Die Nestroy-Preisträger 2016

November 8, 2016 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Sona MacDonald und Rainer Galke sind ausgezeichnet, „beste Regie“ ging an Andrea Breth

Montagabend wurden im Ronacher die Nestroys vergeben. Steffi Krautz und Markus Meyer führten, musikalisch unterstützt von Musikern der Vereinigten Bühnen Wien, charmant und rasant durch die diesjährige Gala zum Wiener Theaterpreis, bei dem die Auszeichnungen sehr ausgeglichen verliehen wurden. Die Preisträgerinnen und Preisträger:

ORF III  Publikumspreis: Nikolaus Habjan

Volkstheater: Das Missverständnis

Bester Nachwuchs weiblich/männlich: Julia Gräfner als Caliban in „Der Sturm“ am Schauspielhaus Graz und Luca Dimic als Tschick in „Tschick“ am Theater der Jugend

Beste Ausstattung: Harald B. Thor für „Wassa Schelesnowa“ am Burgtheater

Burgtheater: Wassa Schelesnowa

Beste Bundesländer-Aufführung: „Lichter der Vorstadt“ in Fassung und Regie von Alexander Charim, am Landestheater Niederösterreich

Landestheater NÖ: Lichter der Vorstadt

Beste Off-Produktion: „Kein Stück über Syrien“ von aktionstheater ensemble

Beste Nebenrolle: Martin Reinke in „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“, Akademietheater

Akademietheater: Die Wiedervereinigung der beiden Koreas

Spezialpreis: „Wir Hunde/Us Dogs“ von SIGNA

Bester Schauspieler: Rainer Galke als Irrsigler in „Alte Meister“ am Volkstheater

Volkstheater: Alte Meister

Neu am Volkstheater: Rainer Galke, Lukas Holzhausen

Beste Schauspielerin: Sona MacDonald in „Fräulein Julie“ an der Josefstadt und in „Blue Moon“ an den Kammerspielen

Theater in der Josefstadt: Fräulein Julie

Kammerspiele: Blue Moon. Hommage an Billie Holiday

Theater in der Josefstadt: SonaMacDonald im Gespräch

Beste Regie: Andrea Breth für „Diese Geschichte von Ihnen“ am Akademietheater

Akademietheater: Diese Geschichte von Ihnen

Bestes Stück – Autorenpreis: Yael Ronen und Ensemble für „Lost and Found“ am Volkstheater

Volkstheater: Lost and Found

Beste deutschsprachige Aufführung: „Engel in Amerika“, inszeniert von Simon Stone am Theater Basel

Lebenswerk: Frank Castorf

Wiener Festwochen: Frank Castorf zeigt „Tschewengur. Die Wanderung mit offenem Herzen“

www.nestroypreis.at

Wien, 8. 11. 2016

KlezMore Festival Vienna: Drei Tipps aus dem Programm

November 4, 2016 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Sogar Esther Bejarano kommt nach Wien

Afenginn. Bild: Soeren Solkaer

Afenginn. Bild: Soeren Solkaer

Am 5. November startet die diesjährige Ausgabe des KlezMore Festival Vienna. Im Zentrum stehen diesmal Konzerte, die eine breite Bestandsaufnahme lokaler und globaler Auslegungen des Genres und der Musikkultur des Klezmer erlauben, mit Platz für Traditionspflege ebenso wie für Innovation. Denn wie stets spannt KlezMore-Mastermind Friedl Preisl einen packenden programmatischen Bogen durch die Szene.

Drei Programmtipps:

Afenginn. 9. November, Reigen. Die 2002 gegründete dänische Band kommt  mit einem ganz speziellen Album im Gepäck nach Wien: „Opus“. Schon mit „Lux“ im Jahr 2013, wandten sich Afenginn um Bandleader Kim Nyberg von ihrem angestammten Sound ab, dem international gefeierten „Bastard Etno“. Nyberg konzipierte „Opus“, mit vielen Gastmusikern eingespielt, wie eine klassische Sinfonie – vier Sätze, jeweils zwanzig Minuten lang, verbunden durch wiederkehrende Motive und Rhythmen. Anspruchsvoll und mitreißend bewegt „Opus“ mit leisen Tönen ebenso wie mit seinen wilden, überbordenden oder hymnischen Momenten. www.afenginn.dk

Sasha Lurje & Daniel Kahn. 16. November, Kirche am Gaussplatz. Als ausgewiesene Spezialisten für Sehnsucht und deren musikalische Manifestationen haben diese beiden umtriebigen Künstler ein eigenes Programm zusammengestellt. Schöne, böse Lieder, voller Liebeskummer, Wollust, Mord und Angrenzendem, zum Totlachen, in Deutsch, Englisch, Jiddisch, Ukrainisch und Russisch. Von Nick Cave-Klassikern bis hin zu russischen Balladen. sashalurje.wixsite.com/sasha

Sasha Lurje & Daniel Kahn. Bild: Sanguisugus

Sasha Lurje & Daniel Kahn. Bild: Sanguisugus

Nikitov. Bild: Dordrecht

Nikitov. Bild: Dordrecht

Nikitov. 17. November, Sargfarik. Als „chilliger Jiddpop“ wurde der Sound von Nikitov um Sängerin Niki Jacobs beschrieben, was der vergnüglichen Klang-Kunst des Quintetts durchaus gerecht wird. Nikitov können Traditionelles, „Tumbalalaika“ oder „Bay mir bistu sheyn“, ebenso wie pfiffig-poppige Eigenkompositionen. Eine Köstlichkeit sind Nikitovs Übertragungen von Klassikern, „Stairway to Heaven“ wird zu „A Fisbank im Himl“ oder „Ain´t no Sunshine“ zu „Nit keejn zoensjain“. www.nikitov.com

Das Festival-Highlight:

Esther Bejarano & Microphone Mafia. Bild: Kutlu Yurtseven

Esther Bejarano & Microphone Mafia. Bild: Kutlu Yurtseven

Wird die Gala am 19. November im HdB Rudolfsheim mit Esther Bejarano & Mircophone Mafia. Mit diesem Abend meldet sich Esther Bejarano, 91-jährige Auschwitz-Überlebende – sie spielte im dortigen „Mädchenorchester“ – nachdrücklich zu Wort. Zum Auftakt liest sie, anmoderiert von Christian Schüller, aus ihren Über/Lebens-Erinnerungen. Danach tritt sie mit ihrem Sohn Joram und der aus Köln stammenden Rap-Truppe Microphone Mafia auf. 2009 veröffentlichte die Familie Bejarano gemeinsam mit den HipHoppern das Album „Per La Vita“, 2013 folgte „La Vita Continua“, eindrucksvolle musikalische Manifestationen davon, wie wichtig es ist, der Unmenschlichkeit in all ihren Formen Widerstand zu leisten, nicht zuletzt durch das Bewahren von Lebensfreude und Optimismus. „Es ist Zeit für einen Aufschrei von uns allen, einen unüberhörbaren, lauten Aufschrei, der bis in den letzten Winkel unseres Landes und der ganzen Welt widerhallt. Der Satz ,Wehret den Anfängen!‘ ist längst überholt! Wir sind mittendrin!“ www.microphone-mafia.com

klezmore-vienna.at

Wien, 4. 11. 2016

Salam.Orient 2016: Drei Tipps aus dem Programm

Oktober 4, 2016 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Musik, Tanz und Poesie aus orientalischen Kulturen

Vardan Hovanissian & Emre Gültekin Quartett: Adana. Bild: © Musique Publique

Türkei meets Armenien: Vardan Hovanissian & Emre Gültekin Quartett: Adana. Bild: © Musique Publique

Am 13. Oktober beginnt Salam.Orient 2016. Festivalleiter Norbert Ehrlich hat ein buntes Programm mit Künstlerinnen und Künstlern aus Syrien, dem Irak und Iran, aus Palästina, der Türkei und Österreich zusammengestellt, dazu spannende Begegnungen zwischen Indien und dem Westen, eine Lesung des palästinensischen Autors Atef Abu Saif, Vorträge zur aktuellen Lage, Tänzer und Derwische … Motto: Ex oriente lux – aus dem Orient kommt das Licht.

Drei Tipps aus dem Programm:

14. Oktober, Porgy & Bess: Vardan HovanIssian & Emre Gültekin: „Adana“. Türkei meets Armenien. Die Stadt Adana an der Mittelmeerküste galt als einer der blühendsten Orte in der ottomanischen Türkei, um zu leben und zu arbeiten. Muslime und armenische Christen kamen halbwegs gut miteinander aus. Der Genozid vor hundert Jahren änderte alles: die Stadt wurde teilweise zerstört, die armenische Gemeinde in alle Welt zerstreut.

Die beiden Musiker Vardan HovanIssian und Emre Gültekin wählten daher den Namen dieser Stadt als Symbol für ein einstmals gutes Leben und gaben ihrem gemeinsamen Programm diesen Namen. So vermischt sich heute die uralte Musik der Armenier erneut mit derjenigen der Türken. Das ist keine Frage der „Fusion“, sondern eines möglichen Zusammenlebens. So wie an den Ufern des Mittelmeeres seit der Antike Menschen miteinander Handel trieben, Feste feierten und heirateten. „Adana“ dokumentiert dieses Überleben alter Traditionen, die Lieder über das Land und seine Leute besitzen die Kraft, die Trauer der Menschen zu überwinden und neu zu beginnen.

24. Oktober, Dschungel Wien: Diyar Dance Theatre aus Bethlehem: „Out of Place“. Eine Reise durch die Herzen und Köpfe junger palästinensischer Künstlerinnen und Künstler, die ihrer gegenwärtigen Realität entfliehen und sich auf die Suche nach einer lebenswerter Existenz und ihrer Identität begeben. Sie lernen sich durchzusetzen, gegen die eigene innere aber auch äußere Wut und gegen Vorurteile, um so gemeinsam über die Mauern der Unterdrückung hinauszuwachsen und die neu entdeckte Freiheit zu zelebrieren. Schauplätze des Stücks sind unterschiedliche palästinensische Städte wie Bethlehem, Ramallah und Jenin, aber auch andere Länder wie Jordanien, Spanien, Deutschland, die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA. Die ausgewählten Tänze zeigen unterschiedliche Formen der Angst: Angst vor Veränderung, Angst vor der Enthüllung des Selbst und Angst vor dem Alleinsein – Ängste, die allen Jugendlichen über kulturelle Grenzen hinweg gemein sind. Das Diyar Dance Theatre glaubt an Kultur, nicht nur um Mut zu machen, sondern auch um Brücken zu schlagen, lokal wie international. Inszenierung: Mohammad Awwad, Choreographie: Shadi Kassis. Mit: Maher Mena Mickel, Hala A. N. Alkoury, Lord K. I. Khair, Lana K. I. Hawash, Ala M. H. Jubran, Yazan und Hanna Elias Elyateem.

Das Diyar Dance Theater aus Bethlehem: Out of Place. Bild: © Diysar Dance

Das Diyar Dance Theater aus Bethlehem: Out of Place. Bild: © Diysar Dance

Noureddine Khourchid & die tanzenden Derwische von Damaskus. Bild: © Dragan Tasic

Noureddine Khourchid & die tanzenden Derwische von Damaskus. Bild: © Dragan Tasic

 31. Oktober, Theater Akzent: Noureddine Khourchid & Die tanzenden Derwische von Damaskus: Sufi-Ritual. Innerhalb der islamischen Welt stellt die mystische Richtung des Sufismus eine – wenn auch bedeutende – Minderheit dar. Die volksnahen Sufis verwenden die jahrhundertealten Traditionen von Musik, Gesang und Tanz dazu, um einen Trance-Zustand zu erreichen, in welchem die mystische Vereinigung mit Gott erfahrbar wird. Die Stadt Damaskus war immer eines der Zentren der arabischen Welt. Hier haben sich seit dem Altertum viele Kulturen gekreuzt, viele Einflüsse vermischt. So haben auch die wandernden Derwische ihre Spuren hinterlassen. An den islamischen Schreinen entwickelte sich das Ritual des Drehtanzes, begleitet von religiösen Gesängen. Noureddine Khourchid, geboren 1966 in Damaskus, ist der Sohn von Abu al-Nur, einem Sheikh des syrischen Shadhiliyya Sufi-Ordens. Nach dem Studium des Koran und der Ordensregeln erhielt er eine Ausbildung in religiösem Gesang und Koran-Rezitation. Er leitet die Zeremonie des Sufi-Rituals, welches bei diesem Ensemble aus der Verbindung dieser Musiktradition mit zwei Tänzern aus dem Mevlevi/Mawlawi-Orden steht. Der Mevlevi-Orden seinerseits führt seinen Ursprung auf den berühmten Jaladdin al-Rumi (1207-1273) zurück, der als Begründer und spiritueller Meister der Mevlevis in der türkischen Stadt Konya gilt.

salam-orient.at

Wien, 4. 10. 2016

steirischer herbst: Fünf Tipps aus dem Programm

September 9, 2016 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Teetrinken macht nämlich im Kopf die Grenzen auf

Milo Rau: IIPM – International Institute of Political Murder Empire. Bild: Stefan Bläske

Milo Rau / IIPM – International Institute of Political Murder: Empire. Bild: Stefan Bläske

Am 23. September startet der steirische herbst 2016. Mit „Wir schaffen das“ hat man sich den mittlerweile so berühmten wie berüchtigten Merkel-Spruch als Leitmotiv gewählt – eine gewagte und folgenschwere Aussage, die aber ein Hinweis darauf ist, was der utopische Gehalt von Europa sein könnte: eine Gemeinschaft demokratischer Staaten, die Grundwerte des menschlichen, friedlichen Zusammenlebens garantiert. Und gemeinsam Wege findet, den Herausforderungen dieser Zeit pragmatisch und angstfrei zu begegnen.

Vielleicht ist gerade die aktuelle Situation die Chance, erneut an der Idee von Europa jenseits eines rein ökonomischen Zusammenhangs zu arbeiten, diese Konstruktion ins 21. Jahrhundert zu retten. Welche Werte, welches Menschenbild, welche Modelle von Bildung gilt es, im Dialog mit der Welt zu dekolonialisieren, um sie unter veränderten Vorzeichen neu zu denken? Themen und Fragen wie diese durchziehen das Programm und finden sich auf vielfältigste Weise in künstlerischen und kuratorischen Setzungen wieder. So zeigt der Schweizer Theatermacher Milo Rau am 14. und 15. Oktober im Schauspielhaus Graz in Empire die Geschichten von Menschen, die durch Flucht nach Europa kamen oder an seinen Rändern ihre Heimat haben, und stellt die Frage: Sind Europas uralte Traditionen gefährdet oder ist die Migration nicht gerade eine davon? Die Erzählenden in „Empire“ berichten von Verlust, Gefängnis, Tod und Wiedergeburt, und Rau reizt wie gewohnt streitbar, konsequent,  aber unaufgeregt die Möglichkeiten des Theaters aus, um nicht nur dokumentarisch, sondern höchst politisch aufzutreten. Sicher eine der spannendsten Produktionen in diesem Jahr.

Fünf Tipps aus dem Programm:

Moddi plays Unsongs, 25. September, club panamur: Der norwegische Singer-Songwriter Pål Moddi Knutsen kehrt mit einem besonderen Projekt zum steirischen herbst zurück. Er hat politische Lieder von den schwarzen Listen der Welt gesammelt. Ein Jahr hat er damit verbracht, verbotene Songs aus aller Welt zusammenzutragen, zu übersetzen und neu zu interpretieren. So wurde sein neues Album „Unsongs“ zu einer bewegenden Sammlung politischer Lieder aus Algerien, Libanon, China, Vietnam, Norwegen, Mexico, Chile, USA, Israel, Russland und Großbritannien. Moddi stellt damit Fragen zur Funktionsweise von Zensur, ehrt diejenigen, die diese Lieder schreiben und spielen für ihre Courage und geht mit der Veröffentlichung der Songs selbst das Risiko von Auftrittsverboten und Zensur ein. Im club panamur präsentiert er seine Sammlung live.

Mobile Tea House, ab 29. September, Leibnitz und Leutschach: Rainer Prohaska bringt Ratschengurte und Holzbauprofile nach Leibnitz und Leutschach und ruft zum kollektiven Bau eines Teehauses auf. Ein Plädoyer für Flexibilität und Offenheit. Und eine Einladung zum Dialog aller Kulturen. Im Nahen und Fernen Osten funktionieren Teeräume als Zentren sozialer Interaktion. Länder wie die Türkei, der Iran, Pakistan, Syrien und Libanon kennen das Teetrinken ganz selbstverständlich als Kommunikationsmodus. Japan und China bauen dem Teekonsum gar eigene Bauwerke – eine Inspirationsquelle für Rainer Prohaska. Der gebürtige Kremser wurde schon zu Einzelausstellungen und Vorträgen in zahlreiche Länder eingeladen und hat dabei verschiedene Arten von Teezeremonien kennengelernt. Dadurch angeregt lädt Prohaska nun zum Bau eines „Mobile Tea House“ ein. Durch Beiträge von Gastkünstlerinnen und -künstlern wird das Teehaus zum Dreh- und Angelpunkt für Gespräche, Diskussionen und Plaudereien. Was aber in keinem Fall fehlen darf: Teezeremonien aus den unterschiedlichsten Kulturen der Welt.

Blitz Theatre Group: Late Night. Bild: Vassilis Makris

Blitz Theatre Group: Late Night. Bild: Vassilis Makris

El Conde de Torrefiel: Guerrilla. Bild: Titanne Bregentzer

El Conde de Torrefiel: Guerrilla. Bild: Titanne Bregentzer

Blitz Theatre Group: Late Night, ab 30. September, Hugo Wolf Saal Leibnitz: Das Ende der Welt auf Griechisch: Die Blitz Theatre Group tanzt auf den Trümmern Europas einen surrealen Totenwalzer voller schlichter Melancholie und feinem Humor. In einer apokalyptischen Welt sind drei Frauen und drei Männer übriggeblieben, sie scheinen nur noch ihr abgetragenes Festtagsgewand und ihre Erinnerungen zu haben. In Fragmenten erzählen sie von damals, von einem europäischen Krieg, der so surreal wirkt wie die bunte Festbeleuchtung in dem heruntergekommenen Ballsaal, in dem sich die sechs eingefunden haben.

In Gedanken an glücklichere Zeiten ergehen sie sich in einem so atemberaubenden wie bedrückenden Abgesang auf Europa. Und sie tanzen. Derlei beklemmend prophetische Assoziationen eines Europas, das durch Krieg, Terror und Anarchie geprägt ist, haben „Late Night“ zur großen Erfolgsproduktion der Blitz Theatre Group gemacht, mit der die griechische Company nun erstmals in Österreich zu sehen sein wird.

El Conde de Torrefiel: Guerrilla, Uraufführung am 14. Oktober, Orpheum: Was denkt eine junge Generation über das gegenwärtige Europa, welche Fragen und Zukunftsängste beschäftigen sie? Das Performance-Duo El Conde de Torrefiel stellt junge Menschen aus der Steiermark in den Fokus seiner neuesten Bühnenarbeit. In drei monumentalen Choreografien werden bewegte Stillleben des modernen Alltags entwickelt: eine Konferenz, eine Tai-Chi-Stunde und eine Partynacht. Doch diese scheinbar harmonischen Zusammenkünfte einer Gruppe im Herzen Europas suggerieren alles andere als eine heile Welt. Denn über den Bildern schwebt Text, der die Harmonie so humorvoll wie beunruhigend konterkariert. Schon in den Fragen lauert die Gefahr: „Was bedeutet das Wort Feind für Sie?“ oder „Was würden Sie tun, wenn morgen Krieg wäre?“ Mit „Guerrilla“ zeigen El Conde de Torrefiel beim steirischen herbst zum ersten Mal eine ihrer bildstarken Arbeiten in Österreich. Ihre ausgeklügelte Text-Bild-Schere zeigt: Auch mitten in der Komfortzone entstehen die Kriegserklärungen zuerst im Kopf.

Monika M. Kalcsics und Eugene Quinn: Grenzlandgespräche, 15. Oktober, Kniely Haus Leutschach: Österreichs Grenze zu Slowenien kennt viele Geschichten: Einst war sie Kriegsschauplatz, später wurden ihr entlang Wanderwege und kürzlich Zäune errichtet. Es ist ein kontroverses Thema und weil beim Reden die Leut’ z’sammen und beim Essen am besten ins Reden kommen, lädt der steirische herbst zum Social Dining nach Leutschach. Die „Grenzlandgespräche“ von Monika M. Kalcsics und Eugene Quinn sind Blind Dates der besonderen Art. Hier trifft man Menschen, mit denen man sonst wohl nicht so oft essen geht. Personen, die über die gegenwärtige Situation erzählen und darüber, wie es früher mal gewesen ist, im Grenzland. Geladen werden Bürgermeister, Weinbauern, Kunstschaffende und viele andere, um bei einem Dreigangmenü aus regionalen Spezialitäten mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen.

www.steirischerherbst.at

Wien, 9. 9. 2016

Wienwoche 2016: Die Highlights aus dem Programm

September 7, 2016 in Tipps

VON MICHAELA MOTTINGER

Flüchtlingsfernsehen, Gastarbajter und ein Antifa-Ballett

Die Wienwoche-Leiterinnen Nataša Mackuljak und Ivana Marjanović. Bild: Daniel Jarosch

Die Wienwoche-Leiterinnen Nataša Mackuljak und Ivana Marjanović. Bild: Daniel Jarosch

Am 16. September startet die diesjährige Wienwoche mit dem Titel „Forever Together“; mit einem Dutzend künstlerischer und aktivistischer Versuchsanordnungen erforscht sie die Möglichkeiten der Menschen zu Solidarität, Freundschaft und Liebe.

„Überall, wo Ignoranz und Unterdrückung herrschen, braucht es Kräfte, die sich ihnen entgegenstellen – ein oftmals energieraubendes Unterfangen. Wir versuchen es im täglichen Leben und auf experimentelle Weise im Rahmen von Wienwoche 2016: in Gruppen und Projekten, in Freundschaftszirkeln, in Bars, fiktiven Frisiersalons, Parks und Marktplätzen, in wiederbelebten Kulturbrachen und in der Lugner City“, erläutern die neuen Leiterinnen des Projekts Nataša Mackuljak und Ivana Marjanović bei ihrer Präsentation am Mittwochvormittag.

Fünf Tipps aus dem Programm:

refugee.tv’s Good-News-Studio, ab 17. September, Haus Liebhartstal, Thaliastraße 157: „Only bad news are good news!“ Dieses zynische Mainstream-Medien-Mantra gilt in Europa für die Berichterstattung über Geflüchtete ganz besonders. Im Fokus stehen Chaos und Konflikte; alles, was schief läuft. Mit refugee.tv’s Good-News-Studio drehen die Beteiligten die Perspektive um. Wo andere in Kriegsrhetorik verfallen und von Zaun, Festung, Obergrenze und Notstand sprechen, lädt refugee.tv Wienerinnen und Wiener ins Good-News-Studio ein. Etwa ein Dutzend Film- und Medienmacher, die – teils auch wegen ihrer Arbeit – aus Afghanistan, Syrien, Nigeria, Somalia, Palästina und aus dem Irak nach Europa geflüchtet sind, machen eigenes Fernsehen, in Zusammenarbeit mit einem deutsch-österreichischen Film-Kollektiv. Anschauen, mitmachen, anmelden unter info@refugee.tv

Anti-Fascist Ballet School, ab 19. September, Lugner City Show Stage, Gablenzgasse 11: Inmitten eines Wiener Einkaufszentrums eröffnen die Performancekünstlerinnen und Tänzerinnen Elizabeth Ward und Magdalena Chowaniec eine „antifaschistische Ballettschule“, um sich zu versammeln, zu tanzen und somit den aktivistischen Körper des Publikums zu erwecken. Motto: Lasst uns lernen, einander mit Anmut zu unterstützen! Damit werden die beiden sicherlich Erwartungen brechen. Anmeldung: antifaballet@gmail.com

Meisterinnen der Unsichtbarkeit, ab 19. September, Treffpunkt am unteren Ende der Treppe zur Hauptbücherei, Urban-Loritz-Platz 2a: Unterwegs in der Stadt, ohne feste Adresse. Ein Stationentheater führt zu den privaten und öffentlichen, sicheren, gefährlichen und solidarischen Orten obdachloser Frauen in Wien. Sie meiden die für sie vorgesehenen Tageszentren, sie durchstreifen lieber Bahnhöfe, Bibliotheken und Parks. Wohnungslose Frauen sind Meisterinnen darin, unerkannt zu bleiben. Ihre Situation sieht man ihnen häufig nicht an: Mitunter sitzen sie geschminkt im Hugo-Boss-Mantel aus zweiter Hand im Bus oder in der Kirche, auch wenn sie sich die Miete für eine Wohnung schon lange nicht mehr leisten können. Regisseurin und Autorin Valerie Kattenfeld hat für ihre Arbeit Interviews mit zwölf obdachlosen Frauen geführt und ihre Geschichten zu einer fiktiven Biografie verknüpft. Nach den Spaziergängen lädt sie gemeinsam mit ihren Interviewpartnerinnen zu einer Kleidertauschparty. Anmeldung: office@kunstspiel.at

Langer Weg der Gastarbajt, ab 22. September, unterschiedliche Treffpunkte im 16. und 17. Bezirk: 2016 jährt sich das Anwerbeabkommen zwischen Österreich und Jugoslawien zum 50. Mal. Tausende jugoslawische Gastarbeiter kamen für ursprünglich begrenzte Zeit nach Österreich. Sie kamen und blieben. Die neu gegründete Platforma für temporäre Kreation nimmt das Jubiläum zum Anlass, um die Geschichte und die politischen Kämpfe der Gastarbeit in den Fokus zu rücken und sichtbar zu machen. Der Lange Weg der Gastarbajt führt von einer ehemaligen Fabrik, heute ein Kulturraum, über einen Arbeiterverein zu lokalen legendären Gastarbeitern, Freizeitorten und Bars. An allen Stationen wird Programm stattfinden mit Ausstellungen, Lesungen, Filmen, Performance, Musik und Tanz. Geschichten von Gastarbeitern und Dauergästen werden erzählt. So entsteht eine kollektive Geschichtsschreibung, deren Existenz sonst oft ausgeklammert wird. Treffpunkte und mehr erfragen: gastarbajt2016@gmail.com

In Bed with the Exotic Enemy, 25. September, Ateliertheater, Burggasse 71: Jasmina Tešanović, jugoslawische Feministin, Aktivistin und Schriftstellerin, und Bruce Sterling, US-amerikanischer Schriftsteller und einer der Begründer der Science-Fiction-Cyberpunk-Bewegung, sind seit vielen Jahren verheiratet. Sie haben sich über das Internet kennengelernt, als Bruces Heimatland NATO-Bomben und Lenkflugkörper auf Jasminas Heimat regnen ließ. Als besondere Gäste der Wienwoche werden sie in einigen persönlichen Bekenntnissen Einblick in ihre unorthodoxe Liebesgeschichte gewähren: „Zuerst waren wir ‘Frenemies’, dann solidarische Kollaborateure, im Laufe der Zeit Vertraute und Freunde und schließlich Liebhaber und Ehepartner …“ Karten unter reservation@wienwoche.org

www.wienwoche.org

Wien, 7. 9. 2016