Albertina: Hans Robert Pippal

Januar 21, 2016 in Ausstellung

VON RUDOLF MOTTINGER

Friedliche Bilder aus dem Nachkriegs-Wien

Hans Robert Pippal: Wien 8, Theater in der Josefstadt im Winter, um 1975 Bild: Albertina, Wien © Bildrecht, Wien, 2016

Hans Robert Pippal: Wien 8, Theater in der Josefstadt im Winter, um 1975
Bild: Albertina, Wien © Bildrecht, Wien, 2016

Hans Robert Pippal ist vielen vor allem durch seine charmanten Wien-Ansichten bekannt. Als der vielleicht „wienerischste“ österreichische Maler des 20. Jahrhunderts widmete sich Pippal ab den 1950er Jahren mit großer Leidenschaft seiner Heimatstadt und hielt sowohl repräsentative Straßen und Gebäude der Innenstadt als auch stimmungsvolle Ansichten der Wiener Außenbezirke fest. Wie kaum ein anderer verstand er es, die Atmosphäre der Stadt einzufangen.

Die Albertina würdigt das einzigartige und vielseitige Schaffen des Künstlers, das sich durch seinen ständigen Wechsel von Stilen und Techniken auszeichnet, ab 22. Jänner mit einer Personale. Von Martina Pippal, der Tochter des Künstlers, erhielt die Albertina eine umfangreiche Schenkung an Aquarellen, Pastellen, Zeichnungen und Skizzen, von denen Direktor Klaus Albrecht Schröder bei einer Pressekonferenz am Donnerstag eine repräsentative Auswahl präsentierte. „Sie können sich vorstellen, dass dies wahrlich ein ganz besonderer Tag für mich ist“, sagte Martina Pippal.

Hans Robert Pippal ist kein Revolutionär. Im Gegensatz zur Avantgarde der Moderne stürzt er sich nicht ins Abenteuer der Abstraktion. Sein Werk ist vielmehr als Spiegel seiner Zeit zu bezeichnen. Befruchtet wird es von der Nachkriegsatmosphäre in Wien, in der sich die Stadt und ihr Kunstleben nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs langsam erholen. Pippals Stadtporträts zeigen keine pulsierende Metropole der Moderne, sondern sind der Zeit entrückte, stille Ansichten voll Harmonie. Seine Werke werfen einen liebevollen Blick auf ein fröhliches, schönes, prosperierendes und vor allem – nach den Grauen des Krieges – friedliches Wien. In den Jahren des Wiederaufbaus lassen Pippals Bilder ein besseres, sorgloses Leben erahnen. Viele Ansichten entstehen im Winter, da die dann laublosen Bäume einen ungehinderten Blick auf die Architektur erlauben, die einer Stadt erst ihre Einzigartigkeit verleiht. Seine Damenporträts der 1950er Jahre atmen mit ihrer Eleganz und Üppigkeit den Geist der damaligen Sissi-Filme und verleihen damit der Hoffnung auf Prosperität und Frieden Ausdruck.

Auf zahlreichen Reisen nach Italien und Frankreich entstehen außerdem Veduten, in denen sich Pippal ganz von der Leichtigkeit und frischen Farbigkeit französischer Künstler wie Henri Matisse, Maurice Utrillo oder Raoul Dufy inspirieren lässt, die er auch in den von den Besatzungsmächten initiierten Präsentationen moderner französischer Kunst in Wien bewundern kann. Mit den vor Ort entstandenen Skizzen schafft Pippal in seinem Atelier im 8. Bezirk großformatigen Pastelle, die die Schönheit der besuchten Städte widerspiegeln.  In den parallel dazu entstehenden Stillleben und Interieurs zeigt sich seine Auseinandersetzung mit dem Kubismus. Auch wenn Pippal den damit eingeschlagenen Weg Richtung Abstraktion nicht weiter verfolgt, dienen ihm seine Arbeiten als Experimentierfeld, auf dem er sich größere Freiheit als in seiner Malerei zugesteht.

Das gesamte Werk des Künstlers ist geprägt von dem Wunsch, nach dem Krieg an die gegenständliche internationale Moderne anzuschließen. Während er sich bei seinen Städtebildern am Spätimpressionismus orientiert, knüpft er bei seinen ersten Illustrationen an Alfred Kubin an und folgt bei seinen wenigen Werken mit christlichen Inhalten dem Beispiel Georges Rouaults, einem Hauptvertreter moderner religiöser Malerei. Hans Robert Pippals Stilvielfalt ist keinesfalls ein beliebiger Eklektizismus, sondern erzählt vom Streben eines Malers, für seine jeweiligen Motive die stimmige künstlerische Ausdrucksform zu finden. Das macht sein künstlerisches Werk zu einem ganz individuellen Beitrag innerhalb der Geschichte der modernen bildenden Kunst in Österreich.
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Wien, 21. 1. 2016