Buch Wien 15: Die Lesefestwoche startet am 9. November

November 4, 2015 in Buch

VON RUDOLF MOTTINGER

Ein Ratgeber durch den Messedschungel

Buch Wien Bild: © LCM Richard Schuster

Buch Wien
Bild: © LCM Richard Schuster

Freunde sucht man sich sorgfältig aus. Das gilt auch für Bücher. Denn Bücher sind Freunde und lebenslange Wegbegleiter. Bei der Buch Wien 15 vom 11. bis 15. November hat man die Gelegenheit, Autorinnen und Autoren live zu erleben, wenn sie aus ihren aktuellen Romanen und Sachbüchern lesen, bei den mehr als 350 Ausstellern in alten und neuen Büchern zu schmökern oder das umfassende Rahmenprogramm (auch für Kinder und Jugendliche) zu nutzen. Mehr als 450 Lesungen, Diskussionen und Performances stehen bei Österreichs größtem Bücherfestival auf Programm.

Wie in den vergangenen Jahren besteht die Buch Wien aus drei Eckpfeilern: Der Internationalen Buchmesse vom 12. bis 15. November in der Halle D der Messe Wien, der Langen Nacht der Bücher am 11. November (19.30 bis 24 Uhr) ebenfalls in der Halle D und der Lesefestwoche vom 9. bis 15. November an 39 Veranstaltungsorten in ganz Wien.

Neu: Auf einem Gemeinschaftsstand der Antiquare kann man sich von der Leidenschaft für antiquarische Bücher anstecken lassen. Alle am Stand ausgestellten Objekte sind verkäuflich. Man kann aber auch die eigenen Bücherschätze mitbringen, vor Ort beraten  erfahrene Antiquare, ob sich ein Verkauf lohnt (Do. bis So. von 15 bis 17 Uhr). Ein Schwerpunkt der Buch Wien 15, die von Adolf Muschg eröffnet wird, ist der Verständigung zwischen den Kulturen und dem Bereich „politisches Sachbuch“ gewidmet. Von Colin Crouch und Tomáš Sedláček bis hin zu Orlando Figes, Ahmad Mansour und Jörg Baberowski diskutieren internationale Stars über aktuelle Fragen der Zeit. Im Rahmen des Festivals wird der mit 10.000 Euro dotierte Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels 2015 an den Autor und Historiker Doron Rabinovici verliehen.

Sechs Tipps, die Lust aufs Lesen machen:

Feridun Zaimoglus Siebentürmeviertel führt ins Istanbul der 1930er Jahre und mitten hinein in eine fremde, faszinierende Welt, in der sich ein deutscher Junge behaupten muss. Eine Familiensaga der besonderen Art (10. 11., 19 Uhr, Literaturhaus Wien). Alexander Nitzberg liest aus dem von ihm übersetzten Buch Das fahle Pferd von Boris Sawinkow, einem zum Tode verurteilten Terroristen, der unter anderem für die Ermordung des zaristischen Innenministers Plehwe 1904 mitverantwortlich war (10. 11., 19 Uhr, Literaturbuffet Lhotzky). Drago Jančar greift in seinem Roman Die Nacht, als ich sie sah einen zeitgeschichtlichen Stoff auf. In einer Nacht, kurz nach Neujahr 1944, führt eine Gruppe von Tito-Partisanen Veronika Zarnik und ihren Mann aus einem slowenischen Schloss ab, von da an verliert sich die Spur der beiden (12. 11., 19 Uhr, Alte Schmiede).

Im dritten Band seiner Trilogie über die Suche nach dem einzig Gerechten beschreibt der ukrainische Autor Andrej Kurkow in Die Kugel auf dem Weg zum Helden mit absurdem Witz und unerwarteten Wendungen die Aufbaujahre einer fantastischen Sowjetunion. Er erzählt von geplatzten Träumen, unbeugsamen Menschen, enttäuschtem Fortschrittsglauben, unhinterfragten Heldenmythen – und von ganz großen Abenteuern (13. 11., 19 Uhr, Hauptbücherei am Gürtel). Der britische Historiker Orlando Figes legt mit Hundert Jahre Revolution eine informative Geschichte Sowjet-Russlands vor – von den Wurzeln des Bolschewismus bis zum Putsch gegen Gorbatschow 1991. Seine zentrale These: Die Wirkung der Russischen Revolution erstreckt sich von 1917 über die Jahrzehnte der Diktatur bis in die Gegenwart (13. 11., 19 Uhr, Diplomatische Akademie Wien. Reservierung notwendig.). Alaa al-Aswani, einer der bekanntesten Romanciers der arabischen Welt, erzählt in seinem Roman Der Automobilclub von Kairo von vergangenen Zeiten. Ende der 1940er herrschen im Automobilclub von Kairo Extravaganz und Dekadenz: Paschas und Monarchen gehen aus und ein, auch Ägyptens König zählt zu den Stammgästen. Bis die Dienerschaft des Clubs den Aufstand probt. (14. 11., 16 Uhr, Literaturcafé)

www.buchwien.at

Wien, 4. 11. 2015

Kammerspiele: Hand aufs Herz

Oktober 17, 2014 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Erwin Steinhauer & Seine Lieben erleiden Schiffbruch

Georg Graf, Erwin Steinhauer, Peter Rosmanith Bild: Jan Frankl

Georg Graf, Erwin Steinhauer, Peter Rosmanith
Bild: Jan Frankl

Ja, so kann’s einem gehen. Da landete man 1969 mit der Beatband „The Rolling Bones“ und dem Hit „That is Fiction“ auf dem sensationellen 53. Platz  der Ö3-Charts. Und dann ist’s aus. Vorbei. Für den wilden Hund vom Alsergrund. Schiffbruch beruflich wie privat – und außerdem … genau. Also lässt man sich als Entertainer auf den Kreuzfahrtalbtraum SM Alcatraz engagieren – zweiterer Begriff selbsterklärend, angesichts dieser schwimmenden Gemeindebauten, wo man jeden Tag die gleichen Gfriser sieht, ersterer von manchem die Üppigkeit nicht mehr fassenden Bikini (Arsch-frisst-Hose-Syndrom) abgeleitet. Wenn das nicht Sado ist. Und Erschy Heart der Maso.

Erwin Steinhauer & Seine Lieben haben nach dem Erfolgsprogramm „Feier.Abend“ natürlich nicht ebendiesen gemacht. Die Gang, Georg Graf, Joe Pinkl und der sagenhafte Perkussionist und Ideengeber Peter Rosmanith, fanden sich stattdessen zur Uraufführung von „Hand aufs Herz“ in den Kammerspielen, sprich: auf dem Luxusliner, ein. Weil: Wir haben schon viele Lokale leergespielt. Um es gleich klar zu machen: Dieses nicht, das Publikum forderte Zugabe um Zugabe. Worauf die Lieben selbstverständlich vorbereitet waren. Kennt ja a Erfolg werdn, des Ganze. Steinhauer hatte sich die Crème de la Crème für sein neues Programm geholt: Heli Deinboeck zeichnete für Buch und gemeinsam mit Heinz R. Unger für die Liedtexte verantwortlich – und die sind vom Feinsten, wenn sich zwa mit drei Pfeilen durchbohrte Weanerherzen zur gesellschaftspolitischen Abwatschung der Zuschauer treffen. An den Conférencen schrieb Fritz Schindlecker mit; die Kompositionen stammen von Otto Lechner, Klaus Trabitsch und den Lieben.

Erschy Heart, der Kapitän der Wohlfühlzone, tangoed, swingt, bluest, jived und rumbat sich so souverän, teils angetan mit Stromgitarre, teils mit der Ukulele, durch die tragischen Momente des Lebens, dass es zum Lachen ist. Gebt dem Mann die Stadthalle, schickt ihn zum Song Contest, lasst’s ihn wenigstens die Vorgruppe vom Gabalier sein, weil, samma sich’s ehrlich, in dem Business is a jeder a Hur‘. Gegenderte Bundeshymne her, Belohnung mit TV-Show hin. Erschy hat Biss. Von seiner Mama. Die da meinte, nur die Harten kommen durch und von denen nur zehn Prozent. Erzieherischer Darwinismus, vergeudet an einen, den nichts interessiert hat. Aber das mit Inbrunst. Da sticht einer nicht in See, da sticht sich einer ins Herz. Und man schwimmt in seinem Herzblut, ein warmer Strom, dessen Ryhthmus sich auf die eigene Pumpe überträgt. Pump It Up, Erschy! Für die bundesdeutschen Bordgäste gibt’s übrigens einen Dialektworkshop, wenn’s beispielsweise um den „Schrebergarten im Meidllling“ geht: Apfel mit an Lll, gell. Aber es kann nicht alles lllustig sein. Humor ist bekanntlich ein Abfallprodukt der Intelligenz und „I hob‘ mi heut‘ deppert g’lacht“ eine Schutzbehauptung.

Also hauen Deinboeck/Unger mit der Polit-Pratzn hin. Vom maroden Bildungswesen bis zum Problem, das wir mit Flüchtlingen haben. Nicht zu verwechseln mit dem Unwort „Flüchtlingsproblematik“. Erschy singt den Intoleranzblues, ein Loblied aufs Buffett, wo gefressen wird, dass sich die Balken biegen, während man an Küsten vorbeigleitet, deren Bewohner für ein Stück Brot und einen Schluck Wasser … Er erscheint als sinistrer Glücksspielteufel: Novomatic. Wir bringen Kultur ins Spiel. So a Slogan muass an erst amoi einfallen, so an tollen hat die Schuldnerberatung ned. Und weil er immer noch hypotnisierit ist, kommen ein paar Cover von STS „Jörg-Voda“ bis Wolferl „Gezeichnet fürs Leben“-Aktie, ein bissl Celentano-Blau, also „Azzurro“, und a wengerl Glockengeläut à la Mendt.

Nach der Pause. Schiffbruch. Wird’s unterwassrig. Die Töne sind bedämpft, die Songs besinnlich. Es geht Erschy um die Liebe. Zu seinen Frauen und seiner Tochter – berührend, wie er sie vor einer Männerwelt warnt, in der nur diese „Räuber und Gendarm“ spielen. Da geht’s um die eine, zu der man immer Nein gesagt hat, weil sie der schärfste Zahn ist, die Zeit. Ein Glück. Bevor alle absaufen, kommt ein Helicopter und rettet erst einmal die Inselmänner. Die haben nämlich noch einen Auftritt. Lassen sich aber zu den Zugaben „Mercedes Benz“ – Steinhauer kann fast so schön kreischen wie Janis Joplin – und dem Schlager aus „Feier.Abend“, „Der Putin is a Witz“, überreden. Nie war der Song aktueller. Und im Saal ging die Post ab. Und die Leute summten, pfiffen, brummten ihn noch beim Hinausgehen. Die Karriere von Erschy Heart dürfte in den Kammerspielen also einen Riesensprung nach vorne (nein, nicht in Maos Sinne, Klugscheißer!) gemacht haben. Es wäre dem Jungtalent zu wünschen, dass er endlich den Durchbruch, also künstlerisch, nicht Blinddarm, schafft. Die CD folgt hoffentlich bald.

ErwinSteinhauer im Interview: www.mottingers-meinung.at/erwin-steinhauer-im-gespraech-2/

Erwin Steinhauer in der Josefstadt: www.mottingers-meinung.at/theater-in-der-josefstadt-die-schuesse-von-sarajevo/

www.erwinsteinhauer.at

www.josefstadt.org

Wien, 17. 10. 2014

Erwin Steinhauer im Gespräch

September 24, 2014 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

„Hand auf’s Herz“ in den Wiener Kammerspielen

Hand_aufs_Herz1Vom großen Erfolg ihres ersten gemeinsamen Musikprogramms FEIER.ABEND ermutigt (mehr als 100 Vorstellungen in ganz Österreich), begeben sich nun Erwin Steinhauer und seine Lieben  auf große Fahrt und stechen ab 16. Oktober, ausgehend von den Wiener Kammerspielen, in See. „Hand auf’s Herz“ ist eine musikalisch-satirische Odyssee mit wahren und beinahe wahren Lied-Geschichten, voller Humor und Poesie, über menschliche Schwächen, Intoleranzen, über unsere Lieben und die Scherben, die wir hinterlassen. Erzählt von einem Sänger, der zum Lachen und zum Weinen bringt: Bandleader Erschy Heart kreuzt mit seiner legendären Combo „Die Lieben“ auf dem Kreuzfahrtriesen SM Alcatraz quer durch die Weltmeere. Zwischen Nordsee und Karibik überzeugt man das routinierte Kreuzfahrt-Publikum sowohl mit Coverversionen bekannter Hits, als auch mit neuen Liedern und ruft zum Tanz in eine heile Welt, die es längst nicht mehr gibt.„I sag’ immer: das Leben is heart“ Es ist das leidenschaftliche heiße Herz des „alten Hasen“, in dem das Geheimnis eines gemeinsamen, fröhlichen Neubeginns pocht …

Idee: Deinboek/Rosmanith/Steinhauer

Buch: Heli Deinboek

Liedtexte: Heli Deinboek, Heinz R. Unger

Kompositionen: Otto Lechner, Klaus Trabitsch, Joe Pinkl und die Band

Erwin Steinhauer: Gesang, Gitarre, Ukulele

Georg Graf: Saxophone, Klarinetten, Gitarre

Joe Pinkl: Keyboard, Posaune, Tuba

Peter Rosmanith: Perkussion, Hang

MM:Wie kam’s zu der Idee, nach FEIER.ABEND auf Kreuzfahrt zu gehen? Und wofür steht diese Kreuzfahrt?

Erwin Steinhauer: Das hat nichts mit: Nimm’ dein Kreuz und wandle … zu tun. Wir haben für einen humorvollen, satirischen Abend eine Geschichte gesucht; wir sind eigentlich vom Scheitern dahin gekommen. Wie viele Leute sind in einem Beruf, den sie nicht wollten und müssen ihn ausüben, um Geld zu verdienen. Das betrifft sehr viele Menschen. Aber noch schlimmer ist, wenn man Künstler werden will, ein toller Musiker ist, ein Beherrscher seines Instruments – und damit kein Geld verdienen kann. Und dann siehst du so ein Plakat: Wir suchen für die Kreuzfahrt auf der SM Alcatraz noch eine Schiffskombo. Dann strandest du in etwas, das in der Nähe deines Traumes liegt, aber kilometerweit entfernt ist von dem, was du machen wolltest.

MM: Also eine Kreuzfahrt im Sinne von Kalvarienberg.

Steinhauer: Sicher. Ich habe einen Geburtstag mit Peter Alexander erlebt, ich glaube, es war der 70., in einem kleinen Restaurant. Da stand ein kleines Klavier und um halb Eins, als wir schon einiges getrunken gehabt hatten, setzt sich der Peter Alexander ans Klavier und spielt Jazzklavier, dass binnen kürzester Zeit alle mit offenem Mund um ihn gestanden sind. Alle sagten: Peter, warum hast denn das nicht gemacht? Das ist doch a Wahnsinn. Und er: Weil ich damit leider kein Geld verdient hätte. Das hat auch mit Scheitern zu tun. Das hat mich so beschäftigt, dass ich sagte, das wäre doch eine wunderbare Handlung. Wir erfinden eine Figur, wie diesen Erschy Heart, Erwin Herz, drum der Titel „Hand aufs Herz“, der an Bord dieses Kreuzfahrtschiffes landet und privat wie beruflich nur gescheitert ist, mehrere Familien hat, auf diversen Kontinenten verstreut, wo eine nix von der anderen weiß, ein fürchterlicher Mann, der nur dem Genuss gelebt hat. Und nun hier gestrandet ist. Das ist die Geschichte rund um zwanzig Lieder, von denen zehn Coverversionen und zehn neue Lieder sind. Heli Deinboek hat sie zum Großteil getextet, Heinzi Unger hat sieben Texte beigesteuert. Otto Lechner, Klaus Trabitsch und Joe Pinkl haben komponiert. Und es spielen wieder „meine Lieben“: Georg Graf, Joe Pinkl und Peter Rosmanith.

MM: Welche Qualitäten hat Heli Deinboek, dass Sie immer wieder gerne mit ihm arbeiten? Ihn auch diesmal „an Bord“ geholt haben“?

Steinhauer: Heli ist ein großartiger Texter, ein toller Musiker. Er hat einen unfassbaren Output. Wie schnell der Texte und Satzbrocken zusammensetzt! Von ihm ist ja auch „Puttin’ on the Ritz“ – „Der Putin is a Witz“ aus FEIER.ABEND. Gültig bis heute, wenn nicht sogar gültiger. Ein genialer Kopf! Mit einer unglaublich poetischen Seite. Ein Ausnahmemensch! Beide Programme hätte es ohne Heli nicht gegeben.

MM: Besteht das Programm nur aus Musik?

Steinhauer: Nein. Erschy Heart, der Mann, dem man nicht einmal einen Gebrauchtwagen abkaufen würde, erzählt auch von seinen Erwartungen und Träumen. Erzählt von seinem gescheiterten Leben bis zu den Einflüssen auf unsere Umwelt. Das ist eine kleine Gratwanderung, weil er auch immer wieder in den Erwin kippt, der auch seine satirischen Überlegungen beitragen muss. Wobei wir bitte nicht ins Kabarettladl geschoben werden wollen!

MM: Dann schiebe ich Sie kurz aus dem Ladl raus. Sie haben in Ihren Kabarettprogrammen Ohrwürmer wie „Bodenlurch“ oder „VIPs“ gesungen. Ist das jetzt ein Neuentflammen der Liebe zur Musik?

Steinhauer: Es hat MICH wiederbelebt. Die Hälfte meiner Kabarettprogramme bestand meist aus Musik, doch ich bin durch Theater und Film ganz davon weggekommen. Jetzt ist der ideale Moment zur Rückkehr. Schuld ist der Peter Rosmanith, der mich vor vielen Jahren angerufen hat, um zu fragen, ob ich zu einem seiner musikalischen Programme lese. So sind wir auf die gemeinsame Liebe H. C. Artmann gekommen und haben „Dracula, Dracula“ gemacht. Und auf den vielen Fahrten von Auftritten zurück, sagte Peter: Warum machen wir nicht ein musikalisches Programm. Und ich: Geh’ bitte, lass’ mich aus. Worüber soll ich singen in meinem Alter? Über die Liebe? Da lachen ja die Leute.

MM: Na, entschuldige …

Steinhauer: Genau das hat der Peter auch gesagt. Und so ist das immer weiter gegangen. Mittlerweile spiele ich wieder fleißig Gitarre – und Ukulele.

MM: Wie Marilyn Monroe.

Steinhauer: Ja, Musik mit der Eing’angenen. Und für die Lyrik, für die Literatur ist der Heinz Unger gekommen, hat ganz tolle Geschichten geschrieben, ganz tolle Gedichte. Ich freu’ mich, ich bin schon heiß drauf.

MM: Sie haben im Leben auch schon einiges hinter sich gelassen. Daher – „Hand aufs Herz“- die Frage: als wievielter verlassen Sie ein sinkendes Schiff?

Steinhauer: Mein Schiff sinkt nicht, ich fahre munter weiter. Ich habe drei Kinder und drei Enkelkinder, daher würde ich mich nicht mehr als Kapitän sehen, aber zum Ersten Offizier reicht’s noch. Der mit der affektierten Backbordmimik: Geht eh alles, braucht’s was? (Er lacht.) Ich halte mein Berufsleben mit großer Disziplin und großer Ernsthaftigkeit in der Waage. Ich überprüfe sehr, was ich mache, weise Dinge von mir, die nichts mit mir zu tun haben – und versuche so Wahrhaftigkeit in allen Rollen anzustreben. www.mottingers-meinung.at/theater-in-der-josefstadt-die-schuesse-von-sarajevo/ ; http://www.mottingers-meinung.at/tobias-moretti-in-das-finstere-tal/ ; http://www.mottingers-meinung.at/erwin-steinhauer-macht-feier-abend/ Ich arbeite jetzt bis 1. Februar und warte dann, ob jemand eine Idee hat. Ich bin aus Laden, die funktioniert haben, hurtig herausgesprungen. Ich könnte heute noch Dinge wie „Der Sonne entgegen“ spielen. Aber ich liebe die Abwechslung, die neue Herausforderung, das Risiko, das man auch scheitern kann.

MM: Ist dieses Aussuchen können eine Qualität der Popularität? Oder sitzen Sie auch manchmal verzweifelt über einem leeren Terminkalender?

Steinhauer: Die Existenzangst ist Teil des Berufs. Ich bin ja nirgends fix angestellt – auch nicht an der Josefstadt, sondern kriege per Aufführung gezahlt. Meist ist es so, wenn du dir Termine freihältst für den Film, kommt ein Theaterengagement, das nimmst du an – und dann kommt natürlich ein Film.

MM: Wie der ins Auslandsoscar-Rennen geschickte „Das finstere Tal“, in dem Sie den bigotten Pfarrer spielen …

Steinhauer: Ja, wunderbar. Aber ich hab’ dann zwischendurch noch die Konzerttermine, muss für meine Musiker ja Termine blockieren. Das sehen die Filmleute dann wieder nicht so gern, weil man da weg ist … Wie man’s macht … Ich verstehe übrigens die Entscheidung nicht, einen „Western“ nach Amerika zu schicken. Wollen wir denen etwas zeigen, das sie besser können? Wir sollten ureuropäische Stoffe, die sich vom amerikanischen Geschmack total unterscheiden ins Rennen schicken. Filme, wie sie der Haneke macht. Oder der Ulrich Seidl. Das sind Dinge, die’s nur hier gibt, drüben nicht. Damit wir sagen: Hallo, wir sind irgendwie anders!

MM: Um aufs Musikalische zurückzukommen, Opapa. Sind Sie auch gut bei Kinder- und Weihnachtsliedern?

Steinhauer: Sehr! Wird alles gemacht. Wenn auch nicht immer von Erfolg begleitet. Aber wir sind eine hochmusikalische Familie. Meine Tochter Iris spielt Klavier, Matthias hat ja mit Musik begonnen, bevor er Richtung Schauspielerei ging:http://www.mottingers-meinung.at/josefstadt-die-geschichte-vom-fraeulein-pollinger/ ; http://www.mottingers-meinung.at/theater-in-der-josefstadt-liebelei/ . Wir haben den Mattl anfangs musikalisch gar nicht so gefördert, weil er wie der Stani war: Alles anfangen, aber nichts zu Ende bringen. Der Stani hat E-Gitarre, Schlagzeug, alles begonnen. Er ist sehr musikalisch; da kann also noch was kommen. Mein ältestes Enkelkind, der Leon, der flippt total aus, wenn er Klavier spielen oder mit einer CD mitsingen kann. Die Kinder vom Mattl sind derzeit eher „Kunstturner“, sportliche Typen.

MM: Wie steht’s nun mit Kreuzfahrten? Alfred Komarek hat mir erzählt, er ist ein bissl schwanger mit einem Kreuzfahrt-Polt: Polt und Rehberg auf dem Schiff und klären einen Mord auf. Wissen Sie was davon?

Steinhauer: Nein. Obwohl der Polt und der Rehberg im bis dato letzten Teil ja eine gewinnen. Komarek wird nächstes Jahr 70, da möchte er gerne den letzten machen: „Alt, aber Polt“. Wenn das zustande käme, ginge ich auf Kreuzfahrt, aber privat: Nein. Das ist wie ein schwimmender Gemeindebau. Deshalb heißt’s bei uns ja SM Alcatraz – Sadomaso-Gefängnis. Sich im Bikini zu zeigen, hat bei manchen durchaus mit Sadismus zu tun. Oder ein Mann mit meiner Statur im Lobaufetzerl …

www.erwinsteinhauer.at

www.josefstadt.org

Wien, 24. 9. 2014

Warten aufs Bleiben. Ein Gastmahl.

September 12, 2014 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Kultur und kulinarische Köstlichkeiten

Bild: Kinoki

Bild: Kinoki

Ab 16. September in der Zacherlfabrik:

Flüchtlinge und KünstlerInnen aus dem Umfeld des Votivkirchenprotestes laden zu tiefen Einblicken, leidenschaftlichen Liebesgeschichten, explodierenden interkulturellen Konflikten, religiösen Verwirrungen, gut getarnten Rassismen, frisch zubereiteten orientalischen Köstlichkeiten und herzergreifenden Liedern.

Seien Sie zu Gast bei den Gästen.

Gönnen Sie sich unlösbare Widersprüche à la carte. Erlauben Sie sich etwas Empathie zum Nachtisch.

GastgeberInnen: Said Chafé, Issa Amadzai, Ali Asmat, Mohamed Mouaz – DJ Amine, Adalat Khan, Muhammad Atef Wazir, Natalie Ananda Assmann, Julia Harnoncourt, Tina Leisch, Ibrahim Amir, Hannah Müller , Sandra Selimovic, Shakil Khan, u.v.a.

Musik von Habib Samandi, Oscar Antoli, Stojan Vavti, Fernando Argueta. Muhammad Atef Wazir und Ali Asmat.

http://wartenaufsbleiben.wordpress.com

Wien, 12. 9. 2014