Diagonale 2016: Das Festivalprogramm
Februar 26, 2016 in Film
VON MICHAELA MOTTINGER
Vielfältiges Panorama des österreichischen Films

Nöstlinger-Verfilmung „Maikäfer flieg“: Zita Gaier als Kind Christine. Bild: Filmladen
Ab 8. März ist Graz mit der Diagonale 2016 wieder die Filmhauptstadt Österreichs. Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber, erstmals für das Festival verantwortlich, stellten dessen Programm am Freitagvormittag bei einer Pressekonferenz in Wien vor. Dieses umfasst 107 Filme, davon 103 im Wettbewerb, und wurde aus etwa 512 Einreichungen aller Genres und Längen zusammengestellt. 68 Filme feiern in Graz ihre Premiere, etwa zwei Drittel davon als Uraufführung. Präsentiert wird ein spannender Mix aus etablierten und neuen Namen.
Zu sehen sind unter anderem „Chucks“ von Sabine Hiebler und Gerhard Ertl (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=14796), „Einer von uns“ von Stephan Richter (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=15954), die Uraufführung von „Hannas schlafende Hunde“ von Andreas Gruber, die Österreichpremiere von Barbara Eders „Thank You for Bombing“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=17967) und Elisabeth Scharangs „Jack“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=14486). Auch die Dokus „Lampedusa im Winter“ von Jakob Brossmann (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=15764) und „Last Shelter“ von Gerald Igor Hauzenberger (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=16248) werden gezeigt. Der oscarnominierte Kurzfilm „Alles wird gut“ von Patrick Vollrath läuft außerhalb des Wettbewerbs. Höglinger und Schernhuber sehen die Diagonale als mehr denn „als bloße Filmschau“: „Das Programm der Diagonale ’16 stellt den österreichischen Film in seiner Vielfalt dar und formuliert ihm gegenüber eine Haltung. Sie erzeugt Kontexte, verweist geschichtssensibel auf historische Entwicklungsstränge und perspektivisch in die Zukunft.“
Eröffnet wird das Festival am 8. März mit der Weltpremiere von Mirjams Ungers Spielfilm „Maikäfer flieg“ (Rezension: www.mottingers-meinung.at/?p=17909) nach dem autobiografischen Roman von Christine Nöstlinger mit Ursula Strauss und Gerald Votava. Im Rahmen der Eröffnung wird die unvergleichliche Erni Mangold mit dem Großen Diagonale-Schauspielpreis 2016 gewürdigt (mehr dazu: www.mottingers-meinung.at/?p=17510). Die neue Programmreihe „Zur Person“ gibt Einblick in das facettenreiche Portfolio der Produzentin Gabriele Kranzelbinder, die auch für „Maikäfer flieg“ verantwortlich zeichnet. Sie wird persönlich in Graz anwesend sein und in einem Werkstattgespräch Einblicke in ihre Arbeitsweise geben.
Vielfältige Bezüge innerhalb des Programms eröffnet die neue Festivalschiene „In Referenz“, die österreichisches Kino mit sich selbst und mit ausgewählten internationalen Positionen in einen Dialog treten lässt. Einen solchen Anstoß für einen länder- und filmkulturübergreifenden Dialog stellen dabei beispielsweise die von Filmemacher Sebastian Brameshuber angeregte Vorführung von „Putty Hill“ von Matt Porterfield und die zugehörige Masterclass des US-amerikanischen Indie-Regisseurs in Graz dar. In seinem wegweisenden Dokumentarfilm „Und in der Mitte, da sind wir“, ebenfalls von Gabriele Kranzelbinder produziert, bezieht sich Brameshuber auf die Vergessens- und Verdrängungskultur hierzulande. Porterfields „Putty Hill“ hatte maßgeblichen Einfluss auf Sebastian Brameshubers Arbeit: „,Putty Hill‘ startet mit Bildern von maskierten, Paintball spielenden Gestalten. Als ich den Film 2010 sah, lag die von Jugendlichen mit Softguns ausgeführte ‚Störaktion‘ während der KZ-Befreiungsfeier von Ebensee, die mein Film umkreisen sollte, eineinhalb Jahre zurück. Drei Jahre zuvor waren Fotos des jungen Heinz-Christian Strache bei Wehrsportübungen aufgetaucht, der von einem ‚harmlosen Paintball-Spiel mit kleinen gelben Plastikkugeln‘ sprach“, sagt Brameshuber zu seiner Wahl.
Unter dem provokanten Titel „Österreich: zum Vergessen“ umkreisen die filmhistorischen Spezialprogramme von Österreichisches Filmmuseum, Filmarchiv Austria und Synema erstmals gemeinsam, aber mit verteilten Rollen, eine zentrale Phase österreichischer Film- und Zeitgeschichte – die Waldheim-Jahre. Zum Auftakt zu sehen ist die einzige bislang nie ausgestrahlte „Alltagsgeschichte“ von Elizabeth T. Spira. „Am Stammtisch“ versammelt Wirtshauszusammenkünfte in ganz Österreich. Was die Gesprächspartner dort mit erschreckendem Selbstbewusstsein zum besten geben, beschreibt einen gedanklichen Orbit, in dessen Zentrum Waldheim steht. Spiras Fernseharbeit wird dem US-amerikanischen Kinodokumentarfilm „Vienna Is Different: 50 Years after the Anschluss“ gegenübergestellt: Örtlich und geistig nicht ganz so eng gefasst kommt auch hier das Österreich des Jahres 1988 zum Sprechen. Klassiker wie „Die Ausgesperrten“ von Franz Novotny, „Die papierene Brücke“ von Ruth Beckermann oder „Der siebente Kontinent“ von Michael Haneke stehen für weitere Formen der Widerrede und sind sich zugleich nah in ihrer Suche nach den Verschränkungen von Politik, Geschichte und Gesellschaft. Michael Haneke wird bei der Diagonale zu Gast sein.
Als disziplinübergreifender Thinktank versteht sich das neu konzipierte Austria Film Meeting, das zwei Tage lang Strategien entwickelt, wie sich Gleichberechtigung und gesellschaftliche Diversität in Film und Fernsehen verwirklichen lassen. Und mit dem „Fernsehen“ und seinem Verhältnis zum Kino platziert die Diagonale ’16 eines der aktuell meist diskutierten Medienthemen zentral im Festivalprogramm. Zu den Höhepunkten jeder Diagonale zählt die Preisverleihung, bei der insgesamt 100.000 Euro an die Gewinner gehen. Am 12. März werden die beiden prominent besetzten Diagonale-Jurys für Spiel- und Dokumentarfilm im Orpheum Graz zahlreiche Auszeichnungen vergeben, darunter die heiß begehrten Großen Diagonale-Preise für den besten österreichischen Spiel- und Dokumentarfilm. Und natürlich gibt es auch wieder den Diagonale-Publikumspreis der Kleinen Zeitung.
Wien, 26. 2. 2016
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