donaufestival 2016: Drei Tipps
März 3, 2016 in Tipps
VON MICHAELA MOTTINGER
Das letzte Programm von Tomas Zierhofer-Kin

God’s Entertainment: Neue Europäische Tragödie
Bild: © Rolf Arnold
Vom 29. April bis 7. Mai findet das donaufestival in Krems statt. Tomas Zierhofer-Kin präsentierte Donnerstag Vormittag das diesjährige Programm, das unter dem Motto „redefining arts“ steht. Es ist sein letztes Jahr als Festivalleiter, Zierhofer-Kin wird Intendant der Wiener Festwochen. In Krems wird Thomas Edlinger ab 2017 sein Amt übernehmen.
Das donaufestival 2016 versteht sich als Manifest der Nicht-Norm, des anderen, des postkolonialen Blicks auf eine Welt des Grauens. Das Programm sei kein Best of, Dinge nostalgisch Revue passieren zu lassen, sondern „ein Best of im Sinne einer inhaltlichen Zuspitzung“, so Zierhofer-Kin. In einer Zeit, in der Ratlosigkeit dominiere, müsse man Künstlern zuhören. „Kunst muss uns die echte Wirklichkeit zeigen“. Die Menschen müssten das „Vertrauen gewinnen, Künstlern zuzuhören und wir müssen von der Kunst lernen“. Es gehe beim diesjährigen Festival darum, sich „auf fundamentale Weise mit Nicht-Normen auseinanderzusetzen“, sagt er. Zum Abschluss „seines“ Festivals werde man „die Bühne frei machen für unser Publikum“. Das Publikum sei „der zentrale Akteur des Festivals“, dieses sei ausgezeichnet von „einer stetig wachsenden Kurve an Neugier“. Zierhofer-Kin bedankte sich beim gesamten Festival-Team: „Es war eine unglaublich spannende Arbeit. Es war eine tolle Zeit“.
Drei Tipps aus dem Festivalprogramm:
Julius Deutschbauer, David Jagerhofer und Barbara Ungepflegt: Kunstinspektion Donau. Ab 25. April, Stadtcafé Ulrich. Amtsstunden täglich von 14 bis 20:00 Uhr, ab 18 Uhr gemütliches Denunzieren und Lamentieren bei Imbiss und Trank. Beim donaufestival 2016 beziehen drei Inspektoren Posten in Krems. Deutschbauer, Jagerhofer und Ungepflegt ermitteln! Das Team der Kunstinspektion Donau fordert die Bevölkerung von Krems auf, Missstände oder Verdächtigungen jeglicher Art zur Anzeige zu bringen. Es kann sich dabei um Kunst- beziehungsweise Kulturanzeigen handeln, es kann der Hund des Nachbarn oder das Fehlen von weiblichen Straßennamen angezeigt werden, ein Monopol oder die Schließung einer Bankfiliale und so weiter … Allen Anzeigen wird nachgegangen oder mittels des schwarzen Einsatzwagens Ape 50 Europe mit Blaulicht und Megafon nachgefahren. Es können live neue Fälle zur Anzeige gebracht werden.
Außen am Wachzimmer ist ein Beschwerdebriefkasten angebracht, wo die BürgerInnen – auch außerhalb der Dienstzeiten! – ihre Anzeigen einwerfen können, entweder mit ihrem Namen versehen oder anonym. Es wird gebeten, die dafür vorgesehenen Anzeigeformulare zu verwenden. Diese sind auch an neuralgischen Orten aufgelegt, gehen als Postwurf an jeden Haushalt in der Region und können als PDF-File von der Homepage des Festivals heruntergeladen werden. Die Idee hinter der Kunstinspektion Donau besteht darin, die Verhältnisse umzudrehen, die Kunst selbst zum Ordnungshüter zu machen, um die Regeln des Alltags und die Normalität zu überwachen und als Normalität vor den Übergriffen durch Kunst zu schützen oder sie eben diesen auszusetzen. julius-deutschbauer.com
God’s Entertainment: „Niemand hat euch eingeladen – Teil II der Neuen Europäischen Tragödie“. Ab 29. April, Messegelände/Halle 1. Kaum eine Künstlergruppe hat das donaufestival seit seiner Neupositionierung so intensiv begleitet und geprägt wie God´s Entertainment. Am Anfang noch als unbekannte Newcomer und Geheimtipp sind die Wiener Theaterikonoklasten wie Theaterretter zu Stars der internationalen Performance-Szene avanciert. Mit der Uraufführung ihrer „Neuen Europäischen Tragödie“ demonstrieren sie einmal mehr, dass politisches Theater bürgerliche Folklore ist und dass es einzig um den Moment gehen kann, an dem Theater politisch wird.
Anstatt sich damit zu begnügen, die Performance anhand der aktuellen Flüchtlingstragödie zu beschreiben, ist nun wesentlich tiefer zu fragen, wie es bereits Jean Paul Sartre im Vorwort zu Frantz Fanons Buch „Die Verdammten dieser Erde“ tat: „Und was tut Europa? Dieses Geschwätz von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Liebe, Ehre, Vaterland, was weiß ich. Nichts ist bei uns konsequenter als ein rassistischer Humanismus, weil der Europäer nur dadurch sich zum Menschen hat machen können, dass er Sklaven und Monstren hervorbrachte“. Und wenn diese „fremden Monstren“ heute übers Mittelmeer flüchten, schreibt man groß: Niemand hat euch eingeladen! Aufgrund der derzeitigen europäischen Umstände zeigt die Performance durch Collagen und Bilder konsequent, worin der Zuschauer die eigene machtlose Nacktheit am Theater wiedererkennen kann. Solange man sich auf dieser Seite Europas als machtlos und frustriert betrachtet, kann man gerne auf die andere Seite der Mauer flüchten. www.gods-entertainment.org
Monster Truck & Theater Thikwa: Dschingis Khan: Ab 5. Mai, Forum Frohner. Die Tendenz der westlichen Welt, ihr eigenes Normensystem, ihre eigene Ästhetik auf das gefürchtete und unterjochte Fremde zu projizieren, hat eine lange Tradition. Dass Exotismus keinesfalls ein harmloses ästhetisches Spiel ist, sondern Ausdruck von Rassismus, wird in der Performance „Dschingis Khan“ des deutschen Kollektivs Monster Truck ebenso deutlich, wie die Tatsache, dass Rassismus und Behindertenfeindlichkeit ihre gemeinsamen Wurzeln in denselben Untiefen des Denkens haben. Monster Truck arbeiten seit Jahren mit Schauspielern des Theater Thikwa zusammen, das sich „Der Geist lässt sich nicht behindern“ auf seine Fahnen geschrieben hat. Menschen mit Down-Syndrom, einst wegen ihres Aussehens „mongoloid“ genannt, zeigen den Alltag der Mongolen.
In schwere Felljacken gehüllt sollen die Performer ihre vermeintliche Authentizität und Wildheit zur Schau stellen. Sie bekommen Handlungsanweisungen und werden zu Tableaus arrangiert. Ausgeleuchtet und mit Sound unterlegt werden sie auch noch in ihren banalsten Verrichtungen mit tieferer Bedeutung aufgeladen. Die Maschinerie des Theaters läuft auf Hochtouren, um das größtmögliche Andere zu produzieren. Ein Anderes, in das Ängste und Sehnsüchte ausgelagert werden können, und das man wahlweise bemitleiden, fürchten, begehren oder verklären kann. Dschingis Khan, der mächtigste Herrscher aller Zeiten, erscheint degradiert zu einer billigen Kirmesattraktion, in der sich Vorstellungen von fremdländischer Exotik mit landläufigen Ideen von geistiger Behinderung vermischen. www.monstertrucker.de
Wien, 3. 3. 2016