Museum der Moderne Salzburg: Fly Me to the Moon
Juli 15, 2019 in Ausstellung
VON MICHAELA MOTTINGER
Die Schau zu 50 Jahre Mondlandung

Vladimir Dubossarsky & Alexander Vinogradov: Cosmonaut No. 1, 2006. Courtesy Vladimir Dobrovolski
Mit einer großen Ausstellung begeht das Museum der Moderne Salzburg das Fünfzig-Jahr-Jubiläum der ersten Mondlandung, die wie kaum ein Ereignis davor und danach das Verhältnis zwischen den Menschen und dem Weltall veränderte. Ein fantastischer Streifzug durch die Geschichte der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Mond erwartet Besucherinnen und Besucher in der Schau „Fly Me to the Moon. 50 Jahre Mondlandung“, die ab 20. Juli zu sehen ist.
Im Mittelpunkt der als Parcours konzipierten Ausstellung steht die titelgebende erste Mondlandung von Neil Armstrong und Buzz Aldrin vor 50 Jahren. Umrahmt wird sie von Einblicken in die Wissenschafts- und Kunstgeschichte sowie von einer Betrachtung der Folgen und Auswirkungen dieses weltbewegenden Ereignisses.
Die etwa 280 präsentierten Exponate – von Kupferstichen über Gemälde bis hin zu Fotografie, Videokunst und multimedialen Installationen – zeugen von den unterschiedlichen Bedeutungsebenen, die der Mond in wissenschaftlicher, künstlerischer, philosophischer und utopischer Hinsicht besitzt. Der Schwerpunkt liegt auf Kunstwerken des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. Eine Vielzahl der gezeigten Werke stammt aus der hochkarätigen Sammlung des Kooperationspartners Kunsthaus Zürich, ergänzt durch weitere Leihgaben sowie Arbeiten aus der Sammlung des Museum der Moderne Salzburg.
„Seit Jahrtausenden übt der Mond eine enorme Faszination auf die Menschen aus, und mit dieser Ausstellung nehmen wir das Jubiläum der Mondlandung zum Anlass, um den Mond und die Reise dorthin als Thema und Herausforderung für die Kunst näher zu betrachten. Der erstmalige Blick von außen auf den Erdball hat ein neues Bewusstsein für die Fragilität unserer Existenz geweckt und der Blaue Planet selbst wurde zum Sinnbild des Lebens und seiner Verletzlichkeit, was sich auch nachhaltig in künstlerischen Auseinandersetzungen niederschlug“, so Thorsten Sadowsky, Direktor des MdM Salzburg.
Der erste Teil der Ausstellung und somit der Beginn des Rundgangs thematisiert die historische Bedeutung des Mondes, von Galileo Galilei bis hin zur klassischen Moderne. Zu sehen sind in diesem Abschnitt Arbeiten aus jener Zeit, in der das tatsächliche Betreten der Mondoberfläche für die Menschen noch ein fantastischer Traum war. Nichtsdestotrotz gelang es durch technische Errungenschaften, wie etwa durch das Teleskop, detaillierte Beobachtungen des Erdtrabanten anzustellen, wovon zahlreiche künstlerische Werke zeugen. Dem epochalen Ereignis am 20. Juli 1969 und den vorausgegangenen politischen und technischen Entwicklungen ist der zweite Teil der Ausstellung gewidmet. Als am 4. Oktober 1957 die Sowjetunion das erste künstliche Objekt – den Satelliten Sputnik – erfolgreich in die Erdumlaufbahn brachte, löste das im Westen den sogenannten „Sputnikschock“ aus und läutete zugleich das space race zwischen den USA und der Sowjetunion ein.

Hans Baluschek: Illustrationen Gerdt Bernhard von Bassewitz, Verlagsanstalt Hermann Klemm, Berlin-Grunewald: Peterchens Mondfahrt, 1928. Dt. Märchenbücherei Inv.-Nr.:A 82-031 Bröhan-Museum, Berlin. Bild: Bildarchiv Bröhan-Museum, Berlin

Robert Rauschenberg: Ape, 1969. Aus der Stoned Moon Series 3. Galerie Ziegler, Zürich © Robert Rauschenberg Foundation / VG BildKunst, Bonn / Bildrecht, Wien, 2019, Bild: © 1969 Robert Rauschenberg and Gemini G.E.L.

Yinka Shonibare CBE: Spacewalk, 2002. Stephen Friedman Gallery, London © Bildrecht, Wien, 2019

Nuotama Frances Bodomo: Afronauts, 2014. Filmstill. Courtesy die Künstlerin
Begleitet wurde dies durch eine Vielzahl von Propagandaaktionen beider Systeme, die auch künstlerisch ihren Widerhall fanden und in „Fly Me to the Moon“ betrachtet werden. Mit den Folgen der Mondlandung beschäftigt sich der dritte und letzte Teil der Ausstellung. Dieser nimmt die männlich besetzte Rolle des Weltraumfahrers näher unter die Lupe und stellt unter dem Stichwort der „Afronauten“ die geografische Vielfalt von Mond- und Weltraumprogrammen in den Mittelpunkt. Zu sehen sind unter anderem Werke von Coop Himmelb(l)au, Max Ernst, Ernst Ludwig Kirchner, Kiki Kogelnik, Fritz Lang, René Magritte, Edvard Munch, Pipilotti Rist, Niki de Saint Phalle, Andrei Sokolov und Andy Warhol.
15. 7. 2019
Horst Dieter Sihler – moon landing (Gedicht und Text) – erschienen vor 50 Jahren in der KTZ (Kärntner Tageszeitung) – siehe Film von Chris Haderer in OKTO am Dienstag den 16.juli – 20.05 (im Kabel bei Magenta und A1) und nachzulesen im Buch MEIN KINO DES 20.JAHRHUNDERTS (H.D.Sihler, Wieser-Verlag)
moon landing
nicht unten
und nicht oben
einfach da draußen
gleißend
in der tiefsten schwärze des alls
und schwerelos
wie der mensch im mutterschiff
auf seinem langen weg
zum mond
houston: tranquility base here
the eagle has landed
leichtfüßig
der erste fußabdruck
des menschen
auf einem fremden himmelskörper
am horizont
des kalten trabanten
kraterübersät und steinig
geht langsam die erde auf
in ihrer ganzen blauweißgrünen pracht
größer als der mond zuhause
cinema veritè par excellence
kein kino diesmal
one small step for a man
one giant leap for mankind
wer denkt da noch an vietnam
der erste blick des menschen
auf seinen heimatplaneten
aus astronomischer entfernung
ist entlarvend schön
so werden uns die aliens einst sehen
wenn es die erde dann noch gibt
und die bewohner
sie nicht selbst
vernichtet
haben
(nach dem NASA-Dokumentar-Farbfilm
Footprints on the Moon – USA 1969)
Moon landing
Warum habe ich dieses Film-Gedicht geschrieben, schreiben müssen, wenn auch erst fast vierzig Jahre danach…?
Ich wurde gewisse Bilder einfach nicht mehr los und versuchte, sie durch ein Gedicht loszuwerden, aber es ging nicht, sie kehrten nur zu mir zurück, stärker als zuvor. Und die Frage ihrer emotionalen Bedeutung damals und ihrer Bedeutung heute ist – zumindest für mich – noch immer nicht geklärt. Ich hatte Angst, die Bilder durch ihre Beschwörung zu zerstören, aber diese Angst erwies sich als unbegründet.
Ein anderes Gedicht, das ich „evolution“ nannte, beginnt mit den Worten:
der anfang ist gemacht
der erste atomare pilz
ist kaum verglüht
schon greift man zu den sternen
die halbwertzeit des menschen
ist noch unbekannt
und niemand weiß
ob das nur zufall war…
eine erste Stufe auf der Treppe der Evolution, die wohin führen wird?
Es begann in jener Nacht im Juli 1969, als ich bis nachts um vier vor dem Fernseher ausharrte, zusammen mit der halben Welt, um Neil Armstrong auf dem Mond herumhüpfen zu sehen. Der Ausgangspunkt waren graue Fernsehbilder, grau und grobkörnig und verschwommen. Die Übertragung der Signale durch die Bodenstationen auf der Erde brachten erhebliche Qualitätseinbußen mit sich. Später wurden sie dann durch strahlende Farbbilder im Kino abgelöst: der erste Blick eines Menschen aus dem Weltall auf das Raumschiff Erde und seinem Satelliten, den Mond.
Die Technik noch mangelhaft, der Eindruck gewaltig. Als Filmfan suchte ich schon damals die neuen Bilder, die die neuen Techniken mit sich brachten.
Stanley Kubrick dachte so ähnlich und praktizierte es auch. „2001: A Space Odyssey“ lief zur selben Zeit in den Kinos. Wir erlebten zum ersten Mal das Sterben eines Computers, sahen zu, wie ihm das Gedächtnis rausgeschraubt wurde, weil die „böse“ Intelligenz anfing, die Crew zu vernichten, den „menschlichen Störfaktor“ in ihrer Planerfüllung. Wie gewaltig dieser HAL noch war, wieviel Platz er beanspruchte? Auch ein Kubrick konnte sich damals noch nicht vorstellen, daß es die Nanotechnik geben könnte, Mikrochips, oder so etwas wie den Laptop, auf dem ich diesen Text hier schreibe. Oder zumindest nicht so bald.
Das Verhältnis von Science-Fiction-Autoren zur Zeit ist immer auf eine merkwürdige Art gestört. Utopische Filme, die in unserer Gegenwart spielen sollen, wirken heute auf seltsame Weise rührend antiquiert. Die Zukunft bleibt undurchschaubar, ein Geheimnis.
Ich sehe aber auch Kubricks Star-Child vor mir, den wiedergeborenen Menschen, der in seiner Embryo-Blase mit großen Augen im Weltraum schwebt, am Neubeginn von Raum und Zeit. Hier beginnen sich die Visionen des Künstlers mit dem zu decken, was die Bilder der Mondfähre versprachen.
Ich weiß nicht, ob ich Kubricks Bilder vor der Mondlandung gesehen habe. Sie traten schnell in den Hintergrund, als nur wenige Monate nach der Mondlandung der NASA-Dokumentarfilm „Footprints on the Moon – Apollo 11“ (Die Landung auf dem Mond) bei uns anlief. Das waren keine grauen TV-Bilder mehr, sondern klare Farbbilder aus einer Filmkamera, aufgenommen von der Mondfähre.
Notizen in meinem Filmtagebuch, Dezember 1969 (veröffentlicht in der „Kärntner Tageszeitung“):
„Später, in 20.ooo km Entfernung, hängt die Erde dann groß und majestätisch im Raum und sie ist tatsächlich so, wie sie die SF-Illustratoren immer gezeichnet haben: braun und grün die Kontinente, weiß die Wolken und blau die Ozeane“.
(Mit zwei Klicks schalte ich jetzt Google-Earth ein, stoppe den Globus auf 2o.ooo km Sichthöhe und vergleiche. Ja, das Bild ist ähnlich, aber wirkt künstlicher, virtuell gesäubert. Unser Planet ist wolkenfrei und ohne Atmosphäre, dafür sieht man den Atlantikgraben in seiner vollen Länge.)
„Plötzlich ist der Mond da, klar und ruhig zieht er vorbei, nicht unten und nicht oben, sondern einfach draußen, einmal links unten, einmal rechts oben sich aus dem Bild drehend, je nachdem, welche Schwenkung das Raumschiff vollzieht. Die ganze Landephase bis zum Aufsetzen wird in einer einzigen Einstellung gezeigt, ebenso der umgekehrte Vorgang beim Start. Diese Bilder sind überwältigend. Etwas Elementar-Neues: das erste optisch-räumliche Erlebnis des Weltalls, die erste sinnlich-visuelle Erfahrung eines fremden Himmelskörpers und außerirdischer Geschwindigkeiten.
Die faszinierendsten Einstellungen aber sind jene langen aus dem Mutterschiff, das den Mond umkreist, während sich von unten, aus dieser wahrlich utopisch anmutenden Mondlandschaft riesiger grünlicher Krater, ein leuchtendes Pünktchen nähert, größer wird, sich als aufsteigendes Mondlandefahrzeug entpuppt, präzise Korrekturbewegungen vollzieht und schließlich ankoppelt: die Mondbesucher sind an Bord zurückgekehrt! Das alles vor der grandiosen Kulisse der in der Tiefe vorbeirollenden Mondkugel, hinter deren Horizont langsam die Erde aufgeht“.
Das übertrifft Kubrick bei weitem. Menschliches, ästhetisches Wollen bleibt hier gänzlich ausgeschaltet.
Vor kurzem hatte ich einen seltsamen Traum: Ich sah auf eine apokalyptische Welt nach der Katastrophe, übersät von Industriemüll und Ruinen… am Ende schwebte ich über einem zerstörten Autobahnkreuz und mußte zusehen, wie an einem kaputten Zubringer Lastwagen voll mit alten Filmen in die Tiefe gestoßen wurden. Das schockierte mich fast mehr als die Bücherverbrennungen der Nazis… und ich wachte auf. (Ich werde ein Gedicht darüber schreiben müssen…!)
Hängt das damit zusammen, daß Presse und Fernsehen seit Wochen voll sind mit Reflexionen aller Art über das Jahr 1968, vierzig Jahre danach? Hier tauchte neues, nie vorher gesehenes Bildmaterial auf, während anderswo altes verschwindet…
1968 und die Folgen! War die Mondlandung auch eine Folge davon? Nein, dazu mußte sie zu lange vorbereitet werden und zu oft mißglückte sie. Aber sie war eine Seite davon. Die Seite, die an den technischen Fortschritt glaubte und die Folgen nicht bedachte.
Die andere Seite war dieses unerwartete, verblüffende Erweckungserlebnis der Weltjugend zwischen San Franzisko und Tokyo, oder – auf Europa bezogen – zwischen Paris und Prag, an deren Folgen sie auch nicht dachte.
Fehlentwicklungen im kalten Krieg waren hier wie dort die Voraussetzung, wie zum Beispiel der Vietnamkrieg, den der Westen angezettelt hatte und einer der Auslöser für die Freiheitsbestrebungen der Jugend war, ob in Ost oder West. Che Guevara wurde eine Ikone dafür, Neil Armstrongs gerippter Fußabdruck im Mondstaub eine andere.
Aber damals wie heute stürzte man sich lieber auf die radikalen Randerscheinungen, den Terror von einst und jetzt, und läßt alle Formen des gewaltlosen Widerstands gegen überaltete Strukturen, die die Welt vor 68 dominierten, außer acht. Heute überwiegen nur zwei Formen der Reflexionen über 68: die nostalgische Verklärung oder die üble Nachrede.
So gesehen war die Mondlandung die ideale Ablenkung von dem, was Amerika gerade in Vietnam anrichtete. Aber Vietnam konnte es nicht mehr erobern, den Mond schon und das Weltall dahinter. So wurde aus der horse opera des Westerns im Handumdrehen eine space opera, bzw. erst der Prolog zum ersten Akt der Eroberung des Universums. Heute , 40 Jahre danach, versucht man diesen ersten Akt anzugehen, mit der Ankündigung, auf dem Mars landen zu wollen, 2o3o etwa. Daß es viel vernünftiger wäre, – und auch viel billiger, dafür die Entwicklung der Robotertechnik voranzutreiben, und den Menschen als in jeder Hinsicht verwundbarere und teurere Facht vorerst auszuklammern, wird beiseite geschoben.
Die Mondlandung gehörte damals zum gewaltlosen Widerstand gegen alle reaktionären, technikfeindlichen Bestrebungen. Sie war die Revolution des Establishments. Und auch sie mußte schief gehen. Die letzte Mondlandung fand 1972, nur drei Jahre nach der ersten statt. Dann wurden die bemannten Mondflüge eingestellt. Der Zeitfaktor ist auch für Wissenschaftler eine Größe, die sie nicht exakt einschätzen können.
Aber die Bilder verfolgen mich noch heute. Meine Suche nach „Footprints…“, dem ersten Mondlandungsfilm der NASA, blieb erfolglos. Schon überlegte ich, mich direkt an die Quelle zu wenden, da kam eine erschütternde Meldung: die NASA wollte endlich die Originalbänder mittels modernster Technik qualitativ aufbereiten, aber sie waren unauffindbar. Jemand hatte gewaltig geschlampt! Aber die NASA sah keine Verfehlung von ihrer Seite. Die Archivierung der Bänder hätte während der Apollo-Ära einfach „niedrigere Priorität“ gehabt, so ihre Presseaussendung. Daß die NASA über kein sicheres Archiv verfügt: diese Idee wäre mir nie in den Sinn gekommen.
Also suche ich weiter nach den Bildern, die einen Quantensprung für unser Sehen, Fühlen und Denken bedeuteten. Es gibt unzählige Filme mit Kompilationsmaterial, wie der Bilderramsch auf Youtube und im Internet, hektisch und lieblos geschnittene Filme. Grandiose Schnipsel sozusagen, zerschnittene Bilder. Und ich habe nur zwei mit hohem künstlerischem Wert gefunden. Aber das ist lange her.
Amos Vogel erwähnt in seinem Kultbuch „Film as a Subversive Art“, (London 1974) den Film „Moonwalk N0. 1“ (USA 1971) als den „wohl einzigen Film, der die philosophischen und poetischen Dimensionen eines Ereignisses anzutippen vermag, das stereotyp als reiner Triumph der Technologie dargestellt wurde“. Und 1978 sah ich beim Science-Fiction-Filmfestival in Triest den Film „Spaceborn“ von der Berkeley-Universität. Eine berauschend schöne Montage von Weltraumbildern, die eindringlich bewies, daß alle SF-Filme bisher bestenfalls nur eine winzige Ahnung von außerirdischen Perspektiven vermittelten. Was abstrakte Begriffe wie Schwerelosigkeit oder die Unendlichkeit von Raum und Zeit sinnlich bedeuten, konnten bisher nur einige Astronauten konkret erfahren. Auf grund ihrer Filmaufnahmen konnten wir es nun nachvollziehen. Dies hatte allerding wenig mit SF zu tun, eher mit dem alten und immer noch wunderbaren und hier mehr denn je phantastischen Medium Film. „Spaceborn“ demonstrierte – wieder einmal – den Sieg des Dokumentarischen über die Fiktion.
Horst Dieter Sihler
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