Werk X in der Spielzeit 2020/21: Der Preis des Geldes

Oktober 8, 2020 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Als Sensationscoup inszeniert Christine Eder Preciados „Testo Junkie“; Nestroy-Preis für „Dunkel lockende Welt“

Das Werk X in Meidling. Bild: © Thea Hoffmann-Axthelm

Willkommen in der „neuen Normalität“. So begrüßt das Werk X sein Publikum zur Spielzeit 2020/21, deren Motto „Der Preis des Geldes“ ist. „Eine unsichtbare Bedrohung namens #COVID19, vulgo #Coronavirus, hat unser aller Leben im erstickungs- gefährdenden Würgegriff wie seither nur das freie Spiel der Finanzmärkte. Dieser Vergleich zeigt, dass vor Corona in Wirklichkeit nach Corona ist. Es ist kein neues System entstanden, sondern das alte muss aufgrund seiner Infektiosität mit Masken

bestritten werden. Es wird somit nur offensichtlich, was die Denkschule des neoliberalen Monetarismus seit den 1950iger Jahren für den Kapitalismus als angenommenes Naturgesetzt postuliert hat: Survival-of-the-fittest. Doch nun zeigt sich dieses ,Naturgesetz‘ als das, was es in Wirklichkeit ist: Eine Krankheit. Nämlich eine hoch ansteckende mit Todesfolgen“, so das Statement der beiden Intendanten Harald Posch und Ali M. Abdullah.

Von denen Posch mit Der G´wissenswurm- The unintentional end of Heimat (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=41468) nach Ludwig Anzengruber und seiner Auseinandersetzung mit dem Stadt-Land-Gefälle und der daraus resultierenden ökonomischen sowie sozialen Ungleichverteilung der Ressourcen bereits den Anfang machte. Gefolgt vom Gastspiel Bürgerliches Trauerspiel des aktionstheater ensembles (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=41710 ).

Für die zweite Produktion ist dem WERK X ein Coup gelungen: Die bisher heiß umkämpften Aufführungsrechte von Paul B. Preciados Testosteron-Selbstexperiment-Essay Testo Junkie konnten eingeholt werden. Regisseurin Christine Eder, zuletzt am Haus mit „Proletenpassion 2015 ff“(Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=13411) erfolgreich, wird sich mit Fragen nach pharmazeutisch-hergestellter geschlechtlicher Körperlichkeit und Identität kapitalismuskritisch auseinandersetzen. Premiere: 5. Dezember.

Matthias Rippert stellt sich in seiner ersten Regiearbeit für das WERK X im März mit der Bedrohung eines unbescholtenen Bürgers, einer Stückentwicklung von ihm und Jakob Nolte, anhand der dramaturgischen Prämisse der Spielfilmreihe „Final Destination“ den einzig wahren Naturgesetzen: Der Unausweichlichkeit von Tod und Vergänglichkeit. In Ripperts Fall innerhalb der Logik des Spät-/Kapitalismus. Eine Produktion von Ali M. Abdullah im Jänner und eine Überraschungsproduktion werden weitere Facetten des Spielzeitmottos auf der Bühne des WERK X diskursiv verhandeln.

Der „Geleemann“ ist Opfer und Täter: Johnny Mhanna und Simonida Selimović. Bild: © Alexander Gotter

In „Ein Staatenloser“ symbolisieren Stoffbahnen die Repression im Iran: Alireza Daryanavard. Bild: © Alexander Gotter

„Der G’wissenswurm“: Sebastian Thiers, Miriam Fussenegger und Peter Pertusini. Bild: © Alexander Gotter

Bürgerliches Trauer-Gast-spiel: Benjamin Vanyek und Thomas Kolle vom aktionstheater ensemble. Bild: Stefan Hauer

Im Werk X-Petersplatz geht es nach dem Geleemann (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=41554) am 5. November mit Wolga von Stefan Langer weiter, worin in einem multimedialen Horrorszenario der Mythos der sowjetischen Automarke beschworen wird. Gefolgt von Gott ist nicht schüchtern von Olga Grjasnowa in einer Inszenierung von Susanne Draxlern. Premiere: 24. November. Premiere am 11. Dezember hat die Stückentwicklung who can swim, swim! von kochen.mit.wasser und Peter Pertusini, der auch Regie führen wird. Das lang erwartete HORSES von Johannes Schrettle und Imre Lichtenberger Bozoki, #Corona-bedingt um eine Saison verschoben, kommt nun am 18. Februar zur Uraufführung, das ebenfalls verschobene Gruber geht am 17. März. Ein Staatenloser von und mit Alireza Daryanavard (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=30184) wird morgen, am 9. Oktober, wiederaufgenommen.

Der #Corona-Lockdown hat eine der erfolgreichsten WERK X- und WERK X-Petersplatz-Spielzeiten verkürzt: Fünf Eigenproduktionen und eine Koproduktion am WERK X sowie fünf Kooperationen mit der freien Szene am WERK X-Petersplatz konnten bis Anfang März 2020 zur Aufführung gebracht werden. Darunter die Uraufführung des zweiteiligen Mammutprojekts Die Arbeitersaga am WERK X unter vier Regieleitungen (Rezensionen: www.mottingers-meinung.at/?p=36864 und www.mottingers-meinung.at/?p=38734). Die Auslastung betrug bis zum Lockdown 83 Prozent. Das heißt, es konnte insgesamt im Zeitraum von 2018 auf 2019 eine Steigerung der Besucherinnen- und Besucherzahlen an beiden Häusern von 19.000 auf 22.000 erreicht werden.

Nestroy-Preis für „Dunkel lockende Welt“: Wiltrud Schreiner und Wojo van Brouwer. Bild: © Matthias Heschl

Gefeiert wird dieser Erfolg mit drei Nestroypreis-Nominierungen: Der Nino aus Wien in Geschichten aus dem Wiener Wald, Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=35284, wurde für den Publikumspreis und Alireza Daryanavard mit Blutiger Sommer in der Kategorie „Bester Nachwuchs männlich“ nominiert. Preisträger ist das WERK X  in der Kategorie „Beste Off-Produktion“ mit Nurkan Erpulats Inszenierung von Händl Klaus‘ boulevardeskem Sprach-Kunstwerk-Krimi Dunkel lockende Welt (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=35553 ). Wiederaufnahme: 16.Oktober.

werk-x.at

8. 10. 2020