Schauspielhaus Graz: Viktor Bodó inszeniert Le Bal
März 10, 2014 in Tipps
VON MICHAELA MOTTINGER
„Ich und meine Sabberer – P’tit Albert“
hat auf der Probebühne Premiere
Nach seinen Erfolgsproduktionen „Amerika“, „Der Sommernachtstraum“ oder „Der Meister und Margarita“ inszeniert Theatermagier Viktor Bodó mit seiner Szputnyik Shipping Company nun „Das Ballhaus (Le Bal)“ am Schauspielhaus Graz. Und weil der Ungar nie ein Mann fürs Simple ist, macht er daraus ein Schauspiel ohne Worte. Premiere ist am 15. März.
Mit seiner neuen Arbeit wagt der Regisseur mit einem siebzehnköpfigen österreich-ungarischen Ensemble wieder einen ungewöhnlichen Abend: Bodó erzählt in einer eigenen Fassung den Film Le Bal über einen Tanzsaal im historischen Wandel bis in unsere Zeit weiter. Mit Fokus auf aberwitzige Choreografien und aufwendiger, eigens für den Abend komponierter Orchestermusik im Stile der jeweiligen Epoche. Einen gesprochenen Text gibt es nicht. Das Jahr 2014: Eine längst in Vergessenheit geratene Immobilie wird erstmals wieder betreten. Verfallen und verstaubt liegt der alte Tanzsaal da, der weit über ein Jahrhundert lang vielen Menschen allabendlicher Ort der Zuflucht, des Vergnügens, des Begehrens und der Auseinandersetzung war. Fundstücke erinnern an Geschichte und Geschichten. Mehr und mehr kehrt das Leben zurück … In Bodós Bühnenfassung wird das Geschehen durch die bekannten Tänze der Epochen und die kleinen Dramen des Alltags bestimmt. In mitreißenden Etappen und aberwitzigen Szenen werden die großen Fragen des Lebens verhandelt: Wird er heute Abend kommen?, Sitzt der Schlips richtig?, Wann sagt er endlich JA?, Brauch̕ ich noch einen Schnaps? Und während drinnen die Menschen um ihr Leben tanzen, zieht draußen die Weltgeschichte nicht ganz spurlos an ihnen vorüber. Ein Abend ohne Worte, aber voller Komik, Fantasie, Irrwitz und Poesie.
Am 14. März hat auf der Probebühne „Ich und meine Sabberer – P’tit Albert“ von Jean-Marie Frin nach einer Novelle von Jack London Premiere. Wahrscheinlich eine der spannendsten Produktionen des Schauspielhaus Graz in dieser Saison. Seit seinem dritten Lebensjahr lebt Tom in einer psychiatrischen Anstalt. Hier dient er als Hilfspfleger und serviert das Essen. Er sieht alles, hört alles, weiß alles. Umgeben von lauter „Sabberern“ ist er der „Deb-Ersten-Ranges“, gesegnet mit der „Gabel der Sprache“. Mit dem ihm eigenen klaren Blick erzählt er vom alltäglichen Wahnsinn im Leben eines „Expertpflegers“, diagnostiziert seine Ärzte und Pfleger, die vielleicht auch nicht alle Tassen im Schrank haben. Er berichtet liebevoll bis ins Detail, wie er als „Vernährungsexperte“ seinem Lieblingssabberer Klein-Albert den Brei „löffel-füttert“, ohne dass dieser sofort „entstickt“. Das Heim ist sein Zuhause: „Das Leben von draußen lieb ich nicht zu sehr …“ „Ich und meine Sabberer – P’tit Albert“ basiert auf der Erzählung „Told in the Drooling Ward“ von Jack London. Der Monolog ist ein pointenreiches Feuerwerk voller Wortverdrehungen und Wortspiele, an der Grenze zwischen Alltag und Wahnsinn. Ein herzerwärmendes Stück über das Anderssein, das Trotzdem-Dazugehören und die Suche nach Anerkennung, Identität und einem eigenen Platz in der Welt. Regie führt Lina Hölscher, es spielt Franz Solar.
Wien, 10. 3. 2014