Albertina und Albertina modern: Die Ausstellungen 2021

Januar 26, 2021 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Erstmals eine große Modigliani-Schau in Österreich / starke Frauen auf und  hinter Leinwand und Fotolinse

Xenia Hausner: Das blinde Geschehen, 2010. © Bildrecht, Wien, 2020

Das Ausstellungsjahr 2021 von Albertina und Albertina modern stellt Frauen mit zwei Personalen in den Vordergrund, bringt Modigliani erstmals nach Österreich, fasst ein halbes Jahrtausend Landschafts- und Stadtmalerei zusammen und zelebriert mit „The 80s. Anything Goes“ den wichtigsten Umbruch der Kunst in den vergangenen  50 Jahren. Die Albertina hat die Möglichkeit, dem Publikum aus ihren eigenen Beständen wunderbare Kunst zu zeigen“, so Direktor Klaus Albrecht Schröder.

„Ich möchte unseren Museumsbetrieb damit ein Stück unabhängig von den derzeitigen wechselnden Krisenszenarien machen. Die jahrelange Arbeit macht sich hier bezahlt, denn das Haus kann auch dann mit Kunst begeistern, wenn es unvorhergesehene Reiserestriktionen, Grenzschließungen und logistische Herausforderungen gibt.

Die erste Personale ist ab 30. April Xenia Hausner gewidmet. „Xenia Hausner ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen des Landes. Nun, zu ihrem 70. Geburtstag zeigen wir eine eindrucksvolle, starke Personale dieser wunderbaren Malerin“, so Klaus Albrecht Schröder. In „True Lies“, kuratiert von Elsy Lahner, legt die Albertina den Schwerpunkt der Schau auf den Aspekt der Inszenierung, der die Werke von Xenia Hausner schon seit ihrer Zeit als Bühnenbildnerin auszeichnet. Die Ausstellung ist retrospektiv angelegt, beginnend mit den ersten frühen Arbeiten aus den 1990er-Jahren bis zu Hausners jüngster, bewegender „Exiles“-Serie, die von einer beklemmenden Aktualität ist.

Michela Ghisetti: Afua/Der Weg (Triptychon/Zweiter Teil), 2012. Albertina, Wien © Michela Ghisetti

Amedeo Modigliani: Liegender Frauenakt auf weißem Kissen, ca. 1917. Staatsgalerie Stuttgart. © bpk, Staatsgalerie Stuttgart

Ab 14. Oktober zeigt die Albertina als erstes Museum in Österreich Michela Ghisetti in einer umfassenden Mid-Career-Retrospektive, die von Antonia Hoerschelmann kuratiert wurde. Das Werk der 1966 im italienischen Bergamo geborenen und seit 1992 in Wien lebenden Künstlerin bewegt sich zwischen den Polen von Abstraktion und Hyperrealismus. Biografisch-emotionale verschwimmen mit philosophisch-kunsttheoretischen Elementen und einer Strenge, die in Humor übergeht.

Anlässlich seines 100. Todestages würdigt die Albertina ab 17. September den italienischen Maler und Bildhauer Amedeo Modigliani mit einer großen Retrospektive, die in mehrfacher Weise eine Premiere darstellt. Die von Marc Restellini zusammengestellte Ausstellung bringt Modigliani zum ersten Mal nach Österreich. Gezeigt werden seine berühmten Akte und außergewöhnlichen Porträts sowie einige seiner wenigen erhaltenen Skulpturen. Weiters zeigt Kurator Restellini, der auch Autor des Oeuvre-Katalogs Modiglianis und jahrzehntelanger Modigliani-Forscher ist, den großen Künstler erstmals als einen der führenden Avantgardisten, der die Revolution des Primitivismus bis weit ins 20. Jahrhundert hinein trug: als Gegenspieler von Picasso.

Überfluss an Stilen und Storys: David Salle: Room with blue statue, 1986. Alberina, Wien – The Essl Collection

In der Albertina modern führt ab 10.Oktober die große Herbstausstellung The 80s. Anything Goes vor Augen, wie Kunstschaffende in den 1980er-Jahren die Kunst neu definieren. Die 1980er sind eine Zeit visuellen Überflusses, individueller Stile und unendlicher Geschichten. Es ist eine Kunst, die überwältigen will. Der Verlust der Unmittelbarkeit durch eine sich zunehmend virtualisierende Welt, spiegelt sich in der Kunst von Sherrie Levine oder Cindy Sherman deutlich wider. Die zentralen Namen des Jahrzehnts – Jeff Koons, Jean-Michel Basquiat, Keith Haring und Julian Schnabel – finden sich neben noch zu entdeckenden wie Jack Goldstein, Isolde Joham und Julia Wachtel.

Die Fotoausstellungen

Zu sehen sind auch drei Fotoausstellungen. Den Beginn macht ab 12. Februar Faces in der Albertina: Aufgezeigt wird hier der richtungsweisende Wandel, den die Porträtfotografie im Deutschland der Zwischenkriegszeit erfuhr. In den 1920er- und 30er-Jahren wird das Verständnis des klassischen Porträts erneuert: Aufnahmen dienen nicht mehr der Darstellung der Persönlichkeit eines Menschen, sondern fassen das Gesicht als inszenierbares Material auf, als Spiegel des Standes und der politischen Haltung … mehr: www.mottingers-meinung.at/?p=43548

Intime Aufnahmen von Ehefrau Yoko: Nobuyoshi Araki: Sentimental Journey, 1971. © Nobuyoshi Araki

Faces: Max Burchartz: Lotte (Auge), 1928. Museum Folkwang, Essen © Bildrecht, Wien 2020

Araki, zu sehen ab 28. Mai in der Albertina modern widmet sich einem der beeindruckendsten zeitgenössischen Fotografen Japans, Nobuyoshi Araki. Chefkurator Walter Moser stellt Arakis grandiose und einflussreiche Serie „Sentimental Journey“, entstanden von 1971 bis 2017bins Zentrum der Ausstellung: In dem langjährigen Projekt erhebt er mittels schnappschussartiger und unverblümter Fotos seiner Frau Yoko das eigene Leben zum Thema. Vergleichbar mit einem Tagebuch zeigen die intimen Bilder die Flitterwochen, das Zusammenleben des Paares und den frühen Tod Yokos. Sämtliche Werke stammen aus der Stiftung Jablonka, die der Sammler vergangenes Jahr der Albertina übergeben hat.

Joel Sternfeld: Staatlicher Campingplatz im Red Rock Park, Gallup, New Mexico, September, 1982. Alberina, Wien – Dauerleihgabe Öster. Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft © Courtesy of the artist and Buchmann Galerie, Berlin 2019

Ab 16. Juni lädt American Photography zu einem kritischen Blick auf den „American Dream“ ein. Eindrückliche Porträts halten der Gesellschaft auf humorvolle wie kritische Weise einen Spiegel vor. Raffinierte Farbaufnahmen der Konsumkultur wechseln sich mit dynamisch aus der Hüfte geschossenen Street-Fotos der Metropolen ab. Diese Ausstellung ist mit mehr als 200 der bedeutendsten amerikanischen Fotografinnen und Fotografen von Lisette Model, William Eggleston über Diane Arbus bis zu Lewis

Baltz und Gregory Crewdson die größte Fotoausstellung in der Geschichte der Albertina. Die wichtigen Bestände amerikanischer Fotografie des Hauses werden um zentrale Hauptwerke aus einer der bedeutendsten Privatsammlungen der Welt ergänzt, jener von Trevor Traina, der auch als Botschafter in Wien gewirkt hat.

Das diesjährige Albertina-Programm bietet also trotz der Umstände spannende Highlights. Der künftige Qualitätserhalt heimischer Kultur sei aber auch von mehr Planungssicherheit abhängig, so Schröder: „Was wir brauchen, ist mehr Klarheit und Antworten auf mögliche Szenarien. Im Wochenrhythmus wechselnde Strategien der Gesundheitsbehörden verunsichern unser Publikum. Mir ist es wichtig, dass die Menschen keine Angst davor haben müssen, Kultureinrichtungen zu besuchen. Ich befürchte, die Strategie eines ‚Freitestens‘ für den Kulturbetrieb wird viele Menschen davon abhalten, Kulturveranstaltungen zu besuchen. Ich bin froh, dass das Tragen einer FFP2-Maske für die Museen als sicher erachtet wurde. Letztlich wäre dies mit limitierten Besucherkontingenten aber auch eine Lösung für andere Kulturbereiche“, so Schröder.

Video: www.youtube.com/watch?v=IM0OGOxpyVQ          www.albertina.at

26. 1. 2021