VON MICHAELA MOTTINGER
„Ich suche die Cissy Kraner in mir“

Katharina Straßer und Boris Fiala. Bild: © Rita Newman
Katharina Straßer singt Cissy Kraner. Die moderne Volksschauspielerin widmet der außergewöhnlichen Diseuse, die mit Ehemann Hugo Wiener österreichische Kabarett- geschichte schrieb, zum 101. Geburtstag einen groß- angelegten Würdigungs- abend. Premiere ist am 27. Februar im Rabenhof. Katharina Straßer im Gespräch:
MM: Was verbinden Sie und was verbindet Sie mit Cissy Kraner?
Katharina Straßer: Bis jetzt nicht so viel, aber jetzt sehr viel. Ich habe in der Schauspielschule schon Lieder von ihr gesungen, das gehörte einfach zum Repertoire, habe aber gar nicht so viel damit anfangen können. Ich singe nun aber auch zwei Cissy-Kraner-Lieder in meinem Programm „Wien für Anfänger“, das ich gemeinsam mit Bela Koreny und Wolf Bachofner mache, und habe gemerkt, dass mir das doch liegt. Mich hat dann Karin Sedlak angesprochen, die Cissy Kraner noch kannte und eine Dissertation über sie geschrieben hat und eine große Liebhaberin ihrer Kunst ist – und sie hat mir vorgeschlagen, ob ich da nicht einen Abend machen will. So kam die Sache ins Rollen. Und, wie gesagt, jetzt verbindet mich mit Cissy Kraner sehr viel.
MM: Nämlich?
Straßer: Die Schrulligkeit. Vielleicht komme ich auch allmählich in das Alter dafür. Hugo Wiener und Cissy Kraner haben ein so unglaubliches Kulturgut hinterlassen, ich bin ganz selig, dass ich das Programm machen darf. Cissy Kraner ist ein Gesamtpaket, so etwas gibt es heute gar nicht mehr, diese Art zu erzählen. Ich finde Sie auch irrsinnig unheimlich. Als Kind, kann ich mich erinnern, wenn ich sie im Fernsehen gesehen habe, habe ich mich total vor ihr gefürchtet. Das haben mir Leute, die sie noch kannten, auch erzählt, Felix Dvorak zum Beispiel, hat mir einmal gesagt, er war froh, dass er nie mit ihr auf der Bühne gestanden ist, weil sie „eine Wilde, eine Furie“ war. Das kann ich mir schon vorstellen, diese Seite an ihr möchte ich auch zeigen.
MM: Weil Sie sagten, Sie hätten sich an der Schauspielschule damit schwer getan: Mussten Sie sich als Tirolerin erst auf die Art und Weise der Wiener einstellen?
Straßer: Auch. Als ich nach Wien kam, hatte ich das gar nicht drauf, das musste ich erst lernen. Mittlerweile ist es so, dass die meisten Leute glauben, ich bin die Ur-Wienerin, es liegt mir irgendwie, die Mentalität, das Raunzerte, die Suderei, aber auch der Charme passt zu mir fast besser. Nur wenn ich müde oder einmal besonders sentimental bin, rede ich sofort wieder Tirolerisch – und mit Tirolern natürlich. Der Tiroler ist noch härter als der Wiener, auch grantig, aber ohne Charme, ohne Schmäh. Was mich fasziniert ist, dass Hugo Wiener diesen Schmäh im Wienerischen erfasst hat, aber auch in ganz vielen anderen Sprachen, vor allem auf Spanisch. Die beiden haben in Caracas ja unzählige Revuen gespielt, einfach übersetzt. Dass man das kann, finde ich bewundernswert.
MM: Ihr Programm heißt „Alles für’n Hugo“, damit ist natürlich Hugo Wiener gemeint, die Redewendung hat in Wien aber noch eine zweite Bedeutung. Möchten Sie diese Doppeldeutigkeit erklären?
Straßer: Die wird sich, denke ich, von selber erklären. Cissy Kraner hatte heuer im Jänner ja ihren 101. Geburtstag und „Alles für’n Hugo“ handelt davon, dass sie Hugo Wiener im Himmel wieder trifft, nachdem die beiden einander 26 Jahre nicht gesehen haben. Sie ist aufgeregt und macht „Alles für’n Hugo“, damit sie ihn wieder sieht.
MM: Nach welchen Kriterien haben Sie die Chansons ausgewählt?
Straßer: Ich habe mich durchgehört und es gibt einiges, mit dem ich nichts mehr anfangen konnte, weil es zu altmodisch ist, weil heute nicht mehr die Zeit dafür ist, und dann gibt es Chansons, die wirken richtig zeitgenössisch. Es gibt von vielen Liedern keine Noten, doch auch da habe ich ein paar Zuckerl ausgewählt, auf die mich Karin Sedlak gebracht hat, wie die „Schönheitspflege“, die haben wir uns wirklich von der Simpl-DVD runtergehört. Eine großartige Nummer, die fast niemand mehr kennt, und um die’s schade wäre, wenn man sie nicht singen würde.
MM: Und was geht zum Beispiel nicht mehr?
Straßer: Die Leute sagen zu mir: Warum singst denn „Die Pokornys“ nicht? Und dann höre ich mir das an und eigentlich ist nur die erste Strophe wirklich lustig, die anderen zwei kann man gar nicht mehr singen, weil man das heutzutage fast für rassistisch halten würde. Aber ich singe einen „Nowak“, da singe ich auch das Wort Neger, das heißt im Original so, das kann man nicht austauschen, und den „Vorderzahn“ natürlich und „Wie man eine Torte macht“. Die Evergreens müssen dabei sein, ich glaube, sonst wäre das Publikum enttäuscht. Aber es kommt vielleicht anders als erwartet …
MM: Dazu gleich die Frage: Cissy Kraner hatte eine sehr spezielle Art, vorzutragen. Wie macht man sich nicht zur Kopie und wird ihr trotzdem gerecht?
Straßer: Ich hör’s mir zuerst von ihr an, damit ich die Melodie im Kopf habe, denn ich kann keine Noten lesen, dann vergesse ich das wieder und mach’s zu meinem eigenen. Ich mache sie auf keinen Fall nach, das kann man auch überhaupt nicht. Ich suche die Cissy Kraner in mir.
MM: Und, was gefunden?
Straßer: Naja, Interpretationsmöglichkeiten, an die ich noch nie gedacht habe. So habe ich auch noch nie gesungen. Als Eliza Dolittle bei „Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht“ ist relativ klar, wie man es zu singen hat, da gibt es nicht so viel Spielraum, aber bei diesen Liedern eben schon. Wann singst du, wann sprichst du, wann erzählst du, was machst du mit der Mimik? Das musste ich mir alles überlegen. Was ich so toll finde, ist, dass jedes Lied eine andere Rolle ist. Ich spiele also nicht nur die Cissy Kraner in verschiedensten Szenen, sondern auch noch elf Charaktere in den Liedern. Ich denke, der Abend wird sehr voll, sehr bunt – es ist viel Material, das da auf die Zuschauer zukommt.
MM: Gibt es einen biografischen roten Faden, die beiden führten ja ein durchaus auch tragisches Exilantenleben in Kolumbien und Venezuela … heißt: erzählen Sie von Cissy Kraners und Hugo Wieners Leben?
Straßer: Alles erzähle ich. Ich erwähne alle wichtigen Ereignisse, es gibt natürlich aus Caracas noch unzählige Geschichten, die den Rahmen sprengen würden, wie ihnen die Pässe weggenommen wurden und so weiter. In „Alles für’n Hugo“ kommt alles vor, nur manche Details werden ausgelassen, der Abend geht bis zu ihrem Tod – Hugo Wiener ist 1993 gestorben, Cissy Kraner 2012 – und am Schluss wird eine Klammer geschlossen. Das Ganze sollte also ein rundes Stück sein. Sie ist ja mit ihm mitgegangen, obwohl sie keine Jüdin war, und sie haben sich aus dem Nichts in Caracas eine erfolgreiche Pianobar aufgebaut. Nach dem Krieg sind sie 1948 zurück nach Wien – und haben wieder von vorne angefangen. Alle waren tot, Familien und Freunde, nur Fritz Imhoff war noch am Leben. Das muss man sich einmal vorstellen! Und sie haben’s zum zweiten Mal geschafft, Stars zu werden.
MM: Wozu man sagen muss, dass Cissy Kraner Hugo Wiener auch oft aufgefangen hat.
Straßer: Davon erzählt sie oft, dass er sehr depressiv war. Sie sagt wortwörtlich: Ich habe immer geachtet, dass er keine bösen Filme schaut, keine schlimmen Nachrichten liest. Er hatte einige Suizidversuche hinter sich, er war permanent gefährdet, und er hat sie in ihrer Härte, ihrer „Wildheit“, über die wir vorhin gesprochen haben, wahrscheinlich auch gebraucht. So, wie sie ihn auch gebraucht hat, sie wollte Karriere machen und hatte an ihrer Seite diesen genialen Liederschreiber, die wird ihn durch die Exiljahre schon durchgeschliffen haben. Das kann ich mir alles vorstellen, das einzige, dass ich mir nicht vorstellen kann, ist, dass man für die Karriere auf Kinder verzichtet. Aber da war natürlich diese Unsicherheit eines Lebens in Südamerika, und es außerdem für Frauen früher noch schwerer als heute, Kinder und Karriere zu vereinbaren.
MM: Sie haben mit Regisseur Andy Hallwaxx einen Komödienspezialisten und mit Pianist Boris Fiala auch einen Theaterkomponisten an Ihrer Seite. Zwei Experten auf Ihrem Gebiet.
Straßer: Ja, das ist super. Ich bin sehr froh, dass Boris mit von der Partie ist. Ich dachte erst, weil er spielt sonst so lässige und coole Sachen, er wird sich denken: Was mache ich mit dem Zeug? Aber er war sofort Feuer und Flamme. Er ist mit diesen Liedern aufgewachsen und hat sich richtig reing’haut, denn es ist nicht immer einfach, was Hugo Wiener am Klavier spielt. Er ist jetzt mehr eingebaut, als ursprünglich vorgesehen, das heißt: er sitzt nicht nur am Klavier. Hugo Wiener und Cissy Kraner beherrschten die große Kunst, etwas schwer Erarbeitetes leicht aussehen zu lassen. Hoffentlich gelingt mir das auch an diesem Abend, der soll auch locker-flockig rüberkommen. Wenn das funktioniert, ist es das schönste Gefühl, dass es überhaupt gibt.
MM: Wie Cissy Kraner und Hugo Wiener leben auch Sie in einer Künstlerehe, Ihr Mann ist der Schauspieler und Kabarettist Thomas Stipsits. Wie schwer oder wie leicht ist das?
Straßer: Auf der einen Seite ist es super, weil er genau weiß, wovon ich rede. Ich könnte mir vorstellen, mit jemandem, der gar nichts mit dem Showbiz zu tun hat, wäre es schwer, dass der meinen Beruf versteht. Ein Vorteil ist, dass die Kreativität daheim weitergeht, dass man künstlerische Dinge bespricht, auch wenn man gerade kocht oder den Geschirrspüler ausräumt. Ein Nachteil ist vielleicht, dass man mitunter Engagements gegeneinander aufwiegt. Nicht, dass wir in Konkurrenz stünden, aber, wenn er einen Film dreht und ich grad nicht, oder ich eine Serie und er hat keine Rolle darin … Man ist halt sehr gut vergleichbar.
MM: Auch in der Öffentlichkeit? Thomas Stipsits und Sie sind doch sehr medienpräsent. Wo ziehen Sie eine Grenze?
Straßer: Ich rede übers Private nicht so gern. Jeder weiß, dass ich mit Thomas verheiratet bin und dass wir zwei Kinder haben, es wäre also idiotisch nicht zumindest einen Satz dazu zu sagen. Aber ich mache keine Homestorys, es gibt keine Fotos von unserem Zuhause, von unseren Kindern. Aber natürlich, wenn Thomas und ich gemeinsam irgendwo sind, dann sind wir als öffentliches Paar auch eine Marke. Oder zum Beispiel „Love Machine“: Wenn wir zusammen in einem Film über die Liebe spielen, dann muss man Journalistenfragen dazu so gut es geht beantworten.
MM: Apropos: „Love Machine“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=31598) ist im Kino extrem erfolgreich. Regisseur ist Andreas Schmied, mit dem Sie im November die ORF-Komödie „Curling for Eisenstadt“ gedreht haben. Worum geht’s da?
Straßer: Das war eine tolle Erfahrung, sehr aufregend, drei Monate nach der Geburt meiner Tochter auf dem Eis zu stehen. Auch nicht ganz normal, hätte ich unter anderen Umständen auch nicht gemacht, aber es ist so ein schöner Frauenfilm. Es ist eine so coole Rolle, und das Curling ist auch so absurd und lustig. Ich spiele Vicki Kapfensteiner, eine nicht sehr erfolgreiche und nicht sehr ambitionierte PR-Frau, die etwas für das Burgenland tun soll. Also versucht sie, die Curling-WM nach Eisenstadt zu bringen und stellt eine Damenmannschaft zusammen. Vorher ist sie eine toughe Pressefunsen, die durch den Sport zum besseren Menschen wird. Wie das halt so ist. Ich hoffe, es wird ein schöner Film, die Dreharbeiten waren es jedenfalls.
MM: Und anstrengend?
Straßer: Megaanstrengend. Wir waren die letzten drei Wochen nur auf dem Eis, da hatte es sieben Grad, und wir hatten nur dünne Pullis an. Da sind wir alle durchs Frieren sehr an unsere Grenzen gegangen. Wir haben Curling wirklich gelernt und trainiert. Wir waren offenbar so gut, dass der Österreichische Curling Verband uns im März zur Curling-Weltmeisterschaft für Frauen nach Dänemark mitnehmen wollte. So viele Frauenmannschaften gibt es ja nicht.
MM: Wie geht’s mit der Maja Landauer weiter?
Straßer: Ich weiß nicht, ob ich was sagen darf. So, wie die letzte Staffel geendet hat, wo sie sich sehr schuldig gemacht hat, ist die Frage, ob und wie es weitergeht. Ich glaube aber, es schaut ganz gut aus.
MM: Nun haben Sie sich die Figur Cissy Kraner erarbeitet. Premiere von „Alles für’n Hugo“ ist am 27. Februar im Rabenhof, es folgen Bundesländertermine, wie am 16. März im Treibhaus Innsbruck oder am 12. April im Danubium Tulln. Wer würde Sie sonst noch reizen?
Straßer: Lady Gaga möchte ich gern einmal in einem Kinofilm spielen. (Sie lacht.) Ich würde überhaupt mein Leben als Schauspielerin jederzeit gegen eines als Popstar tauschen. Das fänd‘ ich geil.
Die Kritik zu „Alles für’n Hugo“: www.mottingers-meinung.at/?p=32204
www.katharinastrasser.at www.rabenhoftheater.com
25. 2. 2019