Reichenau: Maria Happel präsentiert ihr erstes Programm

März 1, 2022 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Große Namen, neue Formate und endlich Bustransfer

Maria Happel, Künstlerinnen, Künstler und das neue Festspiele-Team freuen sich auf den Sommer 2022 im Theater Reichenau. Bild: © Lalo Jodlbaue

In Reichenau bricht unter der künstlerischen Leitung von Maria Happel eine neue Zeit an. Durch ihre Auswahl der Stücke – Theaterklassiker aus dem späten 19. und aus dem 20. Jahrhundert – und durch das Engagement renommierter Regisseure, Schauspielerinnen und Schauspieler wird der vom Publikum geschätzte besondere Charakter der Festspiele Reichenau weiter gepflegt. Gleichzeitig verspricht die Zusammenarbeit mit jungen Künstlerinnen und Künstlern sowie

unterschiedlichen Leading Teams ein neues Kapitel dieser Festspiele der Sommerfrische. „Wenn man für den Kurs eines Schiffes verantwortlich ist, das seit Jahrzehnten erfolgreich auf Fahrt ist, dann kann man nicht plötzlich eine Wendung machen und umdrehen! Da würde das Schiff kentern. Man muss langsam den Kurs verändern. Die Festspiele Reichenau haben eine Tradition. Dessen bin ich mir bewusst! Und ich kenne diese Tradition sehr gut!“, so Maria Happel bei der Programmpressekonferenz.

Happel ist der Theaterwelt von Reichenau seit Jahrzehnten verbunden: Als Schauspielerin und Regisseurin. „Ich habe hier nicht nur seit Jahrzehnten über 200-mal gespielt und inszeniert, wir haben viele Sommer mit der Familie hier verbracht. Die Kinder von uns Schauspielern sind seither miteinander befreundet. Wir hatten das Gefühl, in den Ferien zu sein und abends haben wir gearbeitet. Es war alles anders als im Theaterleben in der Stadt …“

Vier Produktionen

Der künstlerische Fokus liegt in hochkarätigen Theaterproduktionen, die ausschließlich bei den Festspielen Reichenau für einen Sommer zu erleben sind. Bei der Auswahl der Regisseure schließt Happel auch an ihre eigene Theater-Vergangenheit an und holt erstmals Torsten Fischer, Christian Berkel und Peter Dehler nach Reichenau. Über Torsten Fischer, der heuer Anton Tschechows „Die Möwe“ inszenieren wird, sagt sie: „Er war mein erster Regisseur, als ich mit dreiundzwanzig angefangen habe, mit der Rolle der ,Piaf‘ Theater zu spielen. Als meine Tochter Paula die Lucy unter Torsten Fischer in der ,Dreigroschenoper‘ an der Josefstadt gespielt hat, haben wir uns wiedergefunden – obwohl wir uns nie ganz aus den Augen verloren haben! Ich habe ihn für Reichenau gefragt, und er hat sofort zugesagt!“

Der international bekannte Schauspieler Christian Berkel konnte für die Regie von Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ gewonnen werden, das mit Nachwuchstalenten des Max Reinhardt-Seminars (mdw), dessen Institutsleiterin Maria Happel ist, zusammen mit etablierten Schauspielgrößen erarbeitet wird. Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ in der Regie und Bearbeitung Hermann Beils hätte bereits 2020 Premiere haben sollen. Doch die Festspiele sind der Pandemie zum Opfer gefallen. Maria Happel übernimmt die Produktion bewusst „als Zeichen einer Wertschätzung“ der früheren Festspiel-Ära. Peter Dehler inszeniert eine Damenversion von Neil Simons Erfolgskomödie „Ein ungleiches Paar“. Die Dialoge werden mit Angelika Hager in neuer Frische erarbeitet.

Neue Formate

In einer neuen Reichenauer Version des bereits einmalig im Theater im Park gezeigten „Über unsere Verhältnisse“, feiern Maria Happel und Kollege Michael Maertens ihre gemeinsame, 30-jährige Bühnenvergangenheit – und lesen „beziehungsreiche“ Text von Erich Kästner und Loriot bis Arthur Schnitzler. Tommy Hojsa umrahmt die Veranstaltung musikalisch am Akkordeon. Mit „Peter und der Wolf“, dem wohl berühmtesten aller musikalischen Märchen aus der Feder Sergei Prokofjews, wird erstmals ein Familienstück bei den Festspielen gezeigt. Maria Happel wird die Geschichte selbst erzählen, begleitet von Studierenden der mdw – Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien in einer Fassung für kleines Ensemble. Bei Schönwetter wird im Innenhof von Schloss Reichenau gespielt.

Mit Christian Berkel und Hermann Beil. Bild: © Lalo Jodlbauer

Mit Sandra Cervik. Bild: © Lalo Jodlbauer

Stefanie Dvorak. Bild: © Lalo Jodlbauer

Mit Peter Dehler, Christian Berkel und Stefanie Dvorak. Bild: © Lalo Jodlbauer

Zur neuen Gesprächsreihe „Alte Meister“ ließ sich die künstlerische Leiterin unter anderem durch François Truffauts „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ (Originaltitel: „Le cinéma selon Hitchcock“) inspirieren. Peter Stein, Klaus Pohl, Martin Schwab, Claus Peymann, Hermann Beil und Rudolf Buchbinder werden zu Gast sein. Bei den „Nach(t)gesprächen“ sprechen Schauspielerinnen und Schauspieler im Anschluss an je eine Vorstellung pro Produktion über das jeweilige Stück und bieten dem Publikum interessante Einblicke.

Maria Happel möchte weiterhin eine Art Ensemblegedanken pflegen und neben neuen Gesichtern immer wieder bekannte Publikumslieblinge nach Reichenau holen. So werden diesen Sommer etwa Petra Morzé und Fanny Stavjanik als „ungleiches Paar“, Sandra Cervik, Martin Schwab und Claudius von Stolzmann in der „Möwe“ oder Stefanie Dvorak in „Frühlings Erwachen“ zu sehen sein, während der aus Film und Fernsehen bekannte Schauspieler Stefan Jürgens in der Titelrolle von „Des Teufels General“ in Reichenau debütiert.

Außerdem spielen: Paula Nocker, Nils Arztmann, Dunja Sowinetz, Markus Kofler, Günter Franzmeier, Johanna Mahaffy, AntoN Widauer, Dirk Nocker, Tobias Voigt, André Pohl, David Oberkogler, Johanna Arrouas, Nicolaus Hagg, Elisa Seydel, Emese Fay, Johanna Prosl, Rainer Friedrichsen, David Jakob, Mercedes Echerer, Cornelia Köndgen, Karin Kofler, C.C. Weinberger, Florian Carove, Paul Matic, Babett Arens und Michael Masula.

Jugendkarten, Online-Verkauf, Bustransfer

Neben dem Reichenauer Stammpublikum soll auch vermehrt ein junges Publikum angesprochen werden. Abgesehen vom Familienstück „Peter und der Wolf“ mit eigenen Kinderpreisen, bieten die Festspiele für alle anderen Stücke eine Jugendermäßigung an: Karten zum halben Preis für unter 26-Jährige. Auch für den neu gegründeten Verein der Freunde der Festspiele Reichenau, der seinen Mitgliedern ein Vorkaufsrecht sowie ausgewählte Rahmenprogramme bietet, gibt es eine eigene Jugendmitgliedschaft für unter 30-Jährige mit einem Jahresbeitrag von 20 Euro. Neben dem Vorkaufsrecht sollen Jugendmitglieder auch durch Veranstaltungen wie After Show Drinks mit Künstlerinnen und -künstlern in das Geschehen hinter der Bühne eingebunden werden.

Neu ist auch der Online-Verkauf, der ab dem allgemeinen Verkaufsstart am 28. März 2022 um 9 Uhr einem möglichst großen Publikum den Zugang zu Karten ermöglichen soll. Ein Bustransfer zu allen Theaterproduktionen zwischen dem Hauptgebäude der Universität Wien, Rathausplatz 5, und dem Theater Reichenau wird Gästen ohne Auto den Besuch der Vorstellungen erleichtern. Preis: 19 Euro pro Person. Zur feierlichen Eröffnung der Festspiele Reichenau 2022 findet am 2. Juli ab 14 Uhr ein Künstlerfest statt, im Kurpark bei Schönwetter, im Theater Reichenau bei Schlechtwetter.

www.theaterreichenau.at

1. 3. 2022

Jüdisches Museum Wien: Jedermanns Juden

Juli 13, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Von Publikumslieblingen und Deportierten

Jedermann und der Tod auf dem Domplatz: Alexander Moissi und Luis Rainer, 1929. Bild: © ASF Photo Ellinger

Das Jüdische Museum Wien zeigt ab 14. Juli eine Rückschau auf 100 Jahre Salzburger Festspiele und die jüdische Teilhabe am weltweit bedeutendsten Festival der klassischen Musik und darstellenden Kunst. Vor 100 Jahren setzte der Theaterproduzent und Visionär Max Reinhardt gemeinsam mit dem Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal seine Vision für Salzburg um.

Sie erklärten die Stadt zur Bühne und Salzburg wurde zum Inbegriff für innovatives Theater auf Freiluftbühnen, Musik in absoluter Perfektion und Tanz als Ausdruck der Avantgarde. Jüdische Künstlerinnen und Künstler waren am Erfolg entscheidend beteiligt bis zur Machtübernahme des NSRegimes 1938.

Heute gilt es, sie wieder vor den Vorhang zu holen. Im Zentrum der Ausstellung stehen einige noch nie gezeigte Objekte aus dem Nachlass von Max Reinhardt sowie vielfältige Kunstwerke, die den Aufstieg der Festspiele bis heute, sowie die Lebenswege der verschiedenen handelnden Personen, ihre Karrieren und Fluchtwege nachzeichnet. Die erste Phase der Salzburger Festspiele von 1920 bis 1925 prägte Hofmannsthal mit seinen im

katholischen Erlösungsgedanken geschrieben Stücken „Jedermann“ und „Das Salzburger große Welttheater“. Letzteres inszenierte Reinhardt 1922 in der Kollegienkirche, was einen Skandal auslöste, da ihm Entweihung des Sakralraums vorgeworfen wurde. Während Karl Vollmoellers szenische Pantomime „Mirakel“ in Reinhardts Inszenierung in London und New York riesige Hallen bis zum letzten Platz füllte, fiel die Salzburger Adaptierung eher bescheiden aus.

Ihre Blütezeit erlebten die Festspiele von 1926 bis 1933: Um ein größeres Publikum anzulocken, inszenierte Max Reinhardt nun Komödien wie Goldonis „Diener zweier Herren“ und Shakespeares „Sommernachtstraum“, die spielerisch Musik und Tanz integrierten. Gleichzeitig fällt auf, dass zwar Schauspieler und Schauspielerinnen jüdischer Herkunft vertreten waren, doch nicht die wenigen Stars unter ihnen, die an anderen Orten aber sehr gerne mit Reinhardt zusammenarbeiteten.

Nach der Fertigstellung des Festspielhauses konnten weit opulentere Operninszenierungen realisiert werden. Im Architekten Oscar Strnad fand sich ein visionärer Bühnenbildner, in Bruno Walter ein Dirigent von Weltrang, der seine Karriere bei Gustav Mahler begonnen hatte. Dessen Schwager wiederum war Arnold Rosé, Konzertmeister der alljährlich in Salzburg aufspielenden Wiener Philharmoniker. Von der Wiener Staatsoper kamen nicht nur die Kostüme und die Kulissen, sondern auch die ProtagonistInnen. Die berühmten jüdischen Stimmen an der Oper waren weiblich: Rosette Anday, Claire Born, Elisabeth Schumann und andere gehörten zu den Stars ihrer Zeit.

Faust I, 1935: Max Reinhardt und das ewige Gretchen Paula Wessely (li.). Bild: © ASF Photo Ellinger

Genii locorum: Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und der schwedische Dirigent Einar Nilson. Bild: © ASF Photo Ellinger

Drei Jahre später im Nazi-Visier: Bruno Walter, Thomas Mann und Arturo Toscanini, 1935. Bild: © ASF Photo Ellinger

Der Künstlerclan in Salzburg: Hermann Thimig, Helene Thimig, Hugo Thimig und Max Reinhardt. Bild: © ASF Photo Ellinger

1928 gab die Leningrader Opernwerkstatt mit drei MozartOperninszenierungen ein von antikommunistischen Protesten begleitetes Gastspiel, Tilly Losch führte ihren Tanz der Hände auf, Hofmannsthal Tanzpantomime „Die grüne Flöte“ glänzte mit futuristischen Kostümen. Auf der BallettBühne beeindruckte die Choreographin Margarete Wallmann mit ihren Inszenierungen.

Die Plakate für 1938 mit den Stars Toscanini und Reinhardt waren schon gedruckt, doch nach dem Einmarsch deutscher Truppen entlud sich die lange aufgestaute Wut der lokalen Nazis in martialischen Aktionen: Die Synagoge und die wenigen jüdischen Geschäfte in Salzburg wurden verwüstet. Am 30. April 1938 fand am Salzburger Residenzplatz die einzige Bücherverbrennung in der Geschichte Österreichs statt.

Reichspropagandaminister Joseph Goebbels hatte jedoch das Problem, dass er nun eine Institution übernehmen und neugestalten wollte, die er jahrelang mit allen Mitteln bekämpft hatte. Katholische Programmpunkte wie der „Jedermann“ und die Kirchenmusik wurden abgesetzt, die jüdischen Protagonistinnen und Protagonisten waren längst verhaftet oder geflohen.

Hans Moser, Das Salzburger große Welttheater, 1925. Bild: © ASF Photo Ellinger

Nach Kriegsbeginn büßte die Inszenierung zusehends an Opulenz ein, zuletzt wurde fast nur noch vor Soldaten auf Heimaturlaub gespielt. Die amerikanische Besatzungsmacht hatte 1945 ihr Hauptquartier in Salzburg aufgeschlagen und erstrebte eine rasche Normalisierung des zivilen Lebens.

Einmal mehr boten die Festspiele eine internationale Kulisse. Um den künstlerischen Betrieb auf höchstem Niveau zu gewährleisten, wurden durch ihre Tätigkeit für das NS-Regime belastete Künstlerinnen undKünstler, wie Karl Böhm, Wilhelm Furtwängler, Attila Hörbiger, Herbert von Karajan, Clemens Krauss oder auch Paula Wessely nach einem kurzfristigen Auftrittsverbot wieder engagiert.

Zu den wenigen jüdischen Künstlerinnen und Künstlern gehörten der Schauspieler Ernst Deutsch, der in den folgenden 15 Jahre den Tod im „Jedermann“ spielte. Der Geiger Yehudi Menuhin kam zu zwei Gastspielen, um der vom NS-Regime verwüsteten Kulturlandschaft beizustehen. Der Opernregisseur Herbert Graf feierte einige gelungene Inszenierungen und war an den Entwürfen Clemens Holzmeisters für das Große Festspielhaus beteiligt …

www.jmw.at

13. 7. 2021

Salzburger Festspiele: Buhlschaft Verena Altenberger

Juli 10, 2021 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

„Egal, ob Jedermann und Buhle Frau oder Mann sind“

Verena Altenberger. Bild: © SF/Anne Zeuner

Nein, das Stichwort „Haare“ nerve sie nicht, erklärt Verena Altenberger. Vor Kurzem hat sie sich für die Rolle einer Krebskranken eine Glatze rasiert. „Ich mag die Debatte“, sagt sie. „Denn es ist einfach völlig egal, wie die Haare der Darstellerin der Buhlschaft aussehen.“ Ihr erster Instinkt sei gewesen, das Leid dieser Frau darstellen zu wollen, die Abhängigkeit vom Jedermann zu zeigen und sie aus den Fesseln zu befreien.

Wie sie „das Emanzipatorische“ der Rolle betonen will, wird Salzburgs „Neue“ an der Seite von Jedermann Lars Eidinger, mit dem sie schon in David Schalkos Serie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ vor der Kamera stand, ab Beginn der Salzburger Festspiele am 17. Juli auf dem Domplatz zeigen. Verena Altenberger im Gespräch:

Wie fühlt man sich, wenn man den Anruf bekommt, dass man die Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen sein soll?

Verena Altenberger: Ich konnte es erstmal gar nicht glauben und musste ein paar Mal bei meinem Agenten nachfragen, ob er sich nicht verhört habe, und ob er sich wirklich sicher sei …

Sie geben mit dieser Rolle Ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen – und das als Salzburgerin. Haben Sie sofort zugesagt?

Altenberger (lacht): Ja.

In Theaterkreisen heißt es, die Buhlschaft sei die größte kleinste Rolle – sie besteht „nur“ aus 30 Sätzen. Was macht den Reiz dieser Figur für Sie aus?

Altenberger: Mir ist das herzlich egal, ob eine Rolle stundenlang an der Rampe monologisiert, ob sie zwei Minuten auf einem Bildschirm auftaucht oder einen epochalen Kinofilm trägt. Durch intensive Vorbereitung und durch Einfühlen werde ich zur Expertin für eine Rolle, sie wird mein absoluter Mittelpunkt. Und als diesen trage ich sie in ihre Welt, in die Inszenierung, in der sie zu leben anfängt und mehr oder weniger Raum einnimmt. Die Buhlschaft zu spielen und damit auch den magischen Festspielsommer in Salzburg direkt in dessen Epizentrum zu erleben, ist ein Kindheitstraum von mir. Und der geht jetzt in Erfüllung – das macht einen großen Teil des Reizes für mich aus.

Meist wird die Buhlschaft hauptsächlich mit Sinnlichkeit, Verführung und Erotik assoziiert. Was assoziieren Sie mit der Rolle?

Altenberger: Mich interessiert das emanzipatorische Erwachen dieser jungen Frau. Ich meine, da ist eine Frau, die ihren Partner liebt, oder zumindest das empfindet, was sie als Liebe bezeichnet. Und dann merkt diese Frau – Hoppla! – meine Liebe reicht anscheinend nicht bis in die Unendlichkeit. Ist es dann Liebe? Und wenn es nicht die reine und wahre Liebe ist, zu der der Mensch fähig ist – wodurch wird sie getrübt? Wo bestehen Machtverhältnisse zwischen den Partnern? Und sind es womöglich diese Machtgefälle, die eine Liebe auf Augenhöhe unmöglich machen? Mich interessiert auch, wie es – nachdem der Bruch stattgefunden hat – für die junge Frau weitergeht: Hat sie die Chance sich jetzt neu zu erfinden, sich überhaupt zu finden, unabhängig von einem Mann, als eigenständiges Individuum; was möchte sie jetzt? Leidet sie nun Qualen ohne ihren Mann oder wird sie jetzt Vorstandschefin oder passiert beides gleichzeitig?

Vorher. Bild: © Teresa Marenzi

Nachher. Bild: © SF/Anne Zeuner

Und …

Altenberger: Und natürlich assoziiere ich auch die Erotik und die Verführung mit der Buhle, aber ich lese sie womöglich etwas anders. Vorausgesetzt, wir denken ein Machtgefälle – der Mann ist etwas älter als sie, reicher, mehr angekommen in der Gesellschaft; sie fühlt sich ihm vielleicht auch intellektuell unterlegen – da bleibt der Frau die Verführung als jener Bereich, in dem sie dem Mann ebenbürtig ist, in dem sie es mit ihm aufnehmen kann, in dem sie ihn womöglich überragt.

Wenn Sie sich die bisherigen Buhlschaften anschauen, gibt es eine, die Sie besonders mögen, die Sie inspiriert?

Altenberger: Einige. Ich schaue mir auch gerade viele ältere Aufzeichnungen an, die ich nicht live sehen konnte, und bin gespannt, was ich noch alles entdecke.

Ihr Jedermann wird von Lars Eidinger gespielt, mit dem Sie ja bereits gedreht haben. Nun geht es vom Film gemeinsam auf die Bühne – wie groß war die Vorfreude?

Altenberger: Ich freute mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Lars! Er ist ein Kollege, der viel Energie gibt und der ganz offen auf das Spiel eingeht. Ich freute mich auf die Probenzeit – bei unserem gemeinsamen Dreh hatten wir natürlich viel weniger Zeit, um zusammen etwas zu erfinden, diesen gemeinsamen Proben-„Luxus“ gibt es nur am Theater – und darauf freute ich mich besonders.

Welche Inszenierungen vom Jedermann haben Sie gesehen?

Altenberger: Ich kann es Ihnen anhand der Buhlschaften, die ich gesehen habe, beantworten: Veronica Ferres, Marie Bäumer, Sophie von Kessel und Brigitte Hobmeier.

Mit Lars Eidinger. Bild: © SF/Anne Zeuner

Wie ist die Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Sturminger?

Altenberger: Eine, die sehr von gegenseitigem Interesse geprägt ist und die bestimmt einige Überraschungen bereithalten wird.

Sie werden auf dem Domplatz spielen. Ist das eine neue Erfahrung für Sie unter freiem Himmel zu spielen und muss man sich – auch stimmlich – besonders vorbereiten?

Altenberger: Ja, es ist das erste Mal, dass ich unter freiem Himmel spielen werde – ich bin gespannt auf die genauen Gegebenheiten und bereite mich natürlich entsprechend vor.

Was denken Sie, weshalb der Jedermann über ein Jahrhundert hinweg so erfolgreich aufgeführt wird? Ist es ein zeitgemäßes Stück?

Altenberger: Der Jedermann ist für mich ein Stück, das gerade in Salzburg mit der Stadt und ihren Menschen verwoben ist. Das Stück ist ein Teil der Salzburger DNA und insofern nicht wegzudenken. Und dass Kapitalismus nicht die Antwort ist, dass wir gehen, wie wir gekommen sind – wie könnte das nicht zeitgemäß sein? Um das Stück vollends in unsere heutige Zeit zu holen und noch universeller zu gestalten, müsste vielleicht noch gegendert werden. Ich meine keine Umbenennung des Titels, aber vielleicht ist es irgendwann – wie bei den anderen Rollen jetzt schon – egal, ob Jedermann und Buhle Frau oder Mann sind.

Verena Altenberger in Film und Fernsehen:

Verena Altenberger wuchs in Salzburg auf, absolvierte ein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien und studierte Schauspiel an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Als Teil des Ensembles Junge Burg war sie in der Spielzeit 2010/11 am Wiener Burgtheater unter anderem in der Titelrolle in „Alice im Wunderland“, als Blanche Barrow in „Bonnie und Clyde“ sowie als Isolde Weißhand in „tricky love – tristan und isolde“ zu sehen. Im Kino machte Verena Altenberger 2016 in dem Thriller „Die Hölle“ von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky erstmals auf sich aufmerksam. 2017 gelang ihr der Durchbruch in der Rolle als heroinabhängige Mutter im Drama „Die beste aller Welten“ von Adrian Goiginger, eine Rolle, für die sie zahlreiche internationale Auszeichnungen erhielt.

2020 stand Verena Altenberger erneut in der Regie von Adrian Goiginger vor der Kamera: „Märzengrund“ soll Ende 2021 in die Kinos kommen. Abgedreht sind zudem die Coming-Of-Age Tragikomödie „Hannes“ von Hans Steinbichler, das österreichische Drama „Me, We“ von David Clay Diaz mit Kinostart am 23. Juli (Rezension demnächst auf www.mottingers-meinung.at) sowie die deutsche Komödie „Generation Beziehungsunfähig“ von Helena Hufnagel.  Als Altenpflegerin Magda feierte Verena Altenberger in der RTL Comedy-Serie „Magda macht das schon“ im Fernsehen Quotenerfolge. Seit Anfang 2021 ist sie in der vierten und finalen Staffel zu sehen. Seit März ist Verena Altenberger zudem als Sozialpädagogin Rebecca in der Magenta TV Streaming-Serie „Wild Republic“ zu erleben.

Lars Eidinger im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=46992

Das Jedermann-Ensemble im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=46988

www.salzburgerfestspiele.at           www.verena-altenberger.com

10. 7. 2021

Salzburger Festspiele: Talk mit Jedermann Lars Eidinger

Juli 10, 2021 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

„Gespannt auf die Fragen, die er mir noch stellen wird“

Lars Eidinger. Bild: © Nils Mueller

Mit Beginn der Salzburger Festspiele am 17. Juli wird Lars Eidinger als neuer Jedermann den Domplatz erobern. Verena Altenberger ist seine Buhlschaft. Beide standen schon gemeinsam vor der Kamera, in David Schalkos Serie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Das Traumpaar ist nicht die einzige Neubesetzung in der Inszenierung von Michael Sturminger. So übernimmt Edith Clever, die zuletzt vier Jahre Jedermanns Mutter gespielt hatte, von Peter Lohmeyer kommenden Sommer die Rolle des Tod. Neue Mutter wird Angela Winkler – und Mavie Hörbiger der erste weibliche Teufel. Nach „Die Blumen von gestern“ (www.mottingers-meinung.at/?p=23768, www.mottingers-meinung.at/?p=23779) und „Persischstunden“ (www.mottingers-meinung.at/?p=41521) – Lars Eidinger einmal mehr im Gespräch:

Worin liegt der Reiz der Rolle Jedermann?

Lars Eidinger: Das ist eine Erkenntnis, die ich in der Auseinandersetzung mit „Brecht’s Dreigroschenfilm“ gewonnen habe: Dass die Räuber laut Brecht keinem romantisch verklärten Bild einer Gangsterbande entsprechen dürfen, sondern die Bürger selbst sind.

Wir sind die Räuber. Wir sind Jedermann. Diese Herangehensweise fordert mich heraus. Ich hatte insgeheim immer gehofft, irgendwann für die Rolle des Jedermann angefragt zu werden, – und die Tatsache, dass ich mich damit nun in die Ahnengalerie der größten deutschsprachigen Theaterschauspieler einreihe, ist eine große Ehre, die mir zuteilwird. Es ist ein Lebenstraum, der in Erfüllung geht.

Was macht den „Jedermann“ in Salzburg so erfolgreich?

Eidinger: Er ist ein Klassiker. Was einen Klassiker ausmacht, ist die Tatsache, dass die Konflikte, die verhandelt werden, immanent sind. Es sind Konflikte, die für den Menschen unüberwindbar bleiben, die ihn ausmachen. Sie sind universell und elementar. Der Mensch wird in all seinen Facetten und Abgründen durchleuchtet. Das Stück ist ein Spiegelkabinett oder -labyrinth, an dessen Ende der Spiegel selbst in den Spiegel sieht. „Jedermann“ lädt die Zuschauer ein sich darin zu erkennen. Darum geht es in der Kunst – um Selbstreflektion und Erkenntnis.

Hat Sie einer der bisherigen Darsteller inspiriert?

Eidinger: Obwohl es viele herausragende Schauspielerpersönlichkeiten in der Reihe der Jedermann-Darsteller gibt, ist für mich Gert Voss der Größte. Ich hatte das Glück, ihm in Thomas Ostermeiers Inszenierung von „Maß für Maß“ zu begegnen (die 2011 bei den Salzburger Festspielen Premiere hatte, Anm.). Er war ein Jahrhunderttalent. Der Begriff „Genie“ ist sehr abgedroschen, doch auf Gert Voss passt er. Er hatte eine ungeheure Kraft im Ausdruck, etwas von dem man glaubte, es sei unerschöpflich. Immer hatte man das Gefühl, so intensiv seine Darstellung auch war, man bekomme nur die Spitze des Eisbergs zu sehen. Und er hatte, so wie ein Musiker über das perfekte Gehör verfügen kann, das absolute Gespür für das Verhältnis von Aufwand und Wirkung. Das verlieh ihm seine unbedingte Glaubwürdigkeit.

Fängt man bei so einer Rolle, in der es um Leben und Tod geht, an über das eigene Leben nachzudenken?

Eidinger: Darauf freute ich mich tatsächlich am meisten. Das ist ja eines der größten Privilegien, die man als Schauspieler hat, dass man sich diesen Fragen stellt. Ich habe jetzt über 350 Mal „Hamlet“ gespielt und immer wieder die Frage „Sein oder nicht sein“ aufgeworfen. Es gibt keine elementarere. Ich würde sogar so weit gehen, dass es das erste Zitat ist, das einem einfällt, wenn man an Kunst im Allgemeinen denkt. Es gibt darauf im Leben keine Antwort, außer „Sein oder nicht sein“. Leben heißt diesen Widerspruch aushalten. Das macht die Bewegung des Lebens aus.

Mit Gert Voss in „Maß für Maß“. Bild: © Salzburger Festspiele

Als Bert Brecht im „Dreigroschenfilm“. Bild: © Wild Bunch

Mit Nahuel P. Biscayart in „Persischstunden“. Bild: Alamode Film

Mit Adèle Haenel in „Die Blumen von gestern“. Bild: © Dor Film

Und der Tod?

Eidinger: Der Tod ist Stillstand. Daher lautet Hamlets letzter Satz auch „Der Rest ist Stille“ – nicht „Schweigen“ wie es bei Schlegel fälschlicherweise übersetzt ist. „Silence“ braucht keine Anwesenheit im Gegensatz zu „Schweigen“. Mit Stille ist ein paradiesischer Zustand gemeint. Das sind Gedanken und Erkenntnisse, die ich mit „Hamlet“ gewonnen habe – und ich bin sehr gespannt, was mir der Jedermann erzählt, gespannt auf die Fragen, die er mir stellen wird.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr erstes Mal Salzburg?

Eidinger: Ich erinnere mich, wie Birgit Minichmayr mich in brütender Hitze auf den Domplatz eingeladen hat, wo Nicholas Ofczarek den Jedermann gab. Ich erinnere mich, wie ich mit meiner Frau „Immer noch Sturm“ auf der Perner-Insel gesehen habe – mit dem einstündigen Monolog von Jens Harzer am Ende – und wie wir im Gewitter in die Stadt zurückgeradelt sind. Ich erinnere mich, wie ich Anna Prohaska auf der Straße kennengelernt habe. Wie ich mit meiner Tochter Fiaker gefahren bin. Hans-Christian Schmid mich besucht hat. Dieses Jahr war für mich so intensiv und voller unvergesslicher Erlebnisse, dass ich es immer in meinem Herzen tragen werde.

Ihre Buhlschaft ist Verena Altenberger. Sie kennen einander bereits. Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit?

Eidinger: Ich habe sie bei den Dreharbeiten zu David Schalkos Adaption von „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ kennengelernt und das Gefühl gehabt, wir suchen nach dem gleichen. Sie ist eine sehr freie Spielerin, die sehr über den Partner geht. Auch ich bin immer stark vom Gegenüber abhängig, und ich glaube, dass man mit ihr sehr weit gehen kann, weil wir uns vertrauen.

Oft wird die Buhlschaft mit Sinnlichkeit, Verführung und Erotik assoziiert. Was ist die Buhlschaft für Sie?

Eidinger: Georg Trakls Ideal war die Gleichgeschlechtlichkeit. Die Theorie, dass der Grund allen Übels auf der Welt die Trennung in zwei Geschlechter ist. Deshalb ist der Begriff „sex“ im Englischen so treffend, weil er sowohl die Unterscheidung in die Geschlechter beschreibt, als auch den Geschlechtsakt. Ich glaube, dass die Buhlschaft und der Jedermann ein Ganzes ergeben.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit Michael Sturminger?

Eidinger: Er ist ein ungeheuer freier Geist und hat einen sehr zugewandten, offenen und liebevollen Blick. Für mich ist das ganz wichtig, denn nur dann kann ich mich auch zeigen. Es macht großen Spaß, sich mit ihm auszutauschen, weil er viel weiß, aber sein Interesse am Gegenüber nicht verloren hat. Ich schätze ihn so ein, dass er mutig im Ausprobieren ist und empfänglich für Neues. Darauf freue ich mich.

Mit welchen Ideen gehen Sie in diese Inszenierung?

Eidinger: Es gibt ein schönes Zitat von Helene Weigel: „Hast du eine Idee, vergiss sie“.

Verena Altenberger im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=47002

Das Jedermann-Ensemble im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=46988

www.salzburgerfestspiele.at

10. 7. 2021

Salzburger Festspiele: Das Jedermann-Gespräch

Juli 10, 2021 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Eine Allegorie der heutigen Gesellschaft

Verena Altenberger und Lars Eidinger. Bild: © SF/Anne Zeuner

Wenn Lars Eidinger mit Beginn der Salzburger Festspiele am 17. Juli den Domplatz als Jedermann betritt, sieht er sich nicht als der sterbende reiche Mann des Untertitels, er tritt auf als Allegorie der heutigen Gesellschaft. „Ich bin der privilegierte, toxische Mann und stelle mich selbst in Frage“, so der Schauspieler. Das Stück stehe einem Shakespeare in nichts nach und werde oft falsch verstanden. „Zu Unrecht!“, sagt Lars Eidinger. Sein Leben lang habe er es sich erträumt einmal den Jedermann zu

geben. Nun, da die Proben seit mehr als drei Wochen laufen, fühle er sich „dermaßen glücklich“. Viel Spaß am Proben und Spielen bedeute für ihn auch viel Kapazität zu haben und es nicht als Anstrengung zu empfinden. Dass er in dieser Produktion auf Augenhöhe mit Angela Winkler und Edith Clever spielen darf, sei keine Selbstverständlichkeit für ihn: „Manchmal denke ich, das kann gar nicht wahr sein.“

Im Sommer in Salzburg zu arbeiten, das war für Angela Winkler eigentlich keine Option. Doch dann kam das Angebot, als Mutter im „Jedermann“ zu spielen. „Als ich gehört habe, dass Lars Eidinger meinen Sohn spielt und auch Edith Clever im Ensemble ist, habe ich zugesagt“, sagt die Schauspielerin. Das Ensemble bezeichnet sie als „Familie“, die erste Probe auf dem Domplatz habe sie als unglaubliche Freiheit empfunden: „Ich habe sehr meine Naturliebe gespürt, ich konnte den Himmel sehen, habe Vögel und die Glocken gehört und das als sehr sinnlich wahrgenommen.“

Bei der ersten Probe auf dem Domplatz habe sie als Tod noch zu wenig Boden unter den Füßen gespürt, meint hingegen Edith Clever. Sie beschäftige sich in der Vorbereitung viel mit dem Bühnenraum und in dieser ersten Probe reichte das Spektrum von taghell und geblendet bis zur Dunkelheit. Die Art des Auftritts sei für sie auch ein wichtiges Thema: „Der Tod kommt plötzlich und ist da. Man will ihm vielleicht entkommen, aber am Ende muss man einen Weg finden, mit ihm umzugehen. In meinem Alter habe ich mich natürlich schon viel mit dem Thema beschäftigt, aber man lernt nie das Geheimnis zu ergründen.“

Edith Clever. Bild: © SF/Matthias Horn

Anna Rieser. Bild: © Stefan Klüter

Mavie Hörbiger. Bild: © Irina Gavrich

Nein, das Stichwort „Haare“ nerve sie nicht, erklärt die neue Buhlschaft Verena Altenberger. Vor Kurzem hat sie sich für die Rolle einer Krebskranken eine Glatze rasiert. „Ich mag die Debatte“, sagt sie. „Denn es ist einfach völlig egal, wie die Haare der Darstellerin der Buhlschaft aussehen.“ Bei der ersten Probe allerdings hat sich die Salzburgerin zuerst einmal in die letzte Reihe gesetzt und das Geschehen beobachtet. „Dann habe ich mich aber sehr schnell sehr wohl gefühlt auf der Bühne.“ Die Buhlschaft habe sie nie als Klischee-Frau empfunden, das Emanzipatorische sei der Rolle eingeschrieben. Ihr erster Instinkt sei gewesen, das Leid dieser Frau darstellen zu wollen, die Abhängigkeit vom Jedermann zu zeigen und sie aus den Fesseln zu befreien.

Etwa ab dem vierten Tag der Proben habe sich dieses Bild allerdings gewandelt. „Das war eine unnötige Suche, denn die beiden sind ein gleichberechtigtes Paar im Moment, in dem sie zusammen auf der Bühne stehen.“ Altenberger ist mittlerweile fest überzeugt, dass das Paar sich liebt. Ob sie ein Traumpaar sind? – Eidinger schreitet ein und formuliert es lieber als „Abrechnung mit dem Traumpaar und mit der Romantik“: „Es geht nicht um Versprechungen für die Zukunft, sondern um ganz reale Versprechungen im Hier und Jetzt.“

Der Teufel wird mit Mavie Hörbiger zum ersten Mal weiblich besetzt. „Das bedeutet mir insofern etwas, dass ich mir wünsche, dass es danach unerheblich ist, ob Schauspielerin oder Schauspieler die Rolle übernehmen“, sagt der Burgtheater-Star. Es sei eine Komiker- und gleichzeitig eine tragische Rolle, denn der Teufel hat bereits mit seinem Auftritt verloren, in dem ihm der Weg verwehrt wird. Auch der Glaube ist in diesem Jahr mit Kathleen Morgeneyer weiblich besetzt. „Nach dem zu suchen, was uns begleitet, was aber ungern ausgesprochen wird, das ist meine Aufgabe als Glaube“, sagt sie. Ohne Transzendenz sei es schwer für den Menschen zu existieren. „Ich glaube nicht, dass es ohne geht. Denn allein, dass wir alle geboren wurden, ist ein Wunder.“ Ob es einen wirklichen Kampf zwischen Glaube und Teufel geben werde, könne sie noch nicht verraten: „Für mich existiert zwischen den beiden eher eine große, fast erotische Anziehung.“

Michael Sturminger, Anna Rieser, Bettina Hering, Edith Clever, Mirco Kreibich, Tino Hillebrand, Gustav Peter Wöhler, Jörg Ratjen, Verena Altenberger, Lars Eidinger, Angela Winkler, Kathleen Morgeneyer, Anton Spieker und Mavie Hörbiger. Bild: © SF/Anne Zeuner

Gustav Peter Wöhler und Tino Hillebrand sind bereits im vergangenen Jahr als Dicker und Dünner Vetter aufgetreten. „Uns gibt es nur zu zweit“, sagt Tino Hillebrand. Doch, was die beiden auf der Bühne zeigen, sei in diesem Jahr etwas völlig Anderes als in den vergangenen Jahren. „Es macht Spaß, komisch zu sein“, sagt Gustav Peter Wöhler. Er erzwinge die Komik allerdings nie, sondern sie entstehe bei ihm oft einfach. Anton Spieker übernimmt die Rolles als Jedermanns guter Gesell. Er empfinde Lars Eidinger als Gesamtkunstwerk und tollen Kollegen, mit dem er sehr sensibel spielen könne. Jörg Ratjen, der den armen Nachbar spielt, habe erst im Probenprozess gemerkt, wie gut er das Stück wirklich finde. Er verriet, dass er in einer Art Gruppenkörper auf der Bühne zu sehen sein wird.

Mirco Kreibich wird in einer neu geschaffenen Doppelrolle als Schuldknecht und Mammon agieren und findet in der Kombination durchaus Verbindungen. „Jedermann verwehrt dem Schuldknecht den Schuldschein und klammert sich später am Mammon fest, um nicht allein in den Tod gehen zu müssen“, sagt er. An seiner Seite spielt Anna Rieser, mit Kay Voges neu ans Volkstheater Wien gekommen und bereits in dessen Produktion von Thomas Bernhards „Theatermacher“ aufgefallen (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=46859) Des Schuldknechts Weib. Sie habe sich schon in ihrer Kindheit gewünscht, einmal live auf dem Domplatz spielen zu können. Dieser Wunsch erfüllt sich nun. Und wie geht man am Ende aus dem Stück heraus? „Es geht um die Frage ‚Wer bin ich‘“, so Lars Eidinger. Es habe etwas Tröstliches, am Ende bei sich selbst anzukommen und sich mit allen Fehlbarkeiten zu erkennen. „Darin liegt totale Schönheit.“

Lars Eidinger im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=46992

Verena Altenberger im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=47002

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10. 7. 2021