Werk X-Petersplatz: Rocky! Die Rückkehr des Verlierers

Januar 18, 2022 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Der Boxer auf dem Weg zum populistischen Politiker

Andreas Patton als Rocky. Bild: © Alexander Gotter

Gut gelaunt und gut gekleidet kommt der Schauspieler auf die Spielfläche. Einen Humanisten nennt er sich, so wie wohl auch sein Publikum aus solchen besteht, und wie es sich für Philanthropinnen und Philanthropen gehört, wünscht er dem „kleinen Mann“ eine Ausstiegschance bis zu einem gewissen Grad, der Unterschichtler soll seinem sozialen Erbe entfliehen können. Im hermetischen Andachtsraum der Gleichgesinnten,

wo die Meinung Andersdenkender nicht willkommen ist, werden diese weisen Worte von der ZuschauerInnentribüne her abgenickt. Andreas Patton spielt im Werk X-Petersplatz „Rocky! Die Rückkehr des Verlierers“, inszeniert von Hans-Peter Kellner, der das preisgekrönte Stück von Tue Biering auch vom Dänischen ins Deutsche übersetzte. Die deutschsprachige Erstaufführung ist eine Produktion der Juggernauten in Kooperation mit dem WERK X- Petersplatz.

Der Schauspieler präsentiert auch gleich sein liebstes Paradebeispiel, wenn auch ein fiktives, „Rocky“, den ständigen Verlierer, der dennoch nicht aufhört zu fighten und zu fighten und zu fighten. Animiert von Patton summen alle die legendäre Titelmelodie des Films, eine Zuschauerin fordert Patton auf, „Adrian“ zu rufen. „Ich bin alles andere als Rocky. Ich bin belesen, gebildet, habe Möglichkeiten zu wählen, doch ich kann mich in den Schmerz und die Ohnmacht dieses linkshändigen Losers hineinversetzen“, kontert der – nur um sein Anschauungsobjekt mit dem nächsten Satz schon zu verraten: „Muskeln ohne mentalen Überbau“.

Patton beginnt, die Filmstory nachzuerzählen, und wer die Filmreihe mit Sylvester Stallone immer gemocht hat, muss sich klarmachen, dass es hier nicht darum geht. Ausstatterin Sandra Moser erreicht mit geringsten Mitteln kolossale Wirkung, das Sounddesign von Edgar Aichinger steuert Atmosphäre bei. Patton berichtet vom besten Freund Paulie, von der geliebten Adrian, vom Trainer Mickey (Burgess Meredith unvergesslich), er „läuft“ hinauf zur Liberty Bell. Mit roter Farbe pinselt er Creed an die Wand, der ungeschlagene schwarze Schwergewichts-Boxweltmeister, der hofft bei einem Schaukampf mit lebendigem Sandsack die Leute zu amüsieren.

Fürs Training zerrt Patton ein geschlachtetes Schwein* in den Raum, hat Rocky doch im Schlachthaus die Fäuste schwingen lassen. Trotz FFP2-Maske wittert man den Fleisch- und Blutgeruch. Patton zieht das Schwein an einem Elektrokettenzug hoch. *Die auf der Bühne eingesetzten Schweine wird nach den Vorstellungen in das Wolfsgehege des Wildparks Ernstbrunn gebracht, wo sich das weltweit einzigartige Wolf Science Center der Vet-Uni Wien befindet. www.wolfscience.at    www.wildpark-ernstbrunn.at Der schutzlose Körper, auf den bald eingedroschen wird, ist erbarmungswürdig.

Bild: © Alexander Gotter

Bild: © Alexander Gotter

Bild: © Alexander Gotter

Bild: © Alexander Gotter

Patton wechselt nun vom selbstverständlichen Mitglied der kulturellen Elite im Land zum halbnackten Haudrauf. Die Beinarbeit führt weg vom gutmütigen Trottel, mit einem Mal ist „Rocky! ein Politstück. Und der Protagonist lässt deutlich seinen Hass spüren. Auf die schwarzen Affen, auf die, die ins Land kommen und Unterstützung fordern, während Einheimische sich die Mieten nicht mehr leisten können. „Die Weißen werden überrannt, bis keine mehr von uns übrig sind“, sagt er. Unwillkürlich erinnert man sich an die Kapitolstürmer, den „QAnon-Schamanen“ Jake Angeli, die Staatsverweigerer auf dem Heldenplatz und den rechten, nein: nicht Rand, sondern die rechte Mitte bei den Corona-Maßnahmen-Demos.

Rocky reüssiert, er wird nicht mehr ausgelacht, sondern aufgefordert zu kandidieren. Wenn er es schafft, können andere es auch! Wenn sich die vielen weißen Rockys dieser Welt erheben, sich nicht länger mit ihrer Rolle als Verlierer abfinden und ihre eigenen Wertvorstellungen definieren, wird die Geschichte zum Albtraum des Establishments. „Es ist die Naivität der Politiker, die nicht gesehen haben, was aus uns Rockys wird. Es gibt welche, die kein Recht haben, hier zu sein. Es muss Schluss sein mit den Bimbos und Kanaken in Samt und Seide“, krakeelt Rocky bei einer Wahlveranstaltung. Apollo Creed mit seiner bürgerlichen Attitüde gehört da dazu. Das Stimmvieh hängt an Rockys schiefer Lippe. Vereint in kollektiver Wut, im Demofieber: „Wir sind das Volk!“ Das ist geil.

Selbst die Herzen der Ku-Klux-Klan-Oberschichtstudenten fliegen Rocky zu. Seine Parolen sind einfach, er verkörpert ein kleines, überschaubares Wertesystem, er hat für alles eine simple physische Lösung. Rocky ist längst nicht nur aus dem Zinshaus im ärmeren Viertel, er ist Anwalt, Arzt, Architekt, Polizist, beim Bundesheer. Was Kunst und Kultur betrifft, entsteht eine „Identitätsbewegung für österreichische Interventionen“ … Andreas Patton brilliert als „Schauspieler“ mit seiner intimen, intensiven Art in diesem vielschichtigen Gesellschaftsspiel, dazwischen die Momente martialischer Gewalt.

„Rechtsradikal“, das sagt sich leicht. Karikieren, sich über sie zu belustigen oder sie gar zu verhöhnen, ist mittlerweile kontraproduktiv. Am Horizont zeigt sich eine posthumanistische Epoche und wir im Theater-Safe-Space haben kein Patent mehr darauf, den Humanismus zu verteidigen. Andererseits: Wer seine Toleranz aufgibt, tauscht nur die Rolle mit den Rockys. Rocky, das ist kein Einzelkämpfer mehr, sondern ein ganzes Spektrum der Rechten, das ein dringliches Demokratieproblem widerspiegelt: Auf welche Art, oder überhaupt?, können wir mit jenen kommunizieren, die anderen ethischen Paradigmen folgen als wir?

Am Ende „Schauspieler“ Andreas Patton. Er ist jetzt der Verlierer. Nackt. Gedemütigt und wertlos. Er klassifiziert sich mit roter Farbe in seine Teilstücke, wie’s bei Schlachtvieh getan wird. Er hängt sich, die Füße voran, an den Elektrokettenzug und zieht sich hoch: „Ich bin das Schwein am Haken, die intellektuelle Elite, die er längst mit unsichtbarer Faust zu Boden geboxt hat“, sagt er, und raunt, das Publikum wäre als nächstes dran. Dem gilt es vorzubeugen, indem man auf die Bühne wie in einen Boxring steigt. Bevor die Rockys dort oben stehen – und wir draußen vor der Tür.

Zu sehen bis 22. Jänner.

werk-x.at           Trailer: vimeo.com/654882969

  1. 1. 2022

Bronski & Grünberg: Die roten Augen von London

Januar 7, 2020 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Der ultimative Edgar-Wallace-Irrwitz

Die üblichen Verdächtigen: Daniela Golpashin, Elias Krischke, Dominic Oley, Gerhard Kasal. Elisa Seydel, Fritz Hammel und Kimberly Rydell. Bild: © Philine Hofmann

„Hallo, hier spricht …“ muss selbstverständlich der erste Satz sein, auch wenn vors „frei nach“ nicht weniger als sieben sehr geschrieben sind. Fürs Bronski & Grünberg hat sich Theaterdreifaltigkeit Dominic Oley diesmal einen Edgar-Wallace-Fall zur Brust genommen, hat aus den toten „Die roten Augen von London“ gemacht – und die Story um eine blinde Verbrecherbande mit dem ihm eigenen, heißt: Wahn- wie Hintersinn, bronskifiziert. A Show with everything but Ady Berber!

Die Jahresauftaktpremiere an Wiens erster Adresse für Progressiv-Boulevard ist auf Hochglanz gewixxt, Slapstick, Satire, Nebelschwaden, mit elegant-ernsthafter Einfassung an den Rändern. Es ist bemerkenswert, wie mühelos es Autor-Regisseur Oley gelingt, dem Krimi, vor allem der in punkto Skurrilität – ob Augenzwinkern, ob Unvermögen? – nicht festzumachenden Verfilmung, an Irrwitz eins draufzusetzen. Textzeilen wie, Chefinspektor Larry Holt: „Heute Morgen wurde wieder eine Leiche aus der Themse angeschwemmt.“ Sergeant Harvey: „Empörend! Wird denn in diesem Land überhaupt niemand mehr erschossen?“, muss man erst einmal toppen.

Die Aufführung fährt von Anfang bis Ende in Höchstgeschwindigkeit, der Wortwitz fliegt tief, bitte raten, was sich gunstgewerblerisch auf Roger Moore reimt, und apropos: Unvermögen, klar wird sich in diesem Spiel um Sex & Drugs & großes Geld auch ins Politische verbissen – ganz nach der Bronski-Parole, in Zeiten wie diesen, ist es Zeit für die Komödie, denn die Komödie ist immer noch der Glauben an das Gelingen in dieser Welt. Und so werden nun in der Müllnergasse so steinreiche wie steinalte wie mausetote Männer aus der Themse gefischt, offenbar ertrunkene Millionäre mit abnormal geröteten Augen.

Für Scotland Yard und seine Führungsspitze ist das eine verflixte Sache, ist die brillanteste Doppel-Null-Agentin doch auf Zwangsurlaub geschickt worden, nachdem sie die Innenministerin beim Staatsverhökern auf einer spanischen Insel beschattet hat. Meanwhile muss eine ambitionierte, kleine West-End-Bühne mangels Subventionierung beinah schließen, doch wird der selbstironische Seitenhieb von einem geheimnisvollen Spender abgefangen, der dem Theater allmonatlich einen großzügigen Betrag überbringen lässt.

Bild: © Philine Hofmann

Bild: © Philine Hofmann

Bild: © Philine Hofmann

Von einem – Achtung! – blinden Boten, womit die Spur ins nächstgelegene Blindenheim führt, das sich zufällig im selben Haus befindet, wie jene Assekuranz, bei der die ums Leben gebrachten Geldsäcke versichert waren. Während eine Todesliste in Brailleschrift auftaucht, unpassende Aphorismen gerade noch die Kurve kratzen, und die neurotisch-erotische Superermittlerin Colt, Kimberly Rydell, ihr Pantscherl mit dem Chefpathologen Stefan Lasko pflegt, muss der in erster Linie mit Ehefrau und Einkäufen bei Carrotts beschäftigte Polizeichef Fritz Hammel – „Meine Fresse, die Presse!“ – vor ebendieser seine Unfähigkeit rechtfertigen.

Vom Feinsten ist sein Zwiegespräch mit dem zum Friseur mutierten einstigen Flimmer-Fred, ein Philosophieren um bedingungsloses Grundeinkommen, Vermögensobergrenze und eine Welt, in der die Menschen ihr Zuviel teilen. Und da die Morde ja kein zack-zack Einzelfall sind, stellt sich nun schon die Frage, ob hier Umverteilung – natürlich nicht vom Staat, mehr privat – in großem Stil betrieben wird. Im durchwegs großartigen Ensemble ist Elias Krischke nicht nur als Freddy, sondern im Mehrfacheinsatz brillant, ob er als dienstbeflissen-dämlicher Sergeant Eddi Arent alle Ehre macht oder als blinder Benny was vom „bösen Ort“ stammelt, bevor er stunttechnisch einwandfrei von der Bühne fällt.

Dass dem Burgtheater-Bakchen-Chorist mit seinem „Die Sache mit den Laufbändern habe ich nicht verstanden“ ein Insidergag und darob amüsiertes Lachen geschenkt ist, ist nur eine der geglückten Petitessen dieser zwischen herzhaft groteskem Humor und geschliffener Politpointe changierenden Produktion. Gerhard Kasal verkörpert in Personalunion Reverend Dearborn und Rechtsanwalt Judd, und per Erscheinungsbild auch des Edgar-Wallace-Publikums liebsten Bösewicht. Again the Ringer! Die somit drei Sehkraftlosen lassen Elisa Seydel als religiös-sadistische Klosterschwester Agnes über, nein – nicht die Klinge, den Blindenstock springen. Virtuos im Dialog-Ping-Pong und in komödiantischer Höchstform sind auch Daniela Golpashin und Florian Carove.

Die zwei gescheiterte West-End-Existenzen, wie Wladimir und Estragon auf Oley-Art, die auf der Suche nach einem Papagei mit Opernsängerqualitäten auf den Plappervogel im Blindenheim stoßen, der immerhin die Uhrzeit sagen und ungarische Kantaten singen kann. Ob der Kriminalfall am Schluss als geklärt zu betrachten ist, bleibt dem Urteil des einzelnen überlassen, jedenfalls taucht weder der unheimliche noch der Mönch mit der Peitsche, aber Stefan Lasko wie ein Frosch ohne Maske aus dem Nass auf. An Schuldigen werden dingfest gemacht: politische Gleichgültigkeit, fehlende soziale Utopien und schlechtes Benehmen. Nach gebührendem Jubel-Trubel zog’s die Zuschauer weiter – ins Gasthaus an der Themse aka die Flamingo-Bar.

www.bronski-gruenberg.at           Little extra for nostalgics: www.youtube.com/watch?v=6l_2D6CpbCo

tv-thek.orf.at/profile/Seitenblicke/4790197/Seitenblicke/14037213/Premiere-im-Bronski-Gruenberg/14619689

  1. 1. 2020

Raimundspiele Gutenstein: Der Diamant des Geisterkönigs

Juli 22, 2016 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Prinzipalin Eckert zeigt Volkstheater vom Feinsten

Ein gütiger Geisterkönig: Karl Ferdinand Kratzl mit Annette Isabella Holzmann, Alexandra-Maria Timmel und Christoph Moosbrugger. Bild: © Joachim Kern/www.raimundspiele.at

Ein gütiger Geisterkönig: Karl Ferdinand Kratzl mit Annette Isabella Holzmann, Alexandra-Maria Timmel und Christoph Moosbrugger. Bild: © Joachim Kern/www.raimundspiele.at

Wie Karl Ferdinand Kratzl den Longimanus spielt, so möcht‘ man sich den lieben Gott vorstellen. Gutmütig, solang es nach seinem Willen geht, rechthaberisch grausam, wenn nicht, ein absolutistischer Senior und nur so weit senil, dass er doch noch im rechten Moment die richtige Entscheidung trifft, was die Menschen auf den ersten Blick freilich so nicht sehen … Mit einem Wort: Kratzl ganz in seinem bekannt skurrilen Kabinettstückchen-Element.

Prinzipalin Andrea Eckert hat für das erste Jahr ihrer Intendanz bei den Raimundspielen Gutenstein dessen Zauberposse „Der Diamant des Geisterkönigs“ gewählt und zeigt damit Volkstheater vom Feinsten. Bereits im prächtigen Bleichgarten beginnt das Sommerspektakel für Leib und Seele, Picknickkörbe, Gedichte aufsagende Kinder und Blasmusik. Mit klingendem Spiel wird das Publikum ins von Edgar Tezak neu gestaltete Zauberzelt geleitet, drinnen hat Eva-Maria Schwenkel für die magischen Momente gesorgt.

Eckert legte nicht nur die Gestaltung des Bühnenbilds in weibliche Hände, sondern auch Regie, Kostüme und Maske. Während dafür Nina Ball und Regina Tichy zuständig sind, hat Cornelia Rainer inszeniert. Und zwar mit viel Gespür für Tempo und Timing. Rainer hat den Diamanten präzise geschliffen, sie setzt auf Spaß, wenn sie die Raimund’schen Figuren den Wortwitz ihres Schöpfers allzu wörtlich nehmen lässt, vergisst aber bei all dem Happysound nie auf dessen melancholische Baseline. So gelingen dem Ensemble, das mit viel Spielfreude bei der Sache ist, die lauten wie die leisen Töne.

Begleitet von der Livemusik von klezmer reloaded turnen die Darsteller durch eine gute Stube, die schon einmal bessere Zeiten gesehen hat, eine mit Kästen, Kommoden und Kredenzen vollgestopfte Wunderkammer, denn im Altmöbellager verbergen sich zwei Welten, die der Geister und die der Menschen, von Regisseurin Rainer klug ineinander verschoben und verwoben. Die Geister beobachten, kommentieren, greifen ein ins Geschehen, sie sind es, die die menschlichen Bemühungen befördern oder boykottieren.

Nach dem Tod seines Vaters, des Zauberers Zephises muss Eduard in Begleitung seines Bediensteten Florian dem Geisterkönig seine Aufwartung machen. Zephises hat eine Schatzkammer hinterlassen, nur eine wertvolle Statue fehlt, und die soll Eduard erhalten, wenn er Longimanus ein Mädchen bringt, das noch nie gelogen hat. Nach langem Suchen findet sich Amine, doch einmal gefunden will Eduard sie nicht mehr hergeben. Er hat vor, sein dem Luftherrscher gegebenes Ehrenwort zu brechen. Es folgen Irrungen und Wirrungen …

Eduard sucht den Zauberschatz seines verstorbenen Vaters: Alexander Meile und Ensemble. Bild: © Joachim Kern/www.raimundspiele.at

Eduard sucht den Zauberschatz seines verstorbenen Vaters: Alexander Meile und Ensemble. Bild: © Joachim Kern/www.raimundspiele.at

Der böse Koliphonius verwandelt den einfältigen Florian in einen Pudel: Eduard Wildner und Matthias Mamedof. Bild: © Joachim Kern/www.raimundspiele.at

Der böse Koliphonius verwandelt den einfältigen Florian in einen Pudel: Eduard Wildner und Matthias Mamedof. Bild: © Joachim Kern/www.raimundspiele.at

Alexander Meile und Matthias Mamedof geben Eduard und Florian als ein Paar wie Tamino und Papageno. Vor allem Mamedof brilliert als einfältiger Florian, er zeigt sich nicht nur als großartiger Schauspieler und Gstanzlsänger, sondern auch als einwandfreier Akrobat – und Pudel. Zu Recht gilt seiner Leistung der meiste Applaus. Meile macht aus dem Eduard gerade so viel Elegiebürscherl, dass es immer noch sexy ist. Den beiden steht mit Annette Isabella Holzmann eine resolute Mariandl zur Seite, deren Vormachtstellung als Herrin im Haus mutmaßlich von der stolz die Unterlippe vorschiebenden Amina von Lisa Weidenmüller bedroht werden wird.

Alexandra-Maria Timmel ist Longimanus‘ unzufriedener und ergo dem Alkohol zusprechender Adlatus Pamphilius. Eduard Wildner ist erst der böse Zaubergarten-Wächter Koliphonius, dann der zwielichtige Veritatius. In dessen „Land der Wahrheit und der Sittsamkeit“ erfahren Eduard und Florian die Wirkweisen von Spitzelwesen, Staatsgewalt und Xenophobie. Rainer erlaubt sich an dieser Stelle ein paar aktuelle Bezüge, und auch, dass die Zuschauer per Handtest auf ihre moralische Unversehrtheit geprüft werden. Zum Gaudium der jeweils grad nicht drangenommenen.

„Der Diamant des Geisterkönigs“ ist ein weises Stück über die Wahrheit, die keine äußere Form, sondern ein innerer Wert ist. Andrea Eckert selbst hat sich die Rolle der Hoffnung zugeschrieben. Friedliebend und freundlich geleitet sie ihre Schützlinge auf deren Weg. Die Hoffnung, sagte die Eckert vorab im Gespräch mit mottingers-meinung.at, werde in Gutenstein in jeder Hinsicht ihre Rolle sein. Sie hat eine mit Bravour erfüllt, nämlich die auf einen samt und sonders gelungenen Theaterabend.

Andrea Eckert im Gespräch: www.mottingers-meinung.at/?p=19848

www.raimundspiele.at

Wien, 22. 7. 2016

21er Haus: Edgar Honetschläger – „Los Feliz“

Februar 16, 2016 in Ausstellung, Film

VON RUDOLF MOTTINGER

Ein Roadmovie, das ausschließlich im Studio entstand

Filmstill Los Feliz by Edgar Honetschläger, 2015 Bild: © Copyright Edoko Institute Film Produktion Vienne / Edgar Honetschläger 2014

Filmstill Los Feliz by Edgar Honetschläger, 2015
Bild: © Copyright Edoko Institute Film Produktion Vienne / Edgar Honetschläger 2014

Das 21er Haus präsentiert ab 19. Februar exklusiv das neue Filmprojekt des österreichischen Künstlers und Filmemachers Edgar Honetschläger. „Los Feliz“ ist das erste Roadmovie in der Geschichte des Films, das zur Gänze im Studio gedreht wurde. Dreieinhalb Jahre hat Honetschläger gemalt und gezeichnet, um ein zweidimensionales Amerika zu erschaffen.

In der Ausstellung zum Film wird ein Ausschnitt dieses umfassenden Oeuvres gezeigt. Im Zentrum der Ausstellung steht eine Serie großformatiger Zeichnungen, die als Kulissen für die jüngste filmische Produktion Honetschlägers gedient haben. Ebenfalls offenbart wird der aufwändige Mechanismus, der hinter der Herstellung des Films steckt. „Loz Feliz“ läuft auch auf der diesjährigen Diagonale; ab dem 14. März ist der Film österreichweit in den Kinos. Das Metro Kinokulturhaus zeigt dann eine Honetschläger-Retrospektive.

„Die, die Bilder machen, regieren die Welt“ ist das Leitmotiv des Films, der das einstige Zentrum der filmischen Produktion, Rom, mit dem von heute verbindet: Hollywood. Ähnlich wie die biblische Genesis verfügt „Los Feliz“ über eine Sieben-Tage-Struktur. Eine junge Italienerin, der Teufel und eine japanische Shintō-Göttin fahren in einem alten Mercedes Benz von Rom durch ein gezeichnetes und gemaltes Amerika bis nach Los Angeles – eine Reise, die sich in den großen grafischen Arbeiten der Ausstellung nachvollziehen lässt. Von drei Kardinälen in Bewegung versetzte riesige Bühnenbilder und gezeichnete Kulissen deklinieren dabei die klassische Ikonografie amerikanischer Road Movies. Es ist ein Märchen, sowohl Komödie als auch Tragödie, das mit Humor und Ironie die globale Omnipräsenz von westlichen Bildwelten und Hollywood-Filmen nachzeichnet und dabei dennoch sich selbst und das Genre Road Movie nicht allzu ernst nimmt.

www.honetschlaeger.com

losfeliz.at

www.21erhaus.at

Wie, 16. 2. 2016

21er Haus: Abstract Loop Austria

Januar 25, 2016 in Ausstellung

VON RUDOLF MOTTINGER

Raus aus dem „erbärmlichen Schattendasein“ der Op-Art

Gerwald Rockenschaub: Öl auf Leinwand, 1984. Dauerleihgabe Ernst Ploil Bild: © Belvedere, Wien

Gerwald Rockenschaub: Öl auf Leinwand, 1984. Dauerleihgabe Ernst Ploil
Bild: © Belvedere, Wien

Ab 28. Jänner präsentiert das 21er Haus des Belvedere eine Gruppenausstellung, in deren Mittelpunkt vier österreichische Künstler stehen: Marc Adrian, Richard Kriesche, Helga Philipp und Gerwald Rockenschaub. Ergänzt und in einen internationalen Kontext gestellt wird die Schau durch Arbeiten von Josef Albers und Marina Apollonio bis zu Jorrit Tornquist und Ludwig Wilding.

„Abstract Loop Austria“, so der Titel der Schau, zeigt anhand einer Gegenüberstellung, wie Österreich in den späten 1950er/1960er und 1970er Jahren einen wichtigen Betrag zur Op-Art und Konkreten Kunst geleistet hat und wie Gerwald Rockenschaub diese Tradition in unsere Gegenwart überführt.

In der Wahrnehmung der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts führt die konstruktive, konkrete Kunst der Nachkriegszeit, tatsächlich eine wichtige internationale Tendenz, nicht nur laut Dieter Ronte „ein erbärmliches Schattendasein“. Dabei zeigten sich gerade hierzulande vielseitige Ausgangs- und Anknüpfungspunkte wie beispielsweise der Wiener Kinetismus, Op-Art, Konkrete Kunst, Konzept- und Computerkunst. Grundlegend für die konstruktiv-konkrete Kunst der Nachkriegszeit sind die radikalen Ideen des Aufbruchs in die Moderne, von Wiener Kreis bis Zwölftonmusik, und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Abkehr von den figurativen Tendenzen des österreichischen Expressionismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt die generelle Idee eines Neuanfangs. Die konstruktiv-konkreten Kunst bildet dabei eine wichtige Konstante und wurde unter unterschiedlichen Vorzeichen immer wieder aufgegriffen – beispielsweise in der Neo-Geo-Bewegung der 1980er-Jahre.

Im Mittelpunkt der Ausstellung im 21er Haus stehen aber die Anfänge dieser Kunstrichtung und erste Vertreter. Marc Adrian etwa hat bereits in den 1950er-Jahren die individuelle und unterschiedliche Betrachterposition vor den Kunstwerken in seinen Arbeiten mitgedacht. Der Teilnehmer an der legendären Ausstellung „The Responsive Eye“ 1965 im New Yorker MoMA, die als Geburtsstunde der Op-Art gilt, war nicht nur einer der Begründer des österreichischen Experimental- beziehungsweise Avantgardefilms, sondern hat sich bereits in seinen Objektkästen und Hinterglasmontagen mit kinetischen Effekten, zeitlichen Interferenzen und optischen Strukturproblemen beschäftigt. Sie werden in der Schau ebenso gezeigt, wie seine plastischen Werke, die Mobiles, und frühe Experimentalfilme. Im Zuge der Ausstellung wird auch das Werkverzeichnis dieses zu Unrecht vergessenen, national wie international bedeutenden Künstlers vorgestellt.

Durch Marc Adrian kam Helga Philipp in Kontakt mit Kinetik und Konkreter Kunst und untersuchte in ihren frühen schwarz-weißen Objektkästen und ihren Plexiglasarbeiten optische Phänomene im Sinne der Op-Art. Durch die Verwendung neuer Materialien wie Acrylglas und später die Siebdrucktechnik wollte Philipp eine Kunstform ohne persönliche Handschrift finden. Richard Kriesche wiederum übertrug in seinem Frühwerk die Ideen konzeptuell geometrischer Malerei in farbige Objekte, häufig auf der Grundlage von mathematischen Codes und definierten Regeln. Später geht Kriesche von den Ideen der Konkreten Kunst über zur Medienkunst und elektronischen Bildverfahren.

Und einer bedingte den nächsten: Gerwald Rockenschaub war an der Universität für Angewandt Kunst nicht nur ein Schüler von Helga Philipp, sondern vielmehr griff er Mitte der 1980er-Jahre ihre optische Erforschung der Oberfläche und Struktur von Kunstwerken auf. Er spezialisierte sich auf die Untersuchung der künstlerischen Wahrnehmung von Alltagscodes und der Zeichen neuer Informationstechnologien. Später wurde seine Malerei durch mechanische Verfahren und industrielle Materialen, wie Folien oder Plexiglas, abgelöst und Club-Kultur, Techno-Musik und Computertechnik miteinbezogen.

Edgar Knoop: Subway 813

Parallel zu „Abstract Loop Austria“ findet anlässlich einer Schenkung des Künstlers an die Österreichische Galerie Belvedere die Präsentation von Edgar Knoop „Subway 813“ statt. Zu sehen sind Werke der 1970er- bis 2010er-Jahre. Kinetische Lichtobjekte nennt Knoop seine Werke, die sich dem Auge des Betrachters durch Lichtreflexionen als immer wieder veränderlich darstellen.

www.belvedere.at

Wien, 25. 1. 2016