Queerfilmfestival/Slash. Festival des fantastischen Films

August 28, 2022 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER-MEHMOOD

Männer, Musical und unheimliche Mütter

Rex Gildo – Der letzte Tanz. Plakat: © missingFILMs Verleih

Vom 8. bis 14. September findet mittlerweile zum dritten Mal das Queerfilmfestival im Votiv Kino und Kino de France statt. In Kooperation mit der Buchhandlung Löwenherz und der Edition Salzgeber werden wieder die besten queeren Filme des Jahres gezeigt. Zur Eröffnung des Festivals hat „Peter von Kant“ von François Ozon, der Eröffnungsfilm der Berlinale 2022, seine Österreich-Premiere. Das ist aber nicht das einzige Festival-Highlight:

Mit dabei ist auch „Rex Gildo – Der letzte Tanz“, der erstmalig in einem österreichischen Kino zu sehen sein wird (Filmstart: 29. 9., Trailer: www.youtube.com/watch?v=O0KVsyZC-6Y ), außerdem zahlreiche internationale Produktionen wie der israelische „Der Schwimmer“, zu sehen am 10. 9., Trailer: www.youtube.com/watch?v=8u7bLo2IPQI, oder der finnische „Girls Girls Girls“ am 12. 9.

Einen Blick in die queere Filmgeschichte wird mit Ozons Klassiker „Tropfen auf heiße Steine“ geworfen, zu sehen am 9. 9. auf 35mm, und mit Fred Halsteds „L.A. Plays Itself“ aus dem Jahr 1972, zu sehen am 10.9.

Mit Spannung erwartet werden darf auch „Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?“, ein Film von Mohammad Shawky Hassan: Auf Basis seines eigenen Liebestagesbuchs erschafft Hassan eine metareflexive queere Variante von „Tausendundeine Nacht“: Ein nicht-heteronormatives Musical, das arabische Volkssagen mit ägyptischer Popmusik kombiniert und Lieder und Gedichte multimedial zu neuer, leuchtender Entfaltung bringt. Sein Film, betitelt nach Shakespeares 18. Sonett, entwirft nicht weniger als einen überzeitlichen Safe Space, in dem persönliche und kollektive Erinnerungen mit unseren gegenwärtigen Hoffnungen und Träumen zusammenklingen. Trailer: www.youtube.com/watch?v=DsmveLmRq4E

Der Schwimmer. Bild: © Ingenue Productions

L.A. Plays Itself – The Fred Halsted Coll. Bild: © Eight of Clubs

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen? Bild: © Tarea Fina

The Schoolmaster Games. Bild: © Northern Fable

Auch zahlreiche Gäste haben sich angekündigt, darunter die Regisseurin Eva Beling („Vorurteil und Stolz“ 8. 9.), Regisseurin Ylva Forner („The Schoolmaster Games“ 9. 9., Trailer: www.youtube.com/watch?v=ioqU06V1jF4), Regisseur Adam Kalderon („Der Schwimmer“ 10. 9.) und Schauspieler Kilian Albrecht („Rex Gildo“13. 9.). Das ganze Programm des Queerfestivals hier: QFF-Programm

.

Slash – Festival des fantastischen Films

Das Slash findet 2022 von 22. September bis 2. Oktober statt. Eröffnen wird das Slash heuer Andrew Semans‘ „Resurrection“, ein dunkler Psychothriller, in dem eine junge, erfolgreiche Frau, gespielt von Rebecca Hall, vom Schrecken der Vergangenheit eingeholt wird. Die Eröffnungsnacht wird wie immer im Gartenbaukino und natürlich begleitet von Live-DJ-Musik und viel guter Laune stattfinden.

Von Sundance nach Cannes bringt das Publikum Ruben Östlunds „Triangle Of Sadness“, der bereits zweite Palme d’Or-Gewinnerfilm des schwedischen Regisseurs: Darin bringt ein Schiffsunglück etablierte Hierarchien gehörig ins Wanken. Ebenfalls in Cannes – in der Kategorie Un Certain Regard – gezeigt wurde die norwegisch-schwedische Produktion „Sick Of Myself“ von Kristoffer Borgli, in der der Narzissmus zweier Freunde ein zutiefst verstörendes Level erreicht.

Wie jedes Jahr wird auch heimischen Genrefilmen eine Bühne geboten: In Paul Ertls „Der Riss“ mit Berta Kammer, Philipp Hochmair, Markus Schleinzer und Eva Maria Marold nimmt das Unheimliche Einzug ins traute Eigenheim: Frau Pospisil lebt allein in einer Wiener Altbauwohnung. Die zunehmende Vergesslichkeit der älteren Dame nimmt ihr Sohn zum Anlass, ihr den Umzug in ein Pflegeheim nahezulegen. Doch dann tut sich plötzlich ein Riss in einer Wand ihrer Wohnung auf, durch den etwas in Frau Pospisils Welt dringt, das ihr Leben für immer verändern wird. Paul Ertls hocheffizienter und bildschöner Film ist eine psychologisch unterfütterte Gruselminiatur in Mittellänge, die sich in eine so lässige wie originelle wie sanft verstörende Utopie wandelt und letztlich auch wuchtiges Plädoyer für die Autonomie älterer Menschen ist.

Alice Marie Wolfszahns „Mater Superior“ mit Isabella Händler, Inge Maux, Jochen Nickel und Tim Werths beleuchtet in schaurigen Bildern die Nähe von Faschismus und Esoterik. 1975: Sigrun tritt in der Villa Rosenkreuz, einem ausladenden Anwesen, ihre Stelle als Betreuerin der exzentrischen Baroness Heidenreich an. Während die junge Frau dort auf Spuren ihrer Herkunft stößt, ist die kinderlose Adelige auf der Suche nach einer Nachfahrin bereit, dafür bis zum Äußersten zu gehen. Regisseurin Wolfszahn gelingt mit ihrem ersten Spielfilm eine in der Gothic-Tradition verwurzelte Schauerminiatur: Schwebeteilchen der Vergangenheit gleiten durchs museale Gemäuer, in dem sich Faschismus und Esoterik verzahnen, auf dass die unheiligsten Gespenster angerufen werden können. Slash übernimmt die Weltpremieren der beiden österreichischen Produktionen.

Der Riss. Bild: © Paul Ertl

Mater Superior. Bild: © 2022 Crocodilopolis. All rights reserved.

Pussycake. Bild: © Donaufilm

Saloum. Bild: © Lacmé Studios/Rumble Fish Productions

In einem Sonderscreening werden die ersten beiden Episoden der neuen Staffel von Lars von Triers Kult-Krankenhausserie „The Kingdom Exodus“ aus den Neunzigern gezeigt. Ein Wiedersehen mit Stig Helmer, Frau Drusse und Co gibt es zwar nicht, der Fluch, der auf der Kopenhagener Klinik lastet, sorgt aber einmal mehr für mächtig bizarre Szenen.

Neben den vielen prestigeträchtigen Festivalhits dürfen natürlich auch einige wildere Beiträge im Programm nicht fehlen: Der belgische Regisseur Karim Ouelhaj lässt in seiner kontroversen Blutorgie „Megalomaniac“ ein besonders brutales Geschwisterpaar sein Unwesen treiben. In „Deadstream“ schicken die beiden Regisseure Vanessa Winter und Joseph Winter ihren Protagonisten, gespielt von Joseph Winter selbst, auf eine ungustiöse Haunted-House-Tour. Und im argentinischen Splatterfest „Pussycake“ muss sich eine Girl-Rockband gegen Gift spuckende Zombies verteidigen. Kurzerhand greifen die Mädchen zu allem, was sich als Waffe eignen könnte und nehmen den Kampf auf … Trailer: www.youtube.com/watch?v=LNu_YO_tHa0

www.mottingers-meinung.at – Filmtipp:

„Saloum“ ist ein Krimi-Horror-Fantasy-Southern von Jean Luc Herbulot aus dem Senegal und der Demokratischen Republik Kongo. Teilweise wird Wolof gesprochen. Inhalt: Während sich im Jahr 2003 vor ihren Augen in Guinea-Bissau ein Staatsstreich ereignet, wollen Chaka, Rafa und Minuit, ein Trio, das als Banguis Hyänen bekannt ist, den Drogenboss Felix ausfindig machen. Als bei der Flucht ihr mit einer Menge Gold beladenes Flugzeug eine Kugel abbekommt und der Treibstofftank ausläuft, müssen sie am Sine-Saloum-Delta notlanden. Ein „freundlicher“ Mann namens Omar bietet ihnen in seinem Ferienrefugium Zuflucht …

„Saloum“ mixt Italo-Western und Full-Tilt-Monsterfilm zu einer spannenden, eindeutig afrikanischen Geschichte. Es gibt im afrikanischen Kino nicht viel Vergleichbares. Am beeindruckendsten ist Herbulots Fähigkeit, die Geschichte stetig voranzutreiben, während er den Ton vom Action-Thriller zum stimmungsvollen Krimi über gruseligen Folk-Horror und wieder zurück wechselt. Hauptdarsteller Yann Gael strotzt in der Rolle des Anführers Chaka nur so vor Charisma und Pathos; die Chemie mit seinen Partnern Rafa und Minuit lässt eine Fortsetzung wünschen. Originell und bloody cool! Trailer: www.youtube.com/watch?v=JmnrrPqsOgw

www.votivkino.at/festival/queerfilmfestival          slashfilmfestival.com

  1. 8. 2022

Filmmuseum: Let’s Spend the Night Together

Juni 26, 2022 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Musikfilme aus den Jahren 1908 bis 2021

The Rolling Stones: Let’s Spend the Night Together, 1982, Hal Ashby, Bild: © Filmarchiv Austria

Lange musste das Publikum in den vergangenen zwei Jahren aufs Kino, aber noch länger auf Konzerte, Tanz- und Musikveranstaltungen verzichten, und das, obwohl es Musik auf eine einzigartige Art und Weise schafft zu bewegen, die Körper und Herzen der Menschen im selben Rhythmus schwingen zu lassen und über alle Sprachbarrieren hinweg Kulturen zu verbinden. Das Österreichische Filmmuseum widmet deshalb sein diesjähriges Sommerprogramm von 1. Juli bis 7. August der universellen Magie von Musikfilmen.

Mit Dokumentarfilmen zu Personen, Persönlichkeiten und Ikonen der Musikgeschichte wie „U2: Rattle and Hum“ (US 1988), „Let’s Spend the Night Together“ (US 1982) über die Rolling Stones, „Madonna: Truth or Dare“ (US 1991), „Jimi Hendrix“ (US 1973) oder „Metallica: Some Kind of Monster“ (US 2004) sowie Musical-Klassikern wie“Singin’ in the Rain“ (US 1952) oder „Gentlemen Prefer Blondes “ (US 1973) mit Marilyn Monroe zeigt das Österreichische Filmmuseum  Filme aus eigener Sammlung, die die Festivalsaison hochleben lassen und jedes Film- und Musikfreakherz aus dem Ruhemodus bringen werden.

Metallica: Some Kind of Monster, 2004, Joe Berlinger, Bruce Sinofsky. Bild: © Österreichisches Filmmuseum

Madonna: Truth or Dare, 1991, Alek Keshishian. Bild: © Österreichisches Filmmuseum

The Beatles: A Hard Day’s Night, 1964, Richard Lester. Bild: © Österreichisches Filmmuseum

Buena Vista Social Club, 1999, Wim Wenders, Bild: Filmarchiv Austria

Singin‘ in the Rain, 1952, Gene Kelly, Stanley Donen, Bild: Deutsche Kinemathek

Fred Astaire und Ginger Rogers: Swing Time, 1936, George Stevens. Bild: © Österreichisches Filmmuseum

Weitere Highlights aus dem Programm

„Buena Vista Social Club“ von Wim Wenders 1999, „Chuck Berry – Hail! Hail! Rock ’n‘ Roll“ von Taylor Hackford 1987, „Die 3-Groschen-Oper“ von G. W. Pabst 1931, „The Beatles: Gimme Shelter“ von Albert und David Maysles 1970, „Meet Me In St. Louis“ von Vincente Minnelli mit Judy Garland 1944, „On connaît la chanson“ von Alain Resnais mit Jane Birkin 1997, und last, bust not least: „Rust Never Sleeps“ von und mit Neil Young 1979.

Films You Cannot See Elsewhere. Amos-Vogel-Atlas 9: Sound & Vision

Parallel zum Musikfilm-Sommerprogramm widmet sich am 21. und 22. Juli auch der Amos-Vogel-Atlas der filmischen Beschäftigung mit Musik, legt den Schwerpunkt aber auf die kurze Form. Denn gerade im Kurzfilmbereich sind in der Filmmuseum-Sammlung selten gezeigte Kleinodien mit unterschiedlichsten Arten von Musikbezug zu finden: Die Bandbreite reicht vom ultrararen ersten Dokument der Band Velvet Underground beim Proben bis zu Meisterwerken des Avantgardekinos, die ihrer Bilderstürmerei durch Verwendung von Pop oder klassischer Musik zusätzliche Dimensionen verleihen (wie Warren Sonberts „Friendly Witness“); von Animationskomödien (ob entfesselte Opernparodie bei Chuck Jones oder minimalistische Merkwürdigkeit bei Nicolas Mahler) bis zum ungewöhnlichen Musikvideo.

Der Ball, 1982, Ulrich Seidl. Bild: © Ulrich Seidl Film Produktion

Happy End, 1982, Peter Tscherkassky. Bild: © Österreichisches Filmmuseum

Invocation of My Demon Brohter, 1969, Kenneth Anger. Bild: © Österreichisches Filmmuseum

Suspiria, 1977, Dario Argento. Bild: © Österreichisches Filmmuseum

Dieses weitere Kapitel des Vogel-Atlasses versucht ganz im Sinne seines Namensgebers, völlig verschiedenartigen Zugänge zusammenzubringen: als konzisen Überblick der reichen kinematografischen Möglichkeiten, mit Musik umzugehen, aber auch als herausfordernde Gegenüberstellung von völlig gegensätzlichen Arbeitsmethoden. Vom politischen Einsatz und den Projektionswirkungen der Musik in den Transatlantischen Beziehungen“ des ersten Programms bis zu ihrer Verwendung als gleichwertiges Gestaltungsmittel für einen rauschhaften audiovisuellen Horror-Trip in Dario Argentos „Suspiria“ – der als abendfüllender Spielfilm nochmal eine ganz andere Perspektive bietet.

www.filmmuseum.at

26. 6. 2022

Ulrich Seidl: Im Keller

September 19, 2014 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Zwei ÖVP-Gemeinderäte treten wegen des Films zurück

Bild: © Stadtkino Filmverleih

Bild: © Stadtkino Filmverleih

Die Österreicher haben mit ihren Kellern eine besondere Beziehung. Wusste Ulrich Seidl. Und schaute sich in den heimischen um. Sein neuer Film „Im Keller“, ab 26. September in den Kinos, handelt von Menschen und Kellern und was Menschen in ihren Kellern in der Freizeit tun. Er handelt von Obsessionen. Von Blasmusik und Opernarien, von teuren Möbeln und billigen Herrenwitzen. Von Sexualität und Schussbereitschaft, Fitness und Faschismus, Peitschenschlägen und Puppen. Nach seiner großangelegten Paradies-Trilogie kehrt Ulrich Seidl zur dokumentarischen Form zurück. Mit den für ihn typischen Tableaus ist „Im Keller“ ein Filmessay, tragisch und komisch: eine Nachtmeerfahrt durch das Souterrain österreichischer Seelen.

„Der Keller ist in Österreich ein Ort der Freizeit und der Privatsphäre. Viele Österreicher verbringen mehr Zeit im Keller ihres Einfamilienhauses als im Wohnzimmer, das oftmals nur zu Repräsentationszecken dient. Im Keller gehen sie ihren eigentlichen Bedürfnissen nach, ihren Hobbys, Leidenschaften und Obsessionen. In unser aller Unterbewusstsein ist der Keller aber auch ein Ort der Dunkelheit, ein Ort der Angst, ein Ort der menschlichen Abgründe“, sagt Ulrich Seidl.

Die erste Erregung zum Film gibt es auch schon: In einer Szene sieht man fünf Männer in Tracht, die in Marz mitten in einem Keller voller Nazi-Devotionalien sitzen. Zwei der Männer sind ÖVP-Gemeinderäte. Am Freitag verkündete der Marzer Bürgermeister den Rücktritt der Gemeinderäte. http://burgenland.orf.at/news/stories/2669265/

http://im-keller.at/

Trailer: www.youtube.com/watch?v=SSdJ6h-QEEU

Interview mit Ulrich Seidl: http://im-keller.at/interview/

Wien, 19. 9. 2014