Herz & Hirn II: Gunkl & Walter im Gespräch
November 11, 2018 in Bühne
VON MICHAELA MOTTINGER
Mit dem Publikum wie im Wohnzimmer sitzen

Gunkl & Walter. Bild: Robert Peres
Gunkl & Walter sind mit ihrem neuen Programm unterwegs. Das heißt „Herz & Hirn II“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=30094) und handelt von Ziegengöttern, dem Langzeitgedächtnis von Fliegen – und ist ein einziges Verplaudern. Ein Gespräch über eigentlich eh alles:
MM: Mit Ihrem Programm „Herz & Hirn II“ wollen Sie vom Publikum neben aktivem Zuhören auch aktives Mitreden. Ist das schon einmal passiert?
Gunkl: Jaja. Immer wieder stellen Leute Fragen, die wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten zu beantworten. Das ist ja Teil zwei unseres Programms, und schon bei Teil eins war es so, Mitreden ist also sozusagen Programm. Ich habe den Eindruck, die Menschen sind froh, mitreden zu können, und das tun sie in einem sehr angenehmen Rahmen. Wir bemühen uns, bei aller Klarheit, die wir zu gewissen Dingen haben, nett zu sein, den Abend nett zu gestalten, und die Menschen genießen das auch, dass wir ein Gärtchen bereitstellen, an dem es möglich ist, sich zu beteiligen. Das ist ein Unterschied zum Rausblöken all dessen, was einem am Oarsch geht, Hass und Galle unters Volk zu bringen, dieses sich Einbringen.
Gerhard Walter: Was ich immer wieder höre, ist, dass die Leute das Gefühl haben, sie würden mit uns im Wohnzimmer sitzen. Das ist schön, wenn wir das vermitteln. Es ist ja für uns auch interessant, dass durch die Beteiligung des Publikums der Abend auch für uns immer wieder neu ist. Wir wissen nie, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt. Natürlich gibt es im Hintergrund ein Ding, das man in der geistigen Lade hat, aber das ist nicht zwingend. Einmal ist vom vorbereiteten ersten Teil vor der Pause nichts übriggeblieben …
Gunkl: Da war der Abend freie Gestaltung.
MM: Sie geben auch gleich zu Beginn das Verplaudern als wesentlichen Bestandteil Ihrer Doppelconférence vor. Wie kommen Sie auf Themen, wo schränken Sie ein, und wie rot ist der Faden tatsächlich?
Gunkl: Wir treffen uns im Kaffeehaus und plaudern, und dann sind wir, was die Gespräche so angenehm macht, sehr schnell auf einer Ebene, von der aus wir die Grundlagen betrachten, nicht die Ereignisse selbst. So kann man weiter ausholen und tiefer gehen.
Walter: Obwohl uns einiges trennt, nämlich die Art der Wahrnehmung von Dingen in der Wirklichkeit, sind wir einander in dem, was wir wahrnehmen, ähnlich. Die Tankstellen-Plüschkängurus, über die wir scherzen, die fallen uns beiden auf. Oder das unfreiwillige Mitnehmen einer Fliege im Auto.
MM: Das habe ich mich – mit schlechtem Gewissen – auch schon gefragt: Was denkt sich eine Fliege, wenn sie unfreiwillig mitgenommen wird, und plötzlich in Melk landet? Wartet dann die Fliegenmama daheim umsonst mit den Knödeln?
Gunkl: Diese Anteilnahme des Publikums ist wirklich erfreulich. Uns sind aber auch schon einige Dinge, die wir im Programm hatten, abmontiert worden. Zum Beispiel der altsumerische Ziegengott, auf den man trifft, wenn er die Himmelstür öffnet. Sagt einer aus dem Publikum in Tulln: „Die Sumerer hatten keine Jenseitsvorstellung.“ Das ist gut! Jetzt ist er halt ein altphrygischer Ziegengott. Und mit der Fliege: Unlängst in der Kulisse kam eine junge Dame auf uns zu und meinte, es sei so, dass Fliegen ein Gedächtnis von einer Sekunde haben. Somit kann ich auch Ihr schlechtes Gewissen beruhigen, die Fliege denkt sich genau nichts. Erstaunlich finde ich, dass bei so vielen unserer Themen, die völlig daneben sind, die Leute sich trotzdem geistig einfädeln.
Walter: Das schafft ein Miteinander, „Herz & Hirn“ ist ein gemeinsames Ding, und wenn wir uns manchmal irren, na, dann lassen wir uns gern verbessern.
MM: Im Gegensatz dazu, dass Kabarett mitunter mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommen kann, indem der Künstler „von oben herab den Deppen unten“ erklärt, was Sache ist. Dieser Falle entgehen Sie.
Gunkl: Natürlich muss man etwas zu sagen haben, wenn man auf eine Bühne geht, ohne dem geht’s nicht. Aber grundsätzlich ist die Idee des Austausches etwas sehr Schönes. Ich mag Kabarett nicht sehen, in dem eine ideendichte Wagenburg aufgebaut wird, ein Sitzkreis mit Schulterklopfen, in den von außen nichts eindringen kann, mit der Aussicht, dass der Abend völlig ergebnisfrei ist, außer, dass man sich noch mehr der Gruppe zuwendet, der man ohnedies schon angehört. Dies in der Annahme, außen ist es ungut, aber innen ist die Welt in Ordnung. Wenn man sich dazu aufschwingt, dass einem Leute zuhören sollen, muss man ihnen sagen, schaut’s euch das an, und nicht a priori vermitteln, es ist eh alles schlecht. Der andere ist eben anders, und er hat auch das Recht, anders zu sein.
Walter: Was genau das ist, was uns verbindet.
MM: Wo sind Sie anders? Beim Sport ist mir aufgefallen.
Walter: Wenn man’s auseinanderteilen möchte, ja, in der Betrachtung. Zum aktiven Sport haben wir beide keine Empirie. Ich bin jemand, der gern zwischen Situationen hin- und herwechselt.
Gunkl: Wo ich mir schon denke: Oida …
MM: Sie der Springer, Sie der Turm?
Walter: Das ist vielleicht ein bisschen zu kantig gedacht, es ist ja kein Kampf von Wattebausch gegen Rechenschieber. Aber prinzipiell stimmt’s.
Gunkl: Gerhard hat diese grundsätzliche Bereitschaft, in Situationen hineinzugehen. Für mich ist das möglich, aber nicht das Ziel. Das ist das Andere. Für mich ist die Situation manchmal halt auch, aber ich suche sie nicht, ich schaue eher, dass ich außen entlangkomme.
Walter: Wir beide ärgern uns wenig über Dinge in unserem persönlichen Umfeld; bei Politik und Gesellschaftlichem ist das im Gegenteil nicht so. Wir sind beide Menschen, die mit anderen ganz gut auskommen, und wenn ich aber den Fernseher aufdrehe und sehe, wie da der eine gegen den anderen ausgespielt wird, denke ich mir, wovon reden die und was genau ist das Problem?

Gunkl & Walter. Bild: Robert Peres
MM: Sie waren zuerst Freunde, bevor Sie gemeinsam auf die Bühne gegangen sind. Wie sind Sie aneinander geraten?
Walter: Ich habe damals begonnen, Kabarett zu spielen, und war Zivildiener bei der Caritas. Dort war auch Toni Matosic von Monti Beton, und den habe ich gefragt, ob er jemanden kennt, mit dem ich reden kann – und er hat mir die Nummer vom Gunkl gegeben.
Gunkl: Wir haben uns dann zu dritt getroffen, und seither sind wir befreundet. Ich kannte Toni noch, aus der Zeit, als ich Kellner im „Roten Engel“ war …
MM: Und wie ist es für Sie, mit einem zweiten auf der Bühne zu agieren?
Gunkl: Das kommt sehr auf den zweiten an. Mit Gerhard Walter ist es wunderbar, weil keiner von uns gegen den anderen gewinnen will. Wir wollen einen guten Abend gewinnen, das ist das Spielziel, und wer mehr Wuchtln bringt oder sie dem anderen wegschnappt, das gibt es nicht.
MM: Ihre 13 Prozent Asperger halten die Nähe aus.
Gunkl: Wenn es in einer Struktur ist, kann ich mit anderen durchaus. Ich muss nicht Leuchtturmwärter sein, ich bin ja beruflich immer mit Menschen zugange, nämlich mit denen, die jenseits der Bühnenkante sitzen, und da gibt es eine Struktur, und da kenne ich die Abläufe und die Zielsetzungen und die Methoden. Und wenn ich mit jemandem auf der Bühne sitze, der das auch so kennt und versteht und in der Lage ist zu praktizieren, dann ist es wunderbar. Wenn ich mit jemandem auf der Bühne wäre, von dem ich von einem Tag auf den anderen nicht weiß, wie er drauf ist, der plötzlich eine Devotierungsnummer oder eine Flagellantenpartie abhält, das wäre für mich sehr unangenehm. Da würde ich mir denken, ich mach’s lieber allein.
Walter: Gunkl ist sogar ein sehr umgänglicher Mensch innerhalb der Struktur, die er sich geschaffen hat. In 18 Jahren Freundschaft kann ich mich da nicht beklagen. Bei ihm hat das Menschliche eine Ordnung, es hat einen Rahmen innerhalb dessen man mit ihm umgehen kann. Bei ihm erkennt man sofort, woran man ist, das ist mir lieber als die Raunzer …
Gunkl: … die darauf hoffen, dass sie sich irgendwann einmal selber glauben.
Walter: Ich denke, man lebt besser miteinander, wenn man nicht so viel raunzt. Es ist aber auch schwieriger, weil „fäuln“ ist leicht.
Gunkl: Man darf sich nie auf den selbstbehaupteten Anspruch moralischer Überlegenheit begeben, quasi sagen, man ist besser als die Welt. Das bringt genau überhaupt nichts, außer einem Gefühl der Rechtschaffenheit, das nirgendswo validiert wird, außer in meinem Gefühl. Also renne ich ständig irgendwo an, wodurch ich mich nur bestärkt fühle in meinem Gefühl, und das führt zu Solipsismus, das granuliert zu kleinen Grüppchen, die alles andere, das nicht sie sind, schlecht finden, und sich dadurch gut behaupten.
MM: Von Ihnen stammt der Satz „Wer ohne Aber denkt, ist gefährlich“. Wo setzen Sie bei sich ein Aber an?
Gunkl: Permanent. Man muss wissen, dass das Aber immer wieder akut werden kann. Man muss nur wissen, was man vor und hinter das Aber stellt. Die Situationen, wo man ohne Aber auskommt, sind ganz selten, da muss man wissen, dass das ein Sonderfall von Erlebnis ist.
Walter: Genau. Das betrifft auch die Geschichte von den Toronto Maple Leafs, die ich erzähle, in der die Fans vor einem Spiel die US-Hymne fertiggesungen haben. Da denke ich mir, so wäre es schön, Beistrich: aber, so ist es nicht. Das ist die Peilung, wo wir hin sollten. Natürlich, wenn dir einer den letzten Parkplatz wegschnappt, ist die Peilung wieder weg.
Gunkl: Dazu ist mir als Tip des Tages eingefallen: Der Klügere muss nicht nachgeben, um sich als der Klügere zu erweisen, aber er darf in der Auseinandersetzung dem Dümmeren nicht die Wahl der Waffen überlassen.
MM: Apropos: Wahl der Waffen, warum gibt es in Österreich kein tagespolitisches Kabarett mehr? In Deutschland gibt es „Die Anstalt“, Urban Priol, Bruno Jonas … Warum interessiert das hierzulande niemanden?
Gunkl: Die Tragweite dessen, was österreichische Staatssekretäre gestern gesagt haben und morgen schon wieder wurscht ist, interessiert mich nicht. Ich finde, wie gesagt, Grundlagen viel interessanter als die Ereignisse.
Walter: Das geht mir auch so. Der Inhalt ist bei politischen Geschichten immer wieder auch austauschbar. Im Moment, das muss ich schon zugeben, hat man den Eindruck, die Weltpolitik rutscht wohin, wo mir meine Verständnisinseln abhandenkommen. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, nur die Art und Weise, wie respektlos das mittlerweile einander mitgeteilt wird, ist mir unverständlich. Aber ich kann mich nicht eine Woche zurückziehen, darüber nachdenken, und dann auf der Bühne etwas erwidern.
MM: Warum?
Walter: Die Zeit gibt es nicht mehr. Es gibt eine Wahnsinnsmeldung nach der anderen, und eine schlechte Meldung wird durch die nächste ersetzt, da kann man nicht in die Tiefe gehen. Ich habe es ab und zu schon probiert, aber es gelingt mir nicht, das in einen feinen, angenehmen, kabarettistischen Kontext zu stellen, ohne, dass mir der Hut durch die Decke schießt. Die Politik ist so neben die Bock, dass es schwer fällt, das zu toppen. Was soll man da noch drüberlegen?
Gunkl: Die Ereignisse sind so wuchtig, dass die Grundlagen überlagert werden. Wenn man erklärt, wie Trump funktioniert, interessiert das keine Sau, weil das, was er gerade gesagt hat, weil er eben so funktioniert, eine Konfettikanone an Komplettscheißdreck ist. Und als solches viel spannender.
Walter: Und Dinge, die so klar auf dem Tisch liegen, die muss man als Künstler nicht kommentieren. Die weiß ohnedies jeder.
MM: Wenn ich Ihnen so zuhöre, habe ich dennoch den Eindruck, Sie sind immer am Materialsammeln.
Gunkl: Sammeln nicht, es hüpft uns an.
Walter: Genau. Was wir in „Herz & Hirn II“ erzählen, ist nur ein Bruchstück dessen, was wir über Monate erarbeitet haben. Eigentlich ist „Herz & Hirn III“ auch schon fertig. Die Schwierigkeit bei Teil zwei war nur zu entscheiden …
Gunkl: … was spielen wir leider nicht.
MM: Gunkl, Sie bekommen am 26. November den Österreichischen Kabarettpreis überreicht. Ist das was?
Gunkl: Ja, Preise sind nichts, was man anstrebt, wenn man auf eine Bühne geht, aber man freut sich, wenn man sie bekommt. Ich habe also keinen „Na endlich!“-Gedanken. Meine liebste Preis-Entgegennahme wäre ja – was aber natürlich nicht passiert ist – der Oscar für Dustin Hoffman als „Rain Man“, wie er die Statue nimmt und sagt: „I would like to thank – nobody“.
MM: Wenn also nicht Preise, was streben Sie an?
Gunkl: Jeden Abend eine gute Vorstellung. Wenn man wirklich das große Glück hat, dass man diesen Beruf hat, dass man das, was man denkt und empfindet, vor Menschen, die einem zwei Stunden lang zuhören und dafür auch noch bezahlen, erzählen kann, wenn man das nicht, mit allem, was man ist und hat, macht, dann hat man den Beruf nicht verdient.
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11. 11. 2018
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