Kunsthistorisches Museum Wien: Ganymed Nature

März 8, 2018 in Bühne

VON MICHAELA MOTTINGER

Furchtbarer Fischmarkt und frisch geköpfte Rosen

Die Strottern spielen auf der Klimt-Brücke auf. Bild: © Helmut Wimmer

Zum fünften Mal hält seit gestern Abend die Erfolgsserie „Ganymed“ Einzug ins Kunsthistorische Museum Wien; „Ganymed Nature“ heißt die neue Arbeit von Regisseurin Jacqueline Kornmüller – und sie ist genauso fantastisch wie ihre Vorgänger. Mit 25 darstellenden Künstlerinnen und Künstlern entwickelte Kornmüller ihre Inszenierung, in der sie diesmal die Natur zur Hauptdarstellerin macht.

Das exzellente Ensemble aus Musik, Theater und Tanz erweckt dabei die Gemäldegalerie zu neuem Leben. Sechs Kompositionen und sieben literarische Texte, inspiriert von den Meisterwerken des Hauses, werden direkt vor den Werken aufgeführt – ein unvergesslicher Eindruck, der an der einen oder anderen Stelle auch neue Sichtweisen auf Alte Meister eröffnet.

Mit brillant beklemmendem Humor seziert eingangs Peter Wolf „Am Beispiel des Hummers“ von US-Autor David Foster Wallace vor „Großer Fischmarkt“ von Joachim Sandrart. Welch ein Kontrast, das Fest der Meeresfrüchte auf dem Bild und die drastische Schilderung des schändlichen Umgangs mit dem Tier in der modernen Nahrungsmittelindustrie! „Augenschmaus der Speckfalte“ nennt sich ein launiger Text von Eva Menasse, den Katharina Stemberger vor dem „Venusfest“ von Peter Paul Rubens zum besten gibt. Fliegendes, kugelndes, wurlendes Puttenfleisch, ein riesiges nacktes Durcheinander, begleitet von Karlheinz Essl, der seine Komposition „Some Way Up“ über Rubens‘ „Gewitterlandschaften“ legt. Vor dem Werk entfesselt er spontan wie ein Wettermacher immer neue Stürme, lässt Regenmassen niederprasseln und erschafft elektronische Regenbogen.

Raphael von Bargen. Bild: © Helmut Wimmer

Peter Wolf. Bild: © Helmut Wimmer

Ein, wenn nicht das Highlight des Ganzen ist David Oberkoglers Vortrag „Der unnatürliche Mensch“ von Milena Michiko Flasar vor „Waldlandschaft“ von Gillis van Coninxloo. Inhalt: Erich bekommt den Schlüssel für die Nachbarswohnung zum Blumengießen und landet in einem Dschungel – auch der Gefühle -, in dem er sich nicht zurechtfinden kann. Bei seiner Odyssee durch Blüten und Blätter und vielleicht auch einem Panther spricht er Dinge an, die sonst lieber unausgesprochen bleiben, um am Ende zu erkennen, dass der Mensch nichts mehr als ein Teil der Natur ist.

Besonders bewegend ist Ahmet Altans „Das Geflüster des Schnees“, das Raphael von Bargen auf dem Fensterbrett neben Samuel van Hoogstratens „Alter Mann im Fenster“ spielt. Der türkische Schriftsteller und Journalist, der in Istanbul inhaftiert ist, gibt im Text seine Gedanken im Hochsicherheitstrakt wieder. Sein Anwalt konnte die Niederschrift aus dem Gefängnis schmuggeln und nach Wien schicken. Rania Mustafa Ali, die dieses Jahr mit dem Video „Flucht aus Syrien“ mehr als acht Millionen Menschen erreichte und seit einem Jahr in Wien lebt, zeigt vor dem Gemälde „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ von Orazio Lomi Gentileschi nicht nur ihren Film, sondern berichtet auch von den stillen Momenten ihrer Flucht.

Sona MacDonald, Philip Haas und Manu Mayr. Bild: © Helmut Wimmer

David Oberkogler. Bild: © Helmut Wimmer

 

 

 

 

 

 

 

Besonders auch die Station „schaun magst“ der Strottern. Klemens Lendl und David Müller spielen auf der Klimt-Brücke vor den berühmten Wand- und Weibsbildern. Neue Kompositionen steuerten des Weiteren Johanna Doderer mit „Natürlich Übernatürlich“ und das Duo Blech mit „Twilight Train“ bei. Neue Texte kamen zusätzlich von Franz Schuh, Vivien Löschner und Martin Pollack. Als Schlusspunkt schließlich erzählt Sona MacDonald vor der „Erzherzogin Marie Antoinette, Königin von Frankreich“ von Marie Louise Elisabeth Vigée-Leburn sehr persönlich und poetisch vom Tod ihres Vaters. Begleitet von Philip Haas und Manu Mayr singt sie dazu „The Last Rose of Summer“, und die unglückliche Habsburgerin hält dazu eine frisch geköpfte Rose in der Hand …

www.khm.at/ganymednature/

  1. 3. 2018