Sommerspiele Perchtoldsdorf: „Der Revisor“

Barbara Bissmeier
Bild: Barbara Palffy
Barbara Bissmeier verabschiedet sich mit Gogol Satire (Premiere ist am 3. Juli) von Perchtoldsdorf. Ihr Nachfolger als Intendant wird Michael Sturminger. Ein Gespräch:
MM: Sie verlassen Perchtoldsdorf als Intendantin. Warum jetzt der Abschied? Überwiegt das lachende oder das weinende Auge?
Barbara Bissmeier: Ach, im Moment bei diesen Wetterkapriolen das lachende. Es wird schön sein, nicht jeder Juli zum Himmel zu schauen ob er weint, ob man die Leute in den unterirdischen Saal scheuchen muss. Dem Juli ein bissl entspannter entgegen zu sehen, darauf freue ich mich schon. Ich hab’s wahnsinnig gern gemacht, aber es halt eine Nervengeschichte. Was ich immer mochte war, dass wir mit den Kollegen eine Superfamilie sind. Ich bin nicht die Chefin, ich bin eine von ihnen, ich gehöre zur Truppe und bin halt die „Oberhex’“ – durch mein Alter und durch meine Tätigkeiten verstehe ich halt relativ viel von Theater. Und dadurch und durch meinen Mann (den Burgtheaterschauspieler Joachim Bissmeier) kenne ich viele Kollegen auch privater. Das ist einfach sehr, sehr gut.
MM: Warum nun zum Abschluss „Der Revisor“?
Bissmeier: Das ist eine lustige Geschichte. Es hatte mich unsere jetzige Regisseurin Christine Wipplinger eingeladen, mir in Kobersdorf den „Eingebildeten Kranken“ anzuschauen. Ich hatte von ihr schon Arbeiten gesehen, denn ich bin ja unentwegt unterwegs, und habe diese weibliche Hand schon zu schätzen gewusst. Ich fand die Inszenierung fulminant mit Fritz Hammel und Petra Strasser, die heuer bei uns spielen. Wir sind nachher ins Reden gekommen, was gemeinsam zu machen, was anzudenken, und ihre erste Idee war „Der Revisor“. Der steht bei mir schon ganz lang auf der Wunschliste. Christine hat ein Jahr in Moskau gelebt, hatte dort auch einen Freund, der uns jetzt das Stück neu übersetzt hat. Sie hat einen speziellen Umgang mit dem Stoff, erklärt uns bei jeder Silbe, wie man sie richtig ausspricht. Die Frau hat einfach a guate Pratzn.
MM: Raphael von Bargen spielt die Titelrolle. Wessen Idee war das?
Bissmeier: Meine. Natürlich. Ich kenne ihn ja. Er hat mit meinem Mann im „Woyzeck“ gespielt, beide waren für den Nestroypreis nominiert. Über den Raphael bin ich sehr froh, weil er eine Mordsspiellust hat, unentwegt anbietet, zeigt und macht, und die anderen gehen drauf ein. Es sind die Proben schon so lustig, weil sie so eine Spielfreude haben und so gern miteinander spielen. Egal, ob bei der Riesenhitzewelle, die wir hatten, oder bei Regen.
MM: Sie haben immer Sommertheater mit Anspruch gemacht, mit Haltung. Das ist Ihnen offensichtlich ein Anliegen.
Bissmeier: Absolut. Mein lieber Mann zerwuzzelt sich immer, wenn ich mich aufrege, wenn jemand das Wort Sommertheater erwähnt. Er sagt: Ich spielt’s doch im Sommer, also ist es Sommertheater. Aber für mich ist der Begriff so mit Schenkelklopfkomödien besetzt und genau das wollte ich nicht. Perchtoldsdorf ist auch ein anderer Ort. Wir sind vor den Toren Wiens, unser Publikum gehen ins Burgtheater, in die Josefstadt … die schätzen diesen Anspruch. Weltliteratur mit guten Schauspielern. Und wenn es von der Gemeinde so angenommen wird, wenn wir die erste Riege an Schauspielern da haben, dann habe ich etwas richtig gemacht. Wir haben einen sehr guten Ruf in der Theaterlandschaft. Das ist mir sehr wichtig.
MM: Das stimmt. War’s dadurch immer einfacher, diese Schauspielstars nach Perchtoldsdorf zu bringen?
Bissmeier: Oh ja, das kann ich schon sagen. Wenn man anruft und sagt: ‚Hallo, Bissmeier …’ und die Antwort ist: ‚Jö!’, da hat man schon einen anderen Zugang. Begonnen habe ich ja mit Dr. Löhnert, der nicht aus dem Metier ist, sondern Rechtsanwalt mit großer Liebe zu den Künsten. Als er mich gefragt hat, ob ich’s mit ihm mache, hab’ ich nicht lange nachgedacht. Ich habe ihm drei Regisseure vorgestellt, er hat sich den Sturminger, der jetzt mein Nachfolger wird, ausgesucht. So haben wir begonnen mit „Geschichten aus dem Wienerwald“. Als erstes habe unseren Uraltfreund Branko Samarovski gefragt, ob er den Zauberkönig spielen will. Wenn du einen seriösen Namen hast, ist es leichter ein tolles Ensemble zusammen zu kriegen. So folgten Karl Markovics als Oskar, Gerti Drassl als Marianne, Erni Mangold als Großmutter, Brigitte Krenn als Mutter … Andreas Lust war der Alfred … eine sehr schöne Inszenierung. Im zweiten Jahr haben wir „Was ihr wollt“ gemacht, wieder mit dem Karl, der Gerti, Georg Friedrich, der dann auch beim „Tartuffe“ dabei war, und Gregor Bloéb als Sir Toby Rülp im Kilt – und da gab’s eine Fechtszene, bei der Gregor der Kilt heruntergerissen wird. Und unterm Kilt trägt man … no … Das war sehr lustig.
MM: Was würden Sie in all diesen Jahren als größten Erfolg sehen?
Bissmeier: Die baulichen Maßnahmen, die Wetterunabhängigkeit durch den Saal unter dem Burghof. Früher saß ich wie die Parze am Rand, um rechtzeitig eingreifen zu können, wenn’s zum Tröpfeln anfängt. Künstlerisch: Die „Geschichten aus dem Wienerwald“, weil wir das wirklich aus dem Nichts auf die Beine gestellt haben. Dann meine erste alleinige Produktion, der „Hamlet“ mit Florian Teichtmeister und Christian Brandauer, der am Klavier seine Kompositionen gespielt hat. Da wurde während der Proben gerade umgebaut, und der arme Florian hat sein „Sein oder Nichtsein“ neben der Betonmischmaschine gesprochen. Da gab’s eine Vorstellung da gingen neben Silvia Meisterle, die die Ophelia war, die Blitze nieder. Ich sag nachher zu ihr: ‚Ich hab’ mich so um dich gefürchtet, hattest du keine Angst?“ Und sie antwortet: ‚Warum? Was wäre ein schönerer Theatertod?’ Das als Drittes: Der „Macbeth“ aus dem Vorjahr mit Dietmar König, Alexandra Henkel und ihren Buben.
MM: Was hätten Sie gerne noch umgesetzt?
Bissmeier: „Richard III.“ hätte ich gerne gemacht. Aber das kommt vielleicht ja noch, ich hätte drei Aspiranten, die’s gerne spielen würden. 2014 steht einmal „Das Käthchen von Heilbronn“ auf dem Programm vom Michael Sturminger.
MM: Und: Was ich Ihnen nicht glaube ist, dass Sie Ihre Theaterleidenschaft jetzt nur mehr als Zuschauerin ausleben werden.
Bissmeier: (Sie lacht.) Ich werde heuer 70. Ich habe vier Enkelkinder, die wissen noch nicht, wie oft ich sie künftig ins Theater schleppen werde. Außerdem spielt mein Mann nächste Saison wieder an der Burg im „König Lear“ mit Klaus Maria Brandauer. Aber Sie haben Recht: Ich komme ja von der Kinderoper, vom Musiktheater, Ioan Holender hat mich damals geholt und dann eingespart, es wird mich vielleicht wieder in diese Richtung ziehen. Herr Holender hat mir einen Brief geschrieben, wie sehr er unsere Aufführungen schätzt. Er kommt heuer auch.
MM: Ist Perchtoldsdorf ein einfaches Pflaster, um Theater zu machen?
Bissmeier: Sie lieben das Sommertheater sehr, sie unterstützen es sehr. Sie sind ein wenig vorsichtig, was die Finanzen betrifft. Jetzt wurde es zunehmend ein bissl schwieriger, weil sie, da sie ja der Veranstalter sind, ins Künstlerische eingreifen wollten. Da muss ich mich manchmal wehren, damit das Merkantile nicht überwiegt. Aber wie gesagt: Sie stehen sehr dahinter, auch mit Sachbeiträgen, haben ein Infocenter errichtet, sie unterstützen, wo’s geht. Leidenschaft zum Theater haben sie.
MM: Ihr Nachfolger ist Michael Sturminger.
Bissmeier: Wir kennen einander sehr lange. Ich habe ihn durch meinen Mann kennen gelernt. Als ich dann gefragt wurde, Kinderoper zu machen, habe ich Holender vorgeschlagen, ihn als Regisseur zu nehmen. So haben wir das „Traumfresserchen“ gemacht. Aus den Zeichnungen von Michaels Kindern haben wir damals das Bühnenbild gemacht. Er hat eine Wahnsinnsgeduld und eine Hartnäckigkeit und eine Freundlichkeit und eine sanfte Art, aber ihn kann nichts so leicht aus den Pantinen kippen. Eines Tages nun ruft mich der Sturminger an und fragt: ‚Stimmt das, du hörst auf?’ Und ich: ‚Wenn’s dich wirklich interessiert, wäre das wunderbar. Du kennst die Gegebenheiten, den Ort, die Leute – perfekt!’ Das war’s.
MM: Herr Sturminger, was hat Sie daran gereizt, die Perchtoldsdorfer Intendanz anzunehmen?
Michael Sturminger: Die Perchtoldsdorfer Sommerspiele haben mir drei wunderbare Sommer mit sehr erfreulichen Produktionen beschert. Wenn ich an die ‚Geschichten aus dem Wienerwald‘ oder ‚Was ihr wollt‘ mit wunderbaren Schauspielern wie Branko sSamorovsky, Gerti Drassl, Karl Markovich, Gregor Bloéb und Georg Friedrich denke, oder an ,Tartuffe‘ mit Markus Hering und Dorothee Hartinger, dann freue ich mich schon auf die nächsten Jahre.
MM: Frau Bissmeier hat die Latte hoch gelegt. Man sah hier immer anspruchsvolles Theater, nie seichte Sommerkomödien. In welche Richtung wollen Sie – schon Pläne/Ideen?
Sturminger: Barbara hat mich als Referentin des Intendanten Löhnert nach Perchtoldsdorf gebracht, sie ist also direkt schuld daran, dass ich jetzt – hoffentlich ganz in ihrem Sinne – ihr Nachfolger sein werde.
MM: Sie haben sogar das Herz von John Malkovich schmelzen lassen. Wie wird sich Ihre neue Aufgabe auf Ihre anderen Arbeiten auswirken? Holen Sie die Weltstars nun nach Niederösterreich?
Sturminger: Ich hoffe absolut interessante und talentierte Schauspieler nach Perchtoldsdorf bringen zu können, die Schauspieler waren auch in den vergangenen Jahren oft die wichtigsten Argumente um nach Perchtoldsdorf zu kommen. Bei ‚Was ihr wollt‘ hatten wir eine fantastische russische Filmschauspielerin namens Chulpan Khamatova als Viola. In diesem Sinne wollen wir so weitermachen. Ich denke aber, dass die deutsche Sprache in Perchtoldsdorf wohl die Grenze für unsere internationalen Ausflüge definieren wird.
Der Revisor: Es spielen u. a. Raphael von Bargen, Sven Dolinski, Fritz Hammel, Petra Strasser, Oliver Huether, Georg Kusztrich und I Stangl. Regie: Christine Wipplinger.
www.sommerspiele-perchtoldsdorf.at
Von Michaela Mottinger
Wien, 27. 6. 2013