theaterfink: Auferstehung der hingerichteten Theresia K** oder Das Mordsweib vom Hunglbrunn

August 30, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Theresias Geist macht den Täter dingfest

Am Ufer des Liesingbachs liegt eine Frauenleiche: Matjaz Verdel, Walter Kukla und Sabine Perle. Bild: Joseph Vonblon

Keinen historischen Kriminalfall, sondern einen fiktiven in der Gegenwart handelnden zeigt theaterfink in seiner aktuellen Produktion. Nach dem vorjährigen Streifzug durch die Wiener Rechtsgeschichte mit dem „Abschiedslied der zum Tode verurteilten Theresia K**“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=25243, es gibt neue Termine am 31. 8. sowie am 7. 14. und 21. 9.) spielt die Truppe rund um Prinzipalin Susita Fink und Dramaturgin Karin Sedlak bis

22. September die „Auferstehung der hingerichteten Theresia K** oder Das Mordsweib vom Hunglbrunn“. Gemordet wird diesmal in Atzgersdorf, Wien-Liesing, und das gleich in Serie. Nicht weniger als acht Frauen fallen dem Täter zum Opfer, wie es scheint haben sie sich zu Tode gelacht. Die einzige Auffälligkeit: Ihr Meuchler hat ihnen die Namen berühmter Frauenrechtlerinnen in die Haut geritzt. Den Stoff hat theaterfink anlässlich der Jubiläen 170 Jahre Kampf für Gleichberechtigung und 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich gewählt, und wiewohl das Stationentheater wie stets ein wunderbarer Mix aus Schau- und Puppenspiel ist, dient die Wanderung diesmal auch als Lehrstück in Sachen Emanzipation.

Während also das Publikum dem Akkordeonspiel von Heidelinde Gratzl von Tatort zu Tatort folgt, ermitteln Eva Billisch als Kriminalbeamtin Josefa Seisser und Walter Kukla als Gerichtsmediziner Leopold Breitenecker – dieser, tatsächlich existiert habend, bis 1981 eine Koryphäe auf seinem Gebiet – mit den Spurensicherern Sabine Perle, Susita Fink und Matjaz Verdel. Als Zuschauer ist man schnell einmal mitten drin im Geschehen, wird aufgefordert ein polizeiliches Absperrband zu halten oder wird als vermeintlicher Augenzeuge vernommen, und wird vom Breitenecker gescholten, weil man den Leichenfundort „kontaminiert“.

Eva Billisich mit Amalia Holst. Bild: Joseph Vonblon

Adelheid Popp kämpft für Frauenrechte. Bild: Joseph Vonblon

Wo theaterfink ist, ist Hallo. An vielen Fenstern und auf Balkonen lehnen die Leute und schauen zu, Zaungäste schließen sich dem Tross an, Billisich, Fink und Kukla sind jederzeit in der Lage zu improvisieren, drei glänzende Komödianten, drei Volksschauspieler, und gewohnt, auf Tuchfühlung mit dem Publikum auf dessen Zwischenrufe einzugehen. Bald wird klar, die Ermordeten waren alle frauenbewegt, darunter die Chefredakteurin der feministischen Zeitschrift „Umschläge“, die Leiterin eines Lehrinstituts für Mädchen, denen die Eltern den Schulbesuch verweigern, die Leiterin eines Frauenhauses, eine Ehrenamtliche im Dienst von Alleinerzieherinnen in Not …

An jeder Station wird der jeweiligen Vorkämpferin für Emanzipation gedacht: Von Olympe de Gouges, die während der französischen Revolution eine Frauenrechtsdeklaration veröffentlichte und dafür auf der Guillotine landete, Amalia Holst, die erste deutsche Frau mit Doktortitel, Karoline von Perrin, die Pionierin der österreichischen Frauenbewegung, Adelheid Popp, hierzulande die erste Berufspolitikerin, bis zu Österreichs erster Frauenministerin Johanna Dohnal. Die Streitbaren werden mit Moritaten geehrt, diese das Kernstück der Aufführung, und treten schließlich höchstpersönlich, heißt: als Puppen von Nico Oest, auf.

Noch ein Opfer des Serienmörders: Eva Billisich, Walter Kukla, Sabine Perle. Bild: Joseph Vonblon

Das geht gut, bis in einem Frauenhals der Name der Theresia Kandl eingraviert ist. Das kann der Geist der Resi, dargestellt und getanzt von Karin Sedlak, natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Und so eilt sie Frau Oberst Seisser zu Hilfe … Zwei Stunden dauert der Atzgersdorfer Rundgang, führt vom Kirchenplatz, vorbei an der Kandlkapelle in der Breitenfurter Straße – die Resi war ja eine gebürtige Atzgersdorferin – und entlang des Liesingbachs. Am Ende findet man sich in der „Gerichtsmedizin“ wieder, wo mit einem Schattenspiel der Fall geklärt wird. Die „Auferstehung der hingerichteten Theresia K**“ ist ein weiterer großartiger Abend von theaterfink. Einfach mitgehen und staunen!

Die wegen Gattenmords bei der Spinnerin am Kreuz 1809 als erste Frau gehängte Theresia Kandl soll übrigens heute noch Männer verfolgen, die Frauen Übles wollen. Ihr Skelett ist im Wiener Kriminalmuseum ausgestellt.

www.theaterfink.at/

  1. 8. 2018