Jüdisches Museum Wien: Kabbalah

Oktober 29, 2018 in Ausstellung

VON MICHAELA MOTTINGER

Nicht mehr nur für Eingeweihte

Anselm Kiefer: Merkaba, 2004. Bild: © Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg, Austria

Die Kabbala stellt eine Säule, einen ständigen Wegbegleiter jüdischer Geschichte, Kultur und Religion dar. Weit über das Judentum hinaus beschäftigten sich Humanisten und Wissenschaftler mit diesem Phänomen der europäischen Kulturgeschichte. Die Ausstellung „Kabbalah“ im Jüdischen Museum Wien betrachtet ab 31. Oktober die Kabbala im weitesten Sinne des Wortes und ihre historischen Entwicklungen im Lauf vieler Jahrhunderte.

Die klassische Kabbala, die frühe jüdische Mystik, die Magie, wie auch ihre modernen Ausprägungen in Kunst und Populärkultur werden vorgestellt. Die Ausstellung folgt dabei etwa den Spuren, die die Kabbala in den unterschiedlichsten Formen moderner Kunst hinterließ: der Malerei, der Bildhauerei, dem Design, der Literatur, dem Film und der Musik. Mit einem erstaunlichen Blick hinter die Kulissen wird dieses Thema, das allgemein als „verborgene Welt“ gilt, erlebbar.

Die Kabbala, heißt: Überlieferung , Übernahme, Weiterleitung, Tradition, umfasst einen Bereich des Judentums, der sich mit seinen esoterischen Ausformungen auseinandersetzt. Seit der Renaissance spielt diese mystische Tradition überlieferter Bräuche und Schriften eine wichtige Rolle in den spirituellen Lehren des Judentums und später des Christentums. Die kabbalistischen Lehren sind ein Teil des jüdischen Erbes in Europa und haben bis heute weltweit Schriftsteller, Künstler, Architekten und Filmemacher entscheidend beeinflusst. Viel ist über die Kabbala geschrieben worden, was bis heute aber fehlte, ist ein profunder Überblick, der von Beginn der kabbalistischen Lehren bis in die Gegenwart führt. Wenn heute das Wort „Kabbala“ verwendet wird, dann haben Menschen davon durchaus sehr verschiedene Vorstellungen. Die einen sehen in ihr die alte mystische Weisheit der Ägypter, die anderen eine der wichtigsten mystischen Richtungen des Abendlandes, manche wiederum verbinden sie mit dem Christentum, vergessen aber dabei vielfach, dass es sich hier um eine ursprünglich jüdische Erscheinung handelt.

Die Kabbala hat sich im Laufe der Jahrhunderte in vielfältige Richtungen entwickelt und eine große Anzahl von Schriften hervorgebracht. Die erste Periode beginnt mit den mystischen Zirkeln in der südfranzösischen Provence und in Spanien, die sich im 12. und 13. Jahrhundert ausgebildet haben. Die günstige geografische Lage und der Seehandel mit Byzanz so wie dem Orient führten zu regem Ideenaustausch innerhalb der einzelnen jüdischen Gemeinden. Nach der Zerstörung der spanisch-jüdischen Gemeinde 1492 wurde im 16. Jahrhundert die kleine Stadt Safed in Obergaliläa zum Zentrum der Kabbala. Die kabbalistischen Lehren entwickelten sich in kleinen Zirkeln weiter und führten zur großen Volksbewegung des Chassidismus im 18. Jahrhundert. Trotz der Vielfalt der unterschiedlichen Kabbalisten, mit ihren manchmal widersprüchlichen Lehren, haben die schillernden Bilder der kabbalistischen Schriften die Welt des traditionellen Judentums bis heute befruchtet.

David Bowie: Album Cover „Station to Station“, 1976. Bild: © Steve Schapiro, Corbis Premium Historical, Getty Images

Michael Berkowitz: “Warrior of God” Protective Amulet Costume 2, New York, 2000. Bild: © Yeshiva University Museum, New York

Neben der traditionellen jüdischen Kabbala entstand in der Renaissance die christliche Kabbala. Die damit einsetzende Übersetzertätigkeit ins Lateinische macht es möglich, dass Elemente und Ideen der Kabbala in zahlreichen Texten von Alchemisten und Magiern in mehr oder weniger entstellter Form zu finden sind. So schöpfen auch moderne esoterische Richtungen aus diesem reichen Fundus und tauchen heute Symbole der Kabbala, wie der Sefirotbaum, oft in Schriften auf, die spirituelle und universale Erneuerungswege aufzeigen wollen. Durch David Bowie, Madonna und andere berühmte Persönlichkeiten, wurde die Kabbala, vor allem aber das „rote Band“, zum Accessoire der Pop-Kultur.

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29. 10. 2017