Buch- und Hörbuch – Michael Mittermeier: Ich glaube, ich hatte es schon. Die Corona-Chroniken
November 22, 2020 in Tipps
VON MICHAELA MOTTINGER
Tausche Witze gegen Antikörper
„Once Upon A Time In Corona. Ich sitze im Zug nach Leipzig und schaue aus dem Fenster. Am Tisch gegenüber sitzt ein Mann mit Maske, der seit zehn Minuten telefoniert. Business-Kaspar mit Schalldämpfer. Endlich hört er auf. Stille. Er verzieht sein Gesicht, holt Luft – Mnhm! -, es sieht aus, als müsste er gleich niesen. Sein Kopf bebt, der ganze Oberkörper, plötzlich reißt er sich die Maske vom Gesicht – Hatschi! Aus den Nasenflügeln pfeift noch ein leises ,Aerosole Mio‘, ich schaue ihn sehr ernst an, und er sagt nur: ,Wenn ich die Maske nicht abgenommen hätte, dann wär‘ jetzt alles da drin.‘ Äh? Ja, das ist der Clou dabei. Er zuckt nur mit den Schultern: ,Ich glaube, ich hatte es schon.‘“
Obwohl die ab 26. November in Österreich geplante Auftrittsserie seiner Programme „#13“ und „Zwischenwelten“ #Covid19-bedingt abgesagt werden musste, brauchen die Fans auf ihren Michl nicht zu verzichten, hat Michael Mittermeier doch dieser Tage seine jüngste Satire „Ich glaube, ich hatte es schon. Die Corona-Chroniken“ sowohl als Buch wie auch als Hörbuch veröffentlicht. Zweiteres ein spezielles Gustostückerl, da von ihm selbst gelesen. Der Stadionrocker unter den Kabarettisten ist kein Typ fürs Stillsitzen, nach 34 Jahren als Stand-up-Comedian – unmöglich.
Und so ist er nach Lockdown eins in Autokinos aufgetreten, heißt: ist dort vor Spiellust in Improvisationen explodiert. Er hätte einfach darüber „gelabert, was war“, sagt er im Interview, und das schließlich zwischen zwei Buchdeckel beziehungsweise auf CD gepresst: „Es geht also um mein Leben während dieser ganzen Lockdown-Ausgangsbeschränkungs-Pandemiezeit, was ist alles passiert, welche Gedanken hatte man, was hat man im Fernsehen geschaut. Ich konzentriere mich aber auf die lustigen, schrägen Seiten. Tausche Witze gegen Antikörper!“ Auftrittsverbot? Ein Albtraum für Komiker – die Pointen müssen raus! Und so führt Michael Mittermeier das Publikum mit Schlagfertigkeit und der ihm eigenen Unverfrorenheit durch den seltsamen neuen Alltag.
Er erzählt wahre und saulustige Geschichten aus den Zeiten der familiären Corona-Dreisamkeit: Vom Homeschooling-Alarm und warum seine vorpubertierende Tochter nicht mehr will, dass er bei den Mathehausaufgaben hilft, vom Sparkassenbesuch mit Maske und weshalb es kein gutes Zeichen ist, wenn der Postbote nicht mehr klingelt. Mittermeier macht sich lustig über die „Corona-Macarena“, den Ellbogengruß, den er nur aus Filmen mit Bruce Willis kennt, und der dort „zur abrupten Beendigung eines Gesprächs dient, inklusive Auswechslung der oberen Zahnreihe“. Stets, kritisiert er, haben wir uns über die Ellbogengesellschaft mokiert – und jetzt stellen wir sie pantomimisch dar?
Die Krise stellt ebendiese vor neue Fragen – und Mittermeier beantwortet sie mit Maske, aber ohne Blatt vorm Mund: Ist es für Prominente vorteilhaft, mit Maske einkaufen zu gehen? Soll man kurz nach Mittag schon den Feierabend-Wein trinken? Es geht um Gangster-Virologen und Superhelden – „Wo sind die eigentlich, ha? Die haben uns alle am Arsch g’lassen!“, und um Michls hypochondrische Anwandlungen nach einem Südtiroler Schiurlaub – in den „Gondeln des Todes, in denen der Aerosol-Sepp alle angegriffen hat“, danach das „greislige“ Stäbchen in der Nase und die Erkenntnis: „Vielleicht hätt‘ ich doch mehr koksen sollen, dann würde ich jetzt nix spüren.“ Dabei ist die Ansteckungsgefahr bei nichts so hoch wie beim Lachen.
„Ohne Corona-Humor, ohne von Draußen-Draufschauen und Spaß-Machen über den ganzen Scheiß geht man drauf“, sagt Mittermeier, nennt als seine Lieblingsmenschen die singenden Italiener auf ihren Balkonen, und zitiert Werner Finck: Wer lachen kann, dort wo er hätte heulen können, bekommt wieder Lust am Leben. „Leute zum Lachen zu bringen, ist nach Corona-Regeln mein triftiger Grund, das Haus zu verlassen“, erklärt er. Mit Buch und Hörbuch kann man nun getrost daheim bleiben. Denn beide liefern genügend humoristische Antikörper, um sogar noch den nächsten Lockdown locker zu überstehen.

Bild: © Olaf Heine
Über den Autor: Geboren 1966, hat mit seinen Soloprogrammen „Zapped“, „Back to Life“, „Paranoid“, „Safari“, „Achtung, Baby!“, „Blackout“, „Wild“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=17273) und „Lucky Punch“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=28588) Millionen Zuschauer in Deutschland, Österreich und der Schweiz begeistert. Seit vielen Jahren spielt er seine englischsprachigen Programme erfolgreich in Großbritannien, Südafrika, Kanada, Russland, den USA und vielen anderen Ländern. Für seine Arbeit wurde er mit unzähligen Preisen ausgezeichnet – sechs Mal erhielt er allein den Deutschen Comedypreis. Sein Buch „Achtung, Baby!“ stand monatelang auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Kiepenheuer & Witsch Verlag, Michael Mittermeier: „Ich glaube, ich hatte es schon. Die Corona-Chroniken“, Satireband, 128 Seiten. www.kiwi-verlag.de
Argon Hörbuch Verlag, Michael Mittermeier: „Ich glaube, ich hatte es schon. Die Corona-Chroniken“, Autorenlesung, MP3-CD, 163 Minuten. www.argon-verlag.de
www.mittermeier.de Interview: https://www.youtube.com/watch?v=BbE3cKnvOqU Autorenlesung: https://www.youtube.com/watch?v=LyAJbPmFhus
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- 11. 2020