Wiener Festwochen: CSSC/DADDA VIENNA EDIT
Juni 13, 2018 in Film
VON MICHAELA MOTTINGER
Kunstblut und schlaffe Penisse

Film Still of CSSC/DADDA VIENNA EDIT. Bild: Edmund Barr. Courtesy of Paul McCarthy and Hauser & Wirth
Dass sein Werk von manchen als verstörend bis widerlich klassifiziert wird, damit treibt Paul McCarthy ganz offensichtlich seinen Spaß. Der US-Künstler, dessen Arbeiten Zeichnungen, Skulpturen, Aktionen und Performances, Performance-Videos, Filme und Installationen umfassen, immer aggressiv (selbst-)zerstörerisch und in der Regel sexuell provokativ, zählt zu den einflussreichsten Kunstschaffenden seiner Generation.
Entsprechend begeistert wurde er von Festwochen-Intendant Tomas Zierhofer-Kin begrüßt, als der Dirty Old Man im Gartenbaukino sein jüngstes Projekt „CSSC/DADDA VIENNA EDIT“ vorstellte. Dirty darf man sagen, denn Dreck ist eines von McCarthys Lieblingsworten, er beschreibt damit, wie er Elemente aus Politik bis Popkultur aus ihrem Kontext reißt und zu einem neuen zusammensetzt.
2019 wird McCarthy bei den Festwochen seine neue Schöpfung uraufführen, deshalb präsentierte er nun eine exklusive Montage dieses Projekts, an dem er mit Sohn Damon schon seit mehreren Jahren arbeitet. „Am Ende wird das Ganze 25 Stunden dauern“, feixt McCarthy. „Sie sehen nun vier von 65 Tagen der Geschichte.“ Worum’s geht? Knappe Antwort: „Alle haben Sex und sind irgendwann tot.“ Naja, nicht alle. Und was den Sex betrifft, bleibt’s bei der französischen Spielart. Geboten werden viel schlaffe Penisse und noch mehr Kunstblut. Das männliche Genital hat im Film nämlich keine gute Zeit. Es wird abgeschnitten, abgeschossen, abgebissen. Zwei Mal wird auch gefaked geschissen.
„CSSC/DADDA VIENNA EDIT“ orientiert sich am fundamentalen Mythos der Vereinigten Staaten, der Erschließung des Wilden Westens, weshalb McCarthy auch den Genreklassiker „Stagecoach“ aus dem Jahr 1939, Regie: John Ford, Hauptdarsteller: John Wayne, als Folie hernimmt. Im gezeigten Teil kommen allerhand klischierte Typen im Poodle House Saloon zusammen, übrigens einem Nachbau aus Rainer Werner Fassbinders melodramatischem Western „Whity“, um sich auf einen psychosexuellen Selbsterfahrungstrip zu begeben. Der Bordellbesitzer ist ganz klar ein Donald-Trump-Lookalike, Nancy Reagan tritt auf, Andy Warhol, der aber mehr wie eine männliche Marilyn Monroe wirkt, Minnie Maus und Heidi, John Wayne selbstverständlich, und zur „Bonanza“-Musik auch die gesamte Familie Cartwright.
So beginnt ein Spiel mit Realitäten und Möglichkeiten, mit dem Un- und dem Unterbewussten, mit Hoch- und Subkultur, Szenen wiederholen sich bis zum Geht-nicht-mehr – und nehmen doch immer denselben Ausgang. McCarthys Kunst seltsam subversiv zu nennen, trifft’s wohl so ziemlich. Die 90 Minuten zerren an den (Magen-)Nerven, auch durch den überlauten Ton, der sich Stoß für Stoß ins Gehirn hämmert. Mit den Mitteln der Satire und der Karikatur, mit seinen absurden Charakteren und deren anarchistischen Handlungen, verwandelt McCarthy seinen Film in eine Farce auf den American Way of Life. Und der ist bei ihm weder so sauber glatt noch so scheinbar politisch korrekt, wie es die offiziellen USA gern hätten. Der Film „Stagecoach“ trug in der deutschsprachigen Fassung den Titel „Höllenfahrt nach Santa Fe“. Dem kann man sich, was den ersten Akt der Vienna Edit betrifft, nur anschließen. Man ist gespannt, was Paul McCarthy im kommenden Jahr zeigen wird.
- 6. 2018