Belvedere: Wotruba und das Wiener Biedermeier

Mai 8, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Skandalöse Betonklotz-Kirche mit Kultstatus

Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit auf dem Georgenberg in Wien-Mauer, Ansicht von Osten. Bild: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Architekturikone aus Betonblöcken: Die Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit gilt heute als modernes Wahrzeichen Wiens. Der künstlerische Entwurf des seinerzeit heftig umstrittenen Kirchenbaus geht auf den Bildhauer Fritz Wotruba zurück. Nach Planung mit Architekt Fritz Gerhard Mayr wurde von 1974 bis 1976 einer der markantesten Sakralbauten Wiens realisiert. 45 Jahre nach der Einweihung widmet das Belvedere nun der sogenannten WotrubaKirche erstmals eine Ausstellung.

„Die Kirche ist ein Wahrzeichen, für viele hat sie Kultstatus. Über ihre Entstehung – ein Stück Nachkriegs– wie gleichermaßen Kunstgeschichte – ist bislang wenig bekannt. Die Ausstellung füllt hier eine Lücke und lässt das lieb gewonnene Bauwerk anders sehen und neu erleben“, so Stella Rollig, Belvedere-Generaldirektorin. Die Einweihung der Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit erfolgte am 24. Oktober 1976, mehr als ein Jahr nach Wotrubas Tod und nach 13-jähriger, schwieriger Entstehungsgeschichte. Ursprünglich hatte der Bildhauer 1965 den Auftrag erhalten, für den Orden der Karmelitinnen ein Kloster mit Kirche in Steinbach bei Wien zu entwerfen. 1966 entstanden die ersten plastischen und zeichnerischen Entwürfe Wotrubas. Das Klosterprojekt wurde nicht verwirklicht, das Modell der Klosterkirche jedoch diente als künstlerischer Entwurf für den Bau der Rektoratskirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit auf dem Georgenberg in Wien-Mauer.

Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit, Innenansicht mit Blick Richtung Süden. Bild: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Wotruba in seinem Atelier bei der Arbeit an einem Tonmodell für das  Karmelitinnenkloster in Steinbach bei Wien, 1967. Belvedere, Wien, Nachlass Fritz Wotruba

Fritz Wotruba, Skizze zu einer Architektur, 1966. Bild: Harald Eisenberger / Belvedere, Wien

Modell der Kirche des Karmelitinnenklosters in Steinbach bei Wien, 1967. Bild: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Die Ausstellung „Wotruba. Himmelwärts. Die Kirche auf dem Georgenberg“ macht die Entstehung dieses bedeutenden Bauwerks aus 135 Betonkuben nachvollziehbar und bringt die archiskulpturale Formgebung mit dem Gesamtwerk Wotrubas in Zusammenschau. Der Dialog zwischen Skulptur und Architektur zeigt sich im gesamten bildhauerischen Werk des Künstlers. Entwurfszeichnungen, Kirchenmodelle und ergänzende plastische Arbeiten aus den 1960er-Jahren veranschaulichen dies. Erstmals sind nahezu alle plastischen Entwürfe für die Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit in einer Ausstellung zu sehen.

Die Schau ist in mehrere Themenbereiche gegliedert. Einer davon beleuchtet die kontroversielle öffentliche Debatte zum Kirchenbauprojekt im Mai 1968, nachdem Wotrubas Entwürfe für das Karmelitinnenkloster in der Wiener Galerie nächst St. Stephan präsentiert wurden. Eine weitere Diskussion über die Kirche kam vor Kurzem auf: Auslöser waren ein 2019 errichteter Lift und die Erweiterung der im Inneren des Hügels liegenden Gemeinderäume mit einem neuen Zugang und einer Glasfront. Im Vordergrund stand nun das denkmalpflegerische Interesse am Erhalt des originalen Erscheinungsbildes des Architekturdenkmals, dessen Bedeutung mittlerweile unbestritten ist.

Im Kontext internationaler Vergleiche skulpturaler Architektur – von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart, von Le Corbusier bis Günther Domenig – tritt die Einzigartigkeit von Wotrubas künstlerischem Bau deutlich hervor. Archiskulpturale Arbeiten von Richard Serra, Max Bill, Aurélie Nemours und Hans Hollein zeigen Verbindungen des Bildhauers mit anderen Künstlerinnen und Künstlern durch seine Beschäftigung mit Figur, Architektur und Raum. Ungebrochen ist die Anziehungskraft, die das außergewöhnliche Werk moderner Bildhauerarchitektur auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler ausübt. Exemplarisch dafür werden Thomas Draschans Experimentalfilm zur Wotruba-Kirche aus dem Jahr 2014 und Evy Jokhovas transdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Architektur des Sakralbaus von 2016 bis 2017 gezeigt. Aglaia Konrads filmische Betrachtung Wotruba Wien befindet sich seit 2018 in der Sammlung des Belvedere.

Friedrich von Amerling, Rudolf von Arthaber und seine Kinder Rudolf, Emilie und Gustav, 1837. Bild: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Peter Fendi, Mädchen vor dem Lotteriegewölbe, 1829. Belvedere, Wien

Ferdinand Georg Waldmüller, Der Abschied der Patin (Nach der Firmung), 1859. Belvedere, Wien, Leihgabe des Vereins der Freunde der Öster. Galerie Belvedere

Bessere Zeiten? Waldmüller und das Wiener Biedermeier

Biedermeier – viel zitiertes und oft diskutiertes Wort dieser Tage: Macht sich ein bürgerlich-idyllischer Lebensstil in der Gesellschaft breit? Was ist Biedermeier eigentlich? Ist ein Blick auf diese Epoche ein Blick auf bessere Zeiten? Die neue Sonderausstellung im Oberen Belvedere „Bessere Zeiten? Waldmüller und das Wiener Biedermeier“ erzählt ab 12. Mai von der Zeit der Metternich’schen Restauration, der Stärkung des Bürgertums und seinem gleichzeitigen Rückzug aus der Sphäre politischer Verantwortung ins Private.

Die Habsburgermonarchie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Französische Revolution und Napoleon haben sie in ihren Grundfesten erschüttert – durch Repression versucht sie die alte Stärke wiederzuerlangen Das Bürgertum gewinnt ein neues, bis dahin ungekanntes Selbstbewusstsein. Im Zentrum steht die Familie, das sprichwörtliche häusliche Glück. Gleichzeitig ziehen sich deren Protagonistinnen und Protagonisten aus dem politischen Leben zurück. Dies war das Ausgangsszenario für eine neue Stilrichtung: das Wiener Biedermeier. Die scheinbare Idylle des Privaten wurde zum herrschenden Ideal. Darstellungen häuslichen Lebens kehrten zunehmend in die Kunst ein. Die Salonkultur hatte Hochkonjunktur.

In der bildenden Kunst wurden in dieser Zeit Familienporträts, Einblicke in die beschauliche Heimeligkeit oder Blumenbilder beliebt. Die heimatliche Landschaft als Ort der Identifikation wurde zum gefragten Motiv. Dennoch blieb die Kunst auch in dieser Zeit nicht gänzlich unkritisch: Darstellungen von vermeintlich beschaulichen oder anrührenden Szenen kippen bei genauerer Betrachtung in ihr Gegenteil. Armut, und gesellschaftliche Ausgrenzung sind die „versteckten“ Themen der Biedermeiermalerei. Kurator Rolf H. Johannsen widmet sich in dieser Ausstellung Sein und Schein einer für Wien und seine Kunstgeschichte prägenden Epoche. Mit Werken von Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich von Amerling, Rosalia Amon, Josef Danhauser, Thomas Ender, Peter Fendi, Pauline Koudelka-Schmerling, Carl Schindler, Franz Steinfeld und Adalbert Stifter.

www.belvedere.at

8. 5. 2021

Museum Liaunig: Nitsch, Gironcoli und Moswitzer

April 25, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Zum Saisonstart eine „Tour de Force“

Sonderausstellung – Alte Freunde: Bruno Gironcoli. Bild: © Museum Liaunig

In der Saison 2021 präsentiert das Museum Liaunig ein abwechslungsreiches Programm: Die von Günther Holler-Schuster aus der Sammlung Liaunig kuratierte Hauptausstellung „Tour de Force – Punkt, Linie, Farbe auf dem Weg durch die österreichische Kunst nach 1945“ setzt sich mit der Entwicklung der gestischen Traditionen auseinander.

Den seit 2016 in der Sonderausstellungsreihe „Alte Freunde“ vorgestellten Künstlerinnen und Künstlern ist Herbert Liaunig seit Jahren als Freund und Sammler zugetan. 2021 wird die Serie mit wechselnden Personalen von Bruno Gironcoli und Johann Julian Taupe (1954) fortgesetzt. Im runden Skulpturendepot stehen die Werke des steirischen Bildhauers Gerhardt Moswitzer im Mittelpunkt. Und bei schönem Wetter lädt der weitläufige Skulpturenpark zu einem Spaziergang ein. Die Aufstellung unter freiem Himmel zeigt eine generationen- übergreifende Auswahl österreichischer und internationaler Künstler von der Moderne bis zur Gegenwart.

Hauptausstellung – Tour der Force

„Tour de Force“, die Hauptausstellung dieses Jahres im Museum Liaunig, versammelt etwa 200 Exponate aus der eigenen Sammlung, ergänzt nur durch einige wenige Leihgaben von Künstlern und Institutionen. Coronabedingt fiel die Entscheidung, dieses Jahr konzentrierter und ausschließlicher mit der eigenen Sammlung zu arbeiten und damit auch einen tieferen Blick auf die Neigungen und Vorlieben des Sammlerehepaars Liaunig zu ermöglichen. Das Gestische innerhalb der Malerei, die Tradition der „Nouvelle École de Paris“, wie sie nach 1945 entstanden ist, sowie die Spuren davon in Österreich waren dabei grundlegende Aspekte der Überlegung. So liegt der Zeitraum, den diese Ausstellung umfasst, etwa zwischen 1950 und heute. Einige wenige Beispiele früheren Datums erweitern den historischen Rahmen exemplarisch.

Mit 1945 passiert ein massiver Bruch innerhalb der globalen Weltordnung. Der Zweite Weltkrieg, die nationalsozialistische Schreckensherrschaft, der ideologisch motivierte, industrielle Massenmord, der Atombombenabwurf in Japan, sowie die daraus resultierende Totalzerstörung – materiell, wie ideell – sind grundlegende Faktoren, die jede weitere Entwicklung global bestimmt haben. Die Künste beziehen sich bewusst und unbewusst auf diese Ereignisse. Das Erlebnis des Traumas angesichts der Totalzerstörung war zweifellos bestimmender als dies noch bis vor Kurzen angenommen bzw. innerhalb der Kunst entsprechend artikuliert wurde. Die „Postwar-Diskussion“ der letzten Jahre hat die Sichtweise 75 Jahre nach dem Kriegsende präzisiert und erweitert. Vieles, gerade innerhalb der Malerei, kann nicht mehr ausschließlich auf formale Ziele hin argumentiert werden – die Interpretation ist differenzierter geworden.

Es ist nicht verwunderlich, dass sich gerade das Informel als internationaler Stil in dieser „Stunde Null“ als ideales Beispiel für die Diskussion um einen Neustart innerhalb der bildenden Kunst nach 1945 anbietet. Die Auflösung der Formen, die Verselbständigung der malerischen Mittel – Punkt, Linie, Fläche, gleichgesetzt mit Pinselstrich, Fleck und Materialtransformation – sind wesentliche Elemente, die aus diesem Kontext der Destruktion kommen. In der Verselbständigung des Pinselstriches, des Materials und der Performativität des Malaktes lassen sich jeweils Subgeschichten definieren bzw. entstehen in der Folge eigene Stilausprägungen – Materialmalerei, Objektkunst, Performance, Aktionismus.

In dieser Ausstellung wird die Metapher der Reise angewandt – „Tour de Force“. Auf diese Weise wird der Pinselstrich zum „Pars pro Toto“ der ästhetischen Elemente und zum Ausgangspunkt zahlreicher Entwicklungen. Ob er sich konventionell in dynamischer Geste auf die Leinwand werfen lässt oder überhaupt ganz ersetzt wird, ob er die Materialität wechselt und selbst zum Gegenstand der Darstellung wird oder er sich dreidimensional und damit im Zusammenhang mit dem Skulpturalen präsentiert, man kann ihn als Basis vielfach entdecken.

Hauptausstellung: Tour der Force. Bild: © Museum Liaunig

Hauptausstellung: Tour der Force. Bild: © Museum Liaunig

Hauptausstellung: Tour der Force. Bild: © Museum Liaunig

Hauptausstellung: Tour der Force. Bild: © Museum Liaunig

Der zentrale Ausgangspunkt ist naturgemäß das Informel. Die wesentlichen ProtagonistInnen der österreichischen Entwicklung sind dabei vertreten, ergänzt durch einige wesentliche internationale Highlights. Die Heterogenität dieser Kunstströmung wird bereits am Beginn der Ausstellung sichtbar. Somit wird sofort klar, dass es hier nicht um eine lineare Geschichtsauffassung gehen kann. Dass diese nicht aufschlussreich genug, immer nur fragmentarisch ist und von der jeweiligen – durchaus ideologisch abhängigen – Sichtweise geprägt ist, setzt sich langsam durch. Wir können nur punktuell in die Vergangenheit zurückblicken und Interpretationen anbieten. Eine verbindliche und objektive Sicht darauf mag mancherorts behauptet werden, bleibt aber immer ausschnitthaft und oft missverständlich.

Die beiden Abschnitte, links und rechts vom Zentralbereich der Ausstellung, versuchen exemplarisch den Weg des Pinselstrichs und die damit verbundenen Konsequenzen nachzuvollziehen. So wird der Pinselstrich unmittelbar nach seiner Befreiung im Informel rasch wieder zu darstellenden Zwecken eingesetzt. Expressiv, gestisch präsentieren sich Strömungen der abstrakten Malerei, ebenso wie solche der figuralen Malerei. Die ästhetischen Mittel werden zwar isoliert, bleiben bei allem Bedürfnis zur Darstellung aber als solche erhalten bzw. deutlich sichtbar. Das Bild ist in dem Moment Malerei – thematisiert die malerischen Mittel.

Auf der anderen Seite verfolgt die „Tour de Force“ den Weg des befreiten Pinselstrichs in Richtung Körper, Material und Dreidimensionalität, auch Medialität. Alles Malerische wegzulassen, es der Zerstörung anheimfallen zu lassen, die Malerei als bürgerlichen Wandschmuck zu beenden, ist der Wiener Aktionismus angetreten. Das Material konkreten Destruktionsmechanismen zu unterwerfen – Schnitte und Stiche in die Leinwand zu setzen, die Leinwand genauso wie die Ölfarbe zu ersetzen –  lässt die Materialmalerei entstehen. Die Spuren der Zerstörung werden an der Behandlung des Materials erprobt – Stiche, Schnitte, Brandspuren. Die internationale Künstlergruppe „ZERO“ bezieht sich explizit auf den „Nullpunkt“, der sich nach 1945 ergeben hat.

Im Plastischen verändert sich das Material gegenüber der Malerei naturgemäß. Damit wird auch klar, dass in diesem Fall der Pinselstrich selbst zum dargestellten Motiv transferiert wird. Im vierten Abschnitt kann man einige historische Referenzen – internationale wie österreichische – bestaunen, die im Kleinformat und in den grafischen Disziplinen vorhanden sind. Dem Publikum soll das alles sehr wohl als eine „Tour de Force“ vorkommen und einiges abverlangen. Man wird Auslassungen und Überraschungen genauso bemerken, wie man diskussionswürdige Inklusionen feststellen wird.

Mit Arbeiten von unter anderem: Herbert Boeckl, Herbert Brandl, Günter Brus, Friedrich Cerha, Tone Fink, Adolf Frohner, Maria Lassnig, Josef Mikl, Otto Mühl, Hermann Nitsch, Oswald Oberhuber, Arnulf Rainer, Max Weiler, Franz West, Heliane Wiesauer-Reiterer und Erwin Wurm.

Alte Freunde: Bruno Gironcoli. Bild: © Museum Liaunig

Alte Freunde: Bruno Gironcoli. Bild: © Museum Liaunig

Alte Freunde: Bruno Gironcoli. Bild: © Museum Liaunig

Gerhardt Moswitzer. © Robert Schad, Bild: Olaf Bergmann

Sonderausstellung – Alte Freunde: Bruno Gironcoli

Das Museum Liaunig widmet dem 2010 verstorbenen Künstler Bruno Gironcoli anlässlich seines 85. Geburtstages eine Ausstellung im Rahmen der Serie Alte Freunde“. Den seit 2016 in dieser Reihe vorgestellten Künstlerinnen und Künstlern ist Herbert Liaunig seit Jahrzehnten als Freund und Sammler zugetan. So finden sich oft ganze Werkkonvolute aus allen Schaffensphasen der meist singulären Positionen in der Sammlung, die die Grundlage dieser während der Saison wechselnden retrospektiven Personalen bilden.

Die von Peter Liaunig zusammengestellte Ausstellung gibt einen Einblick in die künstlerische Entwicklung des Bildhauers und seiner unverwechselbaren Formensprache, zeigt aber auch den Zeichner und Maler Bruno Gironcoli, der ein umfangreiches grafisches Werk hinterlassen hat. Der gelernte Gold-, Silber- und Kupferschmied studierte bei Eduard Bäumer und Eugen Meier an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Ein Paris-Aufenthalt 1960/61, bei dem sich Bruno Gironcoli intensiv mit dem Œu­v­re Alberto Giacomettis und dem Existenzialismus  in den Werken von Jean-Paul Sartre und Samuel Beckett  auseinandersetzte, beeinflusste den Künstler nachhaltig.

Anhand einzelner zentraler Arbeiten aus unterschiedlichen Werkphasen lässt sich die Veränderung in Gironcolis Skulpturenbegriff in der Ausstellung nachvollziehen: Von der Umsetzung der menschlichen Figur in die Dreidimensionalität am Beispiel eines Polyester-Objektes aus dem Jahr 1965, über seine Installationen im Raum, Raumwinkel und Environments, für die er Alltagsgegenstände arrangiert, bis zu seinen dichten assemblageartigen, organisch-technoiden Skulpturen. Neben frühen Akt- und Portraitstudien aus der ersten Hälfte der 1960er-Jahre und  kleinformatigen Skizzen werden in der Schau auch Zeichnungen, in denen sich Motive aus seinen Skulpturen wiederholen, und großformatige malerische Gouachen präsentiert.

Skulpturendepot: Gerhardt Moswitzer. © Robert Schad, Bild: Olaf Bergmann

Skulpturendepot: Gerhardt Moswitzer. © Robert Schad, Bild: Olaf Bergmann

Skulpturendepot: Gerhardt Moswitzer. © Robert Schad, Bild: Olaf Bergmann

Skulpturendepot – Gerhardt Moswitzer

Im runden Skulpturendepot stehen Künstler Gerhardt Moswitzer und sein skulpturales Œu­v­re im Mittelpunkt. Von 1959 bis 1961 besuchte der gelernte Werkzeugmacher die Kunstgewerbeschule in Graz und schuf erste Arbeiten aus Holz und Stein, Holz-Eisen-Montagen sowie Schrott-Skulpturen. Seit 1963 bevorzugte Moswitzer die Materialien Stahl, Aluminium und Buntmetalle. 1970 vertrat der junge Künstler Österreich auf der Biennale di Venezia. Zahlreiche Ausstellungen, Preise sowie die Realisierung von Arbeiten im öffentlichen Raum sollten folgen. 1974 übersiedelte er nach Wien und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 2013 in seinem „Refugium“, einem der Bildhauerateliers des Bundes am Rande des Praters.

In der von Peter Liaunig zusammengestellten Ausstellung sind Beispiele seiner wichtigsten  Werkgruppen vertreten: Frühe Arbeiten aus den Jahren, strukturierte Stäbe und Scheiben, Turbinen, Könige und „Minis“ aus den 1960er-Jahren, ein Schattenwürfel, Werke aus den Serien „Gläser“ sowie „Kreisel und Raum“ aus den 1970er-/1980er-Jahren und seine späten Rahmenkonstruktionen und Schachtelskulpturen. Neben seinem bildhauerischen Schaffen widmete sich Moswitzer seit den 1980er-Jahren der Komposition experimenteller Musik und der Arbeit am Computer. Es entstanden Tonbandaufzeichnungen, abstrakte Hörbilder, Fotografien, Videoarbeiten, Animationen sowie „digitale Skulpturen“.

www.museumliaunig.at

25. 4. 2021

Jean-Paul Dubois: Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise

Januar 8, 2021 in Buch

VON MICHAELA MOTTINGER

The Good, the Bad und die dazwischen

„Das Gefängnis verschlingt uns, es verdaut uns“, berichtet Paul Hansen über den unangenehmen Geruch des Eingesperrtseins: „Mief kasteiender schlechter Gedanken, sich überall ausbreitende Ausdünstungen schmutziger Einfälle, säuerliche Miasmen alten Bedauerns …“

Paul, im Jahr 2008 Insasse der kanadischen Haftanstalt Montreal, Boulevard Gouin Quest Nummer 800, am Rand des Rivière des Prairies, 1357 Häftlinge, gezählt ohne die zahlreichen Mäuse und Ratten, bis 1962 durch den Strang hingerichtete: 82, ist der Ich-Erzähler in Jean-Paul Dubois‘ jüngstem Roman „Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise“, der sich 2019 überraschend und durchaus zurecht im finalen Rennen um den Prix Goncourt gegen die belgische Autorin Amélie Nothomb durchsetzte (Rezension von deren Nominee „Die Passion“: www.mottingers-meinung.at/?p=42473).

Wie Nothomb beherrscht Dubois die Kunst, die großen Fragen, die existenziellen Themen des Lebens in Romane zu gießen, doch malt sie bevorzugt mit kräftigen Farben, sind seine Arbeiten gleich

Aquarellen mit getuschten Konturen. Der langjährige Journalist Dubois ist ein exakter Beobachter, der seine Plots und Protagonisten stets entlang der Realität entwirft, und so ist auch „Jeder von uns …“, dies so intensive wie stille Buch, dies hingeschriebene Innehalten, zunächst eine Jedermanns-Geschichte wie dem Chronik-Teil entliehen. Im abgeklärt-lakonischen Tonfall eines Mannes, der nichts mehr sein Eigen nennt und ergo nichts zu verlieren hat, schildert Paul seinen nunmehr zweijährigen Alltag hinter Gittern.

Was ihn in diese Situation gebracht hat, was tatsächlich passiert ist, Paul weiß es ebenso wenig wie die Leserin, der Leser, erst 250 Seiten später werden sie’s gemeinsam erfahren. Sobald Paul sich nämlich wieder erinnern kann. Derweil aber müht sich das Gedächtnis um Rekonstruktion der Straftat, hört Paul ganz hinten im Gehirn „alle Knochen brechen“, gehen seine in Literatur festgehaltenen Gedanken im Kreis.

Die tragikomisch anrührenden rund um seinen Zellengenossen Patrick Horton, ein Hüne von einem Hells Angel, der bestreitet, ein Mörder zu sein. Patrick, der von unberechenbar über aberwitzig bis leutselig die ganze Skala menschlicher Stimmungsschwankungen bespielt, ein Bursche, der mal ein Viertel der Stadtbevölkerung per Machete halbieren möchte und mit einem Blick Wärter wie Mitknackis in Schach hält, mal „wie ein junger Senator im Wahlkampf“ jedem zuwinkt, der seinen Weg kreuzt. Patrick, der seine heilige Harley „Fat Boy“ liebt und wie der biblische Samson panische Angst vorm Haareschneiden hat. Und eine Rattenphobie, was sich wirklich zum Tränenlachen liest.

Die Herzbeklemmung auslösenden Gedankenkreise sind die rund um die Hansen’sche Familiensaga. Paul beginnt diese bei seiner Geburt 1955 in Toulouse. Er ist der Sohn des dänischen Pastors Johanes Hansen und der französischen Programmkinobetreiberin Anna Margerit, der Vater, „ein smørrebrød-Esser, ein Mann aus dem nördlichen Jütland, der zu seinem Wort stand, denn die hierzulande beliebte flickflackernde Dialektik, die das Offensichtliche bereitwillig leugnet und frühere Aussagen bestreitet, war ihm völlig fremd.“

Die Mutter eine Schönheit, von der der Heranwachsende bemerkt, dass sie das Mojo besitzt, das Verlangen der Männer zu erregen, wofür Patrick Paul sofort rügt, so denkt man nicht an die eigene Mutter!, Anna Margerit, die Atheistin, in deren „künstlerischem Sammelbecken der revolutionären Avantgarde“ auf einem Plakat steht: „Wie soll man im Schatten einer Kapelle frei denken?“ Dies Johanes an die Wand gemalter Teufel. Der Protestant hat’s in Katholikenland schwer genug, und zum endgültigen Zerwürfnis kommt’s als Mutter 1972 beschließt, ihrem Publikum den Kassenschlager-Porno „Deep Throat“ zu zeigen.

Des Pastors Schäfchen sind entsetzt, und er ist seine Diözese los. Bis zur Scheidung schreien sich die Eheleute wegen „Deep Throat“ fortan die Kehle aus dem Hals. Also geht Papa als Prediger nach Kanada, ins Tagebau-Armageddon von Thetford Mines, wo in rauen Mengen Chrysotil aus der von Narben verheerten Landschaft gesprengt wird, und Paul folgt ihm in jene Asbesthölle, deren Skandal noch in den Startlöchern steckt – ein Philosoph im Paläolithikum. Pauls bedacht gewählte Ausdrucksweise, gespickt mit markigen Patrick-Zitaten, füllt die Zeilen, in die man beim Lesen eintaucht wie in den ruhigen See von Pauls Seelenruhe.

Die rührt nicht zuletzt her von seinen Begleitern: sein entschlummerter Vater, seine ebenfalls bereits verstorbene Ehefrau Winona Mapechee, eine Tochter der First Nations, und die gemeinsame – no na – tote Hündin Nouk sind die Geistwesen, die Paul nächtens besuchen – „um uns das zu geben, was wir auf grausamste Weise vermissten, ein wenig Trost und Wärme“, inmitten all der Langeweile und des schlechten Essens und dem winterlichen Frost von beinah minus 40 Grad, ab und zu ein Messerattentat, drei Schutzengel, auf deren Erscheinen Verlass ist und in dessen Verläufen sich enträtselt, wie sie zu Tode gekommen sind.

Bild: pixabay.com

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Mit Johanes teilt Paul Desillusion und Resignation eines, der „draußen“ in der Welt nichts mehr zu erwarten hat, und Dubois verflicht mit Verve sein Figurenkabinett, im Wortsinn gottvoll ist Kirchenorganist Gérard LeBlond, der unter Bach gern einmal Procul Harum mischt, mit kanadischer Zeitgeschichte: die von René Lévesque und seiner Parti Québécois angestrebte „assoziierte Souveränität“, eine Rechnung, durch die ihm Premier Pierre Trudeau, Vater des aktuellen Amtsinhabers Justin, einen dicken Strich machte; die heraufdämmernde Subprimes-Krise mit ihren in den Sand gesetzten Milliarden; der im 17. Jahrhundert aus Europa importierte „Glaubenskrieg“ Franzosen gegen Engländer, das zweisprachige Land nur einig im Dissen der indigenen Völker. Im Spiegel des Individuums liefert Dubois ein Epochen-Porträt von der linken 1968er-Bewegung bis zum Anbruch eines neuen neoliberal-kalten Millenniums.

Während Patrick sein Lebensmotto auf den Rücken tätowiert trägt, „Life is a bitch and then you die“, denkt sich Paul den Menschen als der Bitch Kollateralschaden. In Montreal wird er erst Hausmeister, später Verwalter der Wohnhausanlage „Excelsior“, die alte Dame nicht weniger „labil, verspielt, grillenhaft“ als ihre 63 Eigentümer, die der freundliche, mitfühlende, ja, zartbesaitete Mann alle mit gleicher Aufmerksamkeit betreut. Einer davon, Kieran Read, ein Schadensregulierer, der für Versicherungen zwecks auszuzahlender Summe den Wert eines eben Dahingeschiedenen kleinrechnet, wird ein Freund. Und wieder beim Lesen das große Fragezeichen, was denn um Himmels Willen passiert sei in diesem irdischen Paradies.

Paul lernt Winona kennen und lieben, sie stolze Besitzerin und Pilotin eines Wasserflugzeugtaxis, eine pragmatische Frau mit Algonkin-Draht zu den „Botschaften des Windes oder des Regens“, „die in jeder Sekunde in dem Bewusstsein lebte, dass das Leben viel zu kurz und zu wertvoll ist, um es in den Warteschlangen zweitrangiger Probleme auszubremsen“. Eines Tages findet sie die verwaiste Nouk und das Paar gibt dem Tier ein neues Zuhause, Nouk, die heißgeliebte, mit der Paul bald eine gemeinsame Sprache spricht.

Alles Friede und Freude im Soziotop, bis sich Edouard Sedgwick der Eigentümer-Versammlung als neuer Vorsitzender aufdrängt. Ein Unsympath und Cost Killer, „ein zwanghafter Anhänger von Memos“, „kontrollierte hier, beschnitt da und vermehrte die nutzlosen Zusätze in den Paragraphen der Hausordnung, bis diese den Umfang eines Telefonbuchs hatte“. Dubois verfasst diese Seiten als Parabel darüber, wie ein böswilliger Mensch alles und alle in seinem Umfeld zum Schlechteren zu ändern vermag.

„Die Atmosphäre im Haus war bedrückend geworden, und eine Art generelles, vom Vorsitzenden qua seines Amtes gesätes Misstrauen hatte sich in allen Stockwerken ausgebreitet. Nach und nach hatte jeder jeden zu überwachen und argwöhnisch darauf zu achten begonnen, dass die Vorschriften, und seien sie noch so unsinnig und marginal, Punkt für Punkt befolgt wurden.“

Allen Schikanen zum Trotz bewahrt Paul lange seinen Gleichmut, bis Sedgwick seinen Hass auf Hunde an Nouk auslässt, und Paul in ungeahnter Rage blutrotsieht … Und so endet die Wechselerzählung von Gefängnis-Jetzt und Freiheits-Vergangenheit mit einem Epilog über des Schicksals ewiges Unentschieden-Spiel zwischen Soll und Haben, Sein und Werden, Vertrauen und Selbst-/Zweifel, Verlust und Scheitern, Hoffnung und immer wieder Neuanfang.

Jean-Paul Dubois‘ Roman über die Guten, die Bösen und die dazwischen, einen Casuality Adjuster mit Anstand, einen skrupellosen Kostenminimierer, einen kuriosen Koloss von einem Kumpel, Winona, Nouk und Paul und „die ganze Wildheit des Rudels“, einen Vater, der post mortem endlich ein „Min son, jeg er stolt af dig“, mein Sohn, ich bin stolz auf dich, über die Lippen bringt, ist bis zum Schluss eine Liebeserklärung an die Condition humaine. Denn „Jeder von uns …“ ist stets nur einen Schritt vom Straucheln, nur einen Schritt vom falschen Weg entfernt.

Jean-Paul Dubois. Bild: © Lee Dongsub

Über den Autor: Jean-Paul Dubois, geboren 1950 in Toulouse, studierte Soziologie und arbeitete zunächst als Sportreporter für verschiedene Tageszeitungen. Später berichtete er für den Nouvel Observateur aus den USA. Er hat mehr als zwanzig Romane veröffentlicht und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Prix Femina und 2019 für „Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise“ mit dem Prix Goncourt, dem bedeutendsten französischen Literaturpreis. Er zählt zu den wichtigsten französischen Autoren der Gegenwart.

dtv Verlag, Jean-Paul Dubois: „Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise“, Roman, 256 Seiten. Übersetzt aus dem Französischen von Nathalie Mälzer und Uta Rüenauver.

www.dtv.de

  1. 1. 2021

Die Angewandte online: Der Angriff auf die Gegenwart

November 25, 2020 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Videoclips als virtueller Rundgang durch die Ausstellung

Kathrin Plavčak: Wenn das Pferd tot ist, steig ab. © Markus Gradwohl, VG Bild-Kunst

Wegen der aktuellen #Corona-Regelungen für Ausstellungen konnte die Schau „Der Angriff auf die Gegenwart – Aussichten im Postwachstum“ der Universität für angewandte Kunst Wien im Rahmen der Vienna Art Week nicht wie geplant eröffnen. Wann die Ausstellung physisch zu erkunden sein wird, kann nicht ernsthaft prognostiziert werden. Deshalb bietet Anna Vasof nun durch Videos Einblicke in die Schau in der Universitätsgalerie. Die Künstlerin und Lehrende an der

Angewandten führt filmisch von Position zu Position. Die Videoclips lassen die Betrachterinnen und Betrachter selbst entscheiden, wie lange sie die virtuelle Führung begleiten oder sich bei Einzelpositionen wiederholt vertiefen wollen. Hier geht es zur YouTube-Playlist  auf dem Angewandte-YouTube-Kanal, die laufend aktualisiert wird. Die immer neu entfachte Lust auf nie zufriedenstellenden Konsum, der nach wie vor routinierte Zugriff auf längst begrenzte Ressourcen in einem nahezu selbstverständlichen Ausverkauf, ungeschützte Arbeit ohne Aussicht auf Sicherheit und Entwicklung, ein aus der Zeit gefallener Automobilismus, gesellschaftlicher Zusammenhalt, der an den Exponentialkurven einer Pandemie bemessen wird, die Suspension von Öffentlichkeit …

Die Liste wäre weiter fortzusetzen, um doch nur Fragmente einer Realität festzuhalten, die nicht inne hält und dabei nie über das Jetzt und den immer entscheidenden Moment hinauskommt. Die vorstellbaren Zukunftsbilder einer solchen Gegenwart scheinen nur mehr denkbar als brutale, als unerträgliche Dystopien, ökologische Katastrophe, Klimakollaps, Massensterben, oder als gleichermaßen verheißungsvolle wie unerreichbare Utopien, wie einer fairen und gerechten Gesellschaft für 10 Milliarden Erdenbürgerinnen und -bürgern 2050, der eine dekarbonisierte, nachhaltige Wirtschaft im Einklang mit der Natur dient.

Give us, Dear. © Böhler & Orendt und Museum Schloss Moyland, 2013

I Want To Hear About Your Problems. © Krištof Kintera

Diatmomeen Bacillariophyta, 2019. © Markus Jeschaunig

Die Bedingungen, unter denen diese Ausstellung zustande kommt, ergeben sich nicht zuletzt aus einem globalen Notstand. Diese Ausstellung befragt daher Künstlerinnen und Künstler nach ihren Bildern einer Gegenwart, die von Endzeitvorstellungen und Krisen geprägt ist und doch zugleich nach Konzeptionen und nach Kraft sucht. Es braucht widerständige Erfassungen einer Gegenwart wie Aussichten auf eine Zukunft, um Spielräume zu erkämpfen. Je eindringlicher die Bestandsaufnahmen desto schärfer lassen sich auch die Anliegen formulieren und übertragen und zugleich die Erkenntnis festhalten, dass solche Ziele die vieler sind. In diesem Sinn ist Kunst immer politisch zu verstehen.

Die künstlerischen Arbeiten formulieren Aussichten eine empathischen Zukunft angesichts einer Welt, in der es dringlicher denn je andere Zugänge braucht, um nötige Expertise und zugängliches Allgemeinwissen, reale Zwänge und visionäre Freiheiten, verantwortungsvolles Engagement und verstörende Angstbilder zu einer kraftvollen Vielfalt zusammenzubringen: „Die Avantgarde ergibt sich nicht“, hatte der Künstler und kritische Denker Asger Jorn 1962 klargemacht. Diesem kämpferischen Anspruch möchte sich die Ausstellung stellen, geht es doch wesentlich darum, nicht auf Zukunft zu verzichten.

Give us, Dear. © Böhler & Orendt und Museum Schloss Moyland, 2013

Mit Arbeiten von Allora & Calzadilla, Böhler & Orendt, Sophie Bösker, Nikolaus Gansterer, Oto Hudec, Markus Jeschaunig, Maria Kanzler, Krištof Kintera, Justin Lieberman, Christian Kosmas Mayer, Nicole Six und Paul Petritsch, Katrin Plavčak, Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger, Michael Strasser, Herwig Turk uns Anna Vasof.

Zu den Videoclips: shorturl.at/jpzQW           www.dieangewandte.at           www.youtube.com/user/DieAngewandteWien

25. 11. 2020

museum gugging: oswald tschirtner.! das ganze beruht auf gleichgewicht

Februar 12, 2020 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Zum 100. Geburtstag die bisher größte Personalie

Portraitfoto Oswald Tschirtner, 1993. Bild: Martin Vukovits

Nach Ausstellungen zu August Walla und Johann Hauser zeigt das museum gugging unter dem Titel „oswald tschirtner.! das ganze beruht auf gleichgewicht“ ab 13. Februar seine dritte große Personale. Die 260 Werke spannen den Bogen von Klein- zu Großformaten und spiegeln Schaffensperioden und Facetten eines der erfolgreichsten Gugginger Künstler wieder. Am 24. Mai – dem 100. Geburtstag von Oswald Tschirtner – ist ein großes Fest geplant. „Tschirtners Weg zum Künstler war nicht vorgezeichnet. Gleichzeitig war er bis ins hohe Alter in der Lage, Neues zu entwickeln“, sagt Johann Feilacher, künstlerischer Leiter und Kurator der Ausstellung. „Darüber hinaus ist kaum ein Künstler mit Gugging so verbunden: In französischer Kriegsgefangen- schaft im Zweiten Weltkrieg psychisch erkrankt, lebte er fünf Jahrzehnte hier, davon mehr als zwei Jahrzehnte im Haus der Künstler, wo ich ihn betreuen durfte.“

O. Tschirtner: Moses und der brennende Dornbusch, 1971, Sammlung Hannah Rieger. Privatstiftung – Künstler aus Gugging

Oswald Tschirtner: Gott und Mensch, 1971, Sammlung Helmut Zambo. Privatstiftung – Künstler aus Gugging

Oswald Tschirtner: Herz, 1998. Privatstiftung Künstler aus Gugging

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Mit seinem geschlechtslosen Kopffüßler lehrt uns Oswald Tschirtner die Konzentration auf das Wesentliche und zeigte zugleich, wie er sich fühlte“, so Feilacher. „Er zeichnete immer auf Aufforderung und erledigte den Auftrag möglichst schnell. Seine Religiosität – er wollte eigentlich Priester werden – gab ihm Halt. Der Ausstellungstitel ‚das ganze beruht auf gleichgewicht‘ ist der Titel von zwei Zeichnungen. Auf der einen Seite war es ihm nicht wichtig, was andere Menschen über ihn und seine Kunst dachten. Auf der anderen Seite war der Frieden mit seiner Umwelt sein höchstes Ziel.“

Oswald Tschirtner beim Bemalen der Südfassade, 1983. Bild: Johann Feilacher

Oswald Tschirtner und David Bowie, 1994. Haus der Künstler

Oswald Tschirtner vor seinen Kopffüßlern. Bild: Martin Vukovits

Zahlreiche Veranstaltungen begleiten die Sonderschau. So ist etwa ebenfalls ab 13. Februar in der galerie gugging „… weiblich mächtig – männlich zart … misleidys castillo pedroso & oswald tschirtner“ zu sehen, wo sich das Werk Tschirtners der jungen zeitgenössischen kubanischen Art-Brut-Künstlerin – Misleidys Castillo Pedroso erschafft eine Art private Mythologie aus einer isolierten Position – auf sich beinahe ergänzende Weise gegenüberstellt. Die beiden Künstler trennen 65 Jahre, viele tausend Flugkilometer sowie ihre ganz eigenwillige künstlerische Formensprache und doch sind sie auf ganz besondere Art und Weise miteinander verbunden.

www.museumgugging.at

12. 2. 2020