Kammerspiele: Acht Frauen

November 9, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Der Tod steht ihnen gut

Die Damen werden handgreiflich: Isabella Gregor, Marianne Nentwich, Susa Meyer, Silvia Meisterle, Swintha Gersthofer und Sandra Cervik. Bild: Sepp Gallauer

Suspense so geschmeidig in Chansons umzusetzen, das muss einem erst einmal gelingen. Franz Wittenbrink führt nun an den Kammerspielen der Josefstadt très français vor, wie’s geht. Er hat für Herbert Föttingers Neuinszenierung der Krimikomödie „Acht Frauen“ die Bühnenmusik komponiert. Mal darf frech gejazzt werden, mal eine zum Tango sinnlich sein, immer psychogrammatisch entlang des jeweiligen Typus und seiner besonderen Charakterzüge.

Die Damen des Ensembles beweisen solcherart nicht nur ihr schauspielerisches Können, sondern entpuppen sich als wahre Showtalente. Pauline Knof als ungebetener Gast Pierrette legt eine sexy Einlage hin, von der man nicht ahnte, dass derlei in der Charakterdarstellerin schlummert.

Der Inhalt von Robert Thomas‘ Text ist bekannt: Auf einem französischen Landsitz, abgelegen und eingeschneit, findet die Vorweihnachtsstimmung ein jähes Ende, als der Hausherr mit einem Messer im Rücken tot aufgefunden wird. Den „Acht Frauen“, Verwandten wie Bediensteten, erschließt sich bald, dass die Mörderin unter ihnen zu suchen ist. Jede hatte ein Sträußchen mit dem Verstorbenen auszufechten, Motive gibt es ergo genug, aber keine Alibis. So beginnt ein scheinheiliges Intrigenspiel, in dem scheinbar aufgeschreckte Hühner sich als skrupellose Erbschleicherinnen erweisen, tablettensüchtige Dramaqueens gegen eiskalte Königinnen der Nacht antreten, und mehr dunkle Geheimnisse ans Licht kommen, als der Mischpoche lieb sein kann.

Föttinger dämpft in seiner Arbeit den Schenkelklopfimpuls, der durchaus als Gefahr im Stück lauert. Zu sagen, er hätte daraus eine subtile Satire gemacht, wäre für den amüsanten, doch – nicht zuletzt aufgrund Ece Anisoglus uninspiriertem Grauen-Haus-Bühnenbild und Birgit Hutters elegant gestrigen Kostümen – etwas antiquiert wirkenden Abend wohl etwas viel. Doch der Regisseur kann sich auf seine Komödiantinnen verlassen, die wissen, wie sarkastisch geht, wie man Zwischentöne und Spitzen setzt und so Zwietracht sät. Föttinger gibt ihnen den Raum, sich in allen Facetten schillernd zu entfalten. Dass in seiner Interpretation die Fallhöhe vom vermeintlichen Familienidyll zur lügendurchtränkten Täterinnensuche gering ist, ist eine Entscheidung, die es anzunehmen gilt.

Das Verhältnis der Frauen untereinander ist von Beginn an ein brüchiges, die Worte zwischen ihnen fallen streitsüchtig und gereizt, es kommt nicht nur einmal zu Handgreiflichkeiten. Man ärgert sich über die Hysterie und Hypochondrie der anderen, vor allem aber über Mamys „Wunderheilung“. Als diese glänzt Marianne Nentwich. Die langgediente Josefstädterin ist von der Gaby, die sie in einer Aufführung 2004 noch spielte, zur Gabys-Mutter-Rolle avanciert, und sie macht sich sichtlich einen Spaß daraus, immer dann aus dem Rollstuhl zu hüpfen, wenn es Spannenderes zu tun gibt, als auf den Nerven der anderen spazieren zu fahren. Die Gaby ist nun Susa Meyer, die von gutbürgerlicher Hausherrin blitzschnell auf bitterböse und bissig umzuschalten weiß.

Silvia Meisterle als kesses Kammerkätzchen Louise. Bild: Sepp Gallauer

Susa Meyer, Silvia Meisterle, Sandra Cervik und Swintha Gersthofer. Bild: Sepp Gallauer

Pauline Knof beweist als mondäne Pierrette ihr Showtalent. Bild: Sepp Gallauer

Swintha Gersthofer und Anna Laimanee, sie in ihrem ersten Engagement neu am Haus, gestalten die Töchter Susanne und Catherine zwischen teenageraufsässig und jungdamenhaft. Dass Sandra Cervik in die Figur von Gabys Schwester Augustine schlüpft, ist ein Glück. Cervik macht aus der altjüngferlichen, verbiesterten Giftspritze ein Kabinettstück, mit Hingabe tut sie deren Verdächtigungen und Vermutungen und Vorstellungen von korrektem Verhalten kund, bis sie mit Verve das Entlein in einen Schwan verwandelt. Pauline Knof schließlich als letztes Mitglied der skandalösen Sippe spielt Gabys Schwägerin Pierrette als mondäne Lebefrau.

Isabella Gregor und Silvia Meisterle sind als Köchin Madame Chanel und Dienstmädchen Louise zu sehen, nach außen hin resigniert-ergeben, aber durchaus mysteriös die eine, verführerisch kess und nur widerwillig gehorchend die andere. Insgesamt lässt sich über die Darstellerinnen sagen: Der Tod steht ihnen gut. Nach Drehungen und Wendungen, Manipulationen und unsauberen Machenschaften, und dem wahren Satzfragment „Wenn wir Frauen doch nur besser zusammenhielten“, wird die Tat zweieinhalb Stunden später enttarnt. Sollte es jemanden geben, der tatsächlich keine Ahnung hat, wie’s geschehen ist – anschauen …

Video: www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=2A9t_C2x54s

www.josefstadt.org

  1. 11. 2018

Deutscher Filmpreis: „Das finstere Tal“ räumt ab

Mai 9, 2014 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Acht Preise von neun Nominierungen;

Tobias Moretti bester Nebendarsteller

Florian Brückner, Tobias Moretti, Helmuth A. Häusler Bild: © Allegro Film / Thomas W. Kiennast

Florian Brückner, Tobias Moretti, Helmuth A. Häusler
Bild: © Allegro Film / Thomas W. Kiennast

Beim Deutschen Filmpreis Lola hat die Kinoproduktion „Das finstere Tal“ Freitag Abend abgeräumt. Zwar ging der Hauptpreis, die Goldene Lola für den besten Film an das Auswandererepos „Die andere Heimat“ von Edgar Reitz, der auch den Preis für die beste Regie erhielt. Doch der Alpenwestern erhielt die meisten Preise. Der Film, bei dem Andreas Prochaska Regie führte, erhielt die Silberne Lola und sieben weitere Preise, unter anderem für Tobias Moretti als besten Nebendarsteller, die Kamera, das Szenenbild, bestes Kostüm, beste Maske, die Filmmusik und die Tongestaltung.

www.deutscher-filmpreis.de

www.mottingers-meinung.at/tobias-moretti-in-das-finstere-tal/

Wien, 9. 5. 2014

Mörderbienen unter sich

Februar 8, 2013 in Bühne

Besprechung mit Regisseurin Maria Happel (re.): Arens, Folkerts, Jirku, Weidenmüller, Schwarz, Doll, Köndgen und Gersthofer (v. li.).

05.12.2012, Von Michaela Mottinger, http://kurier.at/autor/mag-michaela-mottinger/8.527/2

Zickenkrieg in St. Pölten

Maria Happel probt in St. Pölten „Acht Frauen“. Mit dabei: Jessica Schwarz und Ulrike Folkerts.

Nicht mitzuspielen fällt ihr schon schwer. „Je fertiger es wird, um so mehr kriegt man Lust, auch oben zu stehen“, sagt sie. Oben, das ist die Bühne des Landestheaters Niederösterreich in St. Pölten. Und sie ist Maria Happel, Regisseurin der Kriminalkomödie „Acht Frauen“, die am 7. Dezember Premiere hat.
Eine illustre Damenrunde hat sich der Burgstar für seine Inszenierung zusammengestellt: Babett Arens, Birgit Doll, Ulrike Folkerts, Swintha Gersthofer, Christine Jirku, Cornelia Köndgen, Jessica Schwarz und Lisa Weidenmüller. Was die Frauen zusammen führt, ist ein Mord. An Hausherrn Marcel.
Natürlich hat jede – von der Verwandtschaft bis zum Personal – ein Motiv.

In den letzten Probentagen geht’s naturgemäß hoch her. Ein Plüschwürfel fällt nie dorthin, wo er soll. Ein Luster bewegt sich grundlos auf und ab. Und irgendwann sagt Birgit Doll: „Bitte, das Quietschen der Schneemaschine geht mir wahnsinnig auf die Nerven. Kann man das einstweilen abstellen?“

Impressionen
Gelächter und Zustimmung. Zickenkrieg betonen die Schauspielerinnen gibt’s ausschließlich als Handlung. Theater wird dort gemacht, wo’s hingehört – auf der Bühne. Vor allem für Filmschauspielerin Jessica Schwarz, die als sexy Kammerkätzchen Louise zum ersten Mal Theaterluft schnuppert, ist diese Erfahrung toll.

„Ich bin sehr froh, dass man bei den Kolleginnen so gut eingebettet ist und sich auch Tipps holen kann. Ich bin ja gewohnt am Set in kleinen Teams zu arbeiten. Nun, so laut zu agieren und demnächst vor Publikum, das geht mir schon im Kopf herum“, so Schwarz.
Trotzdem macht’s Spaß.

Findet auch Ulrike Folkerts, die Marcels Schwester Pierette spielt, und hofft, dass die gute Laune im Team, dazu führen wird, dass sich auch die Zuschauer amüsieren. Als Tatort-Kommissarin Lena Odenthal und 2005/2006 als Tödin im Jedermann hat sie Erfahrung mit der Materie: „Ich finde es reizvoll, dass der Tod in allen Genres, egal ob Tragödie, Komödie oder Film, Platz hat. Tod gehört zum Leben. In diesem Stück kann ich einmal ganz anders damit umgehen.“
Gesungen wird auch.

Jede hat ihr Chanson. Was die einen mehr – Christine Jirku: „Ich möcht’ am liebsten alle Lieder selber singen!“ –, andere im Zweifel über ihr musikalisches Talent weniger begeistert. Bernhard Moshammer hat die Lieder komponiert und getextet.
Babett Arens, seit dieser Saison fester Gast am Haus und nach dieser Produktion mit ihrer eigenen Regiearbeit, Jean Tardieus „Die Liebenden in der Untergrundbahn“ beschäftigt, stakst übers Bühnenbild.
Von Feld zu Feld zu Feld.

Fuchs und Henne

Das Ganze ist nämlich ein Spielbrett, ähnlich „Fuchs und Henne“, das sich später in eine Art Schach verwandelt. Die Türen sind Spielkarten. „Meinen Zauberkasten“, nennt das Happel. Die dem Abend jeden „Naturalismus“ runtergeräumt hat. Man gibt sich exaltiert, extravagant, temperamentvoll.

Man stellt sich aus.

So „endlich mal ohne Mann“ zu spielen (Jessica Schwarz), „in unserem Weiberstadl“ (Cornelia Köndgen) finden alle angenehm. Frau Regisseurin korrigiert: „Ein Mann spielt bei uns eine ganz wichtige Rolle: Unser Souffleur.“

Alle lachen.

 

 

„Acht Frauen“ in St. Pölten

Februar 8, 2013 in Bühne

Team: Schwarz, Jirku, Folkerts, Köndgen, Weidenmüller, Arens (v. li.).

 09.12.2012, Von Michaela Mottinger http://kurier.at/autor/mag-michaela-mottinger/8.527

Auf dem Spielbrett werden Karten neu gemischt

Maria Happel inszeniert „Acht Frauen“ und setzt dabei auf Spiel im Spiel

Ein Teil des Publikums war enttäuscht. Ihm fehlten Herrenhaus, Salon, Sofa …
Das ist ungerecht. Denn Regisseurin Maria Happel hat eine neue Version für Robert Thomas’ Kriminalkomödie „Acht Frauen“ erfunden. Sie macht setzt aufs Spiel im Spiel. Ihre Darstellerinnen staksen über ein schräges Brett, das einem „Fuchs und Henne“ nicht unähnlich sind; die Türen zu den Zimmern sind Karten. So hat Happel dem sogar verfilmten Stück allen „Naturalismus“ runtergeräumt. Man gibt sich exaltiert, extravagant, outriert.
Ihre Damenriege (Birgit Doll, Swintha Gersthofer, Lisa Weidenmüller, Christine Jirku, Babett Arens, Cornelia Köndgen, Jessica Schwarz und Ulrike Folkerts) beherrscht das wunderbar.

Allen voran Birgit Doll, die als Neo-Witwe Gaby, die Truppe anführt. Sie und Ulrike Folkerts (Schwägerin Pierrette) beweisen auch Talent als Chansonniere, hat doch Bernhard Moshammer jeder Frau ein Lied auf den Leib geschrieben. Filmstar Jessica Schwarz,die zum ersten Mal Theater spielt, überzeugt als sexy Kammerkätzchen.
Dass jede hier so brillant ist, dass sie die Mörderin von Hausherr Marcel sein könnte, versteht sich von selbst.