeichnete Tagträume zu entstammen. Die Erfolgsgeschichte von Meisiund Helmut Grill nimmt im sagenumwobenen Jahr 1968 mit der Gründung ihres extravaganten Kuriositätenladens Etcetera ihren Anfang. Bekannt war die von André Heller so bezeichnete Spezialitätenhandlung ersten Rangs nicht nur für ihre satirischen Objekte undpatriotischen Bavaricas.

Zwischen künstlerischem Porzellan und selbstverlegten Büchern gingen berühmte Gäste wie Uschi Glas, der ehemalige Bundes-präsident Deutschlands Walter Scheel und Loriot aus und ein. Nicht selten entstanden in diesen Runden neue Ideen für außergewöhnliche Produkte. Für Furore sorgte beispielsweise das Shirt mit Aufdruck „Ich bin gegen alles!“, auf das der Stern auf-merksam wurde und eine kreative Reihe bestellte. Der Künstler Jean-Jacques Sempé erfand später das Shirt „Ich ertrage nur das Glück“. Janosch steuerte „Fürchtet Euch nicht vor Meisi Grill!“ und „Kommet zu mir“ bei. Kultstatus haben auch die von Sis M. Koch und Paul Flora gestalteten Porzellane, Franziska Bileks bayerische Freiheitsstatue und Janoschs Puzzlebox mit fast vergessenen Miniaturspielen.

Gerhard Haderer: Letzter Stempel, 2000. © Gerhard-Haderer/ Landessammlungen NÖ

Papan: Das Leben im Jenseits, o.D. © Papan/ Sammlung Grill

Rudi Hurzlmeier: Widmung: Intelligenzbestie, 2005. © Rudi Hurzlmeier/Bildrecht/ Sammlung Grill

Zeitungen, Zeitschriften und Verlage waren ab 1950 die bevorzugten Auftraggeber von Satirikerinnen und Satiriker. Während in Frankreich der Comicstrip als Begleitung der Publikationen fungierte, dominierte in Deutschland und Österreich das zunehmend farbige und großformatige Bild zum Text. Nicht zwangsläufig war der Inhalt politisch oder kritisch, sondern – je nach Veröffentlichung – auch gerne humoristisch. Als bedeutendste Verlegerstadt Europas zieht München permanent Künstlerinnen und Künstler an, die in der bayrischen Landeshauptstadt Erfolg haben. Damit floriert das Münchner Umfeld als Kreativzentrum wie kein anderes im deutschsprachigen Raum.

Gerhard Glück: Landverschiebung, 1989. © Gerhard Glück/Sammlung Grill

Rudi Hurzlmeier setzte mit seinen Publikationen, etwa dem Titanic-Magazin oder dem Stern, und in Ausstellungen neue Maßstäbe. Er malt Tafelbilder wie im 19. Jahrhundert, nur eben mit einem kleinen oder größeren Scherz darauf. Gekonnt zitiert er Generationen von Meistern. Eine Hommage an Wilhelm Busch stellt sein Bild mit dem darauf befindlichen Spruch „Hans Huckebein und Fips, der Affe, vergreifen sich an Wein und Kaffee“ dar. In Frankreich reiften in den 1960/70er-Jahren große Talente heran. Roland Topor, Enfant terrible und rares Multitalent, brachte seine Tagträume zu Papier.

Dem gebürtigen Franzosen Tomi Ungerer waren Grenzen in seinem zeichnerischen Schaffen fremd. In dessen „Meat the Peable“ verschwindet beispielsweise ein Mann in einem überdimensional groß dargestellten Schneckenhaus. Besonders ist dieses Bild auch als eines der ersten Werke in der Sammlung Grill. Wiederum Ungerers erste Ausstellung in Deutschland arrangierten Meisi und Helmut Grill in der Villa Stuck.

Mit Blick über den atlantischen Ozean spürt die Ausstellung „Volltreffer!“ einem der wichtigsten satirischen Zeichner der Geschichte nach: Saul Steinbergs Arbeiten erschienen fast sechs Jahrzehnte im Magazin The New Yorker. In seinem Experimentierdrang glich er Pablo Picasso. Oftmals erinnert sein Stil an die Art-Deco-Epoche und ist für Betrachterinnen und Betrachter stets eines –anspruchsvoll. Vertiefend zur Ausstellung „Volltreffer!“zeigt das Karikaturmuseum Krems Werke Gerhard Haderers aus den Landessammlungen Niederösterreich.

Haderers geniale Cartoons – bis ins kleinste Detail künstlerisch perfektioniert und meist ausgeführt in Acryltusche – halten der Gesellschaft gekonnt ihren Spiegel vor. Bilder mit Titeln wie“ Quotenfrauen“, „Angesehene Leute“ oder sein „Letzter Stempel“ mit dem darauf befindlichenSatz „Sturheit währt am längsten“ entlarven Missstände und Allmachtsgedanken, bis hin zum tragikomischen Moment. Die Arbeiten des österreichischen Künstlers können getrost als Abrechnung mit Tabus und einer Doppelmoral verstanden werden, und gleichermaßen als Chronik vergangener Jahre mit all ihren Höhepunkten, Widrigkeiten und Skandalen. So beispielsweise seine „Ausgelassene Feier unter Facebookfreunden“, in der ein Mann allein vor seinem Laptop sitzend mit einem Energy Drink virtuell anderen zuprostet.

Corona-bedingt finden aktuell keine Ausstellungseröffnungen statt. Das Karikaturmuseum Krems lädt Interessierte stattdessen zu einem Eröffnungstag bei freiem Eintritt am Samstag, 6. März, ein.

www.karikaturmuseum.at

2. 3. 2021

Karikaturmuseum Krems: Zwei neue Ausstellungen im Jubiläumsjahr / Freier Eintritt am 20. Februar

Februar 16, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Satirische Highlights und der Janosch-Superstar

Herr Wondrak von Janosch: Museum. © Janosch film & medien AG

Das Karikaturmuseum Krems startet mit einem Best-Of an Karikaturen der Landessammlungen Niederösterreich und einem Exkurs zum kultigen Herrn Wondrak von Janosch ins Ausstellungsjahr 2021 – und lädt Interessierte zum Eröffnungstag Samstag, 20. Februar, bei freiem Eintritt ein. 2021 feiert das Karikaturmuseum Krems sein 20-jähriges Bestehen. Seit 20 Jahren sammelt auch das Land Niederösterreich Karikatur und Bildsatire.

Nach etwa zwei Jahrzehnten ist diese Karikatursammlung mit zirka 7.000 Originalen die größte ihrer Art in Österreich. Die Ausstellung „Schätze aus 20 Jahren. Karikaturen aus den Landessammlungen Niederösterreich“ zeigt eine Auswahl von 230 Arbeiten und von 20 Künstlern aus den Landessammlungen Niederösterreich.

„In der Ausstellung finden sich wahre Schätze ausgehend von den 1900er-Jahren bis hin zu brandaktuellen Arbeiten. Einen Schwerpunkt stellen Bildgeschichten von ihren historischen Anfängen im deutschen Sprachraum dar. Politische Karikaturen, die die Provokation nicht scheuen, bilden den zweiten Fokus der Ausstellung“, führt Gottfried Gusenbauer, künstlerischer Direktor des Karikaturmuseum Krems, aus.

Gezeigt werden Bildgeschichten von den 1920er-Jahren, von Fritz Gareis jun. und Ladislaus Kmoch, bis hin zum Lochgott von Rudi Klein. Die Schau spannt den Bogen weiter zur Gegenwart der politischen Karikatur. Zu sehen sind wahre Schätze von Meistern des Genres, darunter Erich Eibls „Schilling-Hai“, Erich Sokols Kommentar zur Besetzung der Hainburger Au oder Bruno Haberzettls erster „Frauenminister“ Österreichs. Provokant präsentiert sich Thomas Wizanys Joe Biden. Auf das Coronajahr blickt man mit Michael Pammesberger zurück.

Bruno Haberzettl: Ausstaendig, Datum. © B. Haberzettl/ Landessammlungen NÖ

Petar Pismestrović: Rudolf Anschober, 2020. © Petar Pismestrović

Bruno Haberzettl: Bundeskanzler Kurz und die (berechtigte) Angst vor Wiedergängern. © Bruno Haberzettl/ Landessammlungen NÖ

 

Mit den Originalen im Exkurs zum kultigen Herrn Wondrak würdigt das Karikaturmuseum Krems den 90. Geburtstag des genialen Zeichners Horst Eckert alias Janosch. Sein beliebter Antiheld stellte im ZEIT-Magazin einmal wöchentlich die Fragen des Lebens und beantwortete sie mit Einblicken in die eigene Lebensphilosophie. Wondrak – der Janosch für Erwachsene – ist so, wie sein Schöpfer Janosch es gerne wäre:

Einer, der offenbar alles falsch macht und dank seiner unkonventionellen Lebensphilosophie doch immer richtig liegt. Was er anfängt, ist selten vernünftig und trotzdem stets zielführend – weil Wondrak gar kein Ziel hat. Er hat nur den richtigen Weg und Grenzen kennt sein Leben ohnehin nicht, denn es gibt nur Möglichkeiten. 2019 erschien dort ein letzter Beitrag, „Herr Wondrak, wie sagt man Tschüss?“

Selbstverständlich geöffnet haben wird auch das Deix-Archiv. Mehr als 50 Karikaturen aus vielen Themenbereichen. Einfach die Ladenschränke öffnen und staunen!

www.karikaturmuseum.at

16. 2. 2021

Erich Sokol: Demnächst nasse Füße. © Annemarie Sokol/ Landessamml. NÖ

Thomas Wizany: Rodeo-Joe …, 2020. © Thomas Wizany

Manfred Deix: Wen wählt man da am besten, 2007. © Manfred Deix/ Landessammlungen NÖ