Volksoper: Brigadoon

Dezember 2, 2019 in Klassik

VON MICHAELA MOTTINGER

Schottisches Märchen von schönster Herzenswärme

Eine Sternstunde für das Wiener Staatsballett, das Orchester und Chor und Jugendchor der Volksoper Wien. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Keine Sorge, wenn die Sache, und davon ist auszugehen, so hervorragend läuft, wie vergangene Saison die konzertante Aufführung von „Porgy and Bess“, wird das Haus sicher bis Februar weitere Vorstellungen ansetzen. Der Vorschlag wäre rund um den Valentinstag, weil: da reingehen mit der Liebsten, und die ist hin und weg und auf ewig dein … Gestern hatte an der Volksoper der erste große Musicalerfolg

des genialen Duos Frederick Loewe und Alan Jay Lerner Premiere, „Brigadoon“, auf den bald die noch gigantischeren von „My Fair Lady“ oder „Gigi“ folgen sollten, halbszenisch und dies ist kaum zu glauben – als österreichische Erstaufführung. Ein Glück also, dass Direktor Robert Meyer die in den schottischen Highlands angesiedelte Liebesgeschichte nun für sich und damit auch fürs Publikum entdeckt hat, strotzt doch das wundersame Märchen nicht nur vor wunderbaren Melodien, sondern platzt auch vor Romantik aus allen Nähten.

Mit der gemäßer Herzenswärme gehen die Mitwirkenden an die Story heran, Dirigent Lorenz C. Aichner, der die Seinen mit Schwung und Sinn für Swing durch Loewes Evergreens leitet, Regisseur Rudolf Klaban, Choreograf Florian Hurler und das Wiener Staatsballett, die mit Verve die Bezeichnung des Abends als halbszenisch ad absurdum führen. Klaban holt mit Hintergrundbildern reetgedecktes Dorfidyll, purpurfarbenes Heidekraut, Castle-Ruinen und bemooste Wälder auf die Bühne, davor das Orchester und der wie stets von Thomas Böttcher fabelhaft vorbereitete Chor, davor die Solisten und vier Tanzpaare, Lassies und Lads in Scots-Tracht samt Tartan.

Jeffrey Treganza als Jeff Douglas und Jessica Aszodi als Meg Brockie. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Oliver Liebl als sinistrer Harry Beaton beim Sword Dance. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Ben Connor als Tommy Albright und Rebecca Nelsen als Fiona MacLaren. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Wobei bei den schnellen, kraftvoll gesprungenen Reels und Stately Steps kein Zweifel darüber bleibt, was die Herren unterm Kilt tragen. Auf 581 Vorstellungen am Broadway, auf 685 in London West End hat es „Brigadoon“ sofort in Serie gebracht, bekannt ist die Vincente-Minnelli-Verfilmung mit Gene Kelly, der 1954 den New Yorker Touristen Tommy Albright verkörperte, der sich mit seinem Freund Jeff Douglas im schottischen Middle of Nowhere verirrt – und auf den im Wortsinn zauberhaften Ort stößt, der, weil nur alle hundert Jahre für einen Tag zum Leben erweckt, auf keiner Landkarte verzeichnet ist.

Der österreich-stämmige Loewe hatte sich an die alte Sage „Germelshausen“ von Friedrich Gerstäcker erinnert, Lerner die verwunschene Siedlung Zweiter-Weltkriegs-bedingt in den Norden der britischen Inseln verlegt und sie nach den Burns-Balladen über die Brig o‘ Doon benannt. An der Volksoper singt und spielt der australische Bariton Ben Connor den Tommy, überhaupt weist der in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln und Texten von Erzähler und Barkeeper Christoph Wagner-Trenkwitz gestaltete Abend eine hohe Zahl an Native Speakers auf, so etwa die texanische Sopranistin Rebecca Nelson als jene Fiona MacLaren, in die sich Tommy selbstverständlich unsterblich verliebt, und den wie sie aus den USA stammenden Tenor Jeffrey Treganza als Jeff.

Die australische Mezzosopranistin Jessica Aszodi, die als temperamentvoll-verrückte Meg Brockie am armen Jeff ihren Hang zum Männerfang austobt, gibt mit der Rolle ebenso ihr Hausdebüt, wie der britische Tenor Peter Kirk als Charlie Dalrymple, Fionas jüngerer Schwester Jean MacLarens Verlobter. Das neue Ensemblemitglied Lauren Urquhart ist als Tommys zickige Upper-Class-Verlobte Jane Ashton zu erleben; ihr schottischer Großvater Doug Urquhart hat mit der Truppe die rrrichtige Aussprache trainiert. Und apropos, rrrichtig: Schon im Foyer erwarten die Dudelsack-Spielerinnen Irmgard Foglar und Saskia Konz und Trommlerin Julia Nusko die Zuschauer, um sie mit ihren Great Highland Bagpipes und der Scottish Snare Drum in die passende Stimmung zu bringen; später werden die drei Musikerinnen den Funeral Dance von „Maggie“ Mila Schmidt begleiten.

Lauren Urquhart als Jane Ashton, Erzähler Christoph Wagner-Trenkwitz und Ben Connor als Tommy Albright. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Rebecca Nelsen als Fiona MacLaren, Jessica Aszodi als Meg Brockie und der Jugendchor des Hauses. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Peter Kirk hat als Bräutigam Charlie Dalrymple den schönsten Love Song des ganzen Musicals zu singen. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Maximilian Klakow, Jessica Aszod, Vernon Jerry Rosen, Jakob Semotan, Rebecca Nelsen und Juliette Khalil. Bild: © Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Und apropos, Dance: Auch Juliette Khalil als Jean, Jakob Semotan als Stuart Cameron oder Maximilian Klakow als Sandy Dean wirbeln mit den Profis Round-the-Room, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten, allen voran Oliver Liebl, der als sinistrer Harry Beaton durch den Sword Dance turnt, als wäre er für derart Folklore zur Welt gekommen. Punkto Performance bleibt kein Wunsch offen und kein Auge trocken, Ben Connor und Rebecca Nelsen singen gemeinsam hinreißend den Riesenhit „Almost Like Being in Love“ und „The Heather on the Hill“, Peter Kirk ganz großartig den Ohrwurm „I’ll Go Home with Bonnie Jean” und den schönsten Love Song des Musicals „Come to Me, Bend to Me”.

Jessica Aszodi macht aus „The Love of My Life“ und „My Mother’s Wedding Day“ zwei gesangliche Kabinett- stücke, ein tödlicher Unfall passiert, Tommy und Jeff kehren zurück an die Ostküste, Tommy natürlich tod- unglücklich – und die Frage ist, ob die Liebe Raum und Zeit überwinden kann, die zu beantworten das Ensemble dieser rundum gelungenen Produktion am Mittwoch wieder zusammenkommt. „Brigadoon“ an der Volksoper, das ist sehr viel Sentiment, ein wenig Schottland-Satire und lyrische Stimmungsbilder, noch mehr fantastische Songs und die überbordende Spielfreude aller Beteiligten. In einem Satz: Ein Highland-Ausflug, der sich lohnt.

Einführung: www.youtube.com/watch?v=84WDhdOgjSU           www.youtube.com/watch?v=DjxKsMi4D5E           Probeneinblicke: www.youtube.com/watch?v=yum73XNvZ9E           www.volksoper.at

  1. 12. 2019

Der Hauptmann

Juni 7, 2018 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Eine mörderische Köpenickiade

„Hauptmann“ Willi Herold (Max Hubacher) mit seinen Untergebenen Freytag (Milan Peschel) und Kipinski (Frederick Lau). Bild: © Julia M. Müller

Zweiter Weltkrieg, 1945, Deutschland. Trompetenkakophonie zur Menschenjagd. Die eigenen Leute verfolgen einen desertierten Soldaten. Dem gelingen Verstecken und Flucht, bevor er in einem stehengelassenen Dienstfahrzeug eine Hauptmannsuniform findet. In wenigen Minuten mutiert der ausgehungerte, entkräftete Willi Herold vom Gehetzten zum Aufhetzer.

Nichts erstaunt ihn selber mehr, aber als dann noch der von seiner Truppe getrennte Freytag demütig vor ihm setzt, um sich dem neuen Kommandanten anzuschließen, ist die Tarnung perfekt. Mit strammen Befehlston lässt sich Herold nun von seinem eben rekrutierten Untergebenen chauffieren. So beginnt Regisseur Robert Schwentkes in schwarzweißen Bildern gehaltener Antikriegsfilm „Der Hauptmann“, der am Freitag in die heimischen Kinos kommt. Die mörderische Köpenickiade ist über weite Strecken eine wahre Geschichte. Der 19-jährige Rauchfangkehrerlehrling Herold wurde dank Dienstgraderschwindelung vom einfachen Gefreiten zum „Henker vom Emsland“. Schauspieler Max Hubacher stellt das glaubhaft dar, wenn er sein in Todesangst verzerrtes Gesicht zur kühlen „Herrenmenschen“-Miene gefrieren lässt. Kleider machen Mörder. Wenig später schon ist Herold ein Kriegsverbrecher.

Auf seiner Fahrt durchs kriegsgebeutelte Nirgendwo liest der Scharlatan immer mehr Soldaten auf, angeblich von ihren Einheiten versprengt, in Wahrheit aber Deserteure wie er selbst, die angesichts des Hauptmanns die Flucht nach vorne antreten. Bald ist die Leibgarde, später das Schnellgericht Herold zusammengestellt. Frederick Lau brilliert als Gegenspieler Kipinski, der Herold zu durchschauen droht, und doch lieber den Mund hält, weil ihn der Hasardeur mit den Drahtseilnerven seinen Sadismus ausleben lässt. Großartig wie Laus Kipinski sowohl latente Befehlsverweigerung als auch Bewunderung für Hubachers Herold und dessen Chuzpe ins Gesicht geschrieben steht.

SA-Mann Schütte (Bernd Hölscher) will das Kommando über das Lager. Bild: © Julia M. Müller

„Bunter Abend“: Herold (Max Hubacher), Gerda (Britta Hammelstein), Schütte (Bernd Hölscher) und Kabarettist Kuckelsberg (Samuel Finzi). Bild: © Julia M. Müller

„Die Lage ist immer das, was man daraus macht“, ist Herolds Leitspruch. Um die Mägen voll zu bekommen, lügt er einem Gastwirt etwas von Entschädigungszahlungen für die erlittenen Plünderungen durch Fahnenflüchtige vor, bald aber steht’s an, das erste Todesurteil zu sprechen und zu vollstrecken. Dies der Moment der vollkommenen Entmenschlichung. Ein Regime, das auf Angst und Terror fußt, sagt Schwendtke, macht solche Situationen, in denen niemand nachdenkt, keiner hinterfragt, und so das nicht einmal besonders raffinierte Blendwerk gelingen kann, erst möglich.

Herolds Wagemut wächst, auf Widerstand stößt er nicht. So gelangen er und seine Mannen ins Strafgefangenenlager Aschendorfermoor, wo Diebe und Deserteure auf ihre Hinrichtung warten. Und weil vom „von ganz oben / Führerbefehl“ gesandten Offizier eine Direktive bezüglich der aus allen Nähten platzenden Baracken erwartet wird, schlägt die Befehlsgewalt mit aller Macht zu. Mehr als 100 Häftlinge haben der reale Herold und seine Leute in acht Tagen brutal erschossen. In von ihnen selbst ausgehobenen Gruben und bei perversen „Bunte-Abend“-Spielen.

Ein nazideutsches Militärgericht ließ den machttrunkenen „Rächer der deutschen Ehre“ zunächst laufen, „weil das Land derzeit so durchsetzungsstarke Männer braucht“, erst die Briten richteten Herold 1946 schließlich hin. Schwendtke zeigt das Lager als hierarchisch bestimmten Behördendschungel, in dem die Rechte nicht weiß, was die Rechte tut. Bernd Hölscher als SA-Mann Schütte und Waldemar Kobus als Lagerleiter Hansen matchen sich um Kompetenzen, wichtig ist, dass man fürs Massaker eine schriftliche Bewilligung von der Justizbehörde hat, schließlich will man alles, nur keine verwaltungstechnische „Sauerei“. Samuel Finzi als duckmäuserischer Kuckelsberg und Wolfram Koch als ehrenhafter Schneider geben zwei inhaftierte Kabarettisten, die beim Schergenvergnügen wenig erfolgreich um ihr Leben spielen. Britta Hammelsteins Schütte-Verlobte Gerda will zum Spaß nämlich auch einmal schießen.

Das Schnellgericht Herold zieht durch Görlitz. Bild: © Julia M. Müller

Kameramann Florian Ballhaus hat für diese letzten Tage der Hitler-Herrschaft Endzeitstimmungsbilder gefunden. An drastisch gezeigten Gräueln wird der Zuschauer nicht geschont, am heftigsten die minutenlange Erschießungsszene der Gefangenen und die Sequenz, in der Schütte schlussendlich von einer britischen Fliegerbombe effektvoll zerfetzt wird. Ein wenig zu holzhammrig fällt das Ende der Geschichte aus:

Da ist das Schnellgericht Herold nämlich im Heute angelangt, in Görlitz, wo es Passanten drangsaliert und ihnen Wertgegenstände abnimmt. Ein „Er ist wieder da“-Einfall, der nicht notwendig gewesen wäre, um zu verdeutlichen, dass die Ewiggestrigen immer noch fröhliche Urständ feiern. „Der Hauptmann“ wäre auch ohne diesen expliziten Querverweis als Film stark genug.

www.derhauptmann-film.de

  1. 6. 2018

Gerhard Polt: Und Äktschn!

Januar 31, 2014 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Arthouse Kino aus der Garage

Maximilian Brückner, Gerhard Polt, Robert Palfrader, Robert Meyer, Gisela Schneeberger, Prashant Prabhakar Bild: Filmbäckerei

Maximilian Brückner, Gerhard Polt, Robert Palfrader, Robert Meyer, Gisela Schneeberger, Prashant Prabhakar Bild: Filmbäckerei

„Die haben doch im Bunker auch improvisieren müssen.“ Genau. Was also sollte Vollamateur Hans A. Pospiech aufhalten, seine „Hitler privat“-Spieldoku zu drehen? Schließlich sieht er sich als Aufdecker à la Michael Moore. Ist wie das Vorbild kompromisslos der Wahrscheinlichkeit der Wahrheit verpflichtet. Und weiß: „Der Mensch stirbt, aber der Film bleibt.“ Ab 6. Februar haucht Gerhard Polt diesem letzten Kinosaurier, der sich über Wasser hält, indem er Zweite-Weltkriegs-Memorabilien aus dem Nachlass seines Vaters verscherbelt (pro Stalinorgel-Pumperer 50 Euro), in „Und Äktschn!“ Leben ein. Der jüngste Streich des bayerischen Vollkabarettisten kommt so amüsant-„amateurhaft“ daher – ein echter Pospiech eben -, so entschleunigt, so grenzenlos in seiner „Beschränktheit“, dass es die reine Freude ist. Ein Kultfilm über einen Film, der Kult werden muss. Arthouse Kino aus der Garage. Denn dort schnippelt Pospiech an seinem Meisterwerk.

Noch ein Hitler-Film also. Satire übers Dritte Reich sells. „Ich finde, man sollte Hitler nicht nur kaputt reden, sondern auch -spielen und -recherchieren“, sagt der britischösterreichische Regisseur Frederick Baker im Interview. „Der Mann las Karl May als Inspiration, wenn es um militärische Führung ging! Er schickte Winnetou-Ausgaben an seine Generäle an der Front. Hitler war ein richtiger Provinzler und ist es bis zuletzt geblieben. Die Wahrheit ist, je näher man an ihn ran kommt, desto provinzieller, absurder und witziger wird er. Humor ist eine wahre Wunderwaffe. Das wusste Hitler auch, denn auf Hitler-Witze stand die Todesstrafe. Auch im Namen aller, die für ihre Hitler-Witze starben, ist es wichtig, dass wir diese ‚wehrkraftzersetzende‘ Tradition fortsetzen.“ – „Frederick Baker, meinem Co-Autor und Freund wurde klar, dass zum Beispiel in dem Film ‚Der Untergang‘ auch unterging, wie so ein Mensch entstehen konnte. Das Alpha fehlte, nicht das Omega“, ergänzt Gerhard Polt mit tiefstem Ernst dazu. Nach der Lektüre der Bücher von Historiker Werner Maser habe er erkannt, dass er sein Hitler-Bild über Bord werfen könne: „Gänzlich neu war mir die Information, dass es sich bei Herrn Hitler anscheinend um einen durchaus sympathisch daherkommenden Mann gehandelt haben muss, der eindrucksvoll parlierend vor allem die Damenwelt der Münchner Gesellschaft entzückt hat und so in die ‚High Society‘ der Stadt gelangen konnte. Für mich ergab sich daraus der Verdacht, dass die sympathischen Zeitgenossen die oft gefährlicheren sind, weil sich ihnen die Wege leichter ebnen als ihren Kollegen, den Unsympathen.“

Den Gröfaz (größter Führer aller Zeiten, Frederick Baker liebt diese Abkürzung) spielt Volksopernchef Robert Meyer. Ein Schallplattenladenbesitzer, ein Laie, denn der Adolf Hitler war auch kein Profi. Große Kunst, wie Meyer mit „ungekünstelter Echtheit“ versucht, dem Original so wenig wie möglich nahe zu kommen. Man will dem Oarschloch schließlich kein Denkmal setzen. Pospiech-Polt lässt seinen Hauptakteur alle Qualen eines Darstellers wider Willen durchleiden. Und siehe da: Je unhitlerischer der zu werden versucht, desto ähnlicher wird er ihm. Wunderbar eine Konditoreiszene mit Gisela Schneeberger, in der Meyer eine Prrrinzrrregententorrrte bestellt. Darauf sie: „Aber Adi! Der Datschi is ganz frisch!“ So einen Hitler braucht der deutsche Film. Schneeberger, Polts wie immer kongeniale Filmpartnerin, mutiert als Wirtin Frau Grete zum Fräulein Eva Braun. Frau Grete ist nicht nur hinter der Schank eine, die weiß wo’s langgeht, sondern auch vor der Kamera. Mit strenger Hand und schriller Stimme dirigiert sie die anderen durch die Untiefen der Drehtage. Ein Kabinettstück der bayerischen Kabarettistin. Lobt auch Gerhard Polt: „Fred Baker und ich wollten visualisieren, mit welcher Hingabe Dilletanten das angeblich Seriöse zur Aufführung bringen. Wenn Gisela Schneeberger die Eva Braum spielt, kommt sie in ihrer Harmlosigkeit der geschichtlichen Person wahrscheinlich viel näher als andere noch so ehrenwerte Bemühungen.“

Harmlos ist an Polts Film eigentlich nichts. Nur versteckt hinter bayerisch-österreichischer G’mütlichkeit. Des bissl Alltagsfaschismus/ – rassismus. Die Erklärung, dass der indische Ober kein Neger ist, aber doch auch dunkel. Und trotzdem zum Goebbels geeignet, weil erstens: Bollywood und zweitens: Von denen stammt’s Hakenkreuz. Ja, das ist alles eh so bös‘ gemeint, wie’s klingt. Polt macht das Publikum durch In-die-Kamera-Sprechen zum Komplizen seiner Farce. Er befindet sich im Delirium der Dilettanz. Seine hingestotterten Halbsätze sind von einer Brillanz, die man ein Zeitl behirnen muss, um zu ihrem Kern vorzudringen.

Sein Ensemble ist auf Augenhöhe: Maximilian Brückner als fauler Neffe und Kameramann. Nikolaus Paryla als vor Ekel geschüttelter Cineast. Der Filmklubchef ist ein Naderer, „der Würstlverkäufer, der windige“. „Der filmt gegen die ganze Welt an“, fürchtet er sich vor Pospiech. Michael Ostrowski als schleimig-smarter Sparkassen-Filialleiter. Viktor Giacobbo als immer noch gestriger „historischer Berater“. Robert Palfrader als textloser „Bormann“ und Thomas Stipsits als osteuropäischer Handwerker. Beide haben zwar nur Kurzauftritte, aber vom Feinsten. „Dürft ich etwas sagen?“, fragt Palfrader-Bormann. Nein. Dafür Erni Mangold, die mit ihrem Foxl zum Blondie-Casting kommt. Weil, der ist eine starke Persönlichkeit, der spielt jeden Schäferhund. Als Pospiech doch auf Reinrassigkeit besteht, schimpft sie ihn Neonazi. „Obwohl, für an Neonazi san’S z’alt.“ Das alles ereignet sich zum verpopt-verfremdeten Wagner’schen Nibelungen Tod, Lichtstimmung: Ragnarök. Und geht in allgemeiner Hitlerei unter. Das 1000-jährige Reich darf sich jedenfalls als entlarvt betrachten. Das ist Gerhard Polts meisterliches Ver-Sprechen.

www.undaektschn.at

Trailer: www.youtube.com/watch?v=FOcZCJcUmx4

Wien, 31. 1. 2014