Verliebt in meine Frau

November 19, 2018 in Film

VON MICHAELA MOTTINGER

Erotische Tagträume beim Abendessen

Die Kontrahenten beim ersten Kennenlernen: Daniel Auteuil, Sandrine Kiberlain, Adriana Ugarte und Gérard Depardieu. Bild: © Christine Tamalet

Dem deutschsprachigen Feuilleton hat diese Filmkomödie größtenteils nicht gefallen. Die Urteile sind vernichtend, im höflichsten Fall steht geschrieben, dass das Lustspiel „nur Kopfschütteln hinterlässt“, die gemeinste Kritik nennt es „ekelerregend“. Mag sein, dass diese Bekundungen mit der Sprachbarriere zu begründen sind. Sieht man „Verliebt in meine Frau/Amoureux de ma femme“ nämlich im französischen Original, amüsiert man sich prächtig.

Ab Freitag ist das in den Kinos zu prüfen, und auch in wessen Arme seine Gedankenreise den Antihelden eines desaströsen Abendessens schließlich führen wird. Ein Tipp: Der Filmtitel weist in die richtige Richtung.

Daniel Auteuil, Charakterdarsteller mit immer wieder Freude am Fröhlichen, hat bei „Verliebt in meine Frau“ die Regie übernommen, und sich selbst als einen der vier Protagonisten besetzt. Von Florian Zeller ist das Drehbuch, der Dramatiker hat dafür sein Theaterstück „L’envers du décor/Die Kehrseite der Medaille“ adaptiert. 2016 war dieses in einer Inszenierung von Alexandra Liedtke mit Sona MacDonald und Michael Dangl an den Kammerspielen der Josefstadt zu sehen. Der Inhalt: Daniel – Auteuil – lädt, als er auf der Straße zufällig seinen Freund Patrick trifft, diesen leichtfertig zum Diner ein. Samt Begleitung, und damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf, denn Patrick hat eine „Neue“, Emma, während seine Ex die Busenfreundin von Daniels Frau Isabelle ist.

Auteuil hat sich hochkarätige Unterstützung geholt. Sandrine Kiberlain spielt die Isabelle, Adriana Ugarte die Emma, und der großartige Gérard Depardieu in erster Linie sich selbst, den Feinschmecker, Weinkenner, Frauenliebhaber – den gutgelaunten, aufgeräumten Patrick. Emma, das sieht das Publikum, entpuppt sich als blutjunge, aparte, supersympathische Schönheit. Der Witz des Ganzen entsteht nun, weil jede Figur auf diese Frau seine eigenen Vorstellungen projiziert. Wunderbar, wie Isabelle beim ersten Anblick das Gesicht gefriert, wie sie, weil Emma und Patrick erst nicht sagen wollen, wo sie einander kennengelernt haben, Fantasien von ihr als Prostituierten in einer Bar hat.

Schlimmer noch trifft es Daniel, der sich vor seinen erotischen Tagträumen nicht retten kann. Während am Tisch Smalltalk über Spargel stattfindet, sieht er sich in poetischen Bildern mit Emma in Venedig, am Pool, beim Familienfest, weinend, während sie „Onkel Wanja“ spielt, tatsächlich steckt ganz viel Tschechow in der Szenerie, und am Ende und wegen dieser „Altherrenalbernheit“ der große Aufschrei der Rezensenten – sie sich nackt ausziehen. Ein Augenblick nur, bevor ihn sein Gestammel wieder in die Gegenwart des Esszimmers zurückholt, und Auteil gestaltet ihn anrührend und liebenswert, zwar vom Neid zerfressen, doch ist sein Daniel wahrlich alles andere als der ihm unterstellte triebgesteuerte Macho. Eher ein tragikomisches Opfer seiner Begierden.

Sandrine Kiberlain und Daniel Auteuil. Bild: © Christine Tamalet

Gérard Depardieu und Adriana Ugarte. Bild: © Christine Tamalet

Tatsächlich werden in „Verliebt in meine Frau“ alle Seiten verlacht. Die Männer für ihre Selbstverliebtheiten – Daniel hält sich für den „König der Verhandlungen“, wird aber bei jedem Ehekonflikt von seiner Frau an die Wand argumentiert – und ihre falschen Annahmen über das Wesen der Frau – Depardieu ist als Patrick wie ein selbstzufrieden schnurrender Kater, der in Emma glaubt einen Jungbrunnen gefunden zu haben -, Isabelle wegen ihrer Vorurteile und dem Konkurrenzdenken gegenüber dem eigenen Geschlecht. Florian Zeller verteilt sein ironisches Augenzwinkern gerecht unter seinen Midlife-Crislern, die einzige Unschuld ist Emma.

Noch dazu nimmt er das streng geschützte (Non-)Kommunikationssystem des Bildungsbürgertums aufs Korn, in dem aus Konvention kaum jemand je ausspricht, was er denkt, weshalb es eben zu Irrungen und Wirrungen kommen muss. Die Gastgeber tappen diesbezüglich in jedes Fettnäppchen, und wenn Depardieu mit Blick auf den nächsten Sommer das Dessert mit den Worten „Ich muss auf mein Gewicht achten, der Strand ist erbarmungslos“ ablehnt, dann sage einer, das sei nicht von der Art charmanter Koketterie, wie’s nur die Franzosen können.

Dass es in der zugegeben konventionell erzählten Story an Spannung nicht fehlt, liegt an Regisseur Auteils Kunstkniff, die Erzählebenen mehr und mehr ineinander greifen zu lassen. Immer raffinierter und undurchschaubarer wird, was real und was irreal ist, die Handlung springt zwischen Szenen und Zeiten, so dass man bald nicht mehr weiß, was passiert ist, passieren wird oder sich niemals ereignet. Am Schluss wird sich herausstellen, wer hier wen den ganzen Abend über manipuliert hat. Kein wirklich überraschendes Ende, aber ein beziehungstechnisch betrachtet wunderschönes.

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  1. 11. 2018