Monuments Men
Februar 24, 2014 in Film
VON MICHAELA MOTTINGER
George Clooneys „Ocean’s Fourteen“

Frank Stokes (George Clooney), Sam Epstein (Dimitri Leonidas), James Granger (Matt Damon), Walter Garfield (John Goodman) und Preston Savitz (Bob Balaban)
Bild: © 2013 Twentieth Century Fox
Es war ein Kräftemessen zwischen Gauleiter August Eigruber und Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitshauptamts. Eigruber plante den Altausseer Salzberg, inklusive der darin gelagerten Michelangelos, Bruegels und da Vincis, in die Luft zu jagen, damit „das Weltjudentum“ die Kostbarkeiten nicht in die Finger bekäme. Kaltenbrunner versuchte auf Drängen der einheimischen Bergleute, den Oberdonauer auszubremsen. Den Altausseern war Kunst wurscht, sie witterten das Ende des Dritten Reichs und wollten ihre Einnahmequelle Salz nicht zerstört wissen. Zwölf treue SSler brachte Kaltenbrunner auf, um in vier Stunden fünf Tonnen Dynamit aus den Stollen zu entfernen. Oder vier Tonnen in fünf Stunden, das weiß heute keiner so genau. Kunst von Weltrang wie Vermeers „Die Malkunst“, Rembrandts „Großes Selbstbildnis“, Tizians „Zigeunermadonna“, da Vincis „Leda“, eine Dürer-Madonna, Caravaggios „David“ oder Raffaels „Madonna im Grünen“, allesamt zusammengerafft für den Sonderauftrag Linz, das „Führermuseum“, wurde gerettet. Als die Amerikaner kamen, präsentiert man die Schätze und sich selbst stolz als deren Retter. So weit der Österreich-Aspekt des Ganzen. Doch politisch angepatzt, wie man war, konnte man öffentlich nicht auftreten – und so taten es die „Monuments Men“.
Dies der Titel von Robert M. Edsels Sachbuch, nach dem George Clooney als Drehbuchautor und Regisseur seinen jüngsten Film benannte. Es ist der schlechteste, weil ungenaueste Film seiner Karriere. Eine Enttäuschung auf hohem Niveau. Trotz Starbesetzung von George Clooney, Matt Damon, Bill Murray, John Goodman, Jean Dujardin, Bob Balaban, Hugh Bonneville bis zu Cate Blanchett. Clooney setzt auf Kriegsklamauk und Buddy-Effekt. In Wirklichkeit war die „Monuments, Fine Arts and Archives Section“ militärisch nicht ausgebildet, dafür gehörten zu den 350 Mann starken Kunstsuchtrupps, die mehr als fünf Millionen Objekte vor Hitlers Hirnrissigkeit sicherten, neben alliierten auch deutsche beziehungsweise österreichische Kunsthistoriker, Museumsleute und Denkmalpfleger. Doch Weltenretter USA kann keinen Gott neben sich brauchen. Weshalb in der Hollywoodversion der Zeitgeschichte an vorderster Front nur Restaurierungsexperte Lieutenant George Stout, Second Lieutenant James J. Rorimer, später Direktor des Metropolitan Museum in New York, Captain Walker Hancock, einer der berühmtesten Bildhauer der USA, oder Private Lincoln Kirstein, der spätere Gründer des New York City Ballet, vorkommen. Statt das Flair an Originalschauplätzen einzuatmen, verschanzte man sich in Babelsberger Kulissen.
Lobte man an Tarantinos kontrafaktischen „Inglourious Basterds“ den satirischen-unverkrampften Umgang mit der Nazi-Diktatur, so geht Clooney ein, zwei Schrittchen zu weit. Der smarte Oscarpreisträger schart seine Mannen um sich, als gelte es die Fortsetzung der Gaunerendlosschleife, nunmehr also „Ocean’s Fourteen“, für die Leinwand zu bannen. Nur, dass statt in Kasinos eingebrochen im Feindesland eingefallen wird. Clooney legt die „Monuments Men“ ziemlich altvaterisch an – allein sein Schnauzbart ist Synonym dafür, oder wie er die Rolle der einen Frau, Cate Blanchett, interpretiert -, und weil er sein Werk warum auch immer locker-flockig klingen lassen will, findet er keine angemessene Tonlage. Man kann nicht das Leid der jüdischen Bevölkerung mit Bill Murrays knautschigen Grimassenschneidereien hinterlegen. Die fröhliche Flapsigkeit der Inszenierung, das Dauergrinsen der Protagonisten passt einfach nicht zum Holocaust, sorry. So viel Spaß kann nicht sein. Ist Clooney mit diesem Klischeeheldenepos freiwillig oder unfreiwillig komisch? Es klärt sich nicht. Eine Szene, wie die, in der Matt Damon in einer verwüsteten jüdischen Wohnung ein Gemälde wieder auf seinen Platz hängt, macht noch keinen Kinosommer. Die spärliche Handlung Kiste finden-Schatz bergen, noch eine Kiste finden-noch einen Schatz bergen, und wieder eine Kiste finden … schau, jetzt haben sie eine Kiste gefunden! …, nutzt sich außerdem irgendwann ab. Spannung geht anders, auch weil den Guten ein strammer, böser Gegenspieler fehlt. Justus von Dohnány ist als deutscher Offizier Viktor Stahl zwar hervorragend, kommt aber zu wenig vor. Vielleicht ein Opfer des Schnitts. Obwohl sein grotesk-grimmiger Infight mit Clooney einer der raren Momente ist, in denen das Dur-moll-Verhältnis stimmt.
„Monuments Men“ wirkt wie eine Beruhigungsspritze für die welthistorisch immer weniger bedeutsamen USA. Wir waren doch einmal wer! Retter, Helden, Missionierer. Um diese Message anzubringen, setzt Regisseur Clooney auf dramaturgisch simples Holzschnittkino. Als Schauspieler ist er sogar in der Kaffeekapselwerbung besser. Von Zwangsverkäufen oder Enteignungen ist nicht die Rede, nicht von den Wirrnissen der heiß laufenden Kunstmärkte jener Zeit, den Zweideutigkeiten von Raub und Rettung, von den Obskuranten, die eine solche Lage ans Licht treibt. Die Rückgabe von Kunst dient Clooney als Sinnbild für die Wiederherstellung einer unbeschädigten Welt. Dass die Monuments Men 1950 in Wiesbaden dem Nazi-Kunsthändler Hildebrand Gurlitt einen Großteil jener Bilder, die heute als geraubt gelten, rückerstattet haben, ist ein Treppenwitz dieser Geschichte.
Wien, 24. 2. 2014