VON MICHAELA MOTTINGER
Künstlerinnen und Künstler „in die Tiefe gesammelt“

Gesonderte Schau über Fotografie im Untergeschoss: Nan Goldin: Jimmy Paulette on David’s Bike, NYC 1991. Albertina, Wien. The Essl Collection © Nan Goldin
Bei ihrer Wiedereröffnung am 7. Dezember steht die Albertina modern ganz im Zeichen der Sammlung Essl. Karlheinz und Agnes Essl haben in den vergangenen 50 Jahren mit großer Leidenschaft eine der wichtigsten Privatsammlungen der Welt aufgebaut. Mit knapp 7.000 Einzelobjekten zählt sie zu den größten Kollektionen zeitgenössischer Kunst weltweit. Eine erste Ausstellung der Highlights bietet Einblicke in ihre Vielfalt und Qualität.
110 Hauptwerke der berühmtesten Künstlerinnen und Künstler vermitteln ein Bild des weiten Sammlungs- horizontes sowie des künstlerischen und medialen Reichtums, den nur wenige Kollektionen in Mitteleuropa aufweisen. Die aktuelle Auswahl konzentriert sich auf die drei Jahrzehnte ab 1980. Ziel der Ausstellung ist es, einen Überblick zu geben, welcher bei einer Sammlung von mehreren tausend Werken zwar nur unvollständig bleiben kann, aber zumindest eine Vorstellung von dem großen Reichtum dieser Kollektion vermittelt.
Während im Erdgeschoss der Albertina modern Gemälde, Skulpturen, Objekte, Installationen und Videos ausgestellt werden, ist im Untergeschoss eine gesonderte Ausstellung der Fotografie aus der Sammlung Essl zu sehen. „The Essl Collection“ bietet vor allem einen Einblick in die Bestände an internationaler Kunst. Denn die Sammlung Essl, die bekanntermaßen einen wichtigen Schwerpunkt an österreichischer Kunst hat, zeichnet sich auch durch bedeutende Werkblöcke internationaler Künstlerinnen und Künstler aus.

Cindy Sherman: Untitled #412, 2003. Albertina, Wien. The Essl Collection © Cindy Sherman

Marc Quinn: Mirage, 2009. Albertina, Wien. Familiensammlung Haselsteiner © Marc Quinn

Selten zu sehender Künstler: Fang Lijun: 2004.9.30, 2004. © Albertina, Wien – The Essl Collection
Die Sammlertätigkeit von Karlheinz und Agnes Essl war und ist immer noch von großer Neugierde und Wissensdurst geprägt. So konnten sie diese bedeutende Sammlung zeitgenössischer Kunst aufbauen: neben der österreichischen Kunst, die am Anfang der Kollektion stand, und der deutschen Kunst ging der Blick nach dem Mauerfall rasch auch in andere europäische Länder, sowie in die USA, nach China, Mexiko und Indien. Die Sammler haben viele Künstlerinnen und Künstler „in die Tiefe gesammelt“, wie sie es selbst ausdrücken, haben also das Schaffen über mehrere Jahrzehnte begleitet und große Werkblöcke gekauft.
Fast alle Künstlerinnen und Künstler kannte das Sammlerpaar persönlich, zu vielen pflegen sie noch heute enge Freundschaften. Die aktuelle Ausstellung in der Albertina modern greift einige wichtige Highlights heraus: es werden die amerikanischen Künstler Alex Katz, David Salle, Chuck Close, Jim Dine, Peter Halley und Philip Taaffe gezeigt, ebenso wie der irische Künstler Sean Scully und die britischen Künstler Gilbert & George, Sarah Morris, Cecily Brown, Tony Cragg und Marc Quinn. Von den deutschen Künstlern sind Georg Baselitz, Albert Oehlen, Stephan Balkenhol, Daniel Richter, Jonathan Meese, Neo Rauch, DieterRoth und Tim Eitel vertreten.
Auch Werke des Schweizers Daniel Spoerri und des Spaniers Antoni Tàpies y Puig sind zu sehen. Ein weiteres Highlight stellen die Werke der international erfolgreichen chinesischen Künstler Fang Lijun, Minjun Yue und Xiaogang Zhang dar. Als Besonderheit gelten selten gezeigte Installationen und Werke des Fluxus-Künstlers Nam June Paik, der Künstlerin Annette Messager, der Videokünstler Bill Viola und Tony Oursler, der dänischen Künstler Peter Land und Tal R, und des in Wien lebenden rumänischen Bildhauers Virgilius Moldovan.

Gilbert & George: Bloody People, 1997. Albertina, Wien – Familiensammlung Haselsteiner © Gilbert & George

Alex Katz: Beach Stop, 2001. Albertina, Wien – The Essl Collection. © Bild: Mischa Nawrata, Wien / Bildrecht, Wien, 2020

Daniel Richter: WOW, 2011. Albertina, Wien – The Essl Collection © Bildrecht, Wien 2020

Gregory Crewdson: Untitled, 2004. Albertina, Wien – The Essl Collection © Gregory Crewdson
Die österreichischen Künstlerinnen und Künstler wie Elke Krystufek, Johanna Kandl, Gudrun Kampl, Martha Jungwirth, Gelitin, VALIE EXPORT, Arnulf Rainer, Hubert Scheibl, Franz Zadrazil, Heimo Zobernig und Franz West runden die Präsentation von Meisterwerken ab. Die Ausstellung ist herausfordernd und aufwühlend zugleich, mit all den Spannungen, die sich da zwischen sehr gegensätzlichen Werken auftun.
Wenn der drastische Beitrag von Franz West neben der Ironie der zwei Päpste von Moldovan steht, wenn das wahrscheinlich berühmteste Künstlerkollektiv Gilbert & George auf den chinesischen Aufbruch der Kunst trifft. Oder Annette Messagers Installation auf die kritische Auseinandersetzung mit der Flüchtlingskrise bei Daniel Richter – diese erste Schau verfolgt klar das Ziel, die Amplitude der Sammlung an ihren Extrempunkten zu zeigen, während zukünftige Ausstellung Werke der Sammlung immer mit anderen Arbeiten aus den übrigen Beständen der Albertina zusammengeführt werden.
www.albertina.at/albertina-modern www.albertina.at
- 12. 2020