Maria singt Bill: Ein Gespräch
August 31, 2017 in Klassik
VON MICHAELA MOTTINGER
„I mecht landen“ heißt ihr Konzert im Wiener Stadtsaal

Maria Bill singt Eigenes – und im November wieder Piaf. Bild: Gabriela Brandenstein
Sie kommt in den Stadtsaal, am 5. September. Mit ihren Liedern von damals und von heute. Sie erzählt von Liebe und Verletzungen, von Sehnsucht und Verlorenheit, vom Fliehen und Durchhalten, von großen Gefühlen und kleinen Alltäglichkeiten – von dem, was das Leben ausmacht. „Musik ist für mich das stärkste Ausdrucksmittel für all diese Emotionen,“ sagt Maria Bill. Ein Gespräch.
MM: Maria singt Bill. Was dürfen wir erwarten? Worüber erzählen Sie uns in Ihren Liedern?
Maria Bill: Der „Untertitel“ des Abends heißt „I mecht landen“, weil dies das bekannteste meiner Lieder ist und weil’s stimmt, ich fliege gerne …und bin immer wieder gespannt, wo und wie ich lande. Das Programm habe ich aus Songs von damals, deren Texte für mich immer noch Gültigkeit haben, mit neueren Titeln zusammengestellt, wie „Jung und schön“ und „Sie lebt immer noch“. In diesem Lied erzähle ich die Geschichte einer alten Frau, die in Paris im Lichthof mir gegenüber wohnte und die sehr einsam zu sein schien, täglich saugte sie mehrmals ihre Wohnung, auch die Sessellehnen, das konnte ich sehen.
Ich wäre so gerne zu ihr rübergegangen, befürchtete aber, dass sie Angst haben würde, fremd wie ich ihr war und so ließ ich sie in ihrer Einsamkeit alleine. In der letzten Strophe dieses Liedes dreht sich alles um, ich bin die alte Frau, angekommen, im Zimmer unterm Dach, dem Himmel nah und sehne mich nach jemandem, der mich braucht. Dieses Lied bewegt aus der neuen, heutigen Sicht natürlich besonders stark. Einsamkeit, das ist immer wieder ein großes Thema.
MM: Apropos, neue Sicht: Die Lieder sind in Lebenssituationen entstanden, die es so heute nicht mehr gibt. Warum setzen Sie sich dem aus?
Bill: Es sind Themen, die mein Leben betreffen, meine Sicht auf die Welt, heute wie damals und „ich setze mich dem nicht aus“, ich setze mich damit auseinander, kann damit umgehen. Das Lied, „I g’hör zu wem“ welches ich meinem damaligen Lebensmenschen gewidmet hatte, ist mit im Programm und ich „sehe“ uns jedes Mal in Venedig, – all diese Bilder, schöne wie verwirrende, sind meine Geschichte, – daran will ich mich erinnern, auch singend.
MM: Geht Ihnen „Maria singt Bill“ näher, als wenn Sie Piaf oder Brel singen? Sie schenken dem Publikum Momente großer Intimität. Was veranlasst Sie, sich auf der Bühne so zu öffnen?
Bill: Ich glaube, das tut jeder, der selber Texte schreibt. Denn das ist der Grund, warum man sich mitteilt. Ich würde diese Momente nicht „Intimität“ nennen, sondern „Wahrhaftigkeit“, ganz bei sich bleiben und dann loslegen. Ich lese gerade das Buch von James Lord über Giacometti, und es beeindruckt mich zutiefst , wie er sich geöffnet, seiner Kunst hingegeben hat, nicht durch Worte, sondern in seinen Figuren und Bildern, wie oft er unzufrieden mit sich war, ganz bei sich blieb und durch seine Zeichnungen und Skulpturen viel über sich verrät. Ein gewisses Geheimnis muss man für sich behalten, – es darf kein peinlicher Seelenstriptease werden. Aber sich mitzuteilen, ob singend, schreibend, malend oder komponierend, ohne sich zu öffnen, wäre sinnlos.
MM: Sie treten mit fünf Jazzmusikern auf. Wie habt ihr euch gefunden?
Bill: Mit Michael Hornek spiele ich schon seit 15 Jahren, ein genialer Pianist, der Klassik und Jazz studiert hat und der gefühlvoll begleiten kann. Klemens Bittmann habe ich durch die „Hiob“-Inszenierung am Volkstheater kennengelernt. Er spielt Violine und Mandola und singt in kleinen Chorpartien die höchste Stimme. Durch Kollegen habe ich unsere „Rhythmusgruppe“, am Schlagzeug Jörg Haberl und am Bass Christian Wendt, kennengelernt. Vor einem Jahr ist der Saxophonist Stephan Dickbauer dazugekommen, ein Gewinn für unsere Formation.
MM: Ein Titel, „Jung und schön“, ist Ihrem Sohn Tany gewidmet. Das ist die Geschichte einer nicht mehr ganz jungen Frau, die einem sehr jungen Mann beim Tanzen zusieht. Tany Gabriel ist auch Musiker. Haben Sie schon daran gedacht, gemeinsam aufzutreten?
Bill: Lust hätte ich schon, aber er spielt natürlich ganz andere Musik und ich glaube, es wäre ohnehin zu früh. Er muss sich selber finden und er ist auf dem Weg dahin. Wenn man in ähnliche Fußstapfen, wie die Eltern, tritt, ist man „das Kind von …“ Ich denke also, dass es wichtig ist, dass unser Sohn mit seiner eigenen Musik und seinen eigenwilligen, berührenden Texten bei sich bleibt, und nicht durch mich oder mit mir auf seiner musikalischen Bühne ankommt.
MM: Worauf darf man sich sonst noch freuen?
Bill: Auf einige der neueren Lieder wie „Immer wieder irgendwas“, auf das „Fluchtachtel“, einem Liebeslied zur „Blauen Stunde“, und auf „Eh ah a O ah“. Kennen Sie die Geschichte zu diesem Lied? Am Schwedenplatz gab es vor ein paar Jahren eine gemeinsame Haltestelle für die Straßenbahnlinien „O“, „N“ und für den „21ger“. An dieser Haltestelle waren unter vielen Menschen auch zwei Mädchen, die auf einen „N“ warteten, lange schon, das konnte man hörbar mitbekommen. Eins der Mädchen fing derart zu penzen und zu raunzen an, dass eine Frau neben ihr explodierte und meinte: „Hearts, jetzt regt di ned auf, es kummt jo eh ah a „O“ ah.“ Das fand ich so witzig, dass ich mich öfter mit dem Notizbuch an dieser Haltestelle herumtummelte und einfach „mitgeschrieben habe“. „Café de Flore” und der „Kaktus“ kommt natürlich auch vor. Beim Proben dieser Nummer haben die Musiker ihre Spiellust voll ausgetobt und herumgeblödelt, also wird auch dieser Titel ziemlich verjüngt klingen.
MM: Und die Piaf?
Bill: Dieses Programm singe ich wieder, am 24. November im Konzerthaus. Allerdings trete ich schon lange nicht mehr im Piaf-Kostüm auf, sondern stehe als Maria Bill auf der Bühne, die die Chansons von Edith Piaf singt und aus ihrem Leben erzählt. Michael Hornek begleitet mich am Flügel und Krzysztof Dobrek mit seinem Akkordeon und ganz Paris im Herzen. Das Konzert umfasst mehr als zwanzig Chansons, wir entdecken für uns immer wieder neue Titel und studieren diese ein, erneuern das Programm, damit es lebendig bleibt. Vor Kurzem habe ich eine wunderbare Biographie von Jens Rosteck über Piaf gelesen. Durch seine Recherchen wurden meine Conférencen und verbindenden Moderationen bereichert, er hat mir einen neuen Blick auf einige Lieder eröffnet, hat mich inspiriert, das Lied „L’étranger“ einzustudieren, ein Chanson, das Edith Piaf einer Kollegin „geklaut“ hatte, – eine hinreißende Geschichte. Auf diesen Abend freue ich mich schon sehr.
MM: Wie schaut’s mit dem Schauspiel aus? Keine Pläne oder Wünsche?
Bill: Im Moment habe ich, was Theater anbelangt, weder Pläne noch Träume. Ich bin glücklich mit der Musik. Konzerte mit Piaf- und Brel-Chansons sind Lichtinseln für mich. Ein Programm mit Liedern von Kurt Weill habe ich einstudiert und im Sommer 2016 als Prélude-Konzert in Grafenegg gesungen, – und einen Abend mit Chansons von Erik Satie mit Orgelbegleitung in einer Kirche in Eggenburg vorgetragen, ein aufregendes Erlebnis. Ich würde sehr gerne neue Lieder schreiben. Ideen habe ich genug, mein Klavier ist übersät mit Zetteln voller Notizen. Jetzt, wo weder Proben noch Vorstellungen am Theater den Kopf und die Zeit besetzen, finde ich vielleicht Lust und Muße, mich mit eigenen Texten und Melodien zu beschäftigen im Hier und Heute.
31. 8. 2017