VON MICHAELA MOTTINGER
Ist neue Intendantin der Raimundspiele Gutenstein

Prinzipalin Andrea Eckert. Bild: Laurent Ziegler
„Prinzipalin“ steht auf der Webseite der Raimundspiele Gutenstein neben dem Namen Andrea Eckert – und als solche zeigt sich die Schauspielerin beim Interview auch. Vor einem dreiviertel Jahr hat sie ihre neue Aufgabe begonnen, hat sich ihr künstlerisches Team gewählt, wurde erstmals mit den Sorgen einer Intendanz konfrontiert – und hat sich so richtig ins Zeug geworfen. Nach dem Motto: Problem? – Lösung!
Am 21. Juli geht’s los, mit „Der Diamant des Geisterkönigs“. Die Eckert spielt die „Hoffnung“, weil’s zu diesem Neubeginn passt, wie sie findet. In Gutenstein soll es ab diesem Jahr nämlich ein Fest für alle Sinne geben. Mit Zauberzelt und magischen Wesen und einem Park, der in eine mystische Landschaft verwandelt wird. Ein Gespräch über Publikum mit Picknickkörben, ein Filmprojekt über minderjährige Flüchtlinge und ein Theaterleben ohne Wiener Bühne:
MM: Wer keine Sorgen hat, wird Intendantin?
Andrea Eckert (sie lacht): Ich habe diese Aufgabe Ende 2015 übernommen. Ich freue mich sehr darüber, aber wenn man im Jänner anfängt, Regisseurin und Schauspieler für den Sommer zu suchen, lacht jeder nur. Nach vielen Gesprächen hatte ich das Glück, Cornelia Rainer zu treffen. Bei unserem ersten Treffen sagte sie einen Satz, der mich staunen ließ :“Bei Raimund gibt es ganz viel Traurigkeit.“ Sie war die Erste, die jene tragische Seite von Ferdinand Raimund angesprochen hat, die zwar im Leben dieses großen Dichters eine zentrale Rolle gespielt hat, in den Aufführungen seiner Stücke aber so gut wie nie spürbar ist. Ich glaube, der Neubeginn der Raimundspiele in Gutenstein ist ein guter Moment, um Raimund aus einer gewissen lieblichen Entrücktheit wieder in unsere Nähe zu bitten und uns auch mit den Dämonen und Ängsten zu beschäftigen, die ihn sein Leben lang verfolgt haben, ohne dabei den „Volksdichter“ zu beschädigen. Darüberhinaus habe ich mir natürlich Gedanken gemacht, wie ich, von Raimund abgesehen, das durch den vielfältigen niederösterreichischen Theatersommer verwöhnte Publikum verführen kann, nach Gutenstein zu kommen.
MM: Sie haben sich 2003 aus der Bewerbung um die Volkstheater-Intendanz zurückgezogen. Sind nun die Voraussetzungen besser?
Eckert: Das ist nicht zu vergleichen. Das Volkstheater war mein Lebensort, mein künstlerisches Zuhause, an dem ich über lange Jahre mit vielen Menschen verbunden war, nicht nur mit Schauspielerinnen und Schauspielern, auch aus den Sparten Bühne, Maske, Kostüm, Technik gab es Leute, die ich unglaublich schätze wegen ihres Könnens und ihrer Liebe zum Theater, und mit denen ich gerne weitergearbeitet hätte. Als ich mit diesem Vorhaben gegen die Wand gefahren war, beschloß ich, derartiges nie wieder zu versuchen. Mein Verlangen nach Selbstverletzung ist endenwollend. Aber die Sehnsucht nach einem Ort, an dem ich Leute versammeln kann, um eine künstlerische Idee gemeinsam zu verwirklichen, ist geblieben. Vielleicht glückt es in Gutenstein. Bei meinem ersten Kontakt mit Bürgermeister Michael Kreuzer stellte ich erstaunt fest, wie wichtig ihm die Zukunft der Raimundspiele ist und sein ehrlicher Enthusiasmus war für mich ausschlaggebend, die Aufgabe der „Prinzipalin“ zu übernehmen (sie lacht).
MM: Nun denkt man bei der Schauspielerin Andrea Eckert nicht als erstes an Raimund-Rollen. Das ist doch gar nicht ihr „Fach“?
Eckert: Es stimmt, vielleicht passe ich nicht wirklich in diese Wiener Volksstücke, ich habe auch nie Nestroy gespielt, aber nein, falsch! Raimund habe ich gespielt! Ein einziges Mal, natürlich am Volkstheater. Und zwar die „Hoffnung“ im „Diamant des Geisterkönigs“. Diese kleine, wunderschöne Rolle werde ich auch in Gutenstein spielen. Die „Hoffnung“ ist eine Allegorie, die sich dem Wienerischen Flair und Duktus entzieht. Eine Intendanz ist eine schwierige Aufgabe mit viel Verantwortung. Es war mir klar, daß ich während der ganzen Spielzeit vor Ort präsent sein will, und dachte mir, da kann ich ja gleich mitspielen. Ich freue mich auf den Sommer. Die „Hoffnung“ wird dort in jeder Hinsicht meine Rolle sein. (Sie lacht.) Ich denke nun beinah täglich an Emmy Werner. Jetzt verstehe ich erst, was es heißt, mit einem Haufen Individualisten ein künstlerisches Projekt auf die Welt zu bringen. Ich bekomme viel Unterstützung von allen Beteiligten, für ihren Enthusiasmus kann ich nicht genug danken. Der technische Leiter des Volkstheaters, Michael Mayerhofer, hat bei uns in Gutenstein die technische Leitung übernommen und wir können Teile unseres Bühnenbilds in den gerade noch bestehenden Werkstätten fertigen lassen. Das ist großartig, denn dort arbeiten Menschen, die ihr Handwerk wirklich verstehen.
MM: Bleiben wir beim Thema Geld. Subventionsgeber und Sponsoren?
Eckert: Ja, das liebe Geld!!! Ich bin auf der Jagd nach Sponsoren. Es gibt das Land Niederösterreich als Hauptgeldgeber, die Gemeinde hat Sponsoren aus der Gegend, ich schnorre, wo ich kann. Ich fühle mich dem Geld und der Kunst verantwortlich, das ist ein Spagat, der mich zuweilen um den Schlaf bringt.
MM: Konkret heißt das?
Eckert: Dass ich ein sparsamer Mensch bin. Wir haben 230.000 Euro, 20.000 mehr wären gut. Da könnte ich entspannter agieren.

Eckert mit einem Modell des neuen Zelts. Bild: © Karl Denk / www.raimundspiele.at

Regisseurin Cornelia Rainer. Bild: © Karl Denk / www.raimundspiele.at
MM: Regisseurin Cornelia Rainer haben Sie für diese Inszenierung erst kennengelernt. Das Ensemble sind alte Bekannte und ein Best of der jungen Kräfte in Österreich.
Eckert: Ich habe Schauspieler angesprochen, die ich schätze, und da ich viel ins Theater gehe, standen einige bereits auf „der Liste“. Im Hamakom habe ich Alexander Meile gesehen, der Eduard spielen wird. Lisa Weidenmüller ist sein „Diamant“, Amine, Matthias Mamedof, ehemals Volkstheater, der ideale Florian, Annette Isabella Holzmann – sie hat mit mir in dem Stück „Du bleibst bei mir“ gespielt – ist das Mariandl. Karl Ferdinand Kratzl, Edu Wildner und Christoph Moosbrugger runden den Cast ab, weiters werden noch Sophie Behnke, Uli Hübl, Tany Gabriel und Ronald Rudoll zu sehen sein.
MM: Wie Sie schon sagten, Sie planen ein Fest für alle Sinne, das sozusagen bei der Gutensteiner Ortstafel beginnt. Dafür haben Sie sich einen ganz besonderen Verbündeten geholt: Edgar Tezak.
Eckert: Egar Tezak ist ein großartiger Maler, der sein Leben auf Reisen verbracht hat, lange in Indien und New York gelebt hat, bevor er sich wieder in Österreich niedergelassen hat. Er ist bestens bewandert in der Fantasiewelt Ferdinand Raimunds und hat meinen Vorschlag, unser Theaterzelt mit Motiven, inspiriert von der Fantasiewelt des Dichters zu versehen, schöner verwirklicht, als ich es mir je hätte träumen lassen. Auch im Park werden im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten Lichtskulpturen von Edgar Tezak aufgestellt, er gestaltet unser Plakat, die Eintrittskarten, alles. Ich möchte für die Zeit der Raimundspiele den Park, das Theaterzelt und den Ort verwandeln. Mir schwebt auch eine andere Art des üblichen Theaterbuffets vor, an dem man sich üblicherweise bis zum Pausenende um ein Getränk anstellt: Picknickkörbe und Decken werden bei uns bereitgestellt sein, damit das Publikum es sich vor oder nach der Vorstellung im Park gemütlich machen kann und sich eingeladen fühlt, noch ein wenig zu verweilen. Ich hoffe, das klappt alles so und wird schön für die Leute …

Edgar Tezak gestaltet das Theaterzelt und den Zaubergarten. Bild: © Karl Denk / www.raimundspiele.at
MM: Den Willen, eine regieführende Intendantin zu sein, haben Sie nicht?
Eckert: Ich habe großen Respekt vor diesem Beruf, den ich nicht erlernt habe, und hohe Ansprüche an mich selbst. Beim Dokumentarfilm mit einem kleinen Team habe ich die Erfahrung gemacht, ja, das kann ich. Am Theater, bei derartig personenreichen, komplizierten Stücken wie bei Raimund, traue ich mir das nicht zu. Ich nehme die Intendanz sehr ernst, die Aufgabe allein ist eine Herausforderung, ich bin im Grunde für alles verantwortlich und zuständig. Regie soll jemand führen, der Erfahrung hat und sich darauf konzentrieren kann.
MM: Sie haben den Wunsch geäußert, die Raimundspiele in Gutenstein mögen kommendes Jahr wieder Mitglied des Theaterfests Niederösterreich sein. Was muss dafür geschehen?
Eckert: Ich bin noch nicht ganz in diese Materie eingedrungen, aber ich habe zur Kenntnis genommen, dass Gutenstein bei der Ankündigung des Theaterfests Niederösterreich nicht dabei war. Ich möchte das natürlich ändern. Wir gehören zu Niederösterreich, wir möchten einen ernsthaften künstlerischen Beitrag leisten, also wollen wir auch Teil des Theaterfestes sein, mit aller zusätzlichen Bewerbung, die das mit sich bringt. Ich freue mich auch sehr über Besuch von Intendanten-Kolleginnen und -Kollegen, denn ich halte viel vom Miteinander, um gemeinsame Anliegen zu realisieren.
MM: Sie bereiten auch einen neuen Dokumentarfilm vor?
Eckert: Das ist eine Geschichte, die mir sehr am Herzen liegt, die aber immer noch in der Projektfinanzierung steckt. Ich habe glückliche Zeiten meiner Kindheit in der Nähe von Eggenburg verbracht, einer kleinen Stadt im Weinviertel. Bis heute bin ich dort verwurzelt wie nirgends sonst. Seit Kurzem sind in Eggenburg 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Über sie, ihre erschütternden Lebensgeschichten und über die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Eggenburg möchte ich einen Dokumentarfilm machen. Kann man sich einander annähern? Überwiegen Ablehnung und Vorurteile oder Solidarität und Empathie? Es findet dort gerade ein mutiges Wagnis statt, gerade in der momentanen Situation, mit offenem Ausgang …
MM: Woher kommt Ihre Liebe zum Dokumentarfilm?
Eckert: Aus Begegnungen mit herrlichen Menschen und dem Trauma des endgültigen Abschieds – diese Erfahrung, dass mit den Menschen ihre Erinnerungen, eine ganze Welt, verschwindet. Ich empfinde das als ungeheuren Verlust. Und so sind all diese Filme entstanden, aus der Sehnsucht, Wesen wie die Zirkusartistin Lucia Westerguard, den Schriftsteller Frederic Morton oder den Schauspieler Walter Schmidinger hier zu behalten, für uns zu bewahren. Ein ganz egoistischer Wunsch. Trotzdem: diese Art des Filmemachens ist das genaue Gegenteil vom Schauspielen. Man konzentriert sich ganz auf den anderen, versucht nur, eine Membran für ihn zu sein, um die richtige nächste Frage zu stellen und ihn noch tiefer zu sich selbst zu bringen. Es ist so wohltuend, auf sich selbst zu vergessen. Wir Schauspieler kreisen ein Leben lang um unsere Rollen und damit in gewisser Weise um uns, da ist Egozentrik ein notwendiges Arbeitsvehikel. Beim Dokumentarfilm geht es ausschließlich um das gegenüber und wie man es am Richtigsten erfassen kann. Zuhören, zuhören, zuhören …
MM: Haben Sie auch weitere Pläne für die Bühne?
Eckert: Nicht in Wien. Ich mache im Herbst ein schönes Theaterprojekt in Zürich, ich spiele von Deutschland über Israel bis in die USA meinen Lotte-Lenya- und andere -Chansonabende, und ich freue mich darüber, dass diese selbst kreierten Arbeiten weite Kreise ziehen. An Wiener Theatern finde ich zur Zeit nicht statt.
MM: Was wird in Zürich sein?
Eckert: Eine Crossover-Produktion zwischen Musikern, Tänzern und einer Schauspielerin, die im Zentrum des Abends steht. Es ist ein Projekt über Arnold Schönberg, seine Frau Mathilde und Richard Gerstl, der ja mit ihr liiert war und sich nach dem Scheitern der Beziehung erhängt hat. Premiere wird in Zürich sein, dann gehen wir nach Frankfurt, New York – und kommen damit eventuell auch nach Wien.
www.raimundspiele.at
www.andrea-eckert.com
Wien, 13. 5. 2016