aktionstheater ensemble streamt: Salz Burg

März 23, 2021 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Die Hungerkünstler des gespielten Worts

Strenge Lehrmeisterin in Sachen Spielbetrieb, Selbstaufgabe und Scheißdrauf: Grande Dame Vera Borek mit Videogestalter Felix Dietlinger (u.). Bild: © aktionstheater ensemble

Das aktionstheater ensemble zeigt als letzte Produktion der vierten Staffel seiner digitalen Aufführungsreihe „Streamen gegen die Einsamkeit“ die noch bis Sonntag zu sehende Performance „Salz Burg“ aus dem Jahr 2012 – und es hat was von der Faszination des Grausens wie zeitgemäß dieser mit den Erfahrungen des Ensembles komplettierte Text von Wolfgang Mörth gerade wieder ist. Das aktionstheater ensemble veranstaltet mit allem Pipapo eine Sponsorenparty, alles ist „vorbereitet aufs allerbest‘ für Geldgeber und andere Gäst´“.

Freilich, bei dem Titel muss der Hofmannsthal herhalten. Zu Jedermanns Freude wickeln sich zwei Pole-Tänzerinnen akrobatisch um die Stangen, vier Minuten pure Körperkunst zum pulsierenden Technobeat von Erdem Tunakan, der einen Pulsinger & Tunakan-Hälfte. Zur ziemlich „experimentellen“ Live-Kameraführung gibt es drei Vidiwalls – Alexander Moissi und sein „Tod“ Werner Krauß auf dem Domplatz, „Die Götter müssen verrückt sein“, „The Sound of Music“ und weiß der Kuckuck aus welchem Film der chinesische Kader ist.

Von Martin Gruber aufs Korn genommen wird jedenfalls der Kniefall der Hochkultur vor den Finanzstarken. Tobias – Voigt!, æ-Aficionados wissen’s, die Darsteller kreieren im Spiel eine fiktive Figur ihrer selbst – buhlt als Armer Nachbar um die Gunst der „Bewilligungsbefugten“, Sponsoren, Subventionsgebern, Kulturpolitiker: „Nur diesen Beutel teil‘ mit mir …“ Der Akteur mit der schwächelnden Blase und den kraftstrotzenden Grundsätzen, der eingangs, weil auf eine freie Toilette wartend, klorollenlange Assoziationsketten über begrenzte Kapazitäten und Ressourcen-Verteilung abwickelte, weiß um das große Theater mit den per Eigendefinition „Gönnern“.

„Bewilligungsdarsteller mit fixer Gage“, schimpft er sie. Und man selbst? „ …das Biafra, die Sahelzone, das Somalia der Bühnenkunst, Hungerkünstler des gespielten Worts, die Ausgezehrten des Spielbetriebs …“ Vom Speichel des Publikums müsse man sich ernähren, sagt Tobias, und nicht einmal das ist anno 2020/2021 via Stream mehr möglich. „Salz Burg“ ist als heute betrachtete Inszenierung ein Entwicklungsschritt auf dem Weg, den die schnelle Eingreiftruppe zur theatralen Aufarbeitung aktueller Themen 2008 einschlug, weg von den Klassikern, hin zur poetischen, in doppeltem Sinne „Verdichtung“ der gesellschaftspolitischen Realität.

Martina Ambach lamentiert. Bild: © aktionstheater ensemble

Vera Borek deklamiert. Bild: © aktionstheater ensemble

Susanne Brandt kalmiert. Bild: © aktionstheater ensemble

Was Martin Gruber und Martin Ojster hier ansprechen, und schön ist’s zu sehen, wie etwa Michaela Bilgeri und Susanne Brandt bereits an ihren Manierismen feilen, wird in den kommenden Projekten noch präziser werden: Vom Demokratie-Ennui bis zum egozentrierten Weltbild Europas, vom Couchkomfort zum Faschismus, von der Selbst-Infantilisierung über Interesselosigkeit zu einer Konsumsucht, die sich wie ein Krebs ausbreitet – ein collagenähnliches Panorama des Österreichischen, bei dem das Ensemble aufs Anarchischste den Aufstand probt, doch die Barrikaden des Kulturestablishments nicht ohne Selbst/Ironie stürmt.

2012 war das aufg’legt. Die Salzburger Festspiele hatten eben erst den zum Eröffnungsredner bestimmten Jean Ziegler wieder ausgeladen, „diesen Fremdkörper im Festspielorganismus“, sagt Bilgeri, „800 Millionen hungernde Menschen scheißen drauf“, sagt Brandt, „unterm Schirm der Kunst nichts spüren und nichts riechen“, das sei das Ersatzerlebnis, die Ersatzbefriedigung! Wie stets ist Martin Gruber der Moral von der Geschicht‘ elegant ausgewichen, persönliche Befindlich- und Wehleidigkeit hat hingegen hinreichend Platz.

Susanne hat sich für die Rolle der Sandy in „Grease“ beworben, für Musical ist ja Geld da und außerdem „bin ich innen nicht so, wie ich außen ausschau‘, ich fühl‘ mich wie ein Modeltyp“. Fabelhaft verzweifelt und urkomisch ist die Brandt, während sie sich durch ein Best-of-Webber singt. Michaela würde als Stellenangebot auch Blow Jobs annehmen. Martina (Ambach), eben noch Backstage-Anekdoten runterleiernd, eine im Bühnenpelz schwitzende Sängerin, ein Sponsor, der inszenatorische Oberhand will, „weil er’s schließlich zahlt hat“, bricht bei ihrer Selbst/Aufgabe in Tränen aus – so böse sind alle zu den Festspielen, dabei „is des quasi mei Ursprung.“

Michaela Bilgeri. Bild: © aktionstheater ensemble

Tobias Voigt. Bild: © aktionstheater ensemble

Susanne Brandt. Bild: © aktionstheater ensemble

Alle an der Pole Dance Stange. Bild: © aktionstheater ensemble

Derart wird schwadroniert und lamentiert, alles immer haarscharf pathetisch, und mittendrin erstaunt, erschreckt, „im falschen Film“ grad recht – Vera Borek, die Grande Dame des Wiener Volkstheaters, die – „Aufpassen, Kinder!“ – den Nachwuchs bei der Pole Dance Stange hält, in Tonfall und Geste eine gestrenge Ballettmeisterin, Ihre Deutungshoheit, die Bedeutungsschweres zu künden hat, „ …über wie viele Schatten ich schon gesprungen bin …“, „ihr fragt euch, wie bewahre ich bei all dem meine Würde, und ich sage euch, scheißt’s auf die Würde“.

Borek taumelt zum Mikrophon, „mit der richtigen Technik spielen wir die neueste Gesetzesnovelle zur Künstlersozialversicherung als wäre sie von Elfriede Jelinek“, ja, das war auch 2012, um Michaela Bilgeri aus „Wie geht es weiter“ zu zitieren, „ein Riesenthema bei uns“, die Borek will die im Trüben fischenden Kritiker mit postdramatischen Eindrücken beeindrucken, bevor sie sich neben ihren cognacfarbenen Lederfauteuil setzt. Martina hilft, Michaela lacht. Heimlich.

„Planlose Aktivitäten, sprühend vor Energie, aber alles in allem rätselhaft“, rekapituliert Tobias als wäre er einer der erwähnten Kritiker. Damit das klar ist, ES GEHT UMS GELD! Susannes irrer Smalltalk, Schmollmund-Schlampe Michaela, Martina mit ihrem urwüchsigen Charme, wer würde da gern spenden? Viel fehlt nicht, dass ihm das ergänzende Samen- wie Geifer von den Lippen tropft, toxische Männlichkeit heißt sich das. Der nächste Mythopoet, Videomacher Felix Dietlinger, redet von Rebranding, man müsse Content und Hype zugleich zu sein.

„Wie bewahre ich bei all dem meine Würde …?: Vera Borek. Bild: © aktionstheater ensemble

Was Wunder, dass die Berühmtheit in der Runde, die Borek, die ohnedies den Großteil des Abends neben der Espressomaschine verbracht hat, nun als güldene Kaffeekapsel epiphaniert. Vera Borek als fleischgewordene Werbefläche, das ist Product-Placement auf höchster künstlerischer Ebene, das ist Theater-Placement mit subtilem Produktzusammenhang. Noch ästhetischer, authentischer, aussagekräftiger geht nicht.

Und mit ihrer unverwechselbaren, vom Schneidenden ins Somnambule wechselnden Stimme schließt die Borek: „Da draußen gibt es irgendwo die Freiheit der Kunst … glaube ich … dann lass‘ mich sanft hinübergehen, vielleicht geh‘ ich in Freuden ein …“ Und aus dem Hofer-Sackerl schneit’s Federn. Wer wohl gerupft worden ist?

aktionstheater.at           Trailer: vimeo.com/42688565

23. 3. 2021

Rund um die Burg 2020: Das Literaturfestival geht online

April 30, 2020 in Buch, Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Stars wie T. C. Boyle und Stewart O’Nan lesen live

T. C. Boyle, © echo medienhaus

Das #Corona-Virus und seine bekannten Auswirkungen hat auch vor dem traditionsreichen Literaturfestival „Rund um die Burg“ nicht Halt gemacht. Dennoch findet das Lesefest auch dieses Jahr statt – und zwar online. Mit wie gehabt zahlreichen nationalen und internationalen Stars der Literaturszene geht der 24-Stunden-Lesemarathon heuer am 8. Mai eben über die virtuelle Bühne.

Nicht weniger als 45 Autoren – und damit mehr als doppelt so viele wie in den vergangenen Jahren – lesen ab 10 Uhr auf rundumdieburg.at aus ihren Werken. Und das nicht nur am Veranstaltungstag: Alle Beiträge können auch danach noch gestreamt werden.

Mit dabei sind Superstars wie T. C. Boyle, dessen Zuschaltung aus Santa Barbara, Kalifornien, um Mitternacht Ortszeit läuft, Rafik Schami mit „Vom Überlisten“ um 11 Uhr, Stewart O’Nan, dessen Lesung aus Pittsburgh aus „Henry Himself“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=37172) ab 13.20 Uhr läuft, Hilary Mantel aus dem Süden Englands, die ab 16 Uhr den Abschluss ihrer Cromwell-Trilogie „The Mirror and the Light“ vorstellt (Rezension Band I „Wölfe“: www.mottingers-meinung.at/?p=153, Rezension Band II „Falken“: www.mottingers-meinung.at/?p=2951), John Stralecky, der um 20 Uhr aus seinem Bestseller „Auszeit im Café am Ende der Welt“ liest, und Raoul Schrott um 0.40 Uhr mit „Eine Geschichte des Windes“.

Monika Helfer, © echo medienhaus

Rafik Schami, © echo medienhaus

Stewart O´Nan, © echo medienhaus

Eröffnet wird mit Fernseh-Legende Hugo Portisch, der ab 10 Uhr in seiner Wohnung aus seiner Autobiographie „Aufregend war es immer“ vorträgt. Michael Köhlmeier erzählt zuhause in Hohenems ab 21 Uhr seine beliebten Märchen (Rezension „Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle“: www.mottingers-meinung.at/?p=30974) und spätnachts ab 0.20 Uhr liest Monika Helfer, deren Roman „Oskar und Lilli“ von Arash T. Riahi unter dem Titel „Ein bisschen bleiben wir noch“ verfilmt wurde und eigentlich bereits im Kino sein sollte www.einbisschenbleibenwirnoch.at, aus ihrem jüngsten Werk „Die Bagage“.

Lesen werden außerdem Georg Biron, Erika Pluhar, „Superheldin“ Lisz Hirn, Stefan Slupetzky aus „Bummabunga“, Steirerkrimi-Autorin Claudia Rossbacher, Tex Rubinowitz www.mottingers-meinung.at/?p=33292, Gerhard Nechyba Liobelsberger aus „Alles Geld der Welt“, Eva Rossmann, Joesi Prokopetz, ORF-Wetter-Moderatorin Eser Akaba aus „Sie sprechen ja Deutsch!“, Chris Lohner sowie the one and only Erich Schleyer.

Trailer: www.youtube.com/watch?v=l2Y0Z0uSnpg           rundumdieburg.at

30. 4. 2020

Hilary Mantel, © echo medienhaus

Raoul Schrott, © echo medienhaus

Michael Köhlmeyer, © echo medienhaus

John Strelecky, © echo medienhaus

Die Offene Burg präsentiert ihr Programm

September 22, 2016 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Los geht’s am Wochenende 1. und 2. Oktober

Burg-Herrin Karin Bergmann, Offene-Burg-Leiterin Renate Aichinger und das Team Anna Manzano, Airan Berg, Katrin Artl und Barbara Rosteck bei der Programmpräsentation. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Burg-Herrin Karin Bergmann, Offene-Burg-Leiterin Renate Aichinger und das Team Anna Manzano, Airan Berg, Katrin Artl und Barbara Rosteck bei der Programmpräsentation. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Weil ihr die „Junge Burg“ zu kurz gegriffen hat, weil immer wieder die Frage kam, warum TheaterClubs und Workshops nur für ganz junge Leute angeboten werden, startet Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann mit dieser Saison die „Offene Burg“. Hier gibt’s nun de facto keine Altersgrenzen mehr, und das Haus öffnet sich, wie Bergmann sagt, „in jeder Beziehung“ hinaus in die Stadt.

Im Zentrum steht der Gedanke „Schranken einreißen, Berührungsängste überwinden. Uns schwebt eine Art Bürgertheater vor, in das sich alle aktiv einbringen und mitmachen können. Wir wollen alle Generationen ansprechen“, so Bergmann. „Wir wollen“, sagt sie scherzhaft, „nicht nur auf Menschen zugehen, die schon regelmäßig ins Burgtheater kommen, sondern allen für ihr Steuergeld etwas geben. Wir wollen entlang des Spielplans Themen für diese Stadt und ihre Gesellschaft setzen.“ Freitag Vormittag stellte sie gemeinsam mit Offene-Burg-Leiterin Renate Aichinger und deren Team das erste Programm vor.

Die StadtRecherchen gehen 2016/17 über die Donau

Dessen Herzstück sind die StadtRecherchen, konzipiert von Airan Berg und in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt mit 210 Schülerinnen und Schülern und Schauspieler Fabian Krüger, der die „Orestie“ vorstellte, bereits gestartet. Berg, bekannt als ehemaliger Intendant des Schauspielhaus Wien, begeht mit dem Projekt sein Homecoming nach Wien und an die Burg. In Workshops will er Themen, die in Aischylos‘ Drama verhandelt werden, Recht vs Rache, „Sex’n’Crime“, mit interessierten Menschen diskutieren und zu eigenen Formaten weiterentwickeln. Die sollen schließlich nicht nur in Transdanubien, sondern im Frühjahr 2017 auch auf der großen Burg-Bühne zu sehen sein. Berg: „Eingeladen sind alle, auch Privatpersonen, wir suchen aber auch die Zusammenarbeit mit Schulen, Kulturvereinen, Jugendclubs, Seniorentreffs, Migranten-Organisationen, Sozialeinrichtungen … Ziel ist kein Laienspiel, sondern eine Vielfalt von multi-disziplinären Interventionen, Szenen, Installationen, Videos, Liedern, Musik oder Blogs.“ Anmeldungen: offeneburg@burgtheater.at

Bühne des Burgtheaters. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Bühne des Burgtheaters. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Burgtheater - Versenkung. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Burgtheater – Versenkung. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

ACTion, ImproFix und KulissenSpechteln

Weiterhin gibt es natürlich ein großes Paket für Kinder und Jugendliche. Weiterhin gibt es fünf TheaterClubs, mit den Themen Muse bis Mischkulanz, heuer aber erstmals auch den Generationen-Club „Wiener Brut Unlimited“, bis 99 Jahre, den Renate Aichinger selbst leitet. Aichinger: „Mir geht es um gemeinsames Tun und Ausprobieren mit allen, denen kein Theaterabo in die Wiege gelegt wurde. Wir begeben uns gemeinsam auf eine seismographische Spurensuche nach dem Goldenen Wienerherz, quer durch Nationen und Generationen. Ich bin gespannt, was wir entdecken werden.“ Die VorstellBar geht diese Saison erstmals auch an Schulen.

Neu sind TheaterWerkstatt zu den Bereichen szenisches Schreiben, Stimme oder Bewegung, mit „Babel? No Problem!“ bietet Anna Manzano eine Werkstatt für Menschen an, die im Deutschen nicht so firm sind. Außerdem gibt’s mit „ACTion“ ein offenen Theatertraining, mit ImproFix eine Improgruppe, die auch in die Stadt gehen wird, vom Gemeindebau bis an den Gürtel, Wochenendworkshops angedockt an Inszenierungen (im November: „Endspiel“, im Dezember: „Pension Schöller“) und für die Kleinsten KulissenSpechteln, unter dem Titel „BurgNachtTraum“ eine Abenteuerübernachtung im Haus und Vorlesestunden mit Burgstars. Mit „Hamlet, Ophelia und die anderen“ wird ab April im Kasino eine Shakespeare-Adaption zu sehen sein, bei der Jugendliche ab 14 Jahren bereits ab der Textgestaltung eingebunden sind. Regie führt Cornelia Rainer.

Dank der Zusammenarbeit mit der Swarovski Foundation kann das Burgtheater in der Spielzeit 2016/17 jungen Menschen zwischen 10 und 18 Jahren, denen der Zugang aus finanziellen Gründen sonst verwehrt bliebe, 600 Eintrittskarten zum Besuch von Theatervorstellungen kostenlos zur Verfügung stellen und fünfzehn Stipendien für Veranstaltungen der Offenen Burg vergeben.

Nicholas Ofczarek. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Nicholas Ofczarek. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Caroline Peters. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Caroline Peters. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Joachim Meyerhoff. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Joachim Meyerhoff. Bild: Reinhard Werner/Burgtheater

Das Offene-Burg-Wochenende am  1. und 2. Oktober

Auftakt der Offenen Burg ist das Wochenende 1. und 2. Oktober, das bei freiem Eintritt ins Burgtheater einlädt. Unter dem Titel „Menschen – Tiere – Sensationen“ findet im ganzen Haus, auch an bisher unbekannten Orten wie dem mysteriösen Luftmischraum, Programm statt. Von den Katakomben bis ins Erzherzogzimmer, vom Requisitenkeller bis zur Bühnentechnik, von den Werkstätten der Maske bis zur Dramaturgie präsentieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Burg Ausschnitte und Einblick in ihre Arbeit. Ein Höhepunkt des Wochenendes ist die spektakuläre Bühnenshow, in der die Technik zeigt, was die Bühne kann. Dazu gibt es Szenisches, ein literarisches und musikalisches Programm mit Mitgliedern des Burgtheater-Ensembles wie Regina Fritsch, Ignaz Kirchner, Dörte Lyssewski, Michael Maertens, Peter Matić, Joachim Meyerhoff, der neue Texte vortragen wird, Nicholas Ofczarek, Elisabeth Orth, Caroline Peters, Barbara Petritsch oder Branko Samarovski. Mit dabei sind auch der Dramatiker Ferdinand Schmalz und die jungen österreichischen Autorinnen Miroslava Svolikova und Sandra Gugic. Der in Graz lebende kongolesische französischsprachige Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila, Autor des preisgekrönten Romans „Tram 83“, wird bislang Unveröffentlichtes lesen.

Abends ist dann die Premiere von Goethes „Hermann und Dorothea“ mit Maria Happel und Martin Schwab. Bergmann: „Für mich ist das Stück programmatisch, denn es geht um eine Frau, eine Flüchtende, die aus Religionsgründen ihre Heimat verlassen muss, und in einer Stadt mit Besitzstandsängsten landet …“ Die für das Projekt „Offene Burg“ eingesetzten Mittel liegen bei 250.000 Euro.

www.offeneburg.at

www.facebook.com/offeneburg/

Wien, 22. 9. 2016

Strategien für das „Haus der Geschichte“ vorgestellt

September 9, 2015 in Ausstellung

VON RUDOLF MOTTINGER

Natürlich ein eigener Direktor

14982919088_4560db5114_b„Wir haben im gemeinsamen Dialog eine Lösung gefunden“, sagte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer Mittwoch Vormittag bei der Präsentation seiner Pläne für das neue Haus der Geschichte. Die sind: Das Museum soll im ersten Obergeschoß der Neuen Burg errichtet werden und eine Publikumsfläche von 3.000 Quadratmeter umfassen. Es soll ein Kompetenzzentrum sein, in dem die Besucherinnen und Besucher der Geschichte Österreichs auf die Spur kommen können – über Sonderausstellungen, Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und interaktive Vermittlungsformate.  „Konsensual“ sei die Umsetzungsstrategie des Internationalen Beirates unter Vorsitz des Zeithistorikers Oliver Rathkolb; der Ausdruck ist Ostermayer deshalb wichtig, weil die Platzfrage im Vorfeld heftig diskutiert wurde. Das Kunsthistorische Museum hatte Bedenken, ob in der Neuen Burg genug Raum für alle und alles sei (mehr dazu: www.mottingers-meinung.at/?p=13345). Nun ist klar, dass dessen Sammlung Alter Musikinstrumente von 1.900 auf 1.600 Quadratmeter reduziert und künftig zum Teil im ersten Obergeschoß, zum Teil im Mezzanin gezeigt werden wird.

Das Haus der Geschichte soll einerseits organisatorisch an die Österreichische Nationalbibliothek andocken, es sollen so „Synergien genutzt werden“. Andererseits soll es aber natürlich einen eigenständigen Direktor, ein eigenes Budget, einen eigenen wissenschaftlichen Beirat und auch einen Publikumsbeirat haben. Der inhaltliche Hauptschwerpunkt des Hauses werde der Zeitraum 1918 bis jetzt sein, jedoch ausgehend von 1848. Ostermayer: „Mit dem Haus der Geschichte in der Neuen Burg, dem Bekenntnis, die Neue Burg und den Standort Heldenplatz neu zu denken, setzen wir ein starkes Signal. Ich bin davon überzeugt, dass es eine wichtige Aufgabe unserer Generation ist, einem möglichst breiten Publikum eine Auseinandersetzung mit der Geschichte Österreichs im europäischen und internationalen Kontext zu ermöglichen.“ Verwiesen wurde auch darauf, dass bereits bei den Eingangsbereichen klar erkennbar sein soll, worum es in den verschiedenen Ausstellungsbereichen der Neuen Burg – Haus der Geschichte, das neue Weltmuseum Wien, die neu präsentierte Sammlung Alter Musikinstrumente, das Ephesos- und das Papyrusmuseum, die Hofjagd- und Rüstkammer und die Österreichische Nationalbibliothek – geht.

Zu den Kosten gibt es keine Angaben, Schätzungen würden erst angestellt. Für alles Weitere werde es einen Architektenwettbewerb geben, bei dem darauf geachtet werden soll, „dass es innovative Vorschläge geben wird“. Am 12. Oktober werden vierzehn Museumsexperten in einer Enquete über den Sinn des geplanten Museums Haus der Geschichte – „Es wird ein Ort der Vernunft, der Reflexion und des Blicks in die Zukunft sein.“ – diskutieren. Als nächster Schritt aber, so Ostermayer, werde eine Änderung des Bundesmuseengesetzes vorbereitet. „Ziel ist, dass wir im November 2018 fertig werden. Dieses Ziel ist extrem ambitioniert.“

Ostermayers Pläne erwecken das Missfallen von FPÖ und NEOS. Beide Parteien orten mit diesem Konzept vergebene Chancen.

www.weltmuseumwien.at

Wien, 9. 9. 2015

Die „Junge Burg“ spielt Heinrich von Kleist

Mai 3, 2013 in Tipps

„Ego Shooter – Michael Kohlhaas“

Bild: Georg Soulek/Burgtheater

Bild: Georg Soulek/Burgtheater

Am 5. Mai hat im Vestibül des Burgtheaters eine Produktion der TeilnehmerInnen des TheaterJahrs Premiere: „Ego Shooter – Michael Kohlhaas“. Nach der Novelle von Heinrich von Kleist. Die Erzählung spielt in der Mitte des 16. Jahrhunderts und handelt vom Pferdehändler Michael Kohlhaas, der gegen ein Unrecht, das man ihm angetan hat, zur Selbstjustiz greift und dabei nach der Devise handelt: „Fiat iustitia, et pereat mundus“ („Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe auch die Welt daran zugrunde!“). Was so viel heißt wie, dass bei ihm der Zweck die Mittel nicht mehr heiligt. Oder: Er über’s Ziel hinausschießt. Der historische Hintergrund zu Kleists 1808 veröffentlichtem Text: Das Schicksal von Hans Kohlhase. Der lebte im 16. Jahrhundert als Kaufmann in Cölln an der Spree im Brandenburgischen. Am 1. Oktober des Jahres 1532 begab er sich auf eine Reise zur Leipziger Messe. Auf dem Weg dorthin wurden ihm jedoch auf Geheiß des Junkers von Zaschnitz zwei seiner Pferde abgenommen mit der Begründung, er habe sie gestohlen. Kohlhase versuchte, juristisch dagegen vorzugehen. Vergleichsverhandlungen fanden am 13. Mai 1533 auf der Burg Düben statt, führten jedoch zu keiner friedlichen Beilegung des Konfliktes. Ein Grund bestand vor allem darin, dass der Ritter von Zaschwitz inzwischen verstorben war und seine Erben eine angemessene Entschädigungszahlung verweigerten. Aus diesem Grund erklärte Kohlhase 1534 die Fehde und brannte Häuser in Wittenberg nieder, beging auch weitere Verbrechen. Schließlich wurde er ergriffen und am 22. Mai 1540 in Berlin öffentlich durch Rädern hingerichtet.

Auch Kleists Novelle dreht sich um Vorspiegelung falscher Tatsachen, Amtsmissbrauch, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Auf Kohlhaas’ Weg durch die Instanzen der Justiz wird der klare Fall zusehends trüber, Kohlhaas wird als Querulant beschimpft, die „Suppe sei zu dünn“. Und die Erklärung für die veränderte Rechtslage scheint heute noch so plausibel wie eh und je: an den Schaltstellen der Macht sitzen Tronkas Verwandte, Kohlhaas’ Klage verfängt sich in einem Netz aus Verwandten, Verschwägerten, Eigeninteressen und politischer Rücksichtnahme. Einem Staat, der die Einhaltung der Gesetze nicht gewährleisten kann (oder will?), fühlt sich Kohlhaas nicht mehr zum Gehorsam verpflichtet. Und bald scharen sich andere Unzufriedene, Benachteiligte und Rechtlose um ihn. Die „gerechte Sache“ wird mehr und mehr zu Unrecht. Kleist verbirgt in seiner Schrift  Kritik an seiner Zeit: an absolutistischem Machtmissbrauch, Willkür und Unterdrückung. Doch auch in Demokratien scheint es mitunter hilfreich, wenn man nicht nur die Gesetze kennt, sondern vor allem – den Richter… In der Regie von Peter Raffalt spielen Anna Hofmann, Amrei Keul, Larissa Semke, Genet Zegay, Aaron Friesz, Johannes Hoff und Noah Saavedra.

www.burgtheater.at

Von Michaela Mottinger

Wien, 3. 5. 2013