WUK performing arts: On The Egde #8

November 8, 2022 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER-MEHMOOD

Ein Festival für zeitgenössische Zirkuskunst

Knights of the invisible (GB): Waiting for the Sea Eagle. Bild: © Richy Walsh

Was 2019 als Versuch startete, ist mittlerweile ein richtiges Festival geworden: „On The Edge“ im WUK geht in die dritte Runde. Das diesjährige Programm zeigt vom 18. bis 26. November Performances aus Österreich, Deutschland, Belgien, Tschechien, Irland und Schottland – allesamt unkonventionelle und mutige künstlerische Positionen, die den traditionellen Zirkus neu verhandeln. Installationen, Filmscreenings,

Diskursformate sowie KünstlerInnen-Gespräche runden das Festival ab. Neben neuartigen dramaturgischen und ästhetischen Zugängen innerhalb der Zirkuskunst beschäftigen sich die KünstlerInnen auch mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen – was dringender denn je erscheint, in Zeiten von vielfältigen Krisen. Die Themen reichen von Kommunikation und Empathie, über den Wert von veränderten Wahrnehmungsmustern und medialen Vorgaben, der Aneignung Raums, bis hin zur Infragestellung des konstanten Strebens nach Immer Mehr, des Scheiterns und den persönlichen Bewältigungsstrategien damit. Allen KünstlerInnen gemein ist das experimentelle Arbeiten und die Weiterentwicklung ihrer Zirkustechniken.

Das Programm:

Sandra Hanschitz (AT/DE): |||||. 18. und 19. 11., 19.30 Uhr. Im Tanz mit dem Cyr Wheel zelebriert Artistin Sandra Hanschitz das Loslassen. Die Stimmung ihrer Performance ||||| entwickelt sich von ruhevoller Balance über Kontrollverlust hin zu faszinierender Dynamik und schwebender Leichtigkeit. Von rohem Klang bis zu feinen Beats komponiert der Klangvirtuose Joël Beierer dabei die gesamte Geräuschkulisse aus dem Cyr Wheel selbst. Trailer – Sandra Hanschitz: IIIII: vimeo.com/747600670

Sinking Sideways (DE/BE): René. 18. und 19. 11., 21 Uhr. Die Künstlerinnen Xenia Bannuscher und Dries Vanwalle sind in ihrer Performance „René“ stetig auf der Suche nach Entwicklung, Variation und Überraschung. Mithilfe eines komplexen Systems von Taktstrichen wird die außerordentliche Synchronizität der AkrobatInnen durch minimalistische, immer wiederkehrende rhythmische Musikakzente unterstützt. „René“, choreografiert und interpretiert von Sinking Sideways, ist das Debüt des Tanzakrobatik-Kollektivs und vereint Zirkus und Tanz auf raffinierte Weise. Eine österreichische Erstaufführung

Sebastian Berger (AT): Is it a trick? 19. 11., 18 Uhr, 20. 11., 15 und 18 Uhr, 21. 11., 19.30 Uhr. „Is it a trick?“ ist ein zeitgenössisches Zirkusstück von Sebastian Berger, das fließend in eine Installation übergeht. Im Rahmen einer immersiven Performance bewegt sich das Publikum frei im Raum, sucht sich seinen Blickwinkel selbst und wird somit Teil der Performance und des zirzensischen Tricks. Etablierte Sehgewohnheiten und Wahrnehmungen werden dabei infrage gestellt. Besonderes Interesse gilt der Blickführung des Künstlers, seines Zeichens ein Meister der Objektmanipulation, als auch der Betrachtenden: Der Fokus ist nicht direkt auf das Objekt gerichtet, sondern wird beispielsweise über Spiegel gelenkt. Diese ungewohnte Sichtweise und der damit einhergehende Kontrollverlust versprechen spannende Neuentdeckungen von Altgewohntem.

Sebastian Berger (AT): Is it a trick? Bild: © Romain Maguaritte

Sandra Hanschitz (AT/DE): |||||. Bild: © Jennifer Rohrbacher

Viktor Černický (CZ): PLI. Bild: © Vojtěch Brtnický

Film – Chloé Moglia (F): Horizon. Bild: © Johann Walter Bantz

Viktor Černický (CZ): PLI. 20. 11., 19.30 Uhr, 21. 11., 21 Uhr. „PLI“ vereint 22 Konferenzstühle, einen besessenen Rhythmus und einen hingebungsvollen Performer. Auf einer weißen Plattform bemüht sich Viktor Černický entschlossen um die unendliche Konstruktion, Dekonstruktion und Rekonstruktion des Universums. Das Ergebnis ist ein intelligentes und spielerisches Solo zwischen Zirkus und Tanz – und eine physische Metapher für endloses menschliches Streben und Durchhaltevermögen. In Anlehnung an die Philosophie von Gottfried Willhelm Leibniz ist „PLI“ eine unvorhersehbare und humorvolle Performance, bei der barocke Opulenz durch räumliche Bescheidenheit und materiellen Minimalismus ersetzt wird. Die Performance „PLI“ wurde von vielen europäischen Spielstätten und Festivals präsentiert – unter anderem in Paris, London, Ljubljana, Helsinki, Barcelona und Rom. Viktor Černický ist Twenty20-Künstler bei Aerowaves, einer renommierten Plattform für innovative Tanzproduktionen in Europa. Eine österreichische Erstaufführung.

Verena Schneider & Charlotte Le May (AT/FR): ALTER – cirque introspectif. 24. und 26. 11., 19. 30 Uhr. „ALTER – cirque introspectif“ ist die erste Stückentwicklung von Verena Schneider & Charlotte Le May. Die beiden Akrobatinnen gestalten eine intensive physische Performance, in der Akrobatik, Tanz und Text zusammentreffen. Der Körper wird dabei zum Kommunikations-, Erfahrungs- und Klangmittel. Die Bewegungen und akrobatischen Figuren sind explosiv, energetisch, präzise und sanft. Die in der Performance verwendeten Texte sind von den Künstlerinnen selbst verfasst und basieren auf einem Interview mit einer Person namens „Lara“. Die Texte beschäftigen sich vor allem mit der Frage der Sozialisierung und der Beziehung zum anderen.

Knights of the Invisible (SCT/GB): Waiting for the Sea Eagle. 24. 11., 21 Uhr, 25. 11., 19.30 Uhr. Die schottische Kontorsionistin und Tänzerin Iona Kewney arbeitete mit Wim Vandekeybus und Alain Platel zusammen, bevor sie ein eigenes künstlerisches Universum entwickelte, indem sie den Körper mit Klängen auf die Probe stellte und die Gesten bis zum Äußersten trieb. „Waiting for the Sea Eagle“ von Knights of the Invisible aka Iona Kewney und Joseph Quimby – die beiden verstehen sich als radikale Tanzkompanie mit hyperrealistischen Details und surrealistischen Visionen, ihre Performances sind zutiefst energetisch, wild und pur – ist eine österreichische Erstaufführung.

Darragh McLoughlin (IRL): STICKMAN. 25. Und 26. 11., 21 Uhr. Eine Person balanciert einen langen, dünnen Stock auf verschiedenen, oft unbeholfenen Körperteilen und setzt ihn dadurch in Bewegung. Ein Fernseher versucht, die Wahrnehmung des Publikums zu beeinflussen, indem er ihm vorschreibt, was es zu sehen hat. Das Publikum gerät ins Sinnieren: Ist das, was es liest, das, was es sieht? Was genau macht die Person mit dem Stock, der Stock mit der Person? Durch den Einsatz verschiedener psychologischer Methoden erforscht Darragh McLoughlin das Thema Wahrheitshoheit, indem er sie dem Publikum auf komische und manchmal aggressive Weise aufzwingt. Ist man noch in der Lage, Entscheidungen über die Welt, die einen umgibt, zu fällen oder wird man einfach nur von einer Menge an Informationen vor sich hergetrieben? Eine österreichische Erstaufführung.

Darragh McLoughlin (IR): STICKMAN. Bild: © Philippe Deutsch

Sinking Sideways (DE/BE): René. Bild: © Jostijn Ligtvoet

Verena Schneider & Charlotte Le May (AT/FR): ALTER – cirque introspectif. Bild: © Verein Freifall

Festival Closing Party mit einem Konzert von Zion Flex. @ Soda Salon – Bild: Käthe deKoe

coffee & circus curated by Initiative feministischer Zirkus. 20. 11., 11 Uhr. „coffee & circus“ ist das neue Vernetzungs- und Diskursformat von „On The Edge“, zu dem die Initiative feministischer Zirkus einlädt. Im gemütlichen Rahmen gestalten VertreterInnen der Zirkusszene den Sonntagvormittag mit ihren Themen. Ob Vortrag, Diskussionsrunde oder kollektive Performance: den Formaten sind keine Grenzen gesetzt. Gleichzeitig soll der Vormittag auch als Inspiration dienen, mit eigenen Entscheidungen eine diskriminierungssensiblere Szene zu gestalten. Coffee und Snacks gehen aufs WUK. Die Initiative feministischer Zirkus setzt sich für eine gleichberechtigte und sichere Zirkusszene ein. Ihr Ziel ist, eine erhöhte Aufmerksamkeit sowie mehr Veränderungswillen im Hinblick auf patriarchale Strukturen, Inklusion, Respekt und Sensibilität zu generieren.

Filmscreenings. 18. bis 21. 11., 19 Uhr. Während des Festivals zeigt das WUK im Foyer Kurzfilme aus dem Bereich der experimentellen Zirkuskunst. Mit Filmen von Elodie Guézou, Chloé Moglia, Laura Murphy, Verena Schneider & Charlotte Le May und Darragh McLoughlin.

Am 26. 11., 22 Uhr, findet die Festival Closing Party mit einem Konzert von Zion Flex statt. Zion Flex ist eine preisgekrönte Künstlerin aus Bristol, die in Wien lebt und international auftritt. Sie hat mehrere Singles, Alben und Musikvideos veröffentlicht. Als Singer-Songwriterin macht sie elektronische Musik mit melodischem Gesang, Spoken Word sowie Rap. Eine einzigartige Ästhetik, ein faszinierendes Hörerlebnis. Videos: www.youtube.com/watch?v=OJlRr3wpHV8           www.youtube.com/watch?v=n8KrbaADNi8

Mehr Infos und Tickets unter dem jeweiligen Programmpunkt hier: www.wuk.at/programm/on-the-edge-8

TIPP: Die Vorstellungen am 19. November finden im Rahmen der Europäischen Theaternacht statt. Das WUK öffnet daher die Saaltüren zum pay as you wish | canPreis und empfiehlt sich rechtzeitig vorher Karten zu sichern. Pro Person können pro Vorstellung maximal vier Karten gebucht werden. Reservierungen bitte an performingarts@wuk.at. InhaberInnen eines Kulturpasses (www.hungeraufkunstundkultur.at) melden sich mit ihren Kartenwünschen sowie einem Scan oder Foto des gültigen Ausweises ebenfalls bei performingarts@wuk.at.

  1. 11. 2022

Wien bekommt ein neues Museum: Das Österreichische Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music

April 26, 2022 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Das Belvedere 21 wird zum Haus für Schwarze Kultur

Bild: © Hannah Aders

Als neue Dependance des Belvedere, und in Kooperation mit den Wiener Festwochen, versammelt das Österreichische Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music Geschichten von Schwarzen Künstlerinnen, Künstlern  und Entertainerinnen, Entertainern, die in der weiß dominierten deutschsprachigen Unterhaltungsindustrie zu Prominenz gekommen sind. Mit seiner Eröffnung am 14. Mai positioniert sich das

ÖMSUBM als führendes Museum für Schwarze Kultur und Popularmusik im deutschsprachigen Raum. Das ÖMSUBM verdeutlicht die Bedingungen für die Karrieren von unter anderem Olive Moorefield, Arabella Kiesbauer, den Rounder Girls, Mola Adebisi, Jessye Norman, Billy Mo oder Roberto Blanco im Zeitraum von den 1940ern bis in die frühen Nullerjahre, die einen Wendepunkt zwischen dem Bedeutungsverlust des Programmfernsehens und dem Beginn der YouTube-Ära markieren.

Mit Dalia Ahmed, Joana Tischkau, Anta Helena Recke, Elisabeth Hampe und Frieder Blume stellt das Belvedere dem ÖMSUBM ein international erfahrenes Leitungsteam voran. Die Kuratorinnen und Kuratoren, die 2020 bereits das Deutsche Museums für Schwarze Unterhaltung und Black Music gegründet haben, werden ab 15. Mai den Ausstellungspavillon des ehemaligen Belvedere 21 bespielen. Die Eröffnung findet am 14. Mai ab 18 Uhr bei freiem Eintritt statt. Stella Rollig, Generaldirektorin Belvedere:Ein Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music war hierzulande längst überfällig. Mit der Übergabe des Standorts Belvedere 21 an das ÖMSUBM nehmen wir eine Umwidmung vor, mit der die Geschichte der österreichischen Populärkultur neu geschrieben wird“.

Das Leitungsteam: Joana Tischkau, Frieder Blume, Dalia Ahmed, Anta Helena Recke und Elisabeth Hampe. Bilder: © H. Aders, Clemens Fantur

Bild: © Hannah Aders

Das ÖMSUBM lässt die Inszenierungsstrategien Schwarzer Stars angesichts eines mehrheitlich weißen Publikums sowie ermächtigende Strategien der Subversion zum Thema werden. Das Museum beherbergt eine umfassende und beständig wachsende multimediale Sammlung von Schallplatten, Magazinen, Autogrammen und Erinnerungsstücken. Die Sammlung ist erweiterbar, denn Schenkungen, Ankäufe und Leihgaben von Privatpersonen bilden den Kern des Archivs.

Jeden Samstag ab 18 Uhr bietet das Museum ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit Performances, Vorträgen, Panels und Konzerten. Aktuell in Österreich lebende Schwarze KünstlerInnen, AktivistInnen und Medienschaffenden wie Arabella Kiesbauer, Claudia Unterweger, Tonica Hunter, Mireille Ngosso, Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat, oder Kim Cooper treten in Dialog mit der Sammlung des Museums und machen das ÖMSUBM zu einem Ort des zukunftsweisenden Austauschs.

www.belvedere.at

26. 4. 2022

Kultursommer Wien 2022 – Open Call für KünstlerInnen

März 18, 2022 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Bewerbung ab sofort bis 3. April

Bild: pixabay.com

Ab sofort können sich Künstlerinnen und Künstler aus diversen Sparten der darstellenden Kunst beim Kultursommer Wien 2022 bewerben. Wie schon in den vergangenen beiden Jahren wird an etwa 40 Standorten in der ganzen Stadt von Anfang Juli bis Mitte August ein umfangreiches Repertoire aus verschiedenen Sparten der darstellenden Kunst wie Theater, Kabarett, Tanz, Literatur, Zirkus, Performance und Musik vorgestellt.

Ein Kinder- und Familienprogramm wird ebenso angeboten wie eine Konzertreihe für Pensionistinnen und Pensionisten in den Häusern zum Leben. Bei freiem Eintritt sind Wienerinnen, Wiener und alle in Wien weilenden Personen eingeladen, das Open-Air-Programm zu besuchen. Künstlerinnen und Künstler können sich ab sofort bis einschließlich 3. April 2022 unter www.kultursommer.wien mit ihren Projekten bewerben. Ein Künstlerisches Board wählt die Beiträge aus, die zum Festival eingeladen werden.

In diesem Jahr setzt sich dieses zusammen aus: Peter Blau (Kabarett), Nadine Abena Cobbina (Elektronische Musik & Experimental), Sebastian Fasthuber und Barbi Marković (Literatur), Antonia Grüner (Klassik, World, Jazz), Yasmin Hafedh (Pop, Rock, Hip-Hop), Anne Juren und Cat Jimenez (Tanz & Performance), Arne Mannott (Zeitgenössischer Zirkus & Objekttheater), Martin Thomas Pesl (Theater), Susanne Rosenlechner (Wiener Lied, Schlager, Volksmusik, Austropop), Lucas Vossoughi und Martin Schlögl (Konzerte für PensionistInnen in den Häusern zum Leben).

Neben den Hauptspielzeiten am Abend wird am Vormittag ein Familienprogramm angeboten. Als Spielorte dienen öffentliche Parks und Plätze sowie Gärten von PensionistInnenheimen.

Bild: pixabay.com

Bild: pixabay.com

Bild: pixabay.com

Bild: pixabay.com

www.kultursommer.wien

18. 3. 2022

WUK: On The Edge #9 – experimentelle Zirkuskunst

November 3, 2021 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Männer in Pferdegeschirren und Omas in luftigen Höhen

Un loup pour l’homme: Cuir. Bild: © Edouard Barra

Wer heutzutage Zirkus sehen will, findet sich nicht mehr zwangsläufig in einem Zelt zwischen Tieren, Popcorn und Wohnwagen wieder. Die zeitgenössischen Formen des Zirkus sind mittlerweile international und – insbesondere europaweit – bestens etabliert. Und so zeigt das WUK von 5. bis 13. November das Festival für experimentelle Zirkuskunst „On The Edge #9“. Das Festival öffnet einen Raum für Zirkuskunst, die sich an der Schnittstelle zu Performance

und Bildender Kunst bewegt. „On The Edge“ zeigt Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die die eigene Praxis abstrahieren oder dekonstruieren und den Raum, die experimentelle Ausdrucksform oder die Rolle des Publikums neu denken. Das Festival fördert mutige künstlerische und politische Positionen und einen reflektierten Umgang mit Genderrollen auf der Bühne.

„On The Edge #9“ wird von den Residenz-Künstlerinnen und -künstlern eröffnet: Vier Artistinnen und Artisten aus Österreich, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz wurden im Rahmen des circus re:searched Programms eingeladen ihre aktuellen Projekte und Forschungen während zwei-wöchigen Studio-Residenzen zu vertiefen oder bestehende Arbeiten zu präsentieren. Nachwuchskünstlerinnen und -künstler treffen auf etablierte Zirkusschaffende und frische Experimente auf bereits bestehende Stücke. Die Performances von Anne Kugener und Julian Vogel beschäftigen sich beide mit der Schnittstelle von Zirkus und Bildender Kunst – von Vogel ist auch die Installation „China Series #11“ zu sehen. Das Duo Maja Karolina Franke und Ralph Öllinger untersucht das Geschlechterverhältnis und die Rollenverteilung in der partnerakrobatischen Praxis.

Hier schließt auch die Künstlerin Kathrin Wagner an, die ihre Rolle und Erfahrungen als Frau und Performerin in der Zirkuswelt reflektiert. Aus persönlichen Erfahrungen mit Sexismus und Berichten anderer Performerinnen entstand das Slam-Gedicht „I was told“, das zusammen mit dem Text „Love Letter to myself“ Ausgangspunkt für die aktuelle Kreation ist. Nachdem Jonglage und Poetry Slam von der Künstlerin als separate Disziplinen erlernt wurden, entstand der Drang, eine tiefere Verbindung zu schaffen. In der Kombination aus gesprochener Sprache und Jonglage bereichern sich nun beide gegenseitig und verändern die Wahrnehmung des Publikums auf die einzelnen Genres.

I was told. Bild: © Jan Ole Laugesen

Grand Mère. Bild: © Alexandre Fray

Anne Kugener. Bild: © Natali Glisic

„In the maze of your perception, I resonate …“ von Tänzerin Elena Lydia Kreusch und Straßenkünstler Andrea Salustri ist eine interdisziplinäre Rauminstallation: Kleine Publikumsgruppen können sie gemeinsam begehen und Klanginstallationen, Videokunst und interaktive Skulpturen eigenständig erkunden. Die präsentierte Auswahl ist Teil eines langfristigen Forschungsprojekts, im Rahmen dessen das Duo mit alternativen und nicht-performativen Formaten für zeitgenössischen Zirkus experimentierte. Zirkuskörper und -disziplinen werden dekonstruiert und Zirkusgesten und -objekte werden in einen neuen Kontext gesetzt. Die Infragestellung etablierter Blickwinkel eröffnet neue Perspektiven auf ein vertrautes Genre.

Als „Acrobalance: Extreme Symbiosis“ präsentieren das schwedische Künstlerpaar Henrik Agger und Louise von Euler Bjurholm eine intime 55-minütige dokumentarische Lecture Performance. In „Extreme Symbiosis“ geben sie dem Publikum einen Einblick in ihre Arbeit, Praxis und ihr Leben als Paarakrobaten. Indem sie die Bedeutung eines konstanten geistigen und körperlichen Trainings in ihrer Kunstform zeigen und hervorheben, hoffen sie, das Verständnis für diese Kunstform zu erweitern. „Was geschieht in der Interaktion zwischen uns, wenn wir unsere Praxis ausüben? Eine Zusammenarbeit zwischen Körper und Geist, individuellen Systemen und gemeinsamen Sinnen. Eine langjährige PartnerInnenschaft, die auf extremem Vertrauen basiert und in der Praxis täglich herausgefordert wird.”

Zwei Männer, zwei Ledergeschirre. Das ist „Cuir“ der Compagnie „Un loup pour l’homme“. Was wie ein Spiel um Dominanz und Unterwerfung aussieht, entpuppt sich als subtiles Duett, das das menschliche Verlangen nach gegenseitigem Verständnis erforscht. „Un loup pour l’homme“ benutzt die Geschirre – die normalerweise von Zugpferden getragen werden – um die Seele des Menschen zu durchpflügen und die Zerbrechlichkeit persönlicher Beziehungen aufzudecken. „Cuir“ ist eine akrobatische Tour de Force bei der die Energie in jeder Sekunde auf’s Publikum überspringt.

Der flämische Akrobat Toon Van Gramberen setzt sich seit einigen Jahren mit dem alternden Körper auseinander. Sein Vater erklärte sich bereit, ihn in einem gemeinsamen Prozess zu begleiten. Er ist sechzig Jahre alt und hat keinerlei akrobatische Vorkenntnisse. Dies war der Anfang von „Carrying my father“, einem Bühnenstück, das mittlerweile vier Akrobaten und ihre Väter involviert. Begleitend zum Kreationsprozess von „Carrying my father“ entstand die Fotoausstellung, die einen intimen Einblick in den Probenprozess gibt.

Un loup pour l’homme: Cuir. Bild: © Edouard Barra

Maja Karolina Franke und Ralph Öllinger. Bild: © Claude Hofer

Acrobalance: Extreme Symbiosis. Bild: © Arts printing house

In the maze of your perception … Bild: © Kreusch & Salustri

Wenn der alternde Körper in den Mittelpunkt der akrobatischen Forschung gestellt wird, werden die Vorstellungen von körperlicher Virtuosität notwendigerweise dekonstruiert und neu definiert. So verschieben sich zwangsläufig auch Perspektiven auf den Körper des Akrobaten und auf die gesamte Disziplin. Der Dokumentarfilm „Vaders Dragen – Carrying fathers“ zeigt den Entstehungsprozess einer Zirkusproduktion in der sich vier Akrobaten die Bühne mit ihren Vätern teilen.

Das „Projet Grand Mère“ des Akrobaten Alexandre Fray, Mitglied von „Un Loup pour l’Homme“, untersucht die Geste des Tragens im Rahmen einer Recherche mit älteren Menschen: Tragen als Symbol des „Sich Kümmerns“. Es geht Fray darum, sich Zeit zu nehmen, miteinander in Beziehung zu treten, viel zuzuhören und eine Atmosphäre zu schaffen, die Vertrauen und Verbundenheit fördert. Dies ist die Basis für die Entwicklung einer gemeinsamen körperlichen Arbeit. Ziel ist das Finden einer Intimität, die von einer großen Zartheit durchdrungen ist. Gemeinsam mit älteren Frauen, welche nie oder selten getragen wurden, hinterfragt der Akrobat die Herausforderungen einer Disziplin, die vom Horizont der Höchstleistungen oft in den Schatten gestellt wird.

Was bedeutet es, sich den Gesetzen des Gleichgewichts und der Schwerkraft zu widersetzen, wenn Gelenke rosten und Muskeln schmelzen? Wie kann man „loslassen“, wenn der Körper dies verlernt um sich selbst zu schützen? Was bedeutet Virtuosität für den alternden Körper – kann auf einem Bein stehen mit 80 Jahren dasselbe Risiko kommunizieren wie ein Rückwärtssalto? Die Foto-Ausstellung „Projet Grand Mère“ dokumentiert die besonderen Begegnungen des Akrobaten mit Frauen im Alter von „Großmüttern“ von 2016 bis heute, die den Schritt ins Leere wagen und sich in die Luft heben lassen.

Arne Mannott, Choreograf, Zirkusperformer und Kurator, beschließt die Woche mit der Videoinstallation „circus“. Dafür wurden zehn Akteurinnen und Akteure verschiedenen Alters, verschiedener Herkunft und mit verschiedenen künstlerischen Hintergründen zu ihrer Sichtweise zu Zirkus befragt. Im Fokus der Interviews steht die Frage nach dem „Was ist eigentlich Zirkus?“ – und damit auch danach, wodurch sich die Kunstform Zirkus selbst definiert und welche besonderen Merkmale dabei zustande kommen. Die Porträtierten sind alle seit Jahren oder Jahrzehnten in der Zirkuskunst tätig und treten für dieses Video in einen ganz persönlichen Dialog mit sich selbst.

Mehr Infos und alle Termine: www.wuk.at

3. 11. 2021

Lilli Hollein wird die neue MAK-Chefin

April 26, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Die Designexpertin folgt auf Christoph Thun-Hohenstein

Lilli Hollein. Bild: © BMKÖS/HBF/Karlovits

Lilli Hollein wird mit 1. September Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Museums für angewandte Kunst Wien. Das gab Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer am Montagvormittag bekannt. Die 48-jährige Designexpertin war als Favoritin für die Nachfolge von Christoph Thun-Hohenstein genannt worden, dessen zweite Amtsperiode Ende August ausläuft.

Hollein hat „einerseits durch das breite Spektrum an Themen überzeugt und andererseits durch ihre klaren Ideen zur Öffnung des Hauses. Sie verfügt über die nötige Kompetenz, viel Erfahrung, Lebensfreude und eine hohe soziale Intelligenz. All diese Qualitäten sind für die Führung eines Bundesmuseums in der post-pandemischen Zeit wichtig“, so Mayer. Hollein stehe für Teamfähigkeit, ein dynamisches, mutiges Management, sei bestens vernetzt und genieße das Vertrauen der Kunstszene. Das MAK verfügt über einen Teil des Nachlasses von Holleins Vater, des Architekten Hans Hollein, angekauft von Kulturminister Josef Ostermayer, doch, so Andrea Mayer: „Ich bin der Meinung, es darf für hoch qualifizierte Töchter berühmter Väter keine beruflichen Nachteile geben“. Lilli Hollein ist außerdem die Schwester des Chefs des New Yorker Metropolitan Museum, Max Hollein.

Lilli (Karoline) Hollein wurde 1972 in Wien geboren, studierte an der Universität Wien Psychologie und danach an der Angewandten Industriedesign, wo sie mit ihrer Diplomarbeit „Variables Ausstellungssystem“ abschloss. Sie arbeitete als Fachjournalistin, war Projektmanagerin und Kuratorin für Architektur- und Designausstellungen für die Kunsthalle Krems, die Berliner Galerie Aedes und die Designzone Looshaus. 2007 war sie nach Ernennung durch Kulturministerin Claudia Schmied Kommissärin des Österreich-Beitrags auf der Architektur-Biennale Sao Paulo, wo sie die junge Architektengruppe „feld72“ präsentierte.

Sie gründete gemeinsam mit Tulga Beyerle und Thomas Geisler den Verein „Neigungsgruppe Design“ und die Vienna Design Week, die sie seit 2013 alleine leitet und die sich zu einer international vielbeachteten Initiative entwickelt hat, die zuletzt bei 200 Veranstaltungen an die 40.000 Besucherinnen und Besucher zählte. 2017 wurde sie Mitglied des Kuratoriums des Museums moderner Kunst Sammlung Ludwig/mumok, eine Funktion, die sie nun zurückgelegt, und Anfang 2020 Kuratoriumsvorsitzende des MAK, eine Aufgabe, die sie bereits im Jänner abgab. Dem Standard sagte sie dazu, mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einer für 2022 geplanten großen Hans-Hollein-Ausstellung im MAK seien der Grund dafür.

Nächste Ausstellung des Hauses ist mit Eröffnung am 8. Mai „Erwin Wurm. Dissolution“, die erstmals die Keramik-Skulpturen der Serie im musealen Kontext zeigt und gleichzeitig der Startschuss für den neuen MAK-Ausstellungsort, das als Expositur geführte Wiener Geymüllerschlössel ist.

www.mak.at

26. 4. 2021